Sich der Niedrigen und Demütigen annehmen
Wer sind sie? Wie können wir uns ihrer annehmen?
ETWAS, was an erhöhter Stelle steht, fesselt unsere Aufmerksamkeit und beeindruckt uns. Aus diesem Grund werden Statuen von Helden und Göttern an erhöhten Stellen errichtet. Herrscher erhebt man auf einen Thron. Bei Menschen sind hohe Persönlichkeiten angesehen; Gott aber fühlt sich zu den Niedrigen und Demütigen hingezogen. „Den Hochmütigen kennt er nur von ferne.“ (Ps. 138:6, NW) Jesus sagte: „Was bei den Menschen hoch ist, ist etwas Abscheuliches in Gottes Augen.“ (Luk. 16:15) Darum ermahnt die Bibel: „Besser niedrigen Geistes sein mit den Demütigen, als Raub teilen mit den Hoffärtigen.“ „Sinnt nicht auf hohe Dinge, sondern laßt euch mit den niedrigen Dingen mitführen.“ — Spr. 16:19; Röm. 12:16.
Da sich Gott, unser Schöpfer, selbst der Niedrigen und Demütigen annimmt, ist er für uns ein gutes Beispiel, und wir tun gut, ihn nachzuahmen, weil es uns wahrhaft glücklich macht. Er sagt, er wohne „bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten [Niedrigen, NW] und zu beleben das Herz der Zerschlagenen“. (Jes. 57:15) Er nimmt sich ihrer an, weil er an ihrem Wohlergehen interessiert ist. Wir sollten uns ihrer ebenfalls aus diesem Grund annehmen.
Gott unterstützt die Niedrigen und Demütigen großmütig. Er verleiht ihnen seinen belebenden Geist und stärkt ihr Herz durch die untrüglichen Verheißungen seines Wortes. Er hat sie durch das kostbare Lebensblut seines einziggezeugten Sohnes erlöst und für sie dadurch eine Möglichkeit geschaffen, ewiges Leben zu erlangen. Wir können uns darum an ihm ein Beispiel nehmen. — 1. Joh. 4:7-16.
Wer sind diese Niedrigen oder Demütigen? Nicht unbedingt die Armen der Welt, denn sie sind nicht alle demütig. Es gibt unter ihnen viele, die ziemlich eingebildet und hochmütig sind. Gott verrät selbst, wer die Niedrigen oder Demütigen sind, die es verdienen, daß er sich ihrer annimmt, indem er sagt: „Auf diesen will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist, und der da zittert vor meinem Worte.“ (Jes. 66:2) In diesem Sinne niedrig zu sein bedeutet somit nicht, minderwertig zu sein. Es bedeutet, daß man sich bewußt ist, wie klein man ist im Vergleich zu Gott. Der Niedrige oder Demütige kennt Jehova Gott und zittert vor seinem Wort.
Echte Demut wird durch verschiedene Dinge hervorgerufen. Sie wurzelt vor allem in Dankbarkeit. Wer die Majestät Gottes kennt, fragt sich, warum sich Gott seiner annehmen sollte. „Was ist der Mensch, daß du sein gedenkst, und des Menschen Sohn, daß du auf ihn achthast?“ (Ps. 8:4) Ein denkender Mensch demütigt sich, wenn er erkennt, daß sich Gott zu uns herabneigt. Demut wurzelt auch in Ehrfurcht. Wie kann ein sündiger Mensch es wagen, sich an den Schöpfer zu wenden? Gott hat es ihm möglich gemacht. Der Mensch, der sich seiner angeborenen Unzulänglichkeit bewußt ist, steht zerknirscht vor seinem Schöpfer. Auch das Bewußtsein, daß uns unsere Sünden vergeben werden, ruft Demut hervor. Demütige Menschen geben ihre Sünden mit der Offenheit eines Kindes zu und nehmen die ihnen angebotene großzügige Vergebung freudig und zuversichtlich an. Aus Gottes Wort, der Bibel, erfahren sie, daß Gott Sünden vergibt. Sie beben bei dem Gedanken an die Liebe und Großmütigkeit Jehovas. Könnte der sterbliche Mensch um mehr bitten als um die Vergebung seiner Sünden? Die wahre Erkenntnis über Gott zwingt ihn, bescheiden, sanftmütig und demütig zu sein. Diese Art Demut gefällt Gott, denn sie zeigt, was der Mensch wirklich ist — ein Geschöpf, das vollständig von seinem Schöpfer abhängig ist.
UNSER BEISPIEL
Ohne Zweifel war der Mensch Jesus Christus der demütigste Mensch und ist in dieser Hinsicht unser bestes Beispiel. Er war Gottes Sohn, ließ sich aber trotzdem dazu herab, seinen Jüngern die Füße zu waschen. (Joh. 13:1-17) Jesus war so demütig, daß er sich nicht schämte, die Arbeit eines Sklaven zu verrichten. Er war demütig, weil er sein Verhältnis zu seinem himmlischen Vater, Jehova, richtig erkannt hatte. Er sagte einmal: „Der Sohn kann gar nichts aus sich selbst tun, sondern nur das, was er den Vater tun sieht.“ (Joh. 5:19, 30) Als er bei einer anderen Gelegenheit die Menschen einlud, zu ihm zu kommen, sagte er von sich: „Kommt zu mir alle ..., denn ich bin mildgesinnt und von Herzen demütig, und ihr werdet Erquickung finden für eure Seelen.“ (Matth. 11:28, 29) Aus dem Beispiel Jesu lernen wir, daß wir unseren Mitmenschen gegenüber nur dann wirklich demütig sein können, wenn wir Gott gegenüber demütig sind.
Weder Jehova noch Jesus verachtete den Niedrigen oder Demütigen, und wir sollten es auch nicht tun. Sünder wenden sich an Gott im Gebet, weil er leicht zugänglich ist und sich jederzeit ansprechen läßt. Er, der das ganze Universum aufrechterhält, nimmt sich auch für die Niedrigsten oder Geringsten Zeit. In ihren Gebeten schütten sie ihm ihr Herz aus, und er schenkt ihnen Gehör. Sie schrecken nicht vor seiner Allmacht und Weisheit zurück, denn er mißbraucht seine Macht nicht und stellt seine Weisheit ihnen gegenüber nicht zur Schau. Sie fühlen sich in seiner Liebe geborgen. (Jes. 55:8, 9) Jesu ahmte das wunderbare Beispiel seines himmlischen Vaters nach. Obwohl er vollkommen war, hatten einfache Menschen nie das Empfinden, er sei ihnen weit überlegen, noch fürchteten sie seine Macht. Viele brachten ihm sogar ihre Kinder, damit er sie segne. (Mark. 10:13-16) Verachtete, Prostituierte, Steuereinnehmer, Behinderte und Kranke strömten ihm zu. Er hatte für sie Zeit. Als gewisse Leute ihm Vorhaltungen machten, weil er in solchen Kreisen verkehrte, antwortete er: „Geht denn hin und lernt, was dies bedeutet: ‚Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer. Denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“ (Matth. 9:13) Wir tun alle gut, über die Bedeutung dieser Worte und über das Beispiel, das uns Jesus dadurch gegeben hat, nachzudenken. Kommen Sünder zu dir, um dich um Hilfe zu bitten? Suchen sie bei dir Trost? Das ist nämlich ein guter Maßstab, an dem man seine Demut beurteilen kann.
Paulus, ein Apostel Jesu, zeigte, daß Gott nicht Menschen von hohem Rang damit beehrte, seine Vertreter auf der Erde zu sein. „Nicht viele, die dem Fleische nach Weise sind, [wurden] berufen ..., nicht viele Mächtige, nicht viele von vornehmer Geburt“, schrieb Paulus. Statt dessen habe Gott das Törichte, das Schwache und „das Unedle der Welt auserwählt und das, worauf man herabblickt, die Dinge, die nicht sind, ... damit sich vor Gott kein Fleisch rühme“. (1. Kor. 1:26-31) Viele dieser Auserwählten mögen daher verständlicherweise eine fragwürdige Vergangenheit und eine schlechte oder gar keine Schulbildung genossen haben oder alles andere als gesittet gewesen sein. Trotzdem erwählte Gott sie und offenbarte ihnen seine heiligen Geheimnisse der Wahrheit und des Lebens.
Nehmen wir zum Beispiel Zachäus. Er war von kleinem Wuchs und kletterte deshalb auf einen Baum, um Jesus zu sehen. Er galt in seiner Umgebung als hartgesottener Sünder. Sollte Jesus in sein Haus kommen? Niemals! Er war einer solchen Ehre nicht würdig. Doch was tat Jesus? Er lud sich bei Zachäus selbst ein. Der Bericht sagt: „Er [Zachäus] ... nahm ihn mit Freuden als Gast auf.“ Er war über den Besuch Jesu so gerührt, daß er aufstand und sagte: „‚Siehe, die Hälfte meiner Habe, Herr, gebe ich den Armen, und was ich von irgend jemand durch falsche Anklage erpreßt habe, erstatte ich vierfach.‘ Darauf sagte Jesus zu ihm: ‚An diesem Tag ist diesem Hause Rettung widerfahren ... Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren war.‘“ (Luk. 19:1-10) Welche Freude für Zachäus, daß Jesus von sich aus zu ihm kam! Oft muß der Angesehenere den ersten Schritt tun. Einfache Menschen fühlen sich nicht würdig genug, einflußreiche Persönlichkeiten einzuladen, wären aber unendlich dankbar, wenn sich diese selbst einladen würden. Solche Besuche sind für einfache Menschen unvergeßliche Erlebnisse, durch die sie gesegnet und ermuntert werden.
EINIGE VERDIENEN BESONDERE BEACHTUNG
Manche einfache, demütige Menschen sind geneigt, sich zurückzuziehen. Sie werden verschlossen und führen oft ein Einsiedlerleben. Sie brauchen Hilfe. Der Prophet Elia besuchte in Zarpath eine einfache Witwe. (1. Kö. 17:8-24) Sein Besuch war für sie ein Segen. Witwen und Witwer führen oft ein einsames Dasein. Durch einen Besuch könnte man dazu beitragen, daß sich das ändert.
Bei alten Leuten läßt das Gedächtnis nach und oft haben sie eine blühende Phantasie. Sie fühlen sich zurückgesetzt. Junge Menschen können sich ihrer annehmen, indem sie sie an ihren Unternehmungen einen gewissen Anteil haben lassen. Nichts wirkt anregender als das unerwartete Klopfen eines jugendlichen Besuchers. Durch etwas Aufmerksamkeit können wir alte Leute spüren lassen, daß sie noch gebraucht werden, und so vermeiden, daß sie auf den Gedanken kommen, sie gehörten „zum alten Eisen“. — Matth. 15:4-6; 2. Mose 20:12.
Setze dir das Ziel, auf einfache, aber systematische Weise dein Verhältnis zu körperlich Behinderten, Minderbegüterten oder Personen, die wegen ihres Charakters Schwierigkeiten haben, zu verbessern. Wie kannst du das tun? Versprich solchen Personen, sie zu bestimmten Zeiten zu besuchen. Wenn man ein Gastmahl gibt, ist man geneigt, angesehene Gäste einzuladen. Warum nicht auch einmal weniger angesehene einladen? Sie würden sich über eine solche Einladung bestimmt freuen. Angesehene Leute werden ständig gut bewirtet und beschenkt. Jesus sagte: „Wenn du ein Mittag- oder ein Abendessen veranstaltest, so rufe weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn herbei ... Sondern wenn du ein Gastmahl veranstaltest, so lade Arme, Krüppel, Lahme, Blinde ein; und du wirst glücklich sein, weil sie nichts haben, um es dir zu vergelten. Denn es wird dir in der Auferstehung der Gerechten vergolten werden.“ (Luk. 14:12-14) Denke an diesen Rat, wenn du das nächste Mal ein Gastmahl vorbereitest.
Diese einfachen, demütigen Menschen sind sich im allgemeinen ihrer Schwachheiten bewußt. Ohne Zweifel sind sie schon Dutzende Male daran erinnert worden. Sie haben es nötig, ermuntert, beachtet und geliebt zu werden. Sie wissen, daß sie bessere Gesellschafter oder gesprächiger werden sollten, aber bei einigen geht das nicht so schnell. Du kannst ihnen jedoch helfen, indem du sie liebst und ihnen Gelegenheit gibst, dich und deine Angehörigen zu lieben. Du kannst ihnen helfen, mit anderen zusammen zu arbeiten, indem du sie ermunterst und sie einlädst, auf größeren christlichen Versammlungen oder im Predigtdienst mit dir zusammen zu arbeiten. Du kannst ihnen helfen, mit anderen Menschen Verbindung zu haben, indem du sie besuchst und dabei andere mitnimmst.
Diese Bemühungen werden nicht vergeblich sein. Die Bibel sagt: „Glücklich, wer dem Niedrigen gegenüber rücksichtsvoll handelt; am Tage des Unheils wird Jehova ihn entrinnen lassen.“ (Ps. 41:1, NW) Du wirst bestimmt glücklich werden, und das ist keine geringe Belohnung. Diese Niedrigen und Demütigen werden deiner in ihren Gebeten gedenken, und das an sich ist schon ein unbeschreiblicher Segen. Doch darüber hinaus verheißt Jehova allen, die sich der Niedrigen und Demütigen annehmen oder ihnen gegenüber rücksichtsvoll handeln, Schutz und Rettung. Könnte es etwas Lohnenderes geben?