Wer verursacht die Umweltverschmutzung?
„DIESE Insel ist Testgelände und Eigentum des Staates. Gefahrenbereich! Der Boden ist mit Milzbrand kontaminiert. Landung verboten.“a Dieses Schild, das eventuelle Besucher abhalten soll, ist auf dem schottischen Festland gegenüber der Insel Gruinard zu sehen. Seitdem vor 47 Jahren, während des Zweiten Weltkriegs, dort biologische Waffen getestet wurden, ist diese schöne Insel mit Milzbranderregern verseucht.
Gruinard ist ein extremes Beispiel für Umweltschäden. Doch weniger krasse Formen der Bodenverschmutzung sind weit verbreitet und nehmen immer mehr zu.
Bodenverschmutzung auf dem Vormarsch
Ein Verursacher der Bodenverschmutzung ist Müll. In Großbritannien wirft eine durchschnittliche vierköpfige Familie laut der Londoner Times im Jahr 51 Kilo Metall und 41 Kilo Plastik weg, „wovon vieles die Straßen, Straßenränder, Strände und Erholungsgebiete verschandelt“.
Wie die französische Zeitschrift GEO schrieb, erreichte eine riesige Müllkippe außerhalb Marseilles zeitweise eine Höhe von 60 Metern und zog gemäß Schätzungen 145 000 Möwen an. Ein Drahtzaun um die Müllkippe herum konnte nicht verhindern, daß der Wind Papier und Plastikmüll wegtrug. Deshalb kaufte die örtliche Verwaltung 30 Hektar benachbartes Kulturland, um das Müllproblem zu entschärfen.
Kein Wunder, daß für den EGb-Kommissar Stanley Clinton Davis, der das im März 1988 zu Ende gegangene Jahr der Umwelt organisiert hatte, bei der Liste der Umweltprobleme „kein Ende absehbar“ war. Daher wurde eine Kampagne zur Förderung des Müllrecyclings geplant mit dem Ziel, 80 Prozent der jährlich in der Gemeinschaft anfallenden 2,2 Milliarden Tonnen Müll wiederzuverwenden.
Aber nicht nur Westeuropa hat mit Müllproblemen zu kämpfen. Es ist ein weltweites Problem. Gemäß der Zeitschrift New Scientist ist es sogar notwendig geworden, den entlegenen antarktischen Kontinent zu reinigen. Australische Wissenschaftler haben dort mehr als 40 Tonnen weggeworfene Maschinenteile und Baumaterialien eingesammelt, die um ihre Basisstation verstreut lagen. Die New York Times (19. Dezember 1989) berichtete, daß die Amerikaner bei der McMurdo-Station (Antarktis) den Abfall von 30 Jahren beseitigten, darunter eine 35 Tonnen schwere Zugmaschine, die sie aus etwa 25 Meter tiefem Wasser zogen.
Ja, auf dem Land nehmen Verschmutzung und Verseuchung überhand. Doch wie steht es mit dem Wasser auf der Erde?
Verschmutztes Wasser — lebensfeindlich
„Die Flüsse in Großbritannien werden zum erstenmal seit einem Vierteljahrhundert wieder schmutziger“, meldete The Observer. „Das Kattegat stirbt. Zusehends wird es als Lebensraum für Fische ungeeignet, so verschmutzt und sauerstoffarm ist es“, schrieb die Times. „Die polnischen Flüsse werden immer mehr zu offenen Kloaken, und Verbesserungen sind kaum in Sicht“, hieß es im Guardian.
Im November 1986 kam es zu einer Umweltkatastrophe, die der Londoner Daily Telegraph „die Vergewaltigung des größten und meistbesungenen Wasserweges Westeuropas“ nannte. Bei einem Großbrand in einem Baseler Chemieunternehmen wusch die Feuerwehr bei der Löschaktion unabsichtlich zwischen 10 und 30 Tonnen Chemikalien und Pestizide in den Rhein. „Das Tschernobyl der Wasserwirtschaft“ machte riesige Schlagzeilen. Weitgehend unbeachtet bleibt jedoch die Tatsache, daß ständig giftige Abwässer in den Rhein geleitet werden, wenn auch nicht in diesem Ausmaß.
Wasserverschmutzer schädigen nicht nur ihre unmittelbare Umgebung. Noch viele Kilometer von der Einleitung entfernt zeigen sich die tödlichen Auswirkungen. Die Flüsse Europas, die in die Nordsee münden, führen eine so große Fracht an Farbe, Weißmachern für Zahnpasta, Giftmüll und Jauche mit sich, daß das niederländische Institut für Fischereiforschung die Plattfische in der Nordsee als für den Verzehr ungeeignet einstuft. Wie Untersuchungen ergeben haben, sind bei 40 Prozent der Flundern des Schelfs Hautkrankheiten und bösartige Tumoren festzustellen.
Wer trägt die Schuld an dieser Verseuchung? Viele verweisen auf die Industrie, deren Gewinnsucht bei weitem ihre Umweltbedenken übertrifft. Doch auch die Landwirte sind für die Verschmutzung der Ströme und Flüsse in der Nähe ihrer Felder mitverantwortlich. Der steigende Einsatz von Nitratdünger kann die Abwässer von Gärprozessen in Silos zu einer tödlichen Brühe werden lassen.
Einzelpersonen benutzen ebenfalls Flüsse als Müllabladestellen. Der Mersey, dessen Einzugsgebiet im Nordwesten Englands liegt, soll der dreckigste Fluß Europas sein. „Heute würden nur Dumme oder Unwissende freiwillig im Mersey schwimmen“, schrieb die in Liverpool erscheinende Daily Post und fügte hinzu: „Jeder, der so unglücklich ist, in den Fluß zu fallen, wird wahrscheinlich ins Krankenhaus müssen.“
Zu den Hauptbeteiligten an der Wasserverschmutzung gehören auch ungeklärte Abwässer. Das Wasser vor dem Strand eines beliebten englischen Urlaubsortes glich laut Berichten dem Wasser in „einer Badewanne, in dem eine Tasse voll ungeklärte Abwässer verteilt ist“. Dabei waren die EG-Grenzwerte um das Vierfache überschritten.
Es gibt noch eine weitere Gefahr; und diese fällt vom Himmel.
Saurer Regen — eine beängstigende Bedrohung
Es gab Zeiten, da brachte die Atemluft oder besser gesagt der Smog vielen Menschen in England den Tod. Heute ist diese Todesursache selten. Der Londoner Smog, der noch 1952 schätzungsweise 4 000 Menschen das Leben kostete, stellt keine Gefahr mehr dar. Kohlekraftwerke, die für den Smog mitverantwortlich waren, wurden in ländliche Gegenden verlegt sowie mit hohen Schornsteinen und teilweise mit Skrubbern (Sprühwäschern) ausgerüstet, die einen Großteil der tödlichsten Gase entfernen.
Dadurch wurde jedoch die Verschmutzung der Atmosphäre nicht gestoppt. Hohe Schornsteine haben zwar die Gefahr für die unmittelbare Umgebung beseitigt, doch jetzt tragen die vorherrschenden Winde die Schadstoffe über weite Strecken hinweg — häufig in andere Länder. Als Folge davon leidet Skandinavien unter der aus Großbritannien stammenden Verschmutzung, das deshalb von vielen der „dreckige alte Mann Europas“ genannt wird. In gleicher Weise ist die Industrie im Mittelwesten der Vereinigten Staaten ein Hauptverursacher des sauren Regens in Kanada.
Seit Jahren weist die Wissenschaft auf Schwefeldioxyd als den Hauptschuldigen an der Luftverschmutzung hin, die den sauren Regen verursacht. Drew Lewis, ein amerikanischer Sonderbeauftragter für kanadisch-amerikanische Fragen in Sachen saurer Regen, erklärte 1985: „Zu sagen, Sulfate verursachten keinen sauren Regen, wäre das gleiche, als würde man sagen, Rauchen verursache keinen Lungenkrebs.“ Kommen Schwefeldioxyde mit Wasserdampf in Verbindung, entsteht anscheinend Schwefelsäure, die den Regen sauer macht oder sich in den Tropfen der Wolken ansammelt und hochgelegene Wälder mit tödlichem Nebel überzieht.
Wenn der saure Regen dann zur Erde fällt oder, noch schlimmer, der saure Schnee schmilzt, wird der Boden in Mitleidenschaft gezogen. Schwedische Wissenschaftler, die eine Untersuchung aus dem Jahr 1927 wiederholten, kamen zu dem Ergebnis, daß in einer Tiefe von 70 Zentimetern der Säuregehalt des Waldbodens auf das Zehnfache gestiegen ist. Diese chemische Veränderung beeinträchtigt nachhaltig die Fähigkeit der Pflanzen, wichtige Mineralien wie Kalzium und Magnesium aufzunehmen.
Wie wirkt sich das alles auf den Menschen aus? Wenn Flüsse und Seen, die früher von Leben wimmelten, sauer werden und sterben, trifft ihn das schmerzlich. Außerdem haben norwegische Wissenschaftler bei Untersuchungen herausgefunden, daß ein höherer Säuregehalt des Wassers, ob in Seen oder im Boden, Aluminium löst. Das stellt eine echte Gesundheitsgefahr dar, denn man hat einen „eindeutigen Zusammenhang zwischen hohen Sterberaten und hohen Aluminiumkonzentrationen“ im Wasser festgestellt. Mögliche Zusammenhänge zwischen Aluminium und der Alzheimer-Krankheit sowie anderen Beschwerden des Alters sorgen immer wieder für Beunruhigung.
Es stimmt, in einigen Fällen, wie z. B. in Verbindung mit dem Mersey in England und der Müllkippe bei Marseille, sind Anstrengungen unternommen worden, die Situation zu verbessern. Doch derartige Probleme verschwinden nicht. Sie tauchen überall in der Welt auf. Allerdings gibt es noch eine andere Verschmutzung — eine unsichtbare.
Ozon — der unsichtbare Feind
Beim Verbrennen fossiler Brennstoffe — ob in Kraftwerken oder in Privathaushalten — entstehen außer Schwefeldioxyden noch andere Schadstoffe. Zu diesen gehören Stickoxyde und unverbrannte Kohlenwasserstoffe.
Die wissenschaftliche Meinung tendiert dahin, den Stickoxyden eine größere Schuld an der Luftverschmutzung zu geben. Unter der Einwirkung des Sonnenlichts sind sie daran beteiligt, ein tödliches Gas zu produzieren: Ozon. „Ozon ist in den Vereinigten Staaten der wichtigste die Vegetation angreifende Luftverschmutzer“, erklärte David Tingey von der amerikanischen Umweltbehörde. Gemäß seiner Schätzung erlitt sein Land dadurch 1986 einen Verlust von 1 Milliarde Dollar. Die europäischen Verluste wurden für den gleichen Zeitraum auf 400 Millionen Dollar veranschlagt.
Der saure Regen tötet zwar die Wasserwege, aber für das Waldsterben ist nach Ansicht vieler eher das Ozon verantwortlich, das nicht zuletzt mit Autoabgasen in Verbindung gebracht wird. Im Economist hieß es: „An dem Baumsterben [in Deutschland] ist nicht der saure Regen schuld, sondern das Ozon. Der auslösende Faktor für das Absterben mag Frost, saurer Nebel oder Krankheit sein, doch es ist das Ozon, das die Bäume anfällig macht.“ Und das, was in Europa vor sich geht, spiegelt nur wider, was auf den anderen Kontinenten geschieht. „In den kalifornischen Nationalparks werden Bäume durch Luftverschmutzung geschädigt, die von so weit entfernten Gegenden wie dem Raum Los Angeles herrührt“, berichtete New Scientist.
Es gibt jedoch eine noch schlimmere Art der Verschmutzung, die die Erde verunreinigt. Sie ist das Grundübel, auf das die buchstäbliche Verschmutzung von Land, Wasser und Luft auf unserem Planeten zurückzuführen ist.
Moralische Verschmutzung
Das Äußere einer Person kann einen täuschen. Jesus Christus beschrieb das sehr anschaulich. An die religiösen Führer seiner Tage gewandt, sagte er: „Wehe euch, ... weil ihr getünchten Gräbern gleicht, die zwar von außen schön scheinen, innen aber voll von ... jeder Art Unreinheit sind“ (Matthäus 23:27). Ja, ein Mensch mag dem Äußeren nach ordentlich und sauber, vielleicht sogar anziehend sein, doch seine Worte und sein Handeln mögen seine wahre, verdorbene Persönlichkeit erkennen lassen. Traurigerweise muß man sagen, daß heutzutage eine solche moralische Verschmutzung weit verbreitet ist.
Moralische Verschmutzung schließt den Drogenmißbrauch ein, der noch nie ein solches Ausmaß hatte wie heute. Popstars, Idole von Bühne und Leinwand ebenso wie scheinbar seriöse Geschäftsleute sind wegen ihrer Drogenabhängigkeit in Skandale verwickelt worden. Zur moralischen Verschmutzung gehört auch die Unsittlichkeit, die zu zerrütteten Familien, Scheidungen und Abtreibungen sowie zu sich epidemisch ausbreitenden sexuell übertragbaren Krankheiten einschließlich der schrecklichen Geißel Aids geführt hat.
Die moralische Verschmutzung wurzelt in der Selbstsucht, so wie auch der größte Teil der buchstäblichen Verschmutzung, von der der Mensch betroffen ist, auf Selbstsucht beruht. Tereza Kliemann, die in dem brasilianischen Bundesstaat São Paulo mit der Behandlung von Aidskranken zu tun hat, kam auf den Kern des Problems zu sprechen: „Die Vorbeugung [gegen Aids] erfordert, daß die Hochrisikogruppen ihr Verhalten ändern, und das ist schwer.“ Die meisten Menschen möchten tun, was ihnen gefällt, statt darauf zu achten, wie sich ihr Verhalten auf andere auswirkt. Daher sind Literatur, Unterhaltung, ja praktisch die gesamte menschliche Kultur in moralischer Hinsicht verseucht.
Für denkende Menschen sind die meisten der heutigen Bemühungen, die buchstäbliche und die moralische Verschmutzung zu beseitigen, nicht mehr als eine Vertuschung. Mit Recht stellt man sich daher die Frage, ob es irgendeine berechtigte Hoffnung gibt, daß die Erde eines Tages sowohl buchstäblich als auch moralisch sauber ist. Seien wir nicht entmutigt! Die Bibel zeigt, daß das Ende der Verschmutzung in Sicht ist.
[Fußnoten]
a Milzbrand ist eine infektiöse Tierkrankheit, die beim Menschen Karbunkel und Lungeninfektionen verursacht.
b EG: Europäische Gemeinschaft.
[Kasten/Bild auf Seite 7]
Schlimmer als der Zahn der Zeit
Nachdem dieses steinerne Gesicht über Jahre hinweg den Elementen ausgesetzt war, ist es jetzt nur noch eine Totenmaske. Schlimmer als der Zahn der Zeit nagt die Luftverschmutzung an ihm. Weltweit leiden alte Gebäude unter dem sauren Regen, der sie zerfrißt und auswäscht — vom Rathaus in Schenectady (New York, Vereinigte Staaten) bis zu den berühmten Gebäuden in Venedig. Von den römischen Bauwerken heißt es, sie zerfielen, wenn man sie nur berühre. Der weltberühmte Parthenon in Griechenland soll in den letzten 30 Jahren mehr Schaden erlitten haben als in den vorangegangenen 2 000. Die Schäden gehen meistens auf ein Zusammenwirken von Umweltfaktoren zurück, zu denen Temperatur, Wind und Luftfeuchtigkeit ebenso gehören wie Bakterien, die im Mauerwerk leben. Doch wenn sich die Verschmutzung schon auf unbelebte Dinge so auswirkt, wie sind dann erst Lebewesen davon betroffen?
[Bild]
Figur an einer Londoner Kathedrale