Die Apokryphen — von Gott oder von Menschen?
STAMMEN die Apokryphen von Gott oder von Menschen? Sind sie ein Teil der ganzen „Schrift … [die] von Gott inspiriert“ und nützlich ist, um uns „völlig geschickt“ zu machen, „vollständig ausgerüstet für jedes gute Werk“? Oder gehören sie zu „der Überlieferung der Menschen“, zu den „elementaren Dingen der Welt“, vor denen der Apostel Paulus die Christen warnte? Was beweisen die Tatsachen? — 2. Tim. 3:16, 17; Kol. 2:8, NW.
Die ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks „Apokryphen“ zeigt sich darin, wie Jesus ihn anwandte: „Da ist nichts verborgen, was nicht kundwerden wird, noch irgend etwas sorgsam geheimgehalten, was nie bekanntwerden wird“, sagte er. Mit der Zeit erhielt der Ausdruck jedoch eine weniger vorteilhafte Nebenbedeutung, nämlich „Schriften oder Erklärungen, deren Quelle oder Urheberschaft zweifelhaft ist“. Die Bezeichnung „Die Apokryphen“ wird heute meistens auf die elf zusätzlichen Schriften angewandt, die von der römisch-katholischen Kirche auf dem Konzil zu Trient (1546) als kanonisch erklärt wurden, von anderer Seite jedoch angefochten werden. — Luk. 8:17, NW.
Diese elf zusätzlichen Schriften sind: Tobias, Judith, Die Weisheit (Salomos), Jesus Sirach (Ecclesiasticus), Baruch, 1. Makkabäer und 2. Makkabäer, die Zusätze zu Esther und die drei Zusätze zu Daniel: Der Lobgesang der drei Jünglinge, Susanna (und die Ältesten) und die Zerstörung des Bel und die Tötung des Drachen. Katholische Schriftsteller bezeichnen diese Bücher als deutero-kanonisch, was „vom zweiten (oder späteren) Kanon“ bedeutet, zum Unterschied von proto-kanonisch.
DIE GESCHICHTE DER APOKRYPHEN
Über die Zeit der Entstehung und die Verfasser der verschiedenen Bücher der Apokryphen ist wenig bekannt. Die Anhaltspunkte, die man hat, weisen auf das zweite und erste Jahrhundert v. Chr. hin. Die griechische Septuaginta-Übersetzung enthielt die Apokryphen ursprünglich nicht, sie wurden ihr erst später hinzugefügt. Durch Hieronymus, der als Grundlage für seine lateinische Vulgata-Übersetzung die Septuaginta benutzte, fanden die Apokryphen Eingang in die katholische Bibel.
Die apokryphischen Schriften wurden in der Septuaginta überall dort eingefügt, wo sie am besten hineinzupassen schienen, und niemand änderte daran etwas, bis zur Reformation. Luther faßte sie dann auf Veranlassung des hervorragenden, radikalen Reformators Karlstadt zusammen und fügte sie zwischen den Hebräischen und den Christlichen Griechischen Schriften ein. Er sagte auch, daß diese der übrigen Schrift nicht gleich zu achten seien.
Der große Bibelfreund Wiklif, der über hundert Jahre vorher lebte, hatte keines der apokryphischen Bücher in seine Übersetzung aufgenommen. Coverdale, der im Jahre 1535 die erste gedruckte englische Bibel herausgab, nahm die Apokryphen jedoch wieder darin auf. Auch die King-James-Übersetzung, die im Jahre 1611 herauskam, enthielt die Apokryphen. Ja George Abbott, der Erzbischof von Canterbury, gab sogar eine Verfügung heraus, wonach jeder, der es wage, eine Bibel ohne die Apokryphen zu veröffentlichen, mit einem Jahr Gefängnis bestraft werden sollte! Beiläufig wäre noch zu erwähnen, daß diese protestantischen, englischen Bibeln vierzehn apokryphische Bücher enthielten, wogegen die römisch-katholische Kirche es für gut befand, auf ihrem Konzil zu Trient drei der apokryphischen Bücher, die die Vulgata enthielt, zu verwerfen, nämlich das Gebet Manasses und das 1. und 2. Buch Esra (in der Septuaginta als 3. und 4. Buch Esra bekannt, da in dieser Übersetzung die Bücher Esra [Esdras] und Nehemia als 1. und 2. Buch Esra bezeichnet werden).
Die Apokryphen sollten jedoch nicht in den englischen, protestantischen Bibeln bleiben. Die religiösen Eiferer, die Puritaner, waren so sehr gegen diese Schriften, daß man sie als „Bekämpfer der Apokryphen“ verschrie. Einen ähnlichen Eifer bekundeten die schottischen Protestanten, die sich ihrer Sache so sicher fühlten, daß sie der Britischen Bibelgesellschaft das Ultimatum stellten: Entweder verschwinden die Apokryphen aus der Bibel oder wir entziehen euch unsere finanzielle Unterstützung!
Gegenwärtig wächst die Beliebtheit der Apokryphen wieder. Liberale und modernistische Bibelgelehrte und Theologen behaupten, die Apokryphen hätten die Entstehung der christlichen Religion beeinflußt, und um diese richtig zu verstehen, müsse man daher auch die Apokryphen kennen. Sie sind der Ansicht, daß die Bibel ohne die Apokryphen nicht vollständig sei und daß diese mehr gelesen und ernster genommen werden sollten. Man fragt sich deshalb: Welchen Vorzug hat das Buch Prediger vor dem Buch Weisheit und dem Buch Baruch? Weshalb sollte das Buch Esther zum Bibelkanon gehören und das Buch Judith nicht? Warum sind die Bücher 1. und 2. Chronika in die Bibel aufgenommen worden, nicht aber 1. und 2. Makkabäer?
Wir stehen demnach zwei entgegengesetzten Ansichten über die Apokryphen gegenüber, die zu demselben Ergebnis führen: Die Liberalen und die Modernisten, die nicht an eine göttliche Inspiration oder Offenbarung glauben, behaupten, die Apokryphen seien ebenso wertvoll wie die übrigen Bibelbücher. Die römisch-katholischen Theologen, die glauben, die Apokryphen seien inspiriert, sind ebenfalls der Meinung, die Apokryphen seien ebenso wertvoll wie die übrigen Bücher der Bibel und gehörten deshalb dazu. Die Tatsachen werden jedoch zeigen, daß beide Seiten im Irrtum sind.
AUSSERAPOKRYPHISCHE BEWEISE GEGEN DIE APOKRYPHEN
Da die Echtheit der Bibel in den Spalten dieser Zeitschrift durch Beweise, wie die Erfüllung von Prophezeiungen, archäologische Entdeckungen, ihre Harmonie, die Offenheit der Schreiber usw., wiederholt vor Augen geführt wurde, setzen wir diese Betrachtung anhand außerapokryphischer Beweise und anhand von Beweisen aus den Apokryphen selbst fort, um zu zeigen, daß diese unmöglich inspiriert sein können. Der beste außerapokryphische Beweis ist wohl die Tatsache, daß keiner der christlichen Bibelschreiber je auf die Apokryphen Bezug nimmt, obwohl sie sich zweifellos der Septuaginta bedienten, die zu ihrer Zeit die Apokryphen enthielt. Obwohl zugegeben werden muß, daß dies an sich nicht ausschlaggebend ist — denn diese Schreiber führten auch gewisse kanonische Bücher, zum Beispiel das Buch Esther, Prediger und das Hohelied, nicht an —, so läßt die Tatsache, daß sie aus den vierzehn Schriften der Apokryphen, die in der Septuaginta enthalten sind, keine einzige Stelle anführen, doch erkennen, daß sie es absichtlich nicht taten.
Ein weiteres Argument, das gegen die kanonische Echtheit der Apokryphen spricht, ist die Tatsache, daß keines dieser Bücher weder von der großen Synagoge der palästinischen Juden noch von dem Geschichtsschreiber Josephus oder von Philo, dem namhaften jüdischen Apologeten des ersten Jahrhunderts, als inspiriert anerkannt wurden. Ihre Sammlung der Hebräischen Schriften enthielt nur vierundzwanzig Bücher, die den neununddreißig Büchern entsprechen, die allgemein als zum hebräischen Bibelkanon gehörend anerkannt werden. (In hebräischen Bibeln werden 1. und 2. Samuel, 1. und 2. Könige, 1. und 2. Chronika, Esra und Nehemia als vier anstatt als acht Bücher gerechnet, und die zwölf kleinen Propheten, von Hosea bis Maleachi, gelten nur als e i n Buch.)
Von nicht geringer Bedeutung ist ferner die Tatsache, daß führende Bibelgelehrte und „Kirchenväter“ der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung den Apokryphen entschieden eine untergeordnete Stellung einräumten. Es scheint auch, daß, je mehr Kenntnisse diese Bibelgelehrten besaßen, sie desto mehr die Apokryphen bekämpften. So war Augustin, der zur Anerkennung der Apokryphen neigte, bei weitem kein so großer Bibelgelehrter wie Hieronymus, der Übersetzer der Vulgata, der einer Bekannten namens Läta in bezug auf die Erziehung ihrer Tochter einmal folgendes schrieb: „Alle apokryphischen Bücher sollten gemieden werden … sie sind nicht die Werke der Verfasser, deren Namen sie tragen … sie enthalten viel Fehlerhaftes … Es ist eine Aufgabe, die viel Vorsicht erfordert, Gold im Lehm zu finden.“ — McClintock & Strongs Cyclopaedia, Band 1, S. 290.
1. UND 2. MAKKABÄER, BARUCH
Das bedeutendste Buch der Apokryphen ist das 1. Makkabäerbuch. Sein Verfasser ist unbekannt, und man weiß auch nicht, wann es geschrieben wurde. Es enthält ein Stück jüdische Geschichte und umfaßt vierzig Jahre (von 175 v. Chr. bis 135 v. Chr.). Es ist „einfach, kurz und bündig und sachlich geschrieben“, was beachtenswert ist, da es doch die Tapferkeit und den religiösen Eifer eines gewissen Matthathias und seiner vier Söhne, der Gründer und Führer des Makkabäerreiches preist. Es ist ein guter Geschichtsbericht; aber stammt er von Gott oder von Menschen?
Zweifellos von Menschen. Die Jewish Encyclopedia sagt deshalb, daß der darin wiedergegebene „Geschichtsbericht vom menschlichen Standpunkt aus geschrieben“ sei. Sein Verfasser scheint ein Sadduzäer gewesen zu sein, denn er verschweigt die Verbrechen, die die Oberpriester damals begingen, was zeigt, daß er nicht ganz objektiv war. Eine weitere Autorität bemüht sich, die „wenigen historischen und geographischen Ungenauigkeiten“ darin zu entschuldigen; in den von Gott inspirierten Geschichtsberichten finden wir jedoch keine solchen Fehler. Nicht nur das; wir finden im 1. Makkabäerbuch auch keine Prophezeiungen, keine Berichte über Wunder, keine Hinweise auf den Messias und die Auferstehungshoffnung. Der Verfasser vermeidet es auch geflissentlich, den Schöpfer als „Gott“ oder „Jehova“ zu bezeichnen. Wieviel vorzüglicher ist in dieser Hinsicht doch das inspirierte Buch 1. Chronika!
Und was ist über das 2. Makkabäerbuch zu sagen? Es ist nicht, wie zu erwarten wäre, eine chronologische Fortsetzung des 1. Makkabäerbuches, wie das bei den Büchern Chronika der Fall ist. Es wurde völlig unabhängig von 1. Makkabäer und offenbar von einem Pharisäer geschrieben, dem es nichts ausmachte, über die Verbrechen der Oberpriester zu berichten. Es umfaßt etwa fünfzehn bis zwanzig Jahre (von 180 v. Chr. bis 160 v. Chr.), doch stimmen die Autoritäten diesbezüglich nicht überein. Es beginnt seinen Bericht früher als das 1. Makkabäerbuch und behandelt nur etwa den halben Zeitraum, den dieses behandelt. Sein Stil ist gerade entgegengesetzt, gefühlsbetont, blumig, sensationell, und es enthält eine Menge Hinweise auf Engel und Wunder.
Es wird darin behauptet, daß der Prophet Jeremia bei der Zerstörung von Jerusalem die Stiftshütte (die 420 Jahre vorher durch den Tempel ersetzt wurde) und die Bundeslade auf den Berg hinaufgebracht habe, von dem aus Mose das Land Kanaan sehen durfte. Der Hinweis auf das Darbringen von Gebeten für die Toten in diesem Buch „ist in der jüdischen Literatur einmalig“. (2. Makk. 12:43-45) Es enthält offensichtliche Übertreibungen und ist voll von auffallenden geschichtlichen und chronologischen Fehlern. Sie brauchen jedoch nicht extra erwähnt zu werden, denn der Verfasser des Buches gibt selbst zu, daß es menschlichen Ursprungs ist, indem er sagt:
„Hiermit beende ich meine Erzählung. Wenn sie gut und geschickt abgefaßt ist, so ist es gerade das, was ich wollte. Ist sie aber schwach und nur mittelmäßig, so tat ich, was ich konnte. Es ist nämlich [schädlich, Douay] nicht angenehm, Wein oder reines Wasser für sich allein zu trinken, wird aber Wein mit Wasser gemischt, so ist es wohlschmeckend und mundet köstlich. Ebenso ist eine schön abgefaßte Erzählung ein Ohrenschmaus für diejenigen, welche den Bericht vernehmen. Damit schließe ich.“ (2. Makk. 15:37-39, AB) Wer sagt denn, Wein oder Wasser allein sei schädlich, und Wein mit Wasser gemischt sei besser, und was ist damit gemeint? Finden wir in der Bibel einen ähnlichen Fall, der zeigen würde, daß ein Schreiber sich für seine Bemühungen entschuldigt und bekennt, nach Effekt gehascht zu haben?
Das Buch Baruch beweist durch seine für die Apokryphen typischen Fehler ebenfalls, daß es menschlichen Ursprungs ist. Es schildert, wie die gefangenen Juden in Babylon Geld sammelten und es im fünften Jahr nach Nebukadnezars Zerstörung der Stadt Jerusalem den dort lebenden Priestern sandten, während sich in Wirklichkeit doch damals weder Mensch noch Tier dort aufhielten. Es erwähnt, daß Jekonja mit den übrigen Juden in Babylon zusammen war, während er sich doch im Gefängnis befand. Es wird darin den Juden gesagt, sie würden sieben Generationen in Babylon weilen, während sie doch nur siebzig Jahre dort blieben. Es heißt darin von den Juden: „Gealtert bist du auf fremder Erde“, obwohl sie sich damals erst fünf Jahre dort befanden. Kein Wunder, daß Hieronymus es der Übersetzung nicht für wert befand! — Baruch 1:2-7; 3:11; 6:3, Regensburger Bibel.
WEISHEIT (SALOMOS) UND JESUS SIRACH (ECCLESIASTICUS)
Von dem Buch Baruch wird behauptet, es sei von Jeremias Diener Baruch geschrieben worden, was jedoch nicht zutrifft. Ebenso erweckt das Buch Weisheit den Eindruck, die Worte Salomos zu enthalten; es wurde jedoch Jahrhunderte nach der Zeit Salomos geschrieben. Es werden darin nicht nur Stellen aus Bibelbüchern angeführt, die lange nach den Tagen Salomos geschrieben wurden, sondern es wird darin sogar aus der Septuaginta-Übersetzung zitiert. Ein typisches Beispiel sind die Worte in Weisheit 15:10, die Jesaja 44:20 entnommen sind. Daß es menschlichen Ursprungs ist, verrät die Tatsache, daß es mit Gottes Wort in Widerspruch ist, das besagt, daß der Mensch sterblich erschaffen wurde und sterben sollte, wenn er ungehorsam wäre. Das Buch Weisheit sagt: „Gott hat den Menschen unsterblich erschaffen, und nach seinem Bilde und Gleichnis ihn gemacht.“ „In den Augen der Unweisen scheinen sie zu sterben … doch ihre Hoffnung [ist] der Unsterblichkeit voll.“ Ja es schreibt dem Menschen nicht nur wiederholt Unsterblichkeit zu, sondern stellt den Leib des Menschen als ein bloßes Hindernis für die Seele hin, die beim Tod ‚hinweggenommen‘ werde. — Weisheit 2:23; 3:2, 4, Al (1854); 16:14, Kautzsch.
Das Buch Jesus Sirach oder Ecclesiasticus zeichnet sich in zwei Beziehungen aus, nämlich, daß es das größte der apokryphischen Bücher ist und daß dessen Verfasser entschieden bekannt ist; es soll von einem gewissen Jesus, dem Sohne Sirachs, geschrieben worden sein. Es enthält jedoch in seinem ersten Vorwort (das von einem anderen Schreiber stammt) schon eine Lüge, denn es erhebt den Anspruch, daß dieser Jesus in bezug auf „Weisheit und Gelehrtheit nicht weniger berühmt“ gewesen sei als König Salomo. Der Verfasser selbst entschuldigt sich jedoch im zweiten Vorwort, indem er sagt: „Ihr seid nun gebeten Nachsicht zu üben, wo wir vielleicht einige Ausdrücke nicht zutreffend wiedergegeben haben, obgleich wir uns mit der Übersetzung alle Mühe gaben. Denn es hat ein Ausdruck nicht die gleiche Kraft, wenn er in der hebräischen Grundsprache gelesen, und wenn er in eine andere Sprache übersetzt wird.“ Welcher Versuch, sich zu entschuldigen und sich selbst zu rechtfertigen!
Daß dieses Buch nicht von Gott stammen kann, sondern von einem Menschen geschrieben worden sein muß, kann auch an der weltlichen Weisheit, die darin zum Ausdruck kommt, erkannt werden, so zum Beispiel an der schlechten Meinung, die der Schreiber von den Frauen hat. Im Gegensatz zu Gottes Wort, das unmißverständlich den Mann, Adam, für das Leid und Weh, das über uns gekommen ist, verantwortlich macht, sagt er: „Von einem Weibe kommt die Sünde her und alle sterben wir um seinetwillen.“ „[Gib mir] viel lieber alle Bosheit, als der Weiber Bosheit!“ (Warum sich denn überhaupt irgendwelche Bosheit wünschen?) „Gering ist alle Bosheit gegen Weiberbosheit.“ Trotzdem möchten einige diese beiden Bücher den „Weisheits“-Büchern der Bibel gleichstellen. — Sirach 25:24, 13, 19, Rießler.
TOBIAS, JUDITH UND DIE ZUSÄTZE
Das Buch Tobias möchte uns glauben machen, daß ein frommer alter Jude durch den Kot von Vögeln, der ihm in beide Augen fiel, blind geworden sei, daß ein Engel, der sich als Mensch verkörperte, der Reisegefährte des Sohnes des Alten wurde, den dieser eine Schuld einzukassieren sandte, daß der Sohn unterwegs in den Besitz des Herzens, der Leber und der Galle eines Fisches gelangte, daß er das Herz und die Leber verbrannte und dadurch einen Gestank erzeugte, durch den ein gewisser Dämon, der in seiner Eifersucht die sieben Männer einer Frau getötet hatte, vertrieben wurde, daß er diese Witwe dann heiratete und, nachdem er seine Mission erfüllt hatte, wieder nach Hause zurückkehrte und seinen Vater sehend machte, indem er ihm die Galle des Fisches auf die Augen strich. Könnte etwas unglaubhafter sein, im Lichte der Bibel betrachtet? Könnte dieses Buch wirklich von Gott stammen?
Auch das Buch Judith beweist, daß es menschlichen Ursprungs ist, allerdings aus anderen Gründen. Es berichtet von einer schönen Frau, die den führenden Feldherrn der Feinde der Juden enthauptet und diese dadurch befreit. Obwohl die Geschichte selbst nicht unglaubhaft ist, so sind doch die Einzelheiten so ungeschichtlich, daß sie unmöglich in den Strom der Zeit hineinpassen. Es berichtet einerseits von den Zuständen, die nach der Rückkehr der Juden aus der Gefangenschaft herrschten, erwähnt jedoch andererseits Ninive, die assyrischen Heere und König Nebukadnezar, die alle längst vor der Rückkehr der Juden nach Palästina umgekommen waren, ja es macht sogar Nebukadnezar zum König der Assyrer. Gewisse Autoritäten erklären, daß man „auch von den geographischen Ungenauigkeiten unangenehm berührt“ werde, und wenn sie von den apokrypischen Büchern kritisch sagen, sie zeigten, „daß es den Leuten an wahrer historischer Gewissenhaftigkeit gemangelt“ habe, so trifft das vor allem auf das Buch Judith zu. Welcher Zweifel kann angesichts all dieser Dinge über seinen Ursprung dann noch bestehen?
Was ist über die Zusätze zu Esther (10:4 bis 16:24) zu sagen, die in den Apokryphen erscheinen? Im Lichte einer sachlichen Kritik betrachtet, schneiden sie nicht besser ab. Sie möchten uns glauben machen, daß Mordokai „ein Mann von großem Ansehen“ war, der im zweiten Jahre Artaxerxes’ „am Hofe des Königs diente“, und zwar 150 Jahre, nachdem er in die Gefangenschaft geführt worden war, als Nebukadnezar zum erstenmal gegen Jerusalem hinaufzog. Die Behauptung, Mordokai habe diese Stellung schon so früh während der Regierung des Königs eingenommen, steht nicht nur im Widerspruch mit dem kanonischen Teil des Buches Esther, sondern auch mit dem, was in den Zusätzen zu Esther später über Mordokais Beförderung selbst gesagt wird. Die unzähligen Hinweise auf Gott und auf fromme Taten in den Zusätzen lassen vermuten, daß diese dem Buche Esther offenbar hinzugefügt wurden, um diesem einen religiösen Anstrich zu geben. Die Tatsache, daß Gott mehrmals erwähnt wird, beweist jedoch ebensowenig den göttlichen Ursprung eines Werkes, wie das Fehlen solcher Erwähnungen ein Beweis für dessen menschlichen Ursprung wäre.
Der Lobgesang der drei Jünglinge beginnt damit, daß einer von ihnen ein Gebet im Stil des Gebetes Esras oder Nehemias sprach, worauf der Engel des Herrn „die Feuerflammen aus dem Ofen“ hinaustrieb. Dann folgt ein Gesang, der große Ähnlichkeit mit Psalm 148 hat. In dem Gesang werden jedoch der Tempel Jehovas, die Priester und die Cherubim erwähnt, was alles nicht zu dem verödeten Zustand paßt, in dem sich Jerusalem damals befand. Der Zusatz besteht aus achtundsechzig Versen, die zwischen den Versen 23 und 24 des dritten Kapitels des Buches Daniel eingefügt wurden.
Das 13. Kapitel des Buches Daniel, Susanna (und die Ältesten), berichtet von zwei Ältesten, die gegen eine tugendhafte Frau Unheil schmiedeten, weil sie sich geweigert hatte, sich mit ihnen einzulassen, und die dann zum Tod verurteilt wurde. Der Jüngling Daniel stellt die Doppelzüngigkeit der Ältesten bloß, indem er sie getrennt verhört. Die Ältesten müssen sterben, Susanna bleibt am Leben, und Daniel wird berühmt. Wenn Daniel das wirklich erlebte, warum erscheint es dann als Anhang und warum wurde es erst in Griechisch geschrieben — wie übrigens auch die beiden anderen Zusätze zu Daniel —, während doch das Buch selbst in Hebräisch und Aramäisch geschrieben wurde?
Die letzte apokryphische Schrift, die noch zu betrachten wäre, ist die Zerstörung des Bel und die Tötung des Drachen. In der ersten Hälfte deckt Daniel einen Betrug auf, den die Priester Bels verübten, indem sie Speisen aßen, die dem Götzen Bel vorgesetzt und angeblich von diesem verzehrt wurden. Als ihm geboten wurde, einen lebenden Drachen anzubeten, bewirkte er, daß dieser entzweibarst, indem er ihn mit einem Gemisch von Pech, Fett und Haaren fütterte. Die Verehrer des Drachen warfen Daniel deswegen in die Löwengrube. Darauf kam ein Engel zum Propheten Habakuk, der sich ganz woanders aufhielt, faßte ihn bei den Haaren und versetzte ihn in die Löwengrube, damit er Daniel eine Schüssel Brei bringe. Sieben Tage später wurde Daniel befreit, und seine Feinde wurden den Löwen vorgeworfen. Wäre es vernünftig, anzunehmen, daß eine solche Geschichte zu Gottes Wort gehörte?
Eine Autorität faßte ihr Urteil über die Apokryphen wie folgt zusammen: „Sie wurden von der jüdischen und von der frühen christlichen Kirche nicht gutgeheißen … der prophetische Geist fehlt darin vollständig … nicht nur wird darin kein Anspruch auf Inspiration erhoben, sondern das Fehlen derselben beklagt; viele Stellen zeichnen sich aus durch einen Anflug von Romantik und Mythologie, den wir bei der einfachen Erhabenheit der Bibel nicht finden, sie sind nicht nur mit sich selbst in Widerspruch, sondern widersprechen auch gewissen geschichtlichen Tatsachen, lehren Dinge, die die Bibel nicht lehrt … und scheinen vom Herrn oder von seinen Aposteln nie als Autorität angeführt worden zu sein.“ — Dictionary of Religious Knowledge, Abbott, S. 50, 51.
Nein, die Apokryphen stammen nicht von Gott, sondern von Menschen. Wer sie den Büchern des Wortes Gottes, der Bibel, gleichstellen will, offenbart einen Mangel an Verständnis und Wertschätzung. Die warnenden Worte des Apostels Paulus, sich vor jüdischen Fabeln zu hüten, passen treffend auf die Apokryphen. — Titus 1:14.
WAS IN DER NÄCHSTEN AUSGABE ERSCHEINT
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