Warum wir auf das prophetische Wort vertrauen
WENN du in der Bibel liest, kannst du nicht umhin, anzuerkennen, daß die Prophezeiungen der Bibel — wenn sie wahr sind — wunderbar und von außerordentlicher Bedeutung sind. Vielleicht sagst du, sie verdienten ein höchst intensives Studium und vollste Aufmerksamkeit. Jesus und seine Apostel vertrauten völlig auf das prophetische Wort und glaubten unterschiedslos an alle Prophezeiungen der Heiligen Schrift. (Joh. 17:17; 2. Tim. 3:16; 2. Petr. 1:19, 20) Das prophetische Wort war in ihrem Leben ein beherrschender Faktor. Nicht alle haben diesen Glauben. Du kannst aber diesen auf einer gesunden Grundlage beruhenden Glauben, der nichts mit blinder Leichtgläubigkeit zu tun hat, erwerben. (Hebr. 11:1) Wie kann man dieses sichere Vertrauen auf das prophetische Wort erlangen?
Von der Echtheit einer Prophezeiung überzeugt man sich am besten dadurch, daß man sie im Lichte der Zeit und der Zeitumstände betrachtet. Die Bibel lädt zu dieser Prüfung ein. (1. Joh. 4:1; Jes. 45:11) Um eine solche Prüfung vornehmen zu können, bedürfen wir eines Maßstabes; verschiedene Erfordernisse müssen erfüllt werden. Die Bibel selbst legt die Regeln, nach welchen eine Prophezeiung geprüft werden sollte, in 5. Mose 18:20-22 und 13:1-3 fest: Erstens muß sie im Namen Jehovas und in seinem Auftrag ausgesprochen werden, zweitens muß sie sich erfüllen und drittens muß sie in Übereinstimmung mit den Geboten Gottes sein und damit die wahre Anbetung fördern.
In dem nun folgenden kurzen Artikel werden wir eine uns übermittelte Prophezeiung im Hinblick auf die Beweise für ihre Zuverlässigkeit betrachten. Wir glauben, daß du fürs erste überrascht, dann aber von der Genauigkeit und der damit offenbarwerdenden Inspiration überzeugt sein wirst. Das wird dich anspornen, weitere Prophezeiungen der Bibel zu studieren, die du in gleicher Weise für zuverlässig und ebenso erfrischend und ermunternd, als festigende Kraft in diesen unsicheren Zeiten, befinden wirst.
VOR SEINER GEBURT ZUM WELTHERRSCHER BESTIMMT
Schlage doch einmal das 44. Kapitel des Propheten Jesaja, und zwar die Verse 24 bis 28 auf. Dort findest du die Worte Jesajas die er in Jehovas Namen, auf seinen Befehl hin, spricht: „So spricht Jehova, ... der das Wort seines Knechtes bestätigt und ... der von Jerusalem spricht: Es soll bewohnt werden! und von den Städten Judas: Sie sollen aufgebaut werden, und ich will seine Trümmer wieder aufrichten! der zu der Flut spricht: Versiege, und ich will deine Ströme austrocknen! der von Kores spricht: Mein Hirt, und der all mein Wohlgefallen vollführt, indem er von Jerusalem sprechen wird: es werde aufgebaut! und vom Tempel: er werde gegründet!“
Was ist so bemerkenswert an dieser Prophezeiung? Beachte, daß sie geäußert wurde, als Jerusalem noch in voller Blüte stand und eine Macht darstellte, mit der irgendeine Nation, die nach Weltherrschaft strebte, rechnen mußte. Babylon war noch weit davon entfernt, die dritte Weltmacht der biblischen Geschichte zu werden. Assyrien schien damals das Bestehen Jerusalems weit eher zu bedrohen als Babylon. Die Prophezeiung sagte den Aufstieg eines Persers namens Kores voraus, und das 150 Jahre vor seiner Geburt. Auch sollte seine Nation zur vierten Weltmacht werden. Die Prophezeiung deutete an, daß Jerusalem und der Tempel zerstört und die Juden in die Knechtschaft Babylons, der kommenden dritten Weltmacht, geraten würden, daß aber Kores Babylon später besiegen und die Juden befreien würde, und daß Jerusalem und der Tempel nach dem Befehl des Kores wieder aufgebaut würden. — Siehe auch Jesaja 39:3-7.
Im nächsten Vers der Prophezeiung wird Kores als der „Gesalbte“ Gottes bezeichnet. (Jes. 45:1) Kores wurde wahrscheinlich um das Jahr 600 v. Chr. geboren. Schon vor seiner Geburt war Jerusalem von den Babyloniern zerstört und die Priesterschaft des Tempels Jehovas nach Babylon in das Exil geführt worden. In welchem Sinne konnte er denn als „Gesalbter“ bezeichnet werden? Er war nie durch einen Hohenpriester Jehovas mit heiligem Salböl gesalbt worden, um in irgendeiner Eigenschaft für Jehova Dienst zu tun. Eine Salbung war ein Zeichen für eine Ernennung oder eine Amtseinführung, und die durch Jehova lange im voraus erfolgte Ernennung des Kores könnte demnach als eine Salbung bezeichnet werden. Zum Beispiel wurde auch die Ernennung des Propheten Elisa und die des Königs Hasael — beide hatten einen besonderen Auftrag Jehovas zu erfüllen — als Salbung bezeichnet, obwohl sie nicht buchstäblich mit heiligem Salböl gesalbt worden waren. — 1. Kö. 19:15, 16, 19; 2. Kö. 8:13.
Wir wollen nun Jesajas Prophezeiung im 45. Kapitel weiter verfolgen. Dort heißt es: „So spricht Jehova zu seinem Gesalbten, zu Kores, dessen Rechte ich ergriffen habe, um Nationen vor ihm niederzuwerfen, und damit ich die Lenden der Könige entgürte, um Pforten vor ihm aufzutun, und damit Tore nicht verschlossen bleiben. Ich, ich werde vor dir herziehen und werde das Höckerichte eben machen; eherne Pforten werde ich zerbrechen und eiserne Riegel zerschlagen; und ich werde dir verborgene Schätze und versteckte Reichtümer geben, auf daß du wissest, daß ich Jehova bin, der dich bei deinem Namen gerufen hat, der Gott Israels.“
Jehova Gott spricht hier in Jesaja 45:1-3 von Kores, dem Perser, als ob er schon lebte. Das stimmt damit überein, was wir in Römer 4:17 lesen, daß nämlich Gott die „nicht vorhandenen Dinge ruft, als ob sie vorhanden wären“. Er verheißt, Kores bei seiner rechten Hand zu ergreifen, ihn zu führen oder ihm unwiderstehliche militärische Kraft zu verleihen.
Zuerst mußten gewisse Nationen unterworfen werden, bevor Kores seine Aufmerksamkeit der Eroberung Babylons, der dritten Weltmacht, die Jehova als Hauptziel für Kores vorgesehen hatte, zuwenden konnte. Als erstes unterwarf Kores das Medische Reich, das bis dahin Persien unter seinem Joch gehalten hatte. Als König Krösus von Lydien sah, daß sein Verbündeter, Astyages von Medien, gestürzt worden war, ging er, um sich vor Kores zu schützen, in aller Eile eine Allianz mit Ägypten, Babylon und Sparta ein. Trotzdem nahm Kores im Jahre 546 v. Chr. die lydische Hauptstadt Sardis ein und schritt zu der vollständigen Eroberung Kleinasiens. Nun konnte Kores seine Aufmerksamkeit Babylon zuwenden. Als er den ersten Herrscher Babylons, König Nabonid, auf offenem Schlachtfeld geschlagen hatte, rückte er gegen Babylon vor.
BABYLON, EINE MÄCHTIGE FESTUNG
Eine der bemerkenswerten Besonderheiten bei der Erfüllung der Prophezeiung über den Fall Babylons war die scheinbare Uneinnehmbarkeit Babylons. Nebukadnezar, der mächtigste König von Babylon, hatte weder Ausgaben noch Anstrengungen gescheut, um Babylon zu der prächtigsten Stadt der damaligen Welt zu machen. Die Einwohner Babylons glaubten, ihre Stadt sei uneinnehmbar. Laut einer Inschrift rühmte sich Nebukadnezar mit den Worten: „Eine große Mauer, die gleich einem Berge nicht bewegt werden kann, machte ich aus Mörtel und Backsteinen. Ihre Fundamente setzte ich tief unten auf den Busen der Unterwelt, ihre Spitze erhob ich bergeshoch.“ Aber mehr noch als seine Mauern bot der Euphrat den Hauptschutz Babylons. Das Wasser des Euphrat füllte einen tiefen und breiten Festungsgraben. Entlang der beiden Ufer des Flusses, der die Stadt durchfloß, verlief eine Uferstraße, die von der Stadt durch eine mächtige Mauer abgetrennt war. Diese Mauer war durchbrochen von Toren mit kupfernen Türflügeln. Jedes Tor führte über einen Abhang hinab zum Wasser. Daraus ist leicht zu erkennen, warum Menschen, die in Babylon gefangen waren, die Hoffnung auf Befreiung aufgeben konnten. — Jes. 14:17.
Im Gegensatz dazu waren die in Babylon gefangenen Juden von einer strahlenden Hoffnung erfüllt, denn der Gott wahrer Prophezeiung hatte ihre Befreiung vorausgesagt. Mit welcher Leichtigkeit Jehova doch seine Prophezeiung erfüllte! Der Euphrat, Babylons Hauptverteidigungsmittel, wurde von den Heeren des Kores in seinem Lauf abgelenkt, so daß das Flußbett gewissermaßen trockengelegt wurde. Ferner sah Jehova darauf, daß die den Euphrat entlang gelegenen doppelflügeligen Pforten in jener für Babylon verhängnisvollen Nacht offenblieben, während Belsazar mit tausend seiner Gewaltigen ein ausschweifendes Fest feierte und Babylons Götter aus Holz und Stein pries. — Dan. 5:1-4.
Die kupfernen Pforten wurden nicht buchstäblich zerbrochen und die eisernen Riegel, mit denen diese Tore geschlossen wurden, wurden nicht buchstäblich zerschlagen. Der unsichtbare Eingriff Jehovas an diesen Toren und Riegeln jedoch war so, als ob er das getan hätte. Die Mauern Babylons nützten nichts. Die Heere des Kores brauchten diese Mauern nicht zu erstürmen, um in die Stadt hineinzugelangen. Jehova ging vor Kores einher, indem er das „Höckerichte“ oder die Hindernisse beseitigte.
Als die Stadt, das Königsschloß und die Burg vollständig in die Gewalt der Heere des Kores übergegangen waren, fielen natürlich auch die ganzen Schätze in die Hand des Kores, auch solche, die in dunklen Verstecken verborgengehalten worden waren. Dazu gehörten auch die Schätze der Nationen, die von Babylon geplündert worden waren, wie zum Beispiel die heiligen Geräte, die aus dem Tempel Jehovas in Jerusalem gestohlen worden waren. Ferner war Babylon auch deshalb eine reiche Belohnung, weil es ein Knotenpunkt des Handels zwischen der damaligen östlichen und westlichen Welt war. Die aufgehäuften Schätze schlossen auch die Reichtümer ein, die Babylon aus dem Geschäft mit der Religion in den Tempeln seiner falschen Götter erworben hatte. Herodot berichtet, daß jede eingeborene weibliche Person gezwungen war, einmal in ihrem Leben den Tempel der Mylitta (Ischtar) aufzusuchen, einer Fruchtbarkeitsgöttin, der man als dem weiblichen Zeugungsprinzip die Bezeichnung „Himmelskönigin“, „Mutter der Götter“, gab. Dort mußte das Mädchen in der unmittelbaren Umgebung der Göttin warten und sich schließlich der Umarmung des nächstbesten Fremden hingeben, der ihr eine Silbermünze in den Schoß warf — nichts anderes als Prostitution, die im Namen der Religion praktiziert wurde.a
JEHOVA BEWIRKT DIE ERFÜLLUNG
Jehova gab unmißverständlich zu verstehen, welchen Perser er gebrauchen wollte, so unmißverständlich, wie er einst zu Moses in Verbindung mit dem Bau der Stiftshütte gesagt hatte: „Siehe, ich habe Bezaleel, den Sohn Uris, des Sohnes Hurs, vom Stamme Juda, mit Namen berufen.“ (2. Mose 31:1, 2) Dieses Vorgehen Jehovas mit Kores bedeutete nicht die Erhöhung eines Menschen, sondern gereichte ihm, dem wahren Gott der Prophezeiung, dem universellen Souverän, zur Verherrlichung und diente seinem Vorhaben, die Nation Israel zu befreien. Seine weiteren Worte an Kores lauten: „Um Jakobs, meines Knechtes, und Israels, meines Auserwählten, willen rief ich dich bei deinem Namen, ich gab dir einen Beinamen [Ehrennamen, Fußnote], und du kanntest mich nicht; ich bin Jehova und sonst ist keiner, außer mir ist kein Gott [Elohim]; ich gürtete dich, und du kanntest mich nicht: — auf daß man wisse vom Aufgang der Sonne und von ihrem Niedergang her, daß außer mir gar keiner ist. Ich bin Jehova, und sonst ist keiner! der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe, [und ebenso] den Frieden [für das gefangene Volk Israel] mache und das Unglück [für Babylon] schaffe; ich, Jehova, bin es, der dieses alles wirkt.“ — Jes. 45:4-7.
Es kam nicht auf die Tapferkeit des Kores an, sondern es war Jehova, der, wie er selbst sagt, König Kores, obwohl dieser ihn nicht kannte, „gürtete“ oder stärkte, um gegen Babylon und für sein Volk das zu wirken, was ihm wohlgefiel. So gab er Kores einen „Ehrennamen“. Nur weil Jehova Gott ihn erwählt und gestärkt hatte, konnte Kores später (laut dem Tonzylinder des Kyros [Kores]) folgendes sagen: „Ich bin Kyros, der König der Gesamtheit, der große König, der mächtige König, König von Babylon, König von Sumer und Akkad, König der vier Weltgegenden.“b
Wenn Jehova Kores auf diese Weise gebrauchte, konnte er seine Himmel aufrufen, gerechte Einflüsse oder Kräfte auszuströmen; er konnte die Erde anrufen, sich „aufzutun“ und gerechte Zustände und Rettung für sein gefangenes Volk hervorsprießen zu lassen. „Träufelt, ihr Himmel droben, und Gerechtigkeit mögen rieseln die Wolken! die Erde tue sich auf, und es sprosse Heil, und sie lasse Gerechtigkeit hervorwachsen zugleich! Ich, Jehova, habe es geschaffen.“ (Jes. 45:8) Zu seiner bestimmten Zeit kamen seine Himmel und seine Erde diesem Befehl nach und erfüllten die Prophezeiung.
SEGNUNGEN FÜR ANBETER DES GOTTES DER PROPHEZEIUNG
Als die Israeliten zu Gefangenen Babylons wurden, waren sie nicht in der Lage, sich selbst aus der Hand Babylons zu befreien. Nur an ihn, an Jehova, konnten sie sich wenden. „Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle ihr Enden der Erde! denn ich bin Gott [El], und keiner sonst. Ich habe bei mir selbst geschworen, aus meinem Munde ist ein Wort in Gerechtigkeit hervorgegangen, und es wird nicht rückgängig werden, daß jedes Knie sich vor mir beugen, jede Zunge mir schwören wird. Nur in Jehova, wird man von mir sagen, ist Gerechtigkeit und Stärke. Zu ihm wird man kommen, und es werden beschämt werden alle, die wider ihn entbrannt waren. In Jehova wird gerechtfertigt werden und sich rühmen aller Same Israels.“ (Jes. 45:22-25) Die Israeliten konnten sich rühmen, denn im Hinblick auf das, was Jehova für sie getan hatte, war der Beweis erbracht worden, daß sie sich auf dem richtigen Wege befanden, wenn sie ihn als den wahren Gott anbeteten und auf sein prophetisches Wort vertrauten.
Das, was sich in Verbindung mit Kores abspielte, ist daher eine feste Stütze für unser Vertrauen in das prophetische Wort. Es beweist, daß wir Segnungen erlangen können, wenn wir auf die Prophezeiungen Gottes hören. Für jene treuen Juden war es bestimmt ein Segen, daß sie auf das prophetische Wort achteten. Es bewahrte sie vor völliger Verzweiflung und vor übermäßiger Traurigkeit. Sie erfuhren daraus nicht nur das, was in der Zukunft lag, sondern es diente ihnen auch als Warnung, und es war für jene, die darauf vertrauten, eine Wegleitung, die zu ihrem Wohlergehen beitrug.
Wenn wir das prophetische Wort sorgfältig beachten, können wir Segnungen erwarten und den verhängnisvollen Fehler der Babylonier vermeiden, die auf materielle Dinge und auf ihre militärische Macht vertrauten. Dieses Beispiel zeigt uns, daß es weise, vernünftig und richtig ist, Gott anzubeten und zu ihm in dieser gefahrvollen Zeit um Befreiung aufzublicken, ferner, daß Schutz nicht von seiten militärischer Macht her zu erwarten ist — mögen auch die Verteidigungsvorkehrungen scheinbar gleich den Mauern Babylons bis in den Himmel reichen und scheinbar so stark sein, daß keine Macht auf Erden sie überwinden könnte.
Auch die Tatsache, daß Kores der Gesalbte Jehovas genannt wurde, kann eine Ermunterung für uns sein. Als ein von Jehova Gesalbter oder Ernannter wäre er ein Messias (hebräisch) oder ein Christus (griechisch, LXX). In dieser Hinsicht wurde Kores ein Vorbild oder ein prophetisches Bild des verheißenen Messias oder Christus, des Samens des „Weibes“ Gottes, und zwar in dem Werk, das Kores für Jehova Gott verrichtete. Babylons Sturz durch die Hand des Kores war demnach ein prophetisches Bild von der Vernichtung des großen Babylon unseres zwanzigsten Jahrhunderts durch die Hand des verheißenen Messias oder Christus, wie es im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung, in den Kapiteln 17 und 18, vorausgesagt wird.
Dieser Kampf gegen das alte Babylon führte nicht nur zu der Befreiung der Juden. Er war auch eine Schlacht zwischen Göttern, was wir in unserer nächsten Ausgabe etwas näher betrachten wollen.
[Fußnoten]
a Herodot i, 199.
b Und die Bibel hat doch recht von Werner Keller, Düsseldorf 1955, Seite 300.