Das Buch Hiob — die Erklärung, warum Gott das Böse zuläßt
DAS Buch Hiob ist stets als ein literarisches Meisterwerk gepriesen worden, und das trotz der Tatsache, daß das Buch durch die Übersetzung aus dem Hebräischen in eine andere Sprache sehr leidet. So sagte zum Beispiel Martin Luther, der die Bibel ins Deutsche übersetzte: „Hiob leidet mehr unter meiner Übersetzung als unter den Schmähungen seiner Freunde.“
Allein schon die Tatsache, daß ein solch bemerkenswertes Schriftstück vor etwa 3 500 Jahren in ländlicher Umgebung aufgezeichnet worden ist, spricht für die göttliche Inspiration dieses heiligen Gedichts. Von den zweiundvierzig Kapiteln sind neununddreißig in Gedichtform abgefaßt.
Ist es aber nicht traurig, daß die meisten Menschen, die die Schönheit des Buches Hiob schätzen, nicht verstehen, worüber uns sein Autor, Jehova Gott, durch diese Aufzeichnungen belehren möchte? Ja, sehr viele geben vor, die Schönheit des Buches zu schätzen, zweifeln aber seine Geschichtlichkeit an und behaupten, es sei nur eine Allegorie, die auf einer Volkssage beruhe.
Wer jedoch leugnet, daß das Buch Hiob von tatsächlichen Ereignissen berichtet, widerspricht sowohl der Vernunft als auch der Schrift. Wieso? Weil Hiob in Hesekiel 14:14, 20 im Zusammenhang mit zwei weiteren treuen Männern erwähnt wird, die einen unangefochtenen Platz in der Geschichte haben: „Hätten sich diese drei Männer in seiner Mitte befunden: Noah, Daniel und Hiob, sie selbst würden wegen ihrer Gerechtigkeit [nur] ihre Seele befreien.“ Würde Hiob neben Noah und Daniel angeführt werden, wenn er nicht gelebt hätte?
Außerdem führt der Jünger Jakobus Hiob als ein Beispiel geduldigen Ausharrens an: „Seht! Wir preisen die glücklich, die ausgeharrt haben. Ihr habt vom Ausharren Hiobs gehört und habt gesehen, welchen Ausgang Jehova gab, daß Jehova voll inniger Zuneigung und barmherzig ist“ (Jak. 5:11). Wäre dies für Christen, die sich sehr bemühten auszuharren, eine Ermunterung gewesen, wenn Hiob nicht wirklich gelebt hätte, sondern nur eine allegorische Figur gewesen wäre? Ja, ein Autor kann in seiner Vorstellung eine erdachte Person alles mögliche erdulden lassen. Doch was würde all das unvollkommenen Menschen helfen, deren Ausharren tatsächlich geprüft wird? Überhaupt nichts! Damit Hiob für uns eine Ermutigung sein kann, muß er wirklich gelebt haben.
Zu welchem Zweck wurde das Buch Hiob geschrieben? Es liefert Aufschluß über ein für die Menschen sehr verwirrendes Problem: Warum läßt Gott das Böse zu? Oder: Warum läßt Gott zu, daß der Unschuldige leidet?
Weißt du, warum er es tut? Aus dem Buch Hiob können wir erkennen, daß Jehova so etwas zuläßt, weil sich sein Feind, Satan, der Teufel, rühmte, er könne alle Menschen veranlassen, sich von Gott abzuwenden. Ja, Satan behauptete, Jehova verdiene es nicht, gefürchtet und angebetet zu werden, und die Menschen würden ihm nur aus selbstsüchtigen Beweggründen gehorchen. Satan prahlte, er könne, wenn Gott ihn an Hiob heranlasse, diesen gerechten Mann veranlassen, Gott zu fluchen. Gott nahm die Herausforderung an und ließ zu, daß Satan alle möglichen Mühsale und Leiden über Hiob brachte. Der Name Hiob bedeutet „Gegenstand der Feindseligkeit“, und Hiob wurde tatsächlich von Satan angefeindet. Satan gelang es aber nicht, Hiob so weit zu bringen, daß er sich gegen Gott wandte. Auf diese Weise unterstützte Hiob Jehova als den rechtmäßigen Souverän und als den Einen, der es verdiente, gefürchtet und angebetet zu werden.
WER? WANN? WO? WAS?
Wer schrieb das Buch Hiob, und wann? Neuzeitliche Kritiker behaupten, man könne nicht feststellen, wer der Schreiber gewesen sei, und sie datieren das Buch ins 6. Jahrhundert v. u. Z. Es besteht jedoch Grund zu der Annahme, daß es viele Jahrhunderte früher geschrieben wurde, und zwar von niemand anders als Moses. In den Schriften des Moses gibt es sowohl Poesie- als auch Prosateile, die bestimmten Teilen des Buches Hiob ziemlich gleichen. Auch alte hebräische und christliche Gelehrte sind der Meinung, daß Moses der Schreiber war.
Wann und wo lebte Hiob? Aus dem Bericht geht hervor, daß Hiob zu einer Zeit lebte, als es seinesgleichen keinen auf der Erde gab. Er muß also nach dem Tod des treuen Patriarchen Joseph gelebt haben und bevor Moses als Jehovas Prophet erweckt wurde — im 17. und 16. Jahrhundert v. u. Z. Er lebte im Lande Uz, einer Gegend, die im heutigen Arabien liegt.
Das Buch Hiob könnte man in fünf Teile zergliedern: 1. Die Ursache des Unglücks, das über Hiob kam. 2. Die Reden Hiobs und seiner drei Freunde. 3. Die Reden Elihus, der die vier vorherigen Sprecher richtigstellt. 4. Die Aussprüche, die Jehova Gott selbst tut. 5. Der Ausgang der Sache.
DIE ERPROBUNG HIOBS
Das Buch berichtet einleitend von Hiobs untadeligem, gerechtem Verhalten, von seiner Familie und von seiner großen materiellen Wohlfahrt. Dann läßt es uns einen Blick in den Himmel werfen, wo Satan unter treuen Söhnen Gottes in der Gegenwart Jehovas erscheint. Gott lenkt Satans Aufmerksamkeit auf Hiobs rechtschaffenen Wandel, was darauf hindeutet, daß die Streitfrage schon vorher aufgeworfen worden war. Jehova sagt praktisch zu Satan: Du behauptest also, daß es keinen Menschen auf der Erde gibt, der mich fürchtet und gerecht handelt? Was hältst du denn von meinem Diener Hiob? Und Satan antwortet: O ja, sicherlich dient er dir. Aber schau einmal, wie wohlhabend du ihn gemacht hast — 7 000 Schafe, 3 000 Kamele usw.! Nimm ihm einmal alles weg, was er hat, und du wirst sehen, wie er in Wirklichkeit über dich denkt! Jehova nimmt die Herausforderung an und gestattet Satan, Hiob all seines Besitzes sowie seiner Kinder zu berauben.
Aber Hiob dient Gott und tut, was recht ist, nicht der materiellen Segnungen wegen, deren er sich erfreut, sondern aus Liebe zu Gott und zur Gerechtigkeit. Satan erscheint erneut im Himmel, und er antwortet auf den Hinweis, Hiobs Standhaftigkeit zu beachten, daß sich Hiob gegen Jehova Gott wenden würde, wenn er selbst leiden müßte. Gott läßt daraufhin zu, daß Satan Hiob von Kopf bis Fuß mit einer widerlichen und äußerst schmerzhaften Krankheit schlägt. Nun dringt sogar seine Frau in ihn aufzugeben: „Fluche Gott und stirb!“ Doch Hiob rügt sie mit den Worten: „ ‚Wie eine törichte Frau spricht, so redest auch du. Wenn wir das Gute von Gott annehmen, warum nicht auch das Böse?‘ Bei all dem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen“ (Hiob 2:10, Jerusalemer Bibel).
DIE REDEN HIOBS UND SEINER DREI FREUNDE
Drei Freunde Hiobs, Eliphas, Bildad und Zophar, erfahren von dem Unglück Hiobs und kommen, um ihn zu trösten. Sie sind über sein Elend so entsetzt, daß sie sieben Tage stumm dasitzen. Hiob bricht das Schweigen mit einer Rede, in der er den Tag seiner Geburt verflucht. Eliphas erwidert darauf, daß Hiob das durchmachen müsse, was er verdiene, denn Gott sei gerecht. Hiob antwortet ihm und bittet, zu zeigen, worin er falsch gehandelt habe. Dann argumentieren Bildad und Zophar mit demselben Ergebnis, und jedesmal hält Hiob an seiner Unschuld fest, rechtfertigt sich selbst jedoch mehr als Jehova Gott. Es kommt zu einer zweiten Diskussionsrunde und teilweise zu einer dritten. Da Hiobs drei Freunde auf falsche Weise versuchen, ihm zu helfen, werden sie eigentlich seine Feinde. Und statt ihn zu trösten, vergrößern sie noch seine Trübsal.
Wiederholt rügt er sie wegen ihrer harten Äußerungen, die im Verlauf der Diskussion immer strenger und abwegiger werden: „Was weist Zurechtweisung eurerseits zurecht?“ „Ihr . . . seid Lügentüncher; ihr alle seid Ärzte ohne Wert.“ „Was ärgert dich, daß du antwortest?“ (Hiob 6:25; 13:4; 16:3).
Während alldem hält Hiob an seiner Lauterkeit und seinem Glauben an Gott fest. Ja, in seinen Erwiderungen wendet er sich immer wieder an Gott, statt an einen seiner Freunde, mit den Worten: „Laß mich erkennen, warum es ist, daß du mit mir streitest“ (Hiob 10:2). Daß Hiob auf eine Auferstehung hofft, zeigt er mit den Worten: „O daß du mich im Scheol verbärgest, . . . daß du mir eine Zeitgrenze setztest und meiner gedächtest! Wenn ein körperlich tauglicher Mann stirbt, kann er wieder leben? . . . Du wirst rufen, und ich selbst werde dir antworten. Nach dem Werk deiner Hände wirst du dich sehnen“ (Hiob 14:13-15). In seiner letzten Rede (Kapitel 26 bis 31) besteht Hiob auf seiner Unschuld, indem er sagt: „Bis ich verscheide, werde ich meine unversehrte Lauterkeit nicht von mir weichen lassen!“ (Hiob 27:5). Er lenkt die Aufmerksamkeit auf Gottes große, unergründliche Weisheit; er spricht von seiner eigenen großen Berühmtheit und davon, wie sehr man ihn achtete, aber wie tief er nun in den Augen anderer gesunken sei; dann weist er erneut auf sein gerechtes Verhalten hin. Er hatte tatsächlich nichts getan, womit er das verdient hätte, was über ihn gekommen ist.
ELIHU UND JEHOVA ANTWORTEN HIOB
Alldem hört Elihu zu, der zu sprechen zögert, weil er verhältnismäßig jung ist. Er kann aber nicht länger an sich halten, da Hiob so sehr daran interessiert ist, sich selbst statt Gott zu rechtfertigen. Hiobs drei Freunden war es nicht gelungen, Hiob zu überzeugen, und so hatten sie „Gott ins Unrecht setzen lassen“ (Hiob 32:3, JB). Elihu äußert die Bitte: „O Hiob, höre bitte meine Worte. . . . Siehe! Ich bin dem wahren Gott gerade das, was du bist“ (Hiob 33:1, 6). Er rechtfertigt Jehovas Gerechtigkeit und seine Wege und macht geltend, daß sich der Mensch Gott unterzuordnen hat. Er hebt die Notwendigkeit hervor, Jehova Gott kennenzulernen, zeigt, daß Jehova ausgeglichen handelt, und rühmt abschließend die unerforschliche Größe des Schöpfers.
Als Elihu seine Rede beendet, beginnt sich ein Sturm zusammenzubrauen. Nun spricht Jehova aus dem Windsturm: „Wer ist dieser, der den Rat verdunkelt durch Worte ohne Erkenntnis? Gürte deine Lenden, . . . laß mich dich befragen, und du unterrichte mich. Wo befandest du dich, als ich die Erde gründete? Teile es mir mit, wenn du Verständnisvermögen hast“ (Hiob 38:1-4). Jehova lenkt dann die Aufmerksamkeit auf die geringe Bedeutung des Menschen und sein vorübergehendes Dasein im Vergleich zur Ewigkeit des Schöpfers, zu seiner Größe, Macht und Weisheit, die in der ganzen Schöpfung, vom weiten Sternenhimmel bis zu solch mächtigen irdischen Geschöpfen wie dem Nilpferd und dem Krokodil, zum Ausdruck kommen.
Nachdem Hiob Jehova Gott zugehört hat, gibt er zu, daß er übereilt und ohne vollständige Erkenntnis gesprochen hat, und er bereut „in Staub und Asche“. Jehova spricht daraufhin erneut; diesmal tadelt er Hiobs drei Freunde. Er fordert sie auf, Opfer darzubringen, und weist Hiob an, für sie einzutreten. Hiob wird danach mit sieben Söhnen und drei hübschen Töchtern gesegnet und erhält doppelt soviel Vieh, wie er zuvor hatte. Er lebt weitere einhundertvierzig Jahre und stirbt „alt und mit Tagen gesättigt“ (Hiob 42:1-17).
Ja, das Buch Hiob klärt uns darüber auf, warum Gott das Böse zuläßt, warum er zuläßt, daß der Gerechte zu leiden hat. Er tut es, um zu beweisen, daß Satans prahlerische Behauptung, er könne alle Menschen veranlassen, sich von Gott abzuwenden, falsch ist. Gleichzeitig gibt er allen, die Gott und Gerechtigkeit lieben, die Gelegenheit, zu beweisen, daß sie ihn aufrichtig anbeten, und sich als Personen zu erweisen, die ihre Lauterkeit bewahren. Wirst du zu ihnen gehören? Wenn ja, so magst du mit ewigem Leben belohnt werden, das Jehova allen seinen treuen Dienern in Aussicht stellt. Die Voraussetzung dafür wurde durch das Opfer Jesu Christi geschaffen, der wie kein anderer seine Lauterkeit bewahrt hat (Joh. 3:16).