Reiche Ernte bringt Freude auf Taiwan
TAIWAN ist eine 390 km lange und 140 km breite Insel. Mit einer Bevölkerung von über 20 000 000 gehört sie zu den am dichtesten besiedelten Gegenden der Welt. Die meisten Bewohner sprechen Chinesisch oder Mandarin, wie man es in der westlichen Welt nennt. Auf Taiwan werden aber auch mehrere Dialekte und rund 13 Stammessprachen gesprochen.
Da Taiwan am nördlichen Wendekreis liegt, ist es eine ausgesprochen fruchtbare Insel, die so reiche Ernten an Reis und anderen Anbauprodukten hat, daß sie sogar Nahrungsmittel exportiert. Doch eine Ernte anderer Art bringt denen, die sich daran beteiligen, große Freude. Es handelt sich um die geistige Ernte derer, die auf die „gute Botschaft vom Königreich“ günstig reagieren (Matthäus 24:14).
Ein kleiner Anfang beim Pflanzen
Das Säen des Samens der biblischen Wahrheit begann auf Taiwan vor etwa 60 Jahren, als ein Vertreter der Watch Tower Society aus Japan kam und in der Hauptstadt Taipeh einige biblische Vorträge hielt. Ein junger Japaner namens Saburo Ochiai interessierte sich für die Königreichsbotschaft und fing bald an, mit anderen darüber zu sprechen. Später bereisten zwei japanische Vollzeitdiener die Insel und säten Samenkörner der guten Botschaft aus. Schließlich wurden sie von den japanischen Kriegsherren festgenommen und gaben ihr Leben für Gottes Königreich hin. Viele Samenkörner, die die Brüder ausgesät hatten, gingen unter dem Ami-Stamm schnell auf, aber die zahlreichen Chinesen an der Westküste der Insel zeigten wenig Interesse. Dort gibt es hauptsächlich Buddhisten oder Taoisten.
Das geistige Erntewerk auf Taiwan hat sich nach diesem kleinen Anfang derart ausgedehnt, daß die Insel heute ein fruchtbares Feld ist. In den letzten fünf Jahren zum Beispiel ließen sich 529 Personen taufen, meistens Chinesen. 1989 wurde eine Höchstzahl von 1 552 Königreichsverkündigern erreicht. Ja, Taoisten, Buddhisten und Anhänger der Christenheit nehmen die gute Botschaft an und lernen Jehova Gott kennen! Doch was bedeutet es, mit Menschen solch verschiedener Herkunft über die Bibel zu sprechen? Und wie sehen die Ergebnisse aus?
Höflichkeit oder echtes Interesse?
Das Predigtwerk auf Taiwan ist sowohl lohnend als auch herausfordernd, weil Chinesen von Natur aus höflich sind. Im allgemeinen hören sie Besuchern freundlich zu. Bietet man ihnen biblische Literatur an, nehmen sie sie oft aus Höflichkeit entgegen. So konnten manche Vollzeitdiener in einem einzigen Monat bis zu 300 Zeitschriften abgeben oder 100 Abonnements auf unsere Zeitschriften aufnehmen. Im Laufe der Jahre sind viele Bibeln, Bücher, Zeitschriften und Traktate bei den Menschen zurückgelassen worden. Warum ist dann die Mehrung an Königreichsverkündigern verhältnismäßig langsam gewesen?
Ein Grund ist das konfuzianische Gedankengut, das den Sinn der Menschen seit Jahrhunderten formt. Konfuzius erklärte: „Dämonen und Götter ehren und ihnen fern bleiben, das mag man Weisheit nennen.“a Gemeint ist, daß sich ein weiser Mensch nicht zu sehr auf die Anbetung von Dämonen oder Göttern einläßt. Es mag also sein, daß sich viele aus Neugier für die Königreichsbotschaft interessieren, jedoch nur wenige das Angebot eines Bibelstudiums annehmen. Außerdem glauben die Chinesen zwar an eine ganze Anzahl Dämonen und Götter, aber die Vorstellung von einem einzigen allmächtigen Schöpfer ist den meisten ziemlich fremd. Des weiteren sagen ihnen selbst die Namen biblischer Personen wie Abraham und David recht wenig. Daher ist natürlich viel Zeit und Geduld erforderlich, um den Menschen hier zu helfen, die Bibel als Gottes inspiriertes Wort anzuerkennen und ein persönliches Verhältnis zum Schöpfer, Jehova Gott, zu entwickeln. Jehova segnet und belohnt solche Bemühungen.
Wachstum angeregt
Viele Jahre lang benutzten die Versammlungen des Volkes Jehovas auf Taiwan gemietete Säle für ihre Zusammenkünfte. Die Ältesten einer Versammlung wurden darauf aufmerksam gemacht, daß eine passendere Zusammenkunftsstätte nötig sei, als eine interessierte Person bemerkte: „Wenn Sie doch die Wahrheit haben, warum versammeln Sie sich dann an einem Ort wie diesem? Warum haben Sie keine feste Zusammenkunftsstätte?“ Im Vertrauen auf Jehova fing die Versammlung also an, einen geeigneten Ort für einen Königreichssaal zu suchen. Schließlich kaufte sie zwei aneinandergrenzende Wohnungen und hat jetzt einen hübschen Königreichssaal.
In den letzten sechs Jahren sind auf Taiwan 11 Königreichssäle gebaut oder gekauft worden. In jedem Fall hat das zu einer vermehrten Ernte und zu größeren Besucherzahlen geführt. Ein Beispiel ist die Versammlung in der südlich gelegenen Stadt Tainan. 1981 gab es in dieser großen Stadt mit 600 000 Einwohnern nur eine kleine Versammlung von 44 Königreichsverkündigern. Aus zwingenden Gründen beschlossen sie, einen eigenen Königreichssaal zu errichten. Glaubensvoll vertrauten sie auf Jehovas Segen und trieben das Bauprojekt voran, obgleich es ungefähr 200 000 Dollar kosten würde. Einige spendeten ihre goldenen Wertsachen, andere verschoben Überseereisen. Jeder in der Versammlung gab seine volle Unterstützung. Als die Brüder im Zweigbüro der Watch Tower Society von dem Vorhaben erfuhren, beschlossen sie, über dem Königreichssaal ein Missionarheim zu bauen, und beteiligten sich so zur Hälfte an den Kosten. Nach zwei Jahren war der Saal fertiggestellt. Mit welchem Ergebnis? Nachdem der Königreichssaal vollendet war, betrug die Gesamtzahl der Verkündiger 74. Gegenwärtig benutzen zwei Versammlungen mit insgesamt 160 Verkündigern den Saal, und bei den wöchentlichen Zusammenkünften sind durchschnittlich 250 Personen anwesend. Die beiden Versammlungen planen jetzt, einen zweiten Königreichssaal zu bauen.
Ernte unter Stammesgruppen
Seit den ersten Anfängen des Königreichswerkes auf Taiwan ist die Ernte unter den Stammesgruppen an der Ostküste im Gang. Einige Angehörige des Ami-Stammes, die vor über 50 Jahren die Wahrheit kennengelernt haben, sind immer noch treu. Im Laufe der Jahre mußten sie etlichen Herausforderungen begegnen. Während der Besetzung durch die Japaner im Zweiten Weltkrieg waren die Brüder gezwungen, Japanisch zu lernen. Als die Insel nach dem Krieg an China zurückgegeben wurde, mußten sie Chinesisch lernen. Zu Beginn der 60er Jahre galt es, eine andersartige Prüfung zu bestehen. Damals verließen zahlreiche prominente Brüder vom Ami-Stamm Jehovas reine Organisation oder erwiesen sich als ungeeignet. Dessenungeachtet diente ein Kern treuer Zeugen weiterhin Jehova. Viele Enkel dieser loyalen betagten Brüder und Schwestern übernehmen nun die Führung im Predigtwerk.
Personen aus anderen Stammesgruppen haben ebenfalls in geistiger Hinsicht Fortschritte gemacht. Zum Beispiel gibt es unter den Angehörigen des Bunun-Stammes eine Gruppe treuer Königreichsverkündiger. Einige ihrer Ahnen waren Kopfjäger. Heute predigen diese Menschen die friedliche Botschaft von Gottes Königreich. Der Lukai- und der Paiwan-Stamm haben ebenfalls ein ausgezeichnetes Zeugnis erhalten, und eine Reihe Stammesangehörige haben einschneidende Veränderungen in ihrem Leben vorgenommen. Ba Chu Fu berichtet seine Erfahrung:
„Ich bin in der Berggegend von Pingtung geboren. Da mein Vater ein Häuptling des Lukai-Stammes war, schenkten ihm die Leute regelmäßig Nahrungsmittel, weshalb unsere Familie nicht schwer arbeiten mußte. So kam es, daß ich eine ausgesprochen stolze Einstellung entwickelte. Ich wurde der ‚Häuptling‘ einer Jugendbande, die Leute bedrohte und Geld von ihnen erpreßte. In meinem Dorf war ich gefürchtet. Mit 22 Jahren heiratete ich eine meiner vielen Freundinnen. Aber die Unmoral und die Trunksucht waren so tief in mir verwurzelt, daß ich mich nur schwer an die Ehe gewöhnte. Bald gab es in unserer Ehe ernste Probleme, und ich verfiel wieder in meinen alten Lebensstil.
Um diese Zeit begann meine Frau, die Zusammenkünfte der Zeugen Jehovas zu besuchen. Ich war nicht interessiert und hielt mich für einen Atheisten. Doch die aufrichtigen und unermüdlichen Bemühungen meiner Frau führten dazu, daß ich 1973 einwilligte, sie zu einem internationalen Kongreß in Taipeh zu begleiten. Wir wohnten bei einer Familie von Zeugen. Die freundliche und vorurteilslose Art der chinesischen Schwester hinterließ bei mir einen unauslöschlichen Eindruck. Nach Hause zurückgekehrt, fing ich an, die Bibel zu studieren, und unternahm große Anstrengungen, mich zu ändern. 1974 ließ ich mich taufen.
Seither habe ich einer ganzen Anzahl Prüfungen gegenübergestanden. Eine bestand darin, Chinesisch lesen zu lernen. Eine andere war die Isolation. Da es keine reifen Brüder gab, mit denen man sich versammeln oder die man um Rat fragen konnte, mußte ich auf Jehova vertrauen. Ich lernte es, demütig zu sein und mich eng an Jehovas Organisation zu halten. Mit welchem Ergebnis? Heute ist meine ganze Familie in der Wahrheit. Unsere Versammlung hat nun 60 eifrige Verkündiger, und ich habe das Vorrecht, Dienstamtgehilfe zu sein. Obwohl ich keine besonderen Fähigkeiten besitze, hat Jehova meine Bemühungen im Erntewerk gesegnet und unterstützt.“
Die Ernte geht weiter
Taiwan ist nur ein kleiner Teil des weltweiten Feldes. Doch Jesu Worte: „Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige“ treffen auch hier zu (Matthäus 9:37). Letztes Jahr wohnten 4 534 Personen der Feier zum Gedenken an den Tod Christi bei. Und während die Einsammlung ihrem Höhepunkt zugeht, ernten die fleißigen Arbeiter auf Taiwan mit Jubelruf. (Vergleiche Psalm 126:5, 6.)
[Fußnote]
a Kungfutse Gespräche (Lun Yü), aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm, Düsseldorf-Köln 1955, Buch VI, Abs. 20.
[Karte/Bilder auf Seite 31]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
JAPAN
CHINA
TAIWAN
PHILIPPINEN
[Bilder]
Ein vor kurzem errichteter Königreichssaal an der Ostküste Taiwans
Königreichsverkündiger bereiten vielen Bewohnern dieses grünen Landes Freude