Sie fanden wahre Zufriedenheit — Ein Bericht aus Dänemark
AM Tor zur Ostsee liegt Dänemark. Dieses Land — es besteht aus einer Halbinsel und einer Anzahl Inseln — nimmt eine Fläche von rund 43 000 km2 ein und hat etwa 5 000 000 Einwohner.
Vor Jahrhunderten reichte der Einflußbereich dieses Königreiches weit über seine gegenwärtigen Grenzen hinaus. Während der Jahre 800 bis 1000 u. Z. überquerten die Wikinger in ihren mit Drachenköpfen geschmückten Schiffen die Meere und plünderten und eroberten ausgedehnte Gebiete westlich von Dänemark. Nach der „Christianisierung“ des Landes gab es Zeiten, in denen auch Gebiete im Norden, Osten und Süden unter die Herrschaft der dänischen Könige gerieten. Zwei dieser Territorien, die Färöer-Inselgruppe und Grönland, unterstehen heute noch der dänischen Krone.
Seit über 100 Jahren hat sich Dänemark nicht mehr aktiv an einem Krieg beteiligt, wenn es auch von den Auswirkungen der beiden Weltkriege nicht verschont geblieben ist. Dank seiner hochentwickelten Landwirtschaft ist das Land eine der Kornkammern Europas. Die Dänen erfreuen sich eines hohen Lebensstandards und — zufolge ihrer Sozialgesetzgebung — auch einer bemerkenswerten sozialen Sicherheit.
Trotz allem steckt immer noch ein Funken Wahrheit in den Worten, die der englische Dramatiker William Shakespeare dem Dänenprinzen Hamlet in den Mund legte: „Etwas ist faul im Staate Dänemark.“ Probleme finanzieller Natur existieren in Form von Arbeitslosigkeit und Zahlungsbilanzdefiziten, und die vielen Fälle von Thrombose und Krebs zeugen von weitverbreiteten Gesundheitsproblemen. Die Freiheit und der Wohlstand haben die Menschen nicht glücklicher machen können; auch der lockeren Sexualmoral, die Anerkennung gefunden hat, ist dies nicht gelungen. Gemäß der Statistik hat Dänemark eine der höchsten Selbstmordraten der Welt. Dies unterstreicht die Wahrheit der Worte Jesu: „Wenn jemand auch in Fülle hat, kommt doch sein Leben nicht aus den Dingen, die er besitzt“ (Luk. 12:15). Um wirklich glücklich und mit den Lebensumständen zufrieden sein zu können, muß man seine geistigen Bedürfnisse befriedigen (1. Tim. 6:6-8).
ANFANG DER TÄTIGKEIT DER ZEUGEN JEHOVAS
Interesse an den geistigen Bedürfnissen anderer war der Beweggrund C. T. Russells, des ersten Präsidenten der Watch Tower Society, als er im Jahre 1891 Dänemark besuchte. Er erkannte, daß das Land einem Feld glich, das reif zur Ernte war. Auch waren die Umstände für die Verbreitung der biblischen Botschaft ideal.
Mehr als 40 Jahre zuvor, 1849, war aus der absoluten Monarchie eine konstitutionelle geworden. Bis dahin hatte die evangelisch-lutherische Staatskirche Kleinkinder, deren Eltern Baptisten waren, zwangstaufen lassen. Mit der Einführung der konstitutionellen Monarchie aber wurde die Staatskirche zur Volkskirche, in der die Mitgliedschaft freiwillig war. Zudem riefen nach einer Zeit großer Gleichgültigkeit gegenüber der Bibel religiöse Erneuerungsbewegungen vermehrtes Interesse an geistigen Dingen hervor. Ferner griff in der Mitte des 19. Jahrhunderts der bekannte dänische Theologe und Philosoph Søren Kierkegaard die Kirche in sehr scharfer Form an. Er beschuldigte sie, Jesu Worte über den ‘eingeengten Weg, der zum Leben führt’, verwässert zu haben; die Kirche, so sagte er, habe diesen Weg dermaßen breit getreten, daß jedermann darauf spazierengehen könne (Matth. 7:13, 14).
Es war also in mehr als einer Hinsicht angebracht, daß der erste „Bibelforscher“, ein Amerikaner dänischer Abstammung, im Jahre 1894 nach Dänemark gesandt wurde. Von 1897 an wurden Artikel aus dem Wachtturm in dem Blättchen Tusindaars-rigets Budbærer (Tausendjahrreich-Bote) veröffentlicht, und seit 1900 erscheint Der Wachtturm in Dänisch. Diese Zeitschrift hat bei dem Bemühen, den geistigen Appetit vieler anzuregen, eine wichtige Rolle gespielt.
Die Worte Søren Kierkegaards treffen allerdings immer noch zu. Man ist im allgemeinen der Religion gegenüber passiv eingestellt. Das kann man aus einem Artikel in dem vom Außenministerium herausgegebenen Danish Journal ersehen. In der Ausgabe vom Januar 1978 stand folgende Bemerkung: „Wenn es stimmt — wie schon das alte dänische Sprichwort sagt —, daß es besser ist, im Wirtshaus zu sitzen und an die Kirche zu denken, als in der Kirche zu sitzen und an das Wirtshaus zu denken, dann machen es die Dänen richtig.“ Mehr als 93 Prozent der Bevölkerung sind zwar noch Kirchenmitglieder, aber nur 2 Prozent gehen jeden Sonntag zur Kirche. Vier Prozent gehen einmal oder zweimal im Monat, während „51 Prozent der Erwachsenen sagen, sie gingen nie zur Kirche“. In den letzten Jahren sind in vermehrtem Maße vor allem junge Leute aus der Kirche ausgetreten.
JUNGE LEUTE ZEIGEN INTERESSE
Der Wohlstand, der nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, veranlaßte viele Angehörige der Generation, die heute mittleren Alters ist, auf materialistische Ziele hinzuarbeiten. Indes haben Probleme wie die atomare Bedrohung, Umweltverschmutzung und Arbeitslosigkeit ihren Teil dazu beigetragen, daß eine beträchtliche Zahl junger Menschen den Glauben an materielle Werte verloren hat. Diese Jugendlichen suchen anderswo nach Zufriedenheit und befriedigenderen Zielen.
Als Beispiel sei der Fall eines jungen Mannes angeführt, der nach Abschluß eines sechsmonatigen Kurses in einer kirchlichen Schule keine Lösung für seine Probleme gefunden hatte. Mit 18 begann er sich anderswo nach einer Antwort umzusehen. Er befaßte sich mit Hinduismus, Okkultismus, Astrologie, Spiritismus, Scientology und mit Drogen. „Ich dachte“, sagte er später, „daß die Summe aus alldem mir zwangsläufig eine Vorstellung von Gott geben müsse.“ Von dem Ergebnis enttäuscht, wurde er schließlich drogenabhängig und geriet nach und nach derart unter den Einfluß dämonischer Mächte, daß er um sein Leben fürchtete. Dennoch behielt er einen gewissen Glauben an einen Gott der Liebe und an Christus. Über seine weitere Suche sagte er: „Ich ging zu den Religionsgemeinschaften, deren Mitglieder sich als Christen bekannten: zu den Pfingstlern, den Apostolischen, den Baptisten, zu christlichen Jugendgruppen und zu Jehovas Zeugen. Ich stellte Fragen über Fragen, erhielt widersprüchliche Antworten, wunderte mich, betete und forschte in der Bibel.“
Mit 22 Jahren kam der junge Mann zu der Überzeugung, daß die Wahrheit bei Jehovas Zeugen zu finden ist. Nach anderthalbjähriger Drogenabhängigkeit gelang es ihm, mit dieser Sucht zu brechen. Trotz großen Widerstandes der Eltern wurde er ein getaufter Zeuge und spricht heute voll Eifer mit anderen über biblische Wahrheiten. Er hat wahre Zufriedenheit gefunden.
AUFGESCHLOSSENHEIT IN SCHULEN
Auch in dänischen Schulen herrscht große Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Wertmaßstäben. Ein positives Ergebnis dieser Einstellung ist aber, daß man Lösungsvorschläge aus anderen Quellen ins Auge faßt. Zum Beispiel behandeln viele Lehrer im Unterricht das Thema Jehovas Zeugen. Besonders in den letzten Jahren werden die Zeugen immer häufiger eingeladen, vor Schulklassen zu sprechen.
Wie gehen die Zeugen dabei vor? Ein junges Ehepaar, das etwa 60- bis 70mal solche Gelegenheiten wahrgenommen hat, berichtet: „In unserem Einführungsvortrag erläutern wir einige grundlegende Punkte unseres Glaubens, zum Beispiel den Gegenstand unserer Predigttätigkeit — das Königreich Gottes und das kommende Erdenparadies —, die Schöpfungslehre, unsere Ansicht über die Bibel, das Gebot der Nächstenliebe im Zusammenhang mit der Neutralitätsfrage, unsere Geschichte sowie den Aufbau unserer Organisation im Vergleich zur frühen Christenversammlung. Den Rest der Zeit verbringen wir damit, Fragen aus der Klasse zu beantworten. Neuerdings haben wir eine Veränderung im Denken der Schüler festgestellt. Vor 2 oder 3 Jahren drehten sich Klassendiskussionen oft um soziale Probleme und um unsere neutrale Stellung in politischer Hinsicht. Jetzt wächst das Interesse an Themen, die mit dem Menschen oder mit der Moral zu tun haben oder rein biblischer Natur sind.“ Im Anschluß an eine Unterrichtsstunde, in der die Zeugen zu 40 Schülern sprachen, brachte der Lehrer voller Stolz sein Erstaunen zum Ausdruck, weil die Schüler besonders aufmerksam gewesen waren und sinnvolle Fragen gestellt hatten.
KAMPF FÜR DEN GLAUBEN IMMER NOCH NOTWENDIG
In Dänemark gibt es jedoch ein bestimmtes Gebiet, auf dem sich die Gemüter vielleicht mehr als in anderen Ländern erhitzen. Es geht dabei um den Standpunkt, den Jehovas Zeugen in der Frage der Bluttransfusion einnehmen. Diese Frage wurde im März 1975 in der Öffentlichkeit auf dramatische Weise aufgerollt, als ein junges Ehepaar seinen dreijährigen Sohn aus dem Kinderkrankenhaus in Kopenhagen wegholte. Sie taten dies, weil der Arzt veranlaßt hatte, daß ihnen die Erziehungsgewalt entzogen wurde; er beabsichtigte, gegen den Willen der Eltern eine Bluttransfusion vorzunehmen.
Da die Eltern wußten, daß sie höchstwahrscheinlich von der Polizei verfolgt werden würden, suchten sie bei einigen ihrer Glaubensbrüder Zuflucht. Zur gleichen Zeit bemühten sie sich, einen Arzt zu finden, der bereit war, das Kind ohne die Verwendung von Blut zu behandeln. Eine landesweite Hetzjagd mit Razzien, Haussuchungen und Grenzkontrollen begann. Gleichzeitig wurde eine regelrechte Verfolgungskampagne in der Presse eingeleitet mit Schlagzeilen wie „Kindesmörder“, „Religiöse Fanatiker“ und „Zynische Eltern“. Man schreckte selbst vor Bombendrohungen und Gewaltanwendung nicht zurück. Einige Geistliche und ein Mitglied des Parlaments warfen die Frage auf, ob nicht die Behörden gegen Jehovas Zeugen vorgehen sollten. Mittlerweile hatten aber die Eltern einen Arzt gefunden, der ihren Glauben respektierte und bereit war, alternative Behandlungsmethoden anzuwenden. Heute ist der Junge gesund und munter.
ES GIBT NOCH ARBEIT
In den letzten Jahren sind in der dänischen Gesellschaft große Veränderungen vor sich gegangen. Sogar die Räumlichkeiten, die Jehovas Zeugen für ihre Zusammenkünfte benutzen, sind davon betroffen. In der Vergangenheit mieteten die Zeugen Sporthallen für ihre halbjährlichen Kreiskongresse. Doch die rapide steigenden Mietkosten haben es ihnen ratsam erscheinen lassen, eigene Kongreßsäle zu bauen.
Die Einweihung des ersten Kongreßsaals am 17. März 1979 löste tatsächlich große Freude aus. Durch freiwillige Spenden finanziert und von unentgeltlich arbeitenden Helfern erbaut, leistet dieser Saal den Zeugen in den Landesteilen Jütland und Fünen gute Dienste. Gute Fortschritte machen auch die Pläne für einen entsprechenden Saal, der den Zeugen im östlichen Landesteil (dazu gehören die Insel Seeland und die Hauptstadt Kopenhagen) zur Verfügung stehen soll. In Verbindung mit dem zweiten Kongreßsaal plant man, ein neues und wesentlich größeres Zweigbüro der Wachtturm-Gesellschaft zu errichten.
In den nahezu 90 Jahren, die seit C. T. Russells Besuch in Dänemark vergangen sind, hat das Werk der Zeugen — anderen zu einer genauen biblischen Erkenntnis zu verhelfen — ständig Fortschritte gemacht, wobei es Zeiten raschen Wachstums und der Stabilisierung gegeben hat. Nach der Volkskirche sind Jehovas Zeugen die größte Religionsgemeinschaft des Landes, vielleicht noch mit Ausnahme der katholischen Kirche, die schon seit Jahren keine Mitgliederzahlen veröffentlicht. Nur sehr wenig Länder mit etwa der gleichen Einwohnerzahl wie Dänemark haben ein ähnliches Verhältnis von Zeugen zu Einwohnern: 1 zu 388.
Heute bildet die Belehrung und Erbauung der vielen aktiven Zeugen einen wesentlichen Bestandteil in dem Werk der Austeilung der geistigen Speise. Zur gleichen Zeit bereitet man sich darauf vor, ein noch größeres Zeugnis von Gottes Königreich zu geben. Solange Jehova will, werden die Zeugen fortfahren, den Dänen die „gute Botschaft“ zu verkündigen und ihnen zu zeigen, wie man wahre Zufriedenheit finden kann.
[Karte auf Seite 8]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
DÄNEMARK
Kopenhagen
[Bild auf Seite 10]
IMMER HÄUFIGER WERDEN ZEUGEN JEHOVAS IN SCHULEN EINGELADEN.