Die gute Botschaft dringt ins „Löwengebirge“ vor
Ein begeisternder Bericht über den Fortschritt des Königreichswerkes in Sierra Leone
„ICH war ziemlich erstaunt, eine moderne Stadt zu sehen, die viel sauberer war als viele Städte in anderen Ländern. Gepflasterte Straßen, Geschäfte, in denen viel Betrieb war, neue Wagen und ein endloser Strom von Fußgängern. Da stand der große Baumwollbaum, an den früher Sklaven gekettet wurden, als es noch üblich war, daß Häuptlinge Gefangene oder Angehörige ihres eigenen Stammes, die sie nicht leiden konnten, in die Sklaverei verkauften.“ Diese Worte stammen von einem Touristen, der Freetown, die Hauptstadt von Sierra Leone, besuchte.
Der Name Sierra Leone bedeutet „Löwengebirge“ und geht bis auf 1462 zurück, als der portugiesische Abenteurer Pedro de Sintra dieses Gebiet betrat. Das Land liegt an der Südwestküste Westafrikas und hat über 3 000 000 Einwohner.
Jehovas Zeugen sind in Sierra Leone nicht neu. Veröffentlichungen der Watch Tower Society wurden zumindest schon 1915 dort gelesen. Leute von den Westindischen Inseln, die nach Sierra Leone kamen, um dort zu arbeiten, hatten sie mitgebracht. Einer von ihnen war Alfred Joseph von Barbados. Er sprach mit anderen über die biblische Wahrheit. Als er das Interesse unter der einheimischen Bevölkerung bemerkte, schrieb er an die Watch Tower Society und bat um Hilfe, damit dem Interesse nachgegangen werden konnte. Nach wenigen Monaten trafen W. R. Brown (Bibel-Brown) und seine Frau aus Trinidad (Westindische Inseln) ein.
Browns erster Vortrag behandelte das interessante Thema „Wo sind die Toten?“ und wurde mündlich angekündigt. Kamen die Bewohner Freetowns der Einladung zu diesem Vortrag nach? Alfred Joseph berichtet: „Wir freuten uns sehr über das Ergebnis. Die meisten Geistlichen von Freetown, etwa zwanzig, kamen zu dem Vortrag, doch viele von ihnen trugen nicht ihr normales Gewand, um nicht so sehr aufzufallen. Unter der großen Zuhörerschaft von 500 Personen, mit der die Wilberforce Memorial Hall besetzt war, befand sich ein junger Theologiestudent namens M. A. Garber. Er lauschte wie alle übrigen aufmerksam dem Stundenvortrag, der mit Bibelzitaten unterstützt wurde, die für die Zuhörerschaft durch Lichtbilder sichtbar gemacht wurden. Zu den begeisternden Vorträgen kamen so viele Leute, daß, wie sich ein betagter Bewohner von Freetown ausdrückte, ,die Kirchen am Ort ihre Abendgottesdienste ausfallen ließen, da alle Kirchenmitglieder die Vorträge von „Bibel“-Brown besuchten‘.“
Bis Ende 1923 hatten sich vierzehn Personen taufen lassen, darunter auch Garber. Die kleine Gruppe war sehr eifrig im Evangelisieren. Bis 1927 war das Predigtwerk anscheinend größtenteils auf die Hauptstadt beschränkt. Von 1928 an unternahmen diese Bibelforscher auch Reisen in die Provinzen. Wer aus Freetown nicht mitfahren konnte, unterstützte diese Reisen ins Landesinnere finanziell. Jedes Jahr predigte man vor der Regenzeit in entlegenen Dörfern von Haus zu Haus und hielt Vorträge. Am ersten Sonntag jedes Monats kehrte man in die Dörfer zurück, um das vorgefundene Interesse wachzuhalten. Als der Zweite Weltkrieg begann, wurden die Veröffentlichungen der Watch Tower Society verboten, und eine bestimmte Menge wurde sogar im Zollgebiet des Hafens verbrannt. Dennoch ging das Zeugniswerk weiter.
In den darauffolgenden Jahren gab es keine aufsehenerregende Zunahme in der Zahl derer, die die Botschaft der Bibel annahmen. Doch unter denen, die die Wahrheit annahmen, gab es einige Männer, die bemerkenswerten Eifer und eine auffallende Entschlossenheit zeigten. Einer von ihnen war Zachäus Martyn. Kurz vor seinem Tod im Alter von 97 Jahren berichtete er: „Mit mir hat nie jemand die Bibel studiert. Aber im Jahre 1941 beschloß ich, eine Zusammenkunft der Zeugen Jehovas zu besuchen. Nach der Zusammenkunft am dritten Sonntag wußte ich, wo ich hingehörte. Als ich wieder in meine Bergheimat, nach Gloucester, kam, bat ich die anglikanische Kirche am Ort, meinen Namen aus der Mitgliederliste zu streichen. Ein enger Freund, der auch ein Kirchenmitglied war, schimpfte mich aus und sagte: ,Alter, wenn du weiter die fünf Meilen diesen Berg hinunter- und hinaufsteigst, um den Saal dieser Leute aufzusuchen, wirst du innerhalb eines Jahres tot sein.‘ Fünf Jahre lang konnte er beobachten, wie ich zweimal in der Woche den Berg hinunter- und hinaufstieg, dann starb er. Das war vor dreißig Jahren, und ich fühle mich immer noch rüstig.“
Die gute Botschaft erreicht den Stamm der Kissi
Von 1957 an nahmen viele Kissi die Lehren der Bibel an. Dieser Stamm lebt im Dreiländereck von Sierra Leone, Liberia und Guinea. Er besteht in der Hauptsache aus Animisten, die sich dem moslemischen Einfluß lange widersetzt haben. Trotz polygamer Bräuche und des Problems des Analphabetentums haben viele ihre frühere Lebensweise aufgegeben und ihr Leben mit biblischen Maßstäben in Übereinstimmung gebracht. Durch die in Sierra Leone und Liberia lebenden Kissi gelangte die gute Botschaft zu ihren Stammesbrüdern nach Guinea. Als Folge davon gibt es heute in diesem Stamm in Guinea mehr als 150 Zeugen.
Wie reagierten die Kissi in Sierra Leone auf die Botschaft? Ein reisender Aufseher traf einmal gegen 16 Uhr in Koindu ein und erfuhr von dem Zeugen Jehovas, der ihn eingeladen hatte, daß für 18 Uhr ein Vortrag geplant sei. Der reisende Aufseher berichtet: „Ich hatte meine Einwände, da niemand wußte, daß ein Vortrag stattfinden werde. Doch er bestand darauf und sagte, der Ausrufer der Stadt würde das Ankündigen besorgen. Wir aßen und badeten. Noch bevor ich mich für den Vortrag anziehen konnte, kamen schon die ersten Leute. Bald waren mehr als 90 Personen zugegen, meistens Männer. Nach einer Stunde hörte ich auf und erklärte den Anwesenden, der Vortrag sei zu Ende. Aber keiner ging weg. Sie wollten Fragen stellen. Das dauerte bis etwa 21 Uhr. Dann kam ein Sturm auf, der die meisten veranlaßte, nach Hause zu gehen. Doch zwanzig Männer blieben bis 2 Uhr morgens.“
Diese Leute reagierten schnell auf die Wahrheit. Bald begannen fünf Personen, sich an der Verbreitung der biblischen Botschaft zu beteiligen, dann zehn, dann fünfzehn und zwanzig. Als der reisende Aufseher davon erfuhr, hatte er Zweifel, ob sie wirklich den von wahren Christen geforderten Glauben hatten. Erfreulicherweise war das der Fall. Einige der ersten sind immer noch aktive Verkündiger der guten Botschaft.
Die einfachen Menschen des Kissi-Stammes, die die biblische Botschaft annahmen, sahen sich schwerwiegenden Problemen und großem Widerstand gegenüber. Ein reisender Aufseher berichtet: „Viele hatten aufgrund ihrer strikten Neutralität in politischen Fragen und weil sie sich nicht mehr an heidnischen religiösen Riten und Zeremonien beteiligten, erbitterte Verfolgung zu erdulden. Einige wurden von Stammesangehörigen zum Tode verurteilt. Daß sie nicht hingerichtet wurden, ist angesichts der Umstände anscheinend einem Eingriff der Engel zuzuschreiben. Viele Zeugen flohen um ihres Lebens willen in den Busch und hielten sich dort so lange auf, bis die Behörden die Fälle überprüfen konnten. Meistens schützte die Polizei die Brüder. Zwei Zeugen, die man gefesselt und geschlagen hatte und deren Hütten man niedergebrannt hatte, widerfuhr Gerechtigkeit. Der staatliche Gerichtshof entzog dem Häuptling für fast ein Jahr den Herrscherstab. Später zeigte dieser Häuptling großes Interesse an Jehovas Zeugen. Im Jahre 1968, als in seiner Stadt ein Kreiskongreß stattfand, stellte er Schlafgelegenheiten für Delegierte zur Verfügung und spendete eine große Kuh.“
Das Werk geht weiter
Besonders seit 1959 beteiligen sich immer mehr Personen in Sierra Leone an der Verbreitung der guten Botschaft. Der 19. August 1967 war ein besonders denkwürdiger Tag, denn damals wurde in Freetown ein neues Zweigbüro der Watch Tower Society der Bestimmung übergeben. Von einem tropischen Garten umgeben, liegt das Gebäude, in dem sich auch ein ansprechender Königreichssaal befindet, in einer der schönsten Wohngegenden. Durch dieses Gebäude ist das Werk der Zeugen Jehovas bei vielen im Ansehen gestiegen. Auch sind dadurch einige religiöse Kritiker zum Schweigen gebracht worden, die behaupteten, Jehovas Zeugen könnten sich in Sierra Leone nicht halten.
Heute besuchen mehr als 550 Zeugen regelmäßig die Wohnungen ihrer Mitmenschen, um ihnen zu helfen, Gottes Vorsätze kennenzulernen. Darunter sind einstige Polygamisten sowie eine frühere Priesterin und Prophetin einer spiritistischen Kirche.
Jehovas Zeugen in Sierra Leone hoffen, noch sehr vielen Menschen helfen zu können, die wahre Anbetung kennenzulernen. Sie sind entschlossen, ‘im Werke des Herrn stets reichlich beschäftigt zu sein’ (1. Korinther 15:58).
[Karte/Bild auf Seite 24]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Sierra Leone