Aufmerksam sein — eine Kunst, die sich bezahlt macht
VOR Jahren fiel ein fünfjähriger Junge vom Pferd. Von da an hatte er jahrelang ein sehr schlechtes Gedächtnis. Es gelang ihm jedoch, diese Schwäche so weit zu überwinden, daß er schließlich sogar Lehrer werden konnte. Wie gelang ihm das? Eine gewaltige Hilfe war ihm das Bemühen, allem, was er im Gedächtnis behalten wollte, größte Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn er sich einen Vortrag anhörte, achtete er aufmerksam auf jedes Wort. Studierte er, so beachtete er jede Einzelheit. Sein Bemühen, aufmerksam zu sein, machte sich bezahlt, denn es half ihm weitgehend, seine Behinderung zu überwinden.
Selbst wenn wir nicht so sehr behindert sind wie dieser Junge, ist es zu unserem Vorteil, wenn wir aufmerksam sind. Ja, manche Leute betrachten die Fähigkeit, aufmerksam zu sein, als eine Kunst, die man unbedingt beherrschen muß, um in irgendeiner Sache erfolgreich zu sein. Wollen wir zum Beispiel beim Lesen etwas lernen, so müssen wir dabei aufmerksam sein. Die Aufmerksamkeit fördert das Interesse, und Interesse ist das A und O eines guten Gedächtnisses und der Konzentrationsfähigkeit.
Manche Menschen stellen jedoch fest, daß sie sehr oft, nachdem sie etwas gelesen haben, kaum noch wissen, was sie gelesen haben. Obwohl sie das gleiche vielleicht mehrmals gelesen haben, können sie den Sinn des Gelesenen nicht wiedergeben, weil sie unaufmerksam waren. Ist es dir nicht auch schon so ergangen?
Wenn ja, was kannst du dagegen tun? Ist Müdigkeit die Ursache deiner Unaufmerksamkeit, dann solltest du vielleicht mehr schlafen. Wähle zum Lesen eine Zeit, da du nicht müde bist. Ist es schon spätabends, dann ist vielleicht der Stoff etwas zu schwer. Wähle also etwas Leichteres. Du wirst etwas auch eher mit Aufmerksamkeit lesen und mehr davon behalten können, wenn du es mit dem Wunsch liest, es im Sinn zu behalten. Erinnerst du dich beim Lesen immer wieder an die Hauptpunkte, so prägt sich dir das Gelesene besser ein und du bleibst geistig munterer. Überlege auch, wo du das Gelesene anwenden könntest, und denke dann beim Lesen stets an die Anwendung. Das wird dir ebenfalls helfen, aufmerksamer zu sein.
Auch wer in einem Auditorium einem Lehrer oder Redner zuhört, muß aufmerksam sein, damit er möglichst viel lernt. Es fällt einem leichter, einem Redner von Anfang an aufmerksam zu folgen, wenn man den Blick auf ihn gerichtet hält. Sich Notizen zu machen ist eine weitere Hilfe.
Wir sollten lernen, uns durch nichts — weder durch andere Gedanken noch durch irgendwelche Geräusche — von unserer Tätigkeit ablenken zu lassen. Wir dürfen nicht jede Ablenkung willkommen heißen und sie gleichsam gastfreundlich aufnehmen. Begehren ablenkende Gedanken bei uns Einlaß, so sollten wir uns daran erinnern, daß wir für sie keinen Platz haben. Auch gegen Ablenkungen, die durch Geräusche, zum Beispiel durch Straßenlärm, durch das Klingeln eines Telephons, das Geklapper von Schreibmaschinen oder das Pfeifen oder Summen eines Mitarbeiters, entstehen, können wir uns abschirmen lernen. Schenken wir diesen Ablenkungen keine Aufmerksamkeit, so können sie uns nichts anhaben.
Aufmerksam sein ist eine Kunst, die sich wirklich bezahlt macht. Warum ist dann aber Unaufmerksamkeit ein solch weitverbreitetes Übel? Weil so viele Menschen ihre Aufmerksamkeit verkehrten Dingen schenken. Man muß also wissen, welchen Dingen man keine Aufmerksamkeit schenken sollte. Manche Leute, die ein schlechtes Gedächtnis haben, angeblich geistesabwesend sind oder wenig leisten, machen den Fehler, daß sie ihre Aufmerksamkeit verkehrten Dingen schenken. Betrachten wir einen Schüler in der Schule. Nehmen wir an, der kleine Hans schaut aus dem Schulzimmerfenster und beobachtet das Spiel der Sonnenstrahlen auf dem Rasen. Der Lehrer bemerkt seinen traumverlorenen, abwesenden Blick und ruft mit barscher Stimme: „Sei aufmerksam, Hans!“ Vielleicht ist Hans aufmerksam — nur richtet er seine Aufmerksamkeit auf verkehrte Dinge. Er denkt ans Fischen oder Spielen oder an etwas anderes, was er nach der Schule tun will.
Ähnlich verhält es sich mit Personen, die sich leicht ablenken lassen. Ein Zuhörer, der während eines Vortrages aus dem Fenster schaut und zwei balgenden Hunden zusieht oder die Wolken am Himmel betrachtet, um zu wissen, was es für Wetter gibt, kann den Ausführungen des Redners nicht aufmerksam folgen. Er ist geistesabwesend, er schenkt seine Aufmerksamkeit verkehrten Dingen.
So sind die Menschen heute im allgemeinen. Ihre Gedanken sind beschäftigt, aber nicht mit dem Wichtigsten. Sie gleichen den Menschen, die vor der Flut der Tage Noahs lebten und von denen gesagt wird: „Sie aßen und tranken, Männer heirateten und Frauen wurden verheiratet, bis zu dem Tage, an dem Noah in die Arche hineinging, und sie keine Kenntnis davon nahmen, bis die Flut kam und sie alle wegraffte.“ Jesus Christus führte diese vor der Flut lebende Generation als warnendes Beispiel an und sagte dann: „So wird die Gegenwart des Sohnes des Menschen sein.“ (Matth. 24:38, 39) Schenken wir dieser warnenden Prophezeiung unsere Aufmerksamkeit?
Wir sollten ihr sogar mehr als die gewöhnliche Aufmerksamkeit schenken, weil sie nicht aus irgendeiner Quelle stammt. Das bestätigt auch der Schreiber des Hebräerbriefes. Er weist darauf hin, daß Gott früher durch die Propheten gesprochen habe, jetzt aber seinen Sohn Jesus Christus als Wortführer gesandt habe. „Darum ist es für uns notwendig, daß wir den Dingen, die wir gehört haben, mehr als die gewöhnliche Aufmerksamkeit schenken, damit wir niemals abgleiten.“ — Hebr. 2:1.
Da Jehova Gott seinen Sohn, den Herrn Jesus Christus, „zu einer übergeordneten Stellung erhöht und ihm gütigerweise den Namen gegeben [hat], der über jedem anderen Namen ist“, sind dessen Worte von besonderer Bedeutung. Ihm, der von Gott zur höchsten Autorität im Universum ernannt wurde — nicht irgendeiner anderen Person oder dem, was jemand anders sagt oder schreibt —, sollten wir „mehr als die gewöhnliche Aufmerksamkeit schenken“. Warum ist das so notwendig? Weil unsere Rettung davon abhängt. „Wie werden wir ... entrinnen, wenn wir eine so große Rettung vernachlässigt haben, die ja durch unseren Herrn verkündet zu werden begann ...?“ Wir wollen daher nicht als solche erfunden werden, die wie die Welt ihre Aufmerksamkeit verkehrten Dingen schenken, da unsere Rettung davon abhängt, daß wir den Worten des Sohnes Gottes mehr als die gewöhnliche Aufmerksamkeit schenken. — Phil. 2:9; Hebr. 2:3.
Ja, aufmerksam sein ist eine Kunst, die sich bezahlt macht. Oft hängen Erfolg oder Mißerfolg von unserer Aufmerksamkeit ab. Besonders Gottes Anerkennung zur Rettung hängt davon ab, daß wir dem Sohn Gottes unsere Aufmerksamkeit schenken und Gottes Geboten, die „durch unseren Herrn“ verkündet wurden, gehorchen. Da unser Leben davon abhängt, sollten wir diesen Dingen mehr als die gewöhnliche Aufmerksamkeit schenken.