Ist der Rosenkranz christlich?
Es wird behauptet, daß durch das Beten des Rosenkranzes Schlachten gewonnen worden seien, die gegen Ketzer und Ungläubige geführt wurden. Und Papst Leo XIII. gab zwölf Enzykliken heraus, in denen er die Katholiken zum Beten des Rosenkranzes ermahnte. Aber …
„DER größte Rosenkranz in Japan“, so bezeichnete die Nippon Times vom 10. März den oben abgebildeten Rosenkranz. Obwohl nicht genau gesagt wurde, wie lang er ist, vermittelt das Bild doch einigermaßen einen Begriff von seiner Länge. Es hieß dazu noch: „Die frommen Dorfbewohner glauben, daß sie das Dorf vor Unglück bewahren können, wenn sie mit diesem Rosenkranz millionenmal kurze Gebete hersagen.“
Dies mag den einen oder anderen unserer katholischen Leser zu dem Ausruf veranlassen: „Einen solchen Rosenkranz habe ich noch nie gesehen!“ Das mag zwar stimmen, aber du bist leider im Irrtum, wenn du glaubst, daß es nur katholische Rosenkränze gebe. Die Catholic Encyclopedia sagt: „Wir begegnen somit beinahe in allen Ländern einer Art Gebetsperlen oder Rosenkranzkügelchen.“ Rosenkränze waren im alten Ninive in Gebrauch und werden auch von den Moslems und den Buddhisten benutzt. Ja die ersten katholischen Missionare, die nach Indien, Japan und Mexiko kamen, mußten zu ihrer Überraschung feststellen, daß die Bevölkerung in jenen Ländern den Rosenkranz benutzte.
Heute fordert die katholische Kirche zu vermehrtem Gebrauch des Rosenkranzes auf. An der Spitze des Feldzuges steht [in den USA] Pfarrer Patrick Peyton mit seinem „Familiengebets-Kreuzzug“. Unter anderen Dingen werden in großen Städten riesige Rosenkranz-Tagungen veranstaltet, die oft von fünfzig- bis siebzigtausend Katholiken besucht werden. Außerdem wird in Zeitungen und an Plakatwänden für den Rosenkranz Reklame gemacht.
Aber nicht nur „Anglokatholiken“ fordern zum Gebrauch des Rosenkranzes auf, sondern auch protestantische Geistliche. Da ist zum Beispiel Rudolf Wissler, der in dem Rocklander (New Yorker) Blatt Independent vom 7. Februar 1957 schrieb: „Eine Art protestantischer Rosenkranz könnte zu einer Vertiefung des Glaubens führen.“ Er begründet seine Ansicht über den Gebrauch des Rosenkranzes in der protestantischen Kirche damit, daß ja auch die Moslems und die Buddhisten den Rosenkranz benutzen.
Um zum Beten des Rosenkranzes zu ermuntern, werden großzügige Ablässe angeboten. Jemand, der neun Tage lang jeden Tag einmal den Rosenkranz betet, was als eine „Rosenkranz-Novene“ bezeichnet wird, bekommt einen vollkommenen Ablaß. Je nachdem, welchen Rosenkranz man benutzt, kann man jedesmal, wenn man ihn betet, einen unvollkommenen Ablaß für eine Zeit bis zu 27 000 Tagen empfangen.
Ohne Zweifel entsteht dadurch eine Anzahl Fragen. Woraus besteht ein Rosenkranz denn überhaupt? Welche Gebete sind damit verbunden? Und wie steht es mit den Wohltaten, die ihm zugeschrieben werden? Wird das Beten des Rosenkranzes von der Bibel gestützt? Ist der Rosenkranz christlich?
DER ROSENKRANZ MIT SEINEN GEBETEN
Die heute übliche Form des Rosenkranzes (Kranz aus Rosen) und dessen Gebrauch sollen sich allmählich entwickelt und mit Wiederholungen des Vaterunsers begonnen haben. „Erst in der Mitte des zwölften Jahrhunderts kam das Ave-Maria [oder der Englische Gruß] als Gebetsformel allgemein in Gebrauch“, heißt es in der Catholic Encyclopedia. In Verbindung mit der Geschichte des Rosenkranzes am meisten genannt wird der Gründer des Dominikanerordens. Doch nach der erwähnten Autorität ist dieser weder für die Einführung des Rosenkranzes noch für seine heutige Form verantwortlich.
Genau gesagt, ist ein Rosenkranz eine aus verschiedenen Kügelchen bestehende Kette. Der ganze oder große Rosenkranz besteht aus fünfzehn „Dekaden“ oder Serien von zehn kleinen Perlen, die je durch eine größere Perle abgeteilt sind, und er hat meistens auch ein Kruzifix und eine Medaille. Der als der gewöhnliche Rosenkranz bekannte umfaßt etwa ein Drittel des großen, er besteht aus nur fünf Dekaden kleiner Kügelchen, die durch fünf größere Perlen abgeteilt sind. Die Enden dieser Kette werden durch eine Medaille zusammengehalten, die ein Bild Marias trägt. Nach dieser Medaille folgen noch drei kleine Perlen, zwei große und ein Kruzifix (siehe Illustration).
Das Beten des Rosenkranzes umfaßt folgendes: das „Apostolische Glaubensbekenntnis“, das Vaterunser, der Englische Gruß [Ave Maria], das Gloria und fünf „Geheimnisse“. Es steht dem Betenden frei, noch ein Gebet an die „Mutter Gottes“ und die Schlußgebete hinzuzufügen. Das sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis, mit dem der Rosenkranz beginnt, ist ohne Zweifel den meisten unserer Leser bekannta, ebenso das Vaterunser oder das Gebet des Herrn. (Matth. 6:9-13, AB) Das Ave-Maria stützt sich auf die Worte, mit denen der Engel Gabriel und Elisabeth Maria begrüßten. Diesen Worten wurde noch ein von katholischen Theologen verfaßtes Gebet an Maria hinzugefügt, und so lautet es nun wie folgt: „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes! Amen.“ Das Gloria besteht aus folgenden Worten: „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste. Wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.“ Die Geheimnisse, von denen drei Serien von je fünf Geheimnissen erwähnt werden, sind die „freudenreichen“, die „schmerzensreichen“ und die „glorreichen“. Sie beziehen sich auf die Ereignisse oder angeblichen Ereignisse im Leben Jesu und seiner Mutter Maria und werden an bestimmten Tagen hergesagt. Zum Beispiel: „Das erste freudenreiche Geheimnis: Maria willigt ein, die Mutter des Sohnes Gottes zu werdenb.“
Der Rosenkranz beginnt mit dem „Apostolischen Glaubensbekenntnis“, wobei der Betende das Kruzifix umfaßt. Dann wird bei jeder großen Perle das Paternoster oder (auf Deutsch) das „Vaterunser“ gebetet und bei jeder kleinen Perle ein Ave-Maria. Der Zyklus beginnt mit der Erwähnung eines der Geheimnisse und schließt mit einem Gloria ab. [Am Ende jedes Zyklus soll über das Geheimnis, das zu dessen Anfang erwähnt wurde, etwas meditiert, d. h. nachgesonnen werden.] Der Rosenkranz umfaßt also insgesamt dreiundfünfzig Ave-Maria, sechs Vaterunser, fünf Geheimnisse [dazu fünf Meditationen über die Geheimnisse], fünf Glorias und ein „Apostolisches Glaubensbekenntnis“. Auch wenn schnell gebetet wird, braucht man dazu mindestens eine Viertelstunde.
IST ER ABER CHRISTLICH?
Befürwortet Gottes Wort eine solche Wiederholung von Gebeten? Nein. Jesus sagte: „Doch wenn ihr betet, sagt nicht immer und immer wieder dasselbe, so wie die Menschen der Nationen es tun, denn sie bilden sich ein, gehört zu werden, weil sie viele Worte machen. So stellt euch ihnen nicht gleich, denn Gott, euer Vater, weiß, was ihr benötigt, schon ehe ihr ihn nur bittet.“ Wie gut erkannte Jesus doch die Neigung der Menschen, Gebete zu wiederholen! Und angesichts seiner Warnung hat die Tatsache, daß die Benutzung des Rosenkranzes unter den Menschen der Nationen so weit verbreitet ist, gar nichts zu sagen. — Matth. 6:7, 8, NW.
Verfechter des Rosenkranzes suchen die Worte Jesu ihrer Wirkung zu berauben, indem sie auf Offenbarung 4:8 hinweisen, wo das Wort „heilig“ dreimal vorkommt: „Heilig, heilig, heilig.“ Aber es ist etwas ganz anderes, ob in einem Gebet ein Wort zweimal wiederholt wird, so daß es im ganzen dreimal vorkommt, oder ob die einundvierzig Wörter im Ave-Maria zweiundfünfzigmal wiederholt werden, was insgesamt 2173 Wörter ausmacht, abgesehen von den anderen Wiederholungen, die der Rosenkranz enthält. Daß etwas zweimal wiederholt wird, um es zu betonen, finden wir überall in der Heiligen Schrift, und das hat auch einen Sinn. So betete zum Beispiel Jesus, als er sich seiner größten Prüfung gegenübersah, dreimal zu Jehova, seinem Vater. Und Paulus bat Gott dreimal, ihn von einem gewissen „Dorn im Fleische“ zu befreien. Aber nichts in der Schrift deutet darauf hin, daß Jesus und Paulus diese Gebete auswendig gelernt oder sie bei anderen Gelegenheiten in ihrem Leben benutzt hätten. Sie wurden aus der schweren Prüfung heraus geboren, die über sie kam. — Matth. 26:39-44; 2. Kor. 12:7.
Da das Beten des Rosenkranzes verlangt, daß man die verschiedenen Teile auswendig kennt und sie in der richtigen Reihenfolge hersagt, wird es eher zu einer Gedächtnisprüfung als zu einem spontanen, aus dem Herzen kommenden Gebet. Außerdem werden die Gedanken des Betenden unwillkürlich auf Reisen gehen, wenn er in einem Gebet dreiundfünfzigmal dieselben Worte sagen muß. Diese Wiederholung von Gebeten ist lediglich eine weitere Art der Gebetsmühlen, die in gewissen östlichen Religionen benutzt werden. Eine Gebetsmühle besteht aus einem Zylinder, der mit Papierstreifen gefüllt wird, die mit Gebeten beschrieben sind. Bei jeder Umdrehung des Zylinders werden die Gebete angeblich wiederholt.
Das ist aber noch nicht alles. Das Ave-Maria wird neunmal mehr gebetet als das Paternoster oder Vaterunser, nämlich dreiundfünfzigmal, verglichen mit sechsmal. Ist das von Menschen verfaßte und an Maria gerichtete Gebet neunmal wichtiger oder wirksamer als das von Jesus gelehrte Gebet, das an Gott selbst gerichtet wird? Tatsache ist, daß wir in der Bibel suchen können, wo wir wollen, wir werden nirgends etwas davon lesen, daß jemand durch die Fürbitte Marias Zutritt bei Gott oder Jesus zu erlangen suchte.
KEINE WOHLTATEN
Was die Ablässe betrifft, die für das Beten des Rosenkranzes gewährt werden, entsteht die Frage: Wie kann jemand in den Genuß dieser Wohltaten gelangen, wenn wir in Gottes Wort doch nirgends ein Wort über ein Fegefeuer lesen? Statt dessen sagt uns dieses Wort deutlich: „Der Lohn, den Sünde zahlt, ist der Tod.“ „Er [der Mensch] kehrt wieder zu seiner Erde; am gleichen Tage schwinden seine Gedanken dahin.“ Die Toten „wissen gar nichts“. Die Hoffnung des Menschen beruht in einer Auferstehung der Toten, „sowohl der Gerechten wie der Ungerechten“. — Röm. 6:23; Ps. 146:4; Pred. 9:5; Apg. 24:15, NW.
Was die Vergebung unserer Sünden betrifft, wird uns die Zusicherung gegeben, daß „das Blut Jesu, seines Sohnes, uns von aller Sünde reinigt“. Und „wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, so daß er uns unsere Sünden vergibt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt“. — 1. Joh. 1:7, 9, NW.
Das Beten des Rosenkranzes, bei dem das Ave-Maria dreiundfünfzigmal gesprochen wird, steht in krassem Widerspruch mit den Worten Jesu, der ausdrücklich sagte, daß man „nicht immer und immer wieder dasselbe“ sagen sollte. Die Tatsache, daß der Rosenkranz außerhalb der angeblich christlichen Länder so stark verbreitet ist, läßt darauf schließen, daß er heidnischen Ursprungs ist. Und dasselbe ist auch von der damit in Verbindung stehenden Verehrung Marias zu sagen, von der Gewährung von Ablässen für das Beten des Rosenkranzes und von der Behauptung, daß es Siege bewirkt habe und daß dadurch die Leiden im Fegefeuer gelindert würden. Nichts von alledem wird durch die Heilige Schrift gestützt, jedoch finden wir Parallelen dafür in den heidnischen Religionen.
Kann man also angesichts all dieser Tatsachen sagen, der Rosenkranz sei christlich? Nein, das kann man nicht!
[Fußnoten]
a Siehe Erwachet! v. 22. Juni 1957.
b „Freudenreiche Geheimnisse: 1. Die Verkündigung. 2. Der Besuch Marias bei Elisabeth. 3. Die Geburt Christi. 4. Die Aufopferung des Jesuskindes im Tempel. 5. Die Wiederfindung Jesu im Tempel. Schmerzensreiche Geheimnisse: 1. Die Todesangst im Garten. 2. Die Geißelung an der Säule. 3. Die Dornenkrönung. 4. Die Kreuztragung. 5. Die Kreuzigung. Die glorreichen Geheimnisse: 1. Christi Auferstehung. 2. Christi Himmelfahrt. 3. Die Sendung des Heiligen Geistes. 4. Mariä Himmelfahrt. 5. Mariä Krönung im Himmel.“ — Religion: Doctrine and Practice, Cassily.