Mein Lebensziel verfolgend
von Olaf Olson erzählt
ALS ich eines Abends — es war im Jahre 1932 — in mein Zimmer in einer Pension zurückkehrte, hielt ich unterwegs noch bei einem Freunde an, um ihn zu besuchen. Während wir miteinander plauderten, nahm ich eine Broschüre in die Hand, betitelt „Hölle“, die auf seiner Kommode lag. Er fragte mich, ob ich sie lesen möchte, und so nahm ich sie mit heim, da ich wissen wollte, was über diesen Ort gesagt würde. Später kam ein Mann in den Friseurladen und wünschte gegen einen Haarschnitt mir einige Broschüren der gleichen Art zu überlassen. Danach schrieb ich der Gesellschaft, mir noch weitere Bücher zu senden, denn das war gerade das, was ich gewünscht hatte. Eines Tages besuchte mich meine Tante, eine fromme Lutheranerin, um zu erfahren, was all dies denn zu bedeuten habe, doch konnte ich die Dinge, die ich gelernt hatte, anhand der Bibel verteidigen. Dann besuchte ich auch den Prediger des Ortes, um ihm einige Fragen zu stellen, und war danach noch überzeugter, daß man dort nicht die Wahrheit lehrte.
Weil ich mit keiner Versammlung der Zeugen Jehovas Fühlung hatte, hatte ich keine Gelegenheit, Anweisungen zu erhalten. So fing ich denn an zu predigen, geradeso, wie ich dachte, daß es am besten sei. Doch nicht lange, und ich kam an eine Tür, an der die Dame fragte, wie es komme, daß ich in ihrem Gebiet arbeite. „Gebiet?“ fragte ich sie. „Meine Dame, ich suche lediglich jemanden zu finden, der diese Bücher lesen möchte!“ Die Schwester riet mir, doch die Versammlungen der Zeugen Jehovas in St. Paul, Minnesota, zu besuchen, um nähere Anweisungen zu erhalten. Das war hundertsechzig Kilometer weit weg, aber ich ging hin.
In der Versammlung traf ich zwei Pioniere, die mir empfahlen, einen Pionierbewerbungsbogen auszufüllen und die Gesellschaft zu bitten, mir Gebiet in der Nähe meiner Wohnung zu geben. Das tat ich und richtete meinen Wagen auch so ein, daß ich darin schlafen konnte, wenn ich Landgebiet bearbeitete. Als ich nach Hause kam, fand ich, daß meine Gebietszuteilung und Literatur bereits von der Gesellschaft eingetroffen waren, und so war ich nun bereit, mein Lebensziel als Pionier zu verfolgen. Das war im Jahre 1933; doch erst am 9. August 1934 erhielt ich Gelegenheit, mich taufen zu lassen. Zwei Tage nach meiner Taufe schloß ich mich zwei jungen Brüdern in Michigan, USA, an, und jenen Herbst arbeiteten wir südwärts gegen den Golf von Mexiko zu und gaben in Wisconsin, Kentucky, Mississippi und danach in Luisiana Zeugnis. Es war für uns eine wunderbare Zeit!
Im Frühling war ich wieder im nördlichen Teil des Staates Michigan. Jenen Sommer wurde ich das erste Mal in meinem Leben verhaftet, und zwar, weil ich Gottes Wort gepredigt hatte. Ich verlor den Fall und mußte zehn Tage ins Bezirksgefängnis. Ich freute mich über die Ruhe und benutzte die Zeit, um zu lesen und zu predigen.
Im nächsten Jahr zog ich südwärts. Man hatte bekanntgegeben, daß eine Versammlung in New Jersey stattfinden sollte. So nahm ich einige Freunde in Chikago mit, und wir machten die Reise zusammen. Von dort begab ich mich nach Alabama, Kentucky, und dann nach Evansville, Indiana. Es gab viel Gebiet, das durchzuarbeiten war, und ich war bereit, den Dienst zu tun.
Im Jahre 1937 hörte ich anläßlich des Kongresses in Columbus, Ohio, etwas von einem „Stoßtrupp“ („flying squad“). Ich war bereit, mitzumachen, doch hoffte ich, die Gesellschaft werde mich für eine Stadt in Kentucky einteilen, da ich nur Sommerkleidung besaß. Statt dessen erhielt ich eine Gebietszuteilung in Milwaukee, Wisconsin. Als ich im November in meinem neuen Gebiet ankam, schneite es — und da stand ich nun in meinem Sommeranzug! Aber Jehova hat verheißen, daß er für unsere Lebensnotwendigkeiten sorgt, wenn wir zuerst um die Interessen seines Königreiches besorgt sind, und gleich am Tag nach meiner Ankunft nahm mich die gute Schwester, bei der ich meinen Wohnwagen parkte, mit in einen Laden und kaufte mir alles, was ich an warmen Winterkleidern brauchte. Im Januar wurde es so bitter kalt, daß ich den Wohnwagen mitnehmen und ihn in einer Straße meines Gebietes aufstellen mußte, damit ich hingehen und mich hin und wieder etwas wärmen konnte, wenn mich die Leute nicht baten, einzutreten. Die Quote war 150 Felddienststunden im Monat, und ich arbeitete mit dem Grammophon; daher konnte ich es mir nicht leisten, auch nur einen Tag ausfallen zu lassen. Ich blieb etwa zwei Jahre in Milwaukee; dann, im Jahre 1939, wurde meine Zuteilung auf Chikago umgeändert.
Im Jahre 1940, einem Jahr heftiger Verfolgung, arbeitete ich als allgemeiner Pionier in Bloomington, Illinois. Überall gab es Pöbelaktionen. Die Leute wurden rasend. Jeder sah schwarz oder meinte, überall Personen der Fünften Kolonne zu sehen. Um jene Zeit nahm ich an der Zirkulation einer Petition um Gottesdienstfreiheit teil und an der Verbreitung der Broschüre Judge Rutherford Uncovers Fifth Column [Richter Rutherford enthüllt die Fünfte Kolonne]. Außerdem kämpfte ich drei Monate vor Gericht um das Recht, biblische Schriften auf der Straße verbreiten zu können. Bald wurde ich nach Lake Forest, Illinois, gesandt, wo der Kampf um die Freiheit der Gottesanbetung weiterging. Nicht jedermann schätzte die Königreichsbotschaft, und wenn sich jemand beschwerte, holte mich die Polizei; aber meistens brachte sie mich wieder in mein Gebiet zurück! Ich blieb dort, bis ich das Gebiet viermal durchgearbeitet hatte, und übernahm dann ein anderes Gebiet.
Im Jahre 1942 hörte ich von der Gileadschule, und im Herbst des Jahres 1943 wurde ich — nach der Hauptversammlung in Minneapolis — ein Glied der zweiten Klasse. Mit so viel Brüdern und Schwestern zusammen zur Schule zu gehen glich dem Leben in einer neuen Welt!
Nach der Absolvierung der Gileadschule wurde ich nach Chikago ins Zeugniswerk gesandt, da ich noch auf das Visum für Kolumbien warten mußte. Im Juli 1945 rief mich die Gesellschaft nach Brooklyn, wo ich bis Dezember arbeitete, bis nämlich alle meine Papiere für die Reise bereitlagen. Niemand schien viel über Kolumbien zu wissen, doch gaben mir die Missionare, die schon im Lande wirkten, hilfreichen Aufschluß.
Am 20. Dezember 1945 kam ich in Bogotá, Kolumbien, an, und im Missionarheim war ein Zimmer für mich bereit. Gleich am folgenden Tage begleitete ich einen der Missionare, um zu lernen, wie man in Spanisch den Kolumbiern predigt. Am Tage darauf arbeitete ich allein. Zuerst konnte ich nur das Buch vorzeigen, den Preis nennen und die Leute einen Blick in die Schriften werfen lassen, und viele nahmen solche entgegen. Ich fand, daß ich die Sprache am besten dadurch lernte, daß ich mit Menschen zusammen war, die kein Englisch sprachen. Täglich hörte ich sie sprechen und konnte von einem zum anderen Mal etwas mehr verstehen. Das erste Jahr war das schwerste, aber dann konnte ich schon mehr Nachbesuche machen und Heimbibelstudien durchführen. Nach zwei Jahren begann für mich die Zeit, da ich mich in meinem Gebiet wie zu Hause fühlte. Hätte ich fortwährend an das Land zurückgedacht, das ich verlassen hatte, so wäre ich unglücklich gewesen, aber ich hatte mich entschlossen, mit Leib und Sinn nun in Kolumbien zu leben, mir die Brüder und Schwestern in der Wahrheit zu Freunden zu machen und mein Leben mit dem Evangeliumsdienst auszufüllen, und so wurde mir mein Gebiet bald zur Heimat.
Nach sechzehn Monaten Aufenthalt in Bogotá wurde ich am 4. Mai 1947 nach Barranquilla gesandt, das an der Nordküste liegt. Schon vor meiner Ankunft waren einige Missionare dort, und vier Verkündiger arbeiteten bereits. Im September des darauffolgenden Jahres zählten wir dreißig Verkündiger und zogen dann in ein anderes Heim nach der Stadtmitte um. Binnen kurzem mußten wir von neuem umziehen, diesmal in ein Haus mit einem Saal, der groß genug war, um zweihundert Personen unterzubringen. Auch dieser wurde wieder zu klein. Somit wurde von neuem eine Teilgruppe gegründet. Die Mehrung hielt an, und bald mußten zwei Wände herausgebrochen werden, damit es mehr Platz gab, und eine dritte Teilgruppe wurde organisiert. Wir haben hier in Barranquilla viele größere Versammlungen abgehalten, und diese haben zu dem Wachstum des Werkes sehr beigetragen. Folglich hatten wir im Januar 1959 hier sieben Teilgruppen mit insgesamt mehr als fünfhundert Verkündigern, und wir planen, bald wieder zwei neue Teilgruppen zu gründen. Es gibt hier viele „Schafe“ Jehovas, und wir sind dankbar, daß er uns hierhergesandt hat, um sie zu suchen und zu weiden.
Allerdings ist dazu Arbeit erforderlich, aber sie lohnt sich, und welch unvergleichlicher Segen ist es doch, zu sehen, daß Leute, die nie zuvor eine Bibel besaßen, etwas von Gott und seinem Vorhaben erfahren, sich ihm hingeben und sich dann daranmachen, auch andere darüber zu belehren, ja vielleicht sogar das Vorrecht des Dienstes als Pionier oder Sonderpionier zu ergreifen und sogar der Gileadschule entgegenzublicken.
Jehova hat gut für uns gesorgt, so daß wir unsere ganze Zeit und all unsere Anstrengungen auf den Felddienst konzentrieren konnten. Wir machten Nachbesuche, führten Heimbibelstudien durch, schulten neue Verkündiger, organisierten Versammlungen, halfen den Brüdern, und nun sehen wir, wie das Werk voranschreitet. Es ist eine Freude, die theokratische Ausdehnung in Kolumbien mitanzusehen, wobei siebzehn Missionare, einhundertundzwanzig Pioniere am Orte und neunundzwanzig Versammlungen mit insgesamt über tausend Verkündigern in Tätigkeit sind.
Wir freuen uns auch, wenn andere Verkündiger nach Kolumbien kommen und sich uns hier im Predigtdienste anschließen, wo Hilfe immer noch dringend not tut. Zehn von den insgesamt dreizehn Millionen Einwohnern warten immer noch darauf, die gute Botschaft vom Königreiche Jehovas zu hören. Möchtest du zu denen gehören, die hierherkommen, um sie ihnen zu erzählen?