Wahre Liebe ist praktisch
„Laßt uns lieben, nicht in Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit.“ — 1. Joh. 3:18, NW.
1. Warum ist die Liebe ein Beweis, daß es einen Gott gibt, und wie erweist sich somit die Heilige Schrift als sein Buch?
LIEBE gibt es, weil es einen Gott gibt. Wenn es keine Liebe gäbe, gäbe es auch keinen Gott. Das Dasein von Liebe ist ein Beweis, daß ein Gott da ist. Liebe konnte nur von Gott kommen. Die materialistische Theorie, nach welcher moderne Wissenschaftler die ganze Schöpfung erklären wollen, ist absolut lieblos und kann nie erklären, wie jene herzerwärmende, herzbewegende Eigenschaft ins Dasein kam. Gemäß ihren Theorien über die Schöpfung gäbe es nur ein kaltes Universum ohne Liebe und ohne Zweck. Die auf harten Tatsachen beruhende Naturwissenschaft ist ihr Gott, ihr Götze der Anbetung, der nicht zum Herzen spricht. Nicht weniger lieblos sind die Götter der Heiden. Sie sind Götter der Leidenschaft, aber ihre Leidenschaft, auch dem anderen Geschlecht gegenüber, ist nicht wahre Liebe. Was diese Götter als lieblos kennzeichnet, ist ihr unmenschliches, sadistisches Vergnügen, das sie, wie man sagt, daran haben, Geschöpfe auf scheußliche Weise in einem Leben nach dem Tode zu quälen, weil sie während des jetzigen Lebens in dieser bösen Welt nicht ihr Wohlgefallen gewonnen hätten. Welcher dieser Götter legt den Grundsatz der Liebe dar, so wie es der eine lebendige und wahre Gott in seinem Wort, der Heiligen Schrift, tut? Welche von all den Religionen, die um jene Götter aufgebaut worden sind, gibt uns Beispiele einer Liebe, wie sie Jehova Gott durch seinen Sohn Jesus Christus gegeben hat? Keine einzige! Nein, nicht eine dieser Religionen noch ihre Literatur offenbart die Wirksamkeit eines Geistes wahren Gottestums, wie die Bibel es tut. Daher muß die Bibel Gottes Buch sein, denn sie lehrt göttliche Liebe und ist von ihr durchdrungen.
2. Wieso hatte das erste Menschenpaar Liebe zu Gott, doch was hemmte das Wachstum seiner Liebe zu Gott und zueinander?
2 Wie hat der Mensch diese Eigenschaft, die Liebe, denn erhalten? Sie war ursprünglich die Gabe des Schöpfers, also eine Gabe Gottes. Er stattete den Menschen bei seiner Erschaffung damit aus. Ohne die Liebe hätte der ursprüngliche vollkommene Mensch nicht in Gottes Bild und Gleichnis erschaffen sein können. Das Weib war des Mannes erster und vertrautester Nächster, und der Mann war erschaffen, sein Weib zu lieben. Der erste Mann legte die Zuneigung an den Tag, die er für seine Frau hatte, und veranschaulichte damit die Zuneigung, die alle künftigen Ehemänner zu ihren Frauen haben sollten, wenn er über das schöne Weib, das Gott ihm gegeben hatte, sagte: „‚Diese ist endlich Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleische. Diese wird Männin heißen, denn vom Manne wurde diese genommen.‘ Deshalb wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, und er muß sich zu seiner Ehefrau halten, und sie sollen e i n Fleisch werden.“ (1. Mose 2:23, 24, NW) Adam und Eva hatten ursprünglich Liebe zu Gott; sie war ihnen eingepflanzt worden. Aber sie hemmten das Wachstum der Liebe zu ihm und zueinander, indem sie in sich den selbstischen Wunsch nach etwas ihnen von Gott Verbotenem aufkommen ließen. Im Gegensatz zu seinem Willen und Gebot aßen sie von der Frucht des verbotenen Baumes der Erkenntnis des Guten und des Bösen. (1. Mose 2:16 bis 3:7) Das führte zum Absterben ihrer Liebe zu Gott. Als sie schließlich die Strafe für ihre Sünde zahlten und zum Staube zurückkehrten, konnten sie keine Spur dieser Eigenschaft mehr betätigen. (Pred. 9:5, 6, 10) Überdies brachte ihre Sünde gegen ihren Schöpfer und himmlischen Vater in Kain, ihrem ersten Sohn, einen Hasser und Mörder hervor. — 1. Mose 4:1-12.
3. Wie spricht die Bibel von Liebe von ihrem ersten bis zu ihrem zuletzt geschriebenen Buche?
3 Die Liebe zu Gott endete indes mit Adam und Eva auf Erden nicht. Sie offenbarte sich wiederum in ihrem zweiten Sohn Abel, dessen Opfer durch Jehova Gott angenommen wurde, was seinen Bruder Kain veranlaßte, ihn umzubringen. (1. Joh. 3:12, 13) Etwa zweitausend Jahre später ließ sich Abraham durch Liebe zu Gott, die größer war als die Liebe zu seinem einzigen geliebten Sohn Isaak, dazu treiben, diesen Sohn Jehova Gott als Opfer darzubringen. Der Bericht darüber findet sich im 22. Kapitel des ersten Buches der Bibel. Die letzten Bücher, die als ein Teil der Bibel geschrieben wurden, bestehen aus dem Bericht des Apostels Johannes über das Leben Christi sowie dem ersten, zweiten und dritten Brief des Johannes, die an Christen gerichtet sind. Diese vier Bücher der Bibel sprechen besonders über diese göttliche Eigenschaft und zeigen, wie sie zum Ausdruck kommen sollte. Somit berichtet uns die Bibel von ihrem ersten bis zu ihrem zuletzt geschriebenen Buche von Liebe in ihrer reinsten Form.
4. Wie wird der edelste Ausdruck der Liebe kurz beschrieben, und warum war er kein Barbarismus?
4 Der edelste Ausdruck dieser Eigenschaft wird uns laut Johannes 3:16, 17 (NW) von Jesus in den folgenden Worten beschrieben: „Denn so sehr liebte Gott die Welt, daß er seinen einziggezeugten Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht vernichtet werde, sondern ewiges Leben habe. Denn Gott sandte seinen Sohn in die Welt, nicht damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde.“ Die Gabe und das Opfer des einziggezeugten Sohnes Gottes zu verleugnen bedeutet, Gott zu verleugnen, die Fülle seiner Liebe zu verleugnen und seine Fähigkeit zu verleugnen, in seiner Liebe so weit zu gehen. Seinen Sohn als Opfer zu geben war keine barbarische Tat, sondern war ein Ausdruck selbstloser Liebe, wie sie nicht größer erwiesen werden könnte. Eltern, die ihre Söhne für einen Krieg mit fleischlichen Waffen darangeben und sie dadurch der Gefahr des Todes aussetzen, denken nicht, daß sie deswegen Barbaren seien, weil sie sich von ihren Söhnen trennen, wenn diese in der Schlacht umkommen. Ihren Kummer unterdrückend, sagen sie mit patriotischem Stolz, ihre Söhne hätten das höchste Opfer für ihr Land gebracht. Wie steht es denn mit Gott? Er sah die Notwendigkeit eines menschlichen Opfers zugunsten der Menschen, die in einer neuen Welt ewiglich leben möchten. Aber Gott zwang seinen Sohn nicht zu einem solchen Opfer. Gottes Sohn legte sein Leben bereitwillig nieder, und dies, ohne das Leben irgendeines Menschen zu bedrohen, ohne einen Menschen zu erschießen und ohne irgend jemandem Schaden zuzufügen, dagegen nur in der Absicht, den Menschen Gutes zu tun. Seine Feinde, nicht sein Vater, waren die Barbaren. Trotz seiner Unschuld ließen sie ihn auf boshafte Weise töten.
5. Wieso war diese Kundgabe der Liebe äußerst praktisch, und was bedeutet es, Gottes Opfer seines Sohnes zu verleugnen, als ob es Barbarismus wäre?
5 Hat sich Gott gegen das ganze Menschengeschlecht gewandt, weil Vertreter davon diese barbarische Tat begingen? Nein. Er nahm das willige Opfer des Lebens seines Sohnes an, damit es zugunsten solcher verwendet werde, die seinen Wert schätzen und die verstehen, was dies auf seiten Gottes und seines Sohnes bedeutete. Somit war seine große Liebe, durch die er seinen Sohn gab, nicht fruchtlos. Sie war höchst praktisch. Die treue Opferung seines menschlichen Lebens trug dem Sohn auch den Lohn unvergänglicher Vorrechte und Ehren im Himmel ein, und sein Opfer wurde dazu gebraucht, den Grund für eine reine, gerechte neue Welt zu legen. Gottes Opferung seines Sohnes zu leugnen, als ob sie eine barbarische Tat wäre, würde bedeuten, daß man Gott nicht kennte, ihn nicht wirklich liebte, denn Gott ist Liebe. Dies bedeutet, daß er von Liebe völlig durchdrungen ist und sie in vollkommener Weise zum Ausdruck bringt. „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe. Dadurch wurde die Liebe Gottes in bezug auf uns kundgemacht, daß Gott seinen einziggezeugten Sohn in die Welt sandte, damit wir durch ihn Leben erlangen möchten. Darin besteht die Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns liebte und seinen Sohn sandte als ein Sühnopfer für unsere Sünden.“ — 1. Joh. 4:8-10, NW.
6. Weshalb ist es vernünftig, daß Gott uns gebietet, ihn und auch einander zu lieben, und wen müssen wir in unsere Liebe einschließen?
6 Da Gott im Kundgeben dieser Eigenschaft uns gegenüber so weit ging, ist es vernünftig, daß er uns gebietet, Liebe zu ihm und zueinander zu bekunden. In welcher von allen Religionen dieser Welt gibt es einen Gott, der uns befiehlt, ihn nachzuahmen und deshalb zu lieben? Im dritten Buche der Bibel, in 3. Mose 19:18 (NW), lesen wir: „Du sollst dich nicht rächen noch den Söhnen deines Volkes etwas nachtragen, und du sollst deinen Mitmenschen lieben wie dich selbst. Ich bin Jehova.“ Nicht nur Brüder, sondern auch Fremdlinge müssen diese Behandlung erfahren, denn Gottes Befehl an sein Volk lautet: „Der Recht schafft dem vaterlosen Knaben und der Witwe und den zeitweilig Ansässigen liebt, so daß er ihm Brot und Kleidung gibt. Auch ihr sollt den zeitweilig Ansässigen lieben, denn ihr seid zeitweilig Ansässige gewesen im Lande Ägypten.“ (5. Mose 10:18, 19, NW) Gott wünscht, daß sogar Feinden gezeigt werde, daß Böses mit Bösem zu vergelten nicht die beste Methode ist, denn er befiehlt: „Wenn deinen Hasser hungert, speise ihn mit Brot, und wenn ihn dürstet, tränke ihn mit Wasser; denn glühende Kohlen wirst du auf sein Haupt häufen, und Jehova wird dir vergelten.“ (Spr. 25:21, 22) Und selbst wenn der so behandelte Feind keine Gewissensbisse bekäme und nicht dein Freund würde, so erhieltest du doch Lohn von Jehova, weil du seinem Gebot gehorcht hättest.
7. Weshalb haben wir die Unterweisung von Gott sehr nötig?
7 Solch göttliche Unterweisungen benötigen wir dringend, denn sie sind nicht in den Religionen dieser Welt zu finden, und durch Vererbung neigen wir zu Selbstsucht, Habgier, Rücksichtslosigkeit, Neid, Eifersucht, Haß, Unversöhnlichkeit und Rachsucht, und der große Hasser sucht uns zu veranlassen, diese Eigenschaften noch mehr zu pflegen. „Gott ist Liebe.“ Satan, der Teufel, ist Haß. Er will uns als seine Kinder ‚in seinem Bilde formen‘, gleichwie er Kain formte. „Die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels werden durch folgendes offenbar: Jeder, der nicht Gerechtigkeit übt, stammt nicht aus Gott, noch jener, der seinen Bruder nicht liebt. Denn dies ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt, daß wir einander lieben sollten; nicht wie Kain, der aus dem Bösen stammte und seinen Bruder ermordete. Und weswegen mordete er ihn hin? Weil seine eigenen Werke böse waren, die seines Bruders aber waren gerecht.“ — 1. Joh. 3:10-12, NW.
8. Welches Gesetz wird durch ein Günstlingswesen in einer Versammlung verletzt, und weshalb?
8 Kain begann seinen eigenen Bruder Abel zu hassen, der doch einer seiner vertrauten Nächsten war. In dieser Welt ist es nicht außergewöhnlich, daß jemand seinem Nächsten gegenüber nicht die besten Gefühle hegt, selbst wenn er zur gleichen Familie oder Versammlung gehört. Eine Bevorzugung gewisser Nächster und eine hochmütige Verachtung anderer kann durch Selbstsucht entstehen oder vorhanden sein. Dies widerspricht einem der beiden größten Gesetze. Der Jünger Jakobus empfahl lauen Christen, dieses Gebot nicht durch einen Geist der Bevorzugung zu verletzen, und er schrieb: „Wenn ihr jetzt das königliche Gesetz wirklich erfüllt nach den Schriften: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘, so tut ihr wohl.“ (Jak. 2:1-8, NW) Das bedeutet, arme Nächste in gleicher Weise wie reiche zu lieben, also ohne jemanden zu bevorzugen in der Hoffnung auf selbstsüchtigen Gewinn oder in dem Gedanken, Reiche verdienten eine bessere Behandlung. Wir lieben ja auch uns selbst nicht weniger als einen Reichen, nur weil wir vielleicht arm sind. Das Gesetz, den Nächsten wie sich selbst zu lieben, ist ein „königliches“ Gesetz. Was ist denn das größte Gesetz? Das Gesetz, Gott mit allem, was wir sind und haben, zu lieben! An diesen allumfassenden Geboten hängt die ganze Bibel. (Matth. 22:35-40; Röm. 13:8; Gal. 5:14) Der übrige Teil der Bibel zeigt, wie wir die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten in die Tat umsetzen sollen. „Mögen alle eure Angelegenheiten in Liebe geschehen.“ (1. Kor. 16:14, NW) Parteilichkeit an den Tag zu legen, indem man die Armen in nicht nachbarlicher Weise unterschiedlich behandelt, ist kein Gehorsam gegen das königliche Gesetz. Solches zeitigt nicht die besten Ergebnisse und ist somit kein praktisches Handeln.
9. Warum können wir Gott nicht in praktischer Weise lieben, während wir so das Gesetz der Nächstenliebe brechen?
9 Gott wünscht, daß unsere Liebe zu ihm nicht Sentimentalität und bloße Formsache sei, sondern etwas Praktisches, das seinem Volke, seinen Kindern, unseren christlichen Brüdern gegenüber zum Ausdruck kommt. „Wenn jemand erklärt: ‚Ich liebe Gott‘, und haßt doch seinen Bruder, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, der kann Gott nicht lieben, den er nicht gesehen hat. Und dieses Gebot haben wir von ihm, daß, wer Gott liebt, auch seinen Bruder liebe.“ (1. Joh. 4:20, 21, NW) Bekundung von Parteilichkeit gegenüber armen Brüdern stimmt mit diesem Gebot nicht überein. Wir können somit nicht das größte der Gebote erfüllen, nämlich Gott mit allem, was wir sind und haben, zu lieben, und zur gleichen Zeit das zweitgrößte Gebot, das königliche Gebot der Nächstenliebe, verletzen.
„NICHT IN WORTEN NOCH MIT DER ZUNGE“
10. Weshalb müssen wir uns vor denen hüten, die heuchlerische Liebe in Worten und mit der Zunge zum Ausdruck bringen?
10 Sollen wir nicht in Worten und mit der Zunge lieben? Nein! Zumindest nicht auf heuchlerische Weise, auf eine Art, die unsere Worte Lügen straft. Es gibt soviel heuchlerische Liebe, die in Worten und mit der Zunge zum Ausdruck kommt. Jene, die sich zu solchen Äußerungen getrieben fühlen, verfolgen gewöhnlich einen geheimen, selbstischen Zweck und suchen irgendeinen Vorteil, selbst wenn es bedeutet, die Einheit einer Versammlung zu stören. Der Apostel Paulus warnt: „Durch glatte Worte und Schmeichelreden verführen sie die Herzen der Arglosen.“ (Röm. 16:18, NW) So nähern sich gewöhnlich solche, die die theokratische Organisation verlassen haben, jenen, die an ihr festhalten. Ihre Worte sind verführerisch! Mit Ahitophel, der Jehovas gesalbten König verließ, um bei Absalom, dem Rebellen, selbstische Vorteile zu erlangen, machte König David eine Erfahrung in bezug auf solche Worte. Über diesen untreuen Ratgeber schrieb David: „… sondern du, ein Mensch meinesgleichen, mein Freund und mein Vertrauter; die wir trauten Umgang miteinander pflogen, ins Haus Gottes wandelten mit der Menge. Glatt sind die Milchworte seines Mundes, und Krieg ist sein Herz; geschmeidiger sind seine Worte als Öl, und sie sind gezogene Schwerter.“ (Ps. 55:13, 14, 21) Wenn wir nicht hinter die Maske eines Menschen sehen, so kann es geschehen, daß seine Worte, durch die er vorgibt, uns zu lieben, uns entwaffnen, indem wir die Furcht vor ihm fallen lassen und durch seine heuchlerische Schmeichelrede unachtsam werden. Um unserer geistigen Sicherheit willen ist es nötig, daß wir uns üben, Heuchelei zu durchschauen, und uns davor hüten, irregeführt zu werden. (Mark. 12:15-17; Luk. 20:20-25) Und so wie wir nicht selbst irregeführt werden möchten, wünschen wir auch nicht, andere mit heuchlerischen Äußerungen in Worten oder mit der Zunge irrezuführen.
11. Wie empfehlen wir uns gleichwie Paulus anderen, und weshalb macht uns Liebe, die heuchlerisch ist, zu nichts?
11 Die Liebe, die wir pflegen müssen, muß „Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ sein. (1. Tim. 1:5, NW) Das Gebot lautet: „Eure Liebe sei ohne Heuchelei.“ Wir sollten die Reinheit unserer brüderlichen Zuneigung nicht verderben: „Nun, da ihr eure Seelen geläutert habt durch euren Gehorsam gegen die Wahrheit, mit ungeheuchelter Bruderliebe als Ergebnis, so liebet einander innig von Herzen.“ (Röm. 12:9; 1. Pet. 1:22, NW) Durch Reinheit und Aufrichtigkeit in dieser Beziehung können wir uns anderen empfehlen, so daß sie keine Furcht vor bösen Motiven auf unserer Seite haben. Paulus tat dies. Er schrieb: „In jeder Weise empfehlen wir uns als Gottes Diener … durch Güte, durch heiligen Geist, durch Liebe, die frei von Heuchelei ist, durch wahrhaftige Rede.“ (2. Kor. 6:4, 6, 7, NW) Statt daß heuchlerische Liebe etwas aus jemandem machte, macht sie ihn zu nichts. Sie ist nicht die größte Eigenschaft, wenn an Glauben und Hoffnung gereiht. Sie ist die schlechteste Eigenschaft, weil sie eine Fälschung der größten Eigenschaft ist. Die Heuchler kommen zu Recht in das Gericht der Gehenna. Die Glieder der Klasse des „bösen Sklaven“, die ihre Brüder beschimpfen, werden vom Herrn hinausgetan und haben ihren Teil mit den Heuchlern. — Matth. 24:48-51; 23:3, 29, 33, NW; 1. Kor. 13:2, 13.
12, 13. Was sollten wir, obwohl wir Heuchelei meiden, doch in Worten und mit der Zunge nicht tun, und wie also könnte man im Reden praktisch sein?
12 Während wir aber Heuchelei in Worten und mit der Zunge vermeiden, sollten wir doch danach trachten, andere durch unsere Offenheit in Worten und mit der Zunge nicht unnötig zu verletzen und zu beleidigen. Zum Beispiel lädt eine Versammlung einen Redner von außerhalb ein, eine öffentliche Ansprache zu halten. Wenn dieser eintrifft, um seiner Aufgabe nachzukommen, erfährt der Versammlungsdiener oder Vorsitzende, daß er seinen Vortrag wörtlich ausgeschrieben hat und ihn ablesen will. Hierauf könnte ihm der Diener oder Vorsitzende geradeheraus sagen: „Ein ausgeschriebenes Manuskript? Nun, das Publikum hier wünscht keine Vorlesung. Es wünscht einen Vortrag zu hören, der frei gesprochen wird.“ Oder er könnte sagen: „Nun, ich glaube, daß du viel Zeit zur Ausarbeitung dieses Vortrages gebraucht hast und daß er ganz gut sein wird. Wir glauben, daß du ihn aufs beste lesen wirst, so daß das Manuskript für uns lebendig wird durch die vorzügliche Stimmbewegung, mit der du deine Rede hältst.“
13 Unter den erwähnten Umständen könnte die ersterwähnte Bemerkung zu einer Entmutigung des öffentlich Vorlesenden führen, bevor er mit der Vorlesung überhaupt begonnen hat. Man würde ihm das Feuer und die Begeisterung rauben, die er empfunden hatte, als er an das Vorlesen seines sorgfältig ausgearbeiteten Vortrages dachte. Es könnte sein, daß er nun schüchtern und in entschuldigender, minderwertiger, geistloser Art vorläse. Die zweite Bemerkung würde zeigen, daß man die Vorbereitung des Bruders beim Aufstellen dieses Vortrages und seine Fähigkeit, ihn zu halten, anerkennt. Das ermutigt ihn zu einer bestmöglichen Darbietung, so daß die Zuhörer kaum das Empfinden haben, daß es eine Vorlesung sei, und vollen Segen und viel Freude daraus empfangen. Nach dieser Vorlesung könnte der Diener oder Vorsitzende seine eigene echte Wertschätzung zum Ausdruck bringen und die Anregung machen: „Bruder, wir möchten dich gerne auch einmal einen öffentlichen Vortrag frei halten hören. Es braucht etwas mehr Mut dazu, aber wenn du dich mit dem Stoff gut vertraut machst und bis zum Überfließen damit erfüllt bist, so kannst du es bestimmt tun. Es würde uns freuen, wenn du es bei uns einmal versuchtest.“ Die zweite Art, eine Bemerkung anzubringen, ist daher die praktische, rücksichtsvolle Art.
14. Wie könnten, wenn sich nur wenige Freiwillige zum Dienste melden, vor anderen unüberlegte Worte und wie ermutigende Worte geäußert werden?
14 In einem anderen Fall mag einer der Diener einer Versammlung an einem Donnerstag- oder Freitagabend in der Dienstversammlung sprechen. Er kommt auf den Felddienst für die kommende Woche zu sprechen und schlägt eine bestimmte Art Felddienst für einen gewissen freien Abend vor. „Nun, wie viele in der Versammlung werden sich an jenem Abend an dieser Tätigkeit beteiligen? Erhebt bitte die Hand!“ Von einer Zuhörerschaft von über fünfzig Personen gehen vier Hände in die Höhe. Der Diener denkt vielleicht, er könne die Mehrheit zu einer größeren Anteilnahme an dieser Tätigkeit anspornen, indem er sie beschämt, und so sagt er: „Also nur vier unterstützen die Organisation?“ Solch ein Kommentar wäre unbesonnen. Da er unüberlegt ausgesprochen wurde, würde er sicherlich übel aufgenommen. Man kann die Unterstützung der Organisation in ihrer Tätigkeit nicht daran messen, daß man der Versammlung an einem Abend plötzlich eine besondere Tätigkeit vorschlägt. Was mögen außer den vier Personen, die die Hand erhoben, die anderen während des Restes der Woche im regulären Felddienst tun? Dies muß im Sinn behalten werden. Der weisere Kommentar würde also lauten: „Gut, wir freuen uns, daß sich schon jetzt vier Freiwillige melden. Wenn noch weitere später finden, daß sie es einrichten können, sich diesen vier Verkündigern in der Tätigkeit an jenem Abend anzuschließen, werde ich mich sehr freuen, wenn sie sich bei mir melden. Und die übrigen können sich diese Woche treulich in den verschiedenen regulären Dienstzweigen betätigen.“ Diese Bemerkung würde verhindern, daß jemand sich an Worten stößt, und würde die Zuhörer nicht durch Schärfe verletzen oder ihnen weh tun, sondern sie alle ermuntern.
15, 16. Wie sollte von jenen, die an Jahren oder in der Wahrheit älter sind, gesprochen werden, und wie verfuhr Paulus mit Petrus wegen seines inkonsequenten Benehmens?
15 Es gibt eine richtige Art und Weise, jemanden zu beschämen, damit er den rechten Weg einschlagen möchte. (2. Thess. 3:14, 15; Tit. 2:8; 1. Pet. 3:16) Sei indes niemals scharf. Berücksichtige ferner die Jahre, die jemand in der Wahrheit gewesen ist, oder sein buchstäbliches Alter. „Übe nicht strenge Kritik an einem älteren Manne. Im Gegenteil, ermahne ihn als einen Vater, jüngere Männer als Brüder, ältere Frauen als Mütter, jüngere Frauen als Schwestern in aller Keuschheit.“ (1. Tim. 5:1, 2, NW) Vielleicht denkst du, einer, der an Jahren älter oder schon länger in der Wahrheit ist, lasse etwas nach in seiner Tätigkeit oder bleibe hinter dem Normalmaß zurück. Wirf ihm dies nicht vor, indem du ihn leichthin mit etwas Anrüchigem oder einer anrüchigen religiösen Klasse vergleichst, in dem Gedanken, ihn zurechtweisen oder an seine Mängel erinnern zu müssen. Durch solche Bemerkungen magst du ein Unrecht begehen, und möglicherweise verletzt du jene Person tief und beleidigst sie schmerzlich. Jugendliche Geschäftigkeit bedeutet nicht immer, daß viel geleistet wird, noch bedeutet das verlangsamte Tempo eines Älteren, daß wenig geleistet wird, wenn jemand geduldig, unausgesetzt und in Regelmäßigkeit und Beharrlichkeit seinen Weg weitergeht. Sei nicht streng in deiner Kritik oder in deinen Vergleichen. Wenn du denkst, du müssest etwas sagen, dann suche es auf taktvolle Art zu tun. Beachte, wie taktvoll Paulus Petrus behandelte (der älter war in der Wahrheit) wegen seines Benehmens, das nicht mit seinem erleuchteten Glauben im Einklang war, sondern an Heuchelei grenzte, weil er die beschnittenen Juden fürchtete.
16 Paulus erzählt, wie er Takt anwandte, und sagt: „Die übrigen Juden schlossen sich ihm auch an, indem sie sich diesen Anschein gaben, so daß sie sogar Barnabas in ihrer Verstellung mitrissen. Als ich aber sah, daß sie nicht den geraden Weg gemäß der Wahrheit der guten Botschaft wandelten, sagte ich zu Kephas vor ihnen allen: ‚Wenn du, obwohl du ein Jude bist, so lebst wie die Nationen und nicht wie Juden, wie nötigst du Leute aus den Nationen, gemäß dem jüdischen Brauch zu leben?‘“ (Gal. 2:11-14, NW) Petrus begriff die Sache, fühlte sich aber nicht verletzt.
17. Wie können wir durch unser Handeln in Worten und mit der Zunge Schwierigkeiten für unsere Seele vermeiden?
17 Weise sagt der Spruch: „Wer seinen Mund und seine Zunge bewahrt, bewahrt vor Drangsalen seine Seele.“ (Spr. 21:23) Das schließt ein, daß man seinen Mund und seine Zunge davor bewahrt, über andere zu klatschen, indem man Verleumderisches erzählt und über private, persönliche Angelegenheiten nachteilige Kritik übt, wobei man oft andere nach den eigenen Maßstäben richtet und nicht nach der besten Deutung des Wortes Gottes. Weil die Schlacht von Harmagedon so nahe ist, mag jemand die Stirn runzeln oder vor Schreck beschwörend die Hand erheben, wenn er hört, daß andere Brüder und Schwestern in diesen Tagen heiraten oder daß eine verheiratete Schwester schwanger wird. Stützt sich aber ein so offen zur Schau gestelltes und so offen ausgedrücktes Entsetzen auf die richtige Ansicht und das rechte Verständnis der Bibel über diese letzten Tage, da Harmagedon droht? Nein. Im allgemeinen fällt das, was der Schwätzer, der Verleumder, der hastige Kritiker sagt, auf ihn zurück, und dann gerät er in Schwierigkeiten: er muß Erklärungen abgeben, muß sich entschuldigen und verfällt in Kummer, wenn er sieht, welchen Schaden er denen zufügte, die sich an der Wahrheit Gottes und an der Organisation gestoßen haben. Es gibt einen praktischen Weg, solche Dinge zu vermeiden: Halte deinen Mund und deine Zunge und deine Feder im Zaum!
18. Wann kann ein Verfehlen des Gebrauches der Zunge einen Mangel an Liebe offenbaren?
18 Natürlich müssen wir auch in Worten und mit der Zunge lieben. Jetzt, in dieser Zeit des Gerichts der Nationen, ist die günstigste Zeit, unsere Worte und unsere Zunge in der rechten Weise zu gebrauchen, denn uns der richtigen Worte zu enthalten bedeutete Ungehorsam. Ist nicht jetzt die Zeit da, in der Gott uns befiehlt, die gute Botschaft vom Königreich auf der ganzen bewohnten Erde zum Zwecke eines Zeugnisses für alle Nationen zu predigen? Nach den Worten Jesu Christi: Ja! (Matth. 24:14, NW) Ist nicht dies die Zeit, um jenen treulich Rat zu geben, die in der Gefahr stehen, während dieses Gerichtstages und in Harmagedon vernichtet zu werden? Jawohl. Wieviel Gutes zu tun würden wir versäumen, wenn wir in dieser günstigen Zeit mit einem passenden Wort zurückhielten, da unsere Zungen die Macht und Gelegenheit haben, es zu äußern! „Ein Wort zu seiner Zeit, wie gut!“ „Goldene Äpfel in silbernen Prunkgeräten: so ist ein Wort, geredet zu seiner Zeit [in passender Weise gesprochen, AS].“ (Spr. 15:23; 25:11) Wenn wir einmal eine Zurechtweisung erteilen müssen, so geschehe es in Liebe, damit es in passender Weise gesprochen sei. Ein Versäumnis, zur günstigen Zeit jemand zurechtzuweisen, kann einen Mangel an Liebe im Gebrauch von Worten und der Zunge offenbaren. (Spr. 6:23) „Wer seine Rute spart, haßt seinen Sohn; aber wer ihn lieb hat, sucht ihn früh heim mit Züchtigung.“ „Denn wen Jehova liebt, den nimmt er in Zucht.“ — Spr. 13:24; Heb. 12:6, NW; Spr. 3:12; 27:5.
19. Müssen wir denn in Worten und mit der Zunge lieben? Wenn ja, wie?
19 Die Glieder einer Versammlung müssen sich miteinander über Gottes Wort unterhalten, um sich geistig aufzuerbauen, zu trösten und sich zum rechten Wandel zu ermuntern. Der folgende Rat belehrt uns, wie wir unsere Worte und unsere Zunge in der richtigen Weise gebrauchen sollen: „Ihr aber, Geliebte, indem ihr euch selbst erbauet auf euren heiligsten Glauben und betet im heiligen Geiste, erhaltet euch selbst in Gottes Liebe.“ Ferner: „Tröstet einander mit diesen Worten.“ (Jud. 20, 21; 1. Thess. 4:18, NW) Die beauftragten Redner sollten den Versammlungen das Wort predigen, und alle Glieder der Versammlungen müssen das Wort allen Bewohnern des Landes predigen. Liebe sollte nicht nur dadurch an den Tag gelegt werden, daß man überhaupt redet, sondern Liebe sollte bekundet werden durch die Sorgfalt, womit wir unsere Worte gebrauchen, und durch die Art, wie wir uns ausdrücken, und die Bilder, deren wir uns dabei bedienen. „Eure Rede sei stets gefällig, mit Salz gewürzt, um zu wissen, wie ihr jedem antworten sollt.“ (Kol. 4:6, NW) Unsere Zunge sollte nicht als ein Feuer gebraucht werden, das durch die Gehenna angezündet wird, um unsere Hörer in die ewige Vernichtung, den symbolischen See von Feuer und Schwefel, zu stürzen, sondern als „die Zunge der Weisen“, die den Hörern geistige Gesundheit vermittelt. (Spr. 12:18; Jak. 3:5-8, NW) Mögen unsere Zungen Worte des Lebens vermitteln; mögen die Druckschriften, die gedruckten Predigten, die wir austeilen, Worte des Lebens sein, die in der Bibelsprache abgefaßt sind und zur Rettung führen. Eines steht fest: Wir müssen in Worten und mit der Zunge lieben, und zwar sowohl Gott wie unseren Nächsten.
„IN TAT UND WAHRHEIT“
20. Was will der Apostel denn in 1. Johannes 3:18 sagen?
20 Wenn der Apostel Johannes sagte: „Laßt uns lieben, nicht in Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit“, so meinte er damit, daß wir nicht nur in Worten und mit der Zunge lieben sollten, und dies besonders, wenn die Zeit für Taten gekommen ist, um etwas Wirklichkeit werden zu lassen, was wir in Worten und mit der Zunge sagen. (1. Joh. 3:18, NW) Das ist die Schlußfolgerung, die wir aus Vers 17, der dem obigen unmittelbar vorausgeht, ziehen. Er lautet: „Wer immer aber die Mittel dieser Welt zum Lebensunterhalt hat und sieht seinen Bruder Mangel leiden und verschließt dennoch die Tür seiner zarten Mitgefühle, wie bleibt da die Liebe Gottes in ihm?“ (1. Joh. 3:17, NW) Was er auch in Worten oder mit der Zunge sagen mag, er wird nicht die Tatsache verbergen können, daß er verfehlt hat, Liebe zu Gott und auch zu seinem Nächsten, seinem christlichen Bruder, zu bekunden.
21. Wie ist die Liebe gleich dem Glauben?
21 Das erinnert uns an das Bild, das uns Jakobus darüber gibt, was lebendiger Glaube ist: „Von welchem Nutzen ist es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, aber keine Werke hat? Dieser Glaube kann ihn nicht retten, nicht wahr? Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und der genügenden Nahrung für den Tag ermangelt, doch jemand von euch sagt zu ihnen: ‚Geh in Frieden, halte dich warm und wohlgenährt‘, ihr gebt ihnen aber nicht das für ihren Körper Notwendige, von welchem Nutzen ist es? So ist auch Glaube, wenn er nicht Werke hat, an sich tot.“ (Jak. 2:14-17, NW) Dieses Bild paßt genausogut auf die Liebe. Lebendige Liebe muß Werke aufweisen. Damit sie als wahre Liebe erkannt werde, muß sie sich kundtun, nicht nur durch Worte der Zunge, denn solche sind billig und kosten uns nicht mehr, als den Mund aufzutun, sondern durch Werke, durch selbstlose Taten, indem wir sie uns etwas kosten lassen und nicht damit rechnen, irgend etwas zurückzuerhalten.
22. Was jenen gegenüber, die uns dienen, zu tun, wird Liebe uns antreiben, und worin wird Liebe voranzugehen suchen?
22 Es ist sehr einfach, Schrifttexte über die Liebe anzuführen und vor einem Publikum eine Ansprache darüber zu halten; sie jedoch auszuüben, wenn es das Fleisch oder das eigene Besitztum etwas kostet, ist etwas anderes. Es ist ein sicherer Beweis der Wahrhaftigkeit einer Liebe, die man in Worten geäußert hat. Manchmal mag es für uns notwendig werden, uns etwas anzustrengen, für andere etwas zu tun, statt uns dauernd bedienen zu lassen. Die Liebe gestattet uns nicht, eine überlegene Miene aufzustecken und andere von oben herab zu behandeln und wegen unserer Stellung oder Bildung oder materieller Güter zu erwarten, daß man uns immer bediene, ohne zum mindesten etwas Hilfe dafür anzubieten. Wenn es darauf ankommt, daß für andere etwas getan werde, sollten wir versuchen, als erste einen Dienst zu leisten. „In brüderlicher Liebe habt zarte Zuneigung zueinander. In der Ehrerweisung geht einander voran.“ (Röm. 12:10, NW) Jesus hat das getan. Es waren nicht nur leere Worte, als er sagte: „Wer irgend unter euch groß werden will, soll euer Diener sein, und wer irgend unter euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Gleichwie der Sohn des Menschen kam, nicht um bedient zu werden, sondern um zu dienen und seine Seele zu geben als ein Lösegeld im Austausch gegen viele.“ (Matth. 20:26-28, NW) Wenn wir einander in der gegenseitigen Ehrerweisung als Diener Gottes voranzugehen suchen, so bewahrt uns dies davor, eine tote Last zu werden, wodurch die Leute müde werden, uns für eine Zeit als Gäste um sich zu haben. Wir sollten versuchen, den Menschen ihre Lasten abzunehmen, damit sie frei werden und mehr Zeit gewinnen für geistige Dinge, die sie ebenso wie wir benötigen.
23, 24. Wie können wir für die ganze Gemeinschaft der Brüder Liebe zum Ausdruck bringen, und warum kann es zum Unglück führen, wenn jemand allein zu sein sucht?
23 Manchmal werden uns Brüder zu einer Last, nicht in finanzieller oder physischer Hinsicht, sondern durch ihr Benehmen, ihre Schwächen und ihre Unreife als Christen. Aber die Liebe sollte solchem gewachsen sein. „Liebet die ganze Gemeinschaft der Brüder.“ (1. Pet. 2:17, NW) Das bedeutet nicht nur, daß man für alle Brüder auf der ganzen Erde bete und ihnen in irgendeinem Teil, wo es Schwierigkeiten gibt, zu helfen suche. Es bedeutet vielmehr, die Brüder in unserer eigenen Versammlung zu ertragen trotz ihren Mißtritten und Verfehlungen und ihrer nicht müde zu werden, noch die Geduld mit ihnen zu verlieren. Unsere enge, regelmäßige Gemeinschaft mit ihnen sollte nicht etwa Verachtung in uns aufkommen lassen, weil wir unsere Mitverbundenen so kennenlernen wie ein Buch, das wir durch und durch gelesen haben. In einer antarktischen Entdeckungsexpedition vom Jahre 1939 drückte der Leiter der Expedition den Wunsch aus, auf einem Vorposten allein zu bleiben, um während der langen Winternächte wissenschaftliche Beobachtungen anzustellen. Warum allein? Nun, sagte er, zwei Menschen können die besten Freunde sein, aber wenn man sie in einen engen Raum zusammentut und sie zwingt, einander gegenüberzusitzen und einander lange anzusehen, werden sie sich schließlich überdrüssig, widerlich und lästig, und zuletzt mögen sie einander nicht mehr ansehen, noch kann der eine die Gegenwart des anderen ertragen. So laßt mich denn lieber auf meinem Beobachtungsposten allein!
24 Das hätte beinah zu seinem Untergang geführt! Er wurde durch den Rauch seiner Lampe fast betäubt. Da Radiobotschaften von ihm ausblieben, wurde eine Rettungsmannschaft von der Operationsbasis ausgesandt. Sie konnte die schneebedeckte Hütte des Betreffenden finden, grub sich durch den Schnee zu ihm vor und führte ihn lebendig heraus, gerade noch zur rechten Zeit! Es ist für Christen nicht weniger gefährlich, sich freiwillig zu isolieren und in die Einsamkeit zu gehen, weil sie der Gemeinschaft mit den Brüdern überdrüssig geworden sind und sie als lästig empfinden. Sie ziehen das Alleinsein oder die Gesellschaft der Tiere vor, oder, was noch schlimmer ist, die Gesellschaft dieser Welt. Ein solches Alleinsein kann tatsächlich zum Wahnsinn führen, zu einem Wahnsinn in geistigem Sinne, denn es schneidet uns von der theokratischen Organisation ab, durch die uns Jehova nährt, leitet und schützt, und so führt es zur Vernichtung.
25. Weshalb sollte unsere enge Gemeinschaft miteinander keine Geringschätzung erzeugen, und warum werden wir nicht getrennt bleiben können von unseren Brüdern, wenn Liebe vorhanden ist?
25 In der Welt mag es zutreffen, daß enge Gemeinschaft und Familiarität Geringschätzung erzeugt. Aber die Welt hat nicht Jehovas Geist. Wir, die wir zur Neuen-Welt-Gesellschaft gehören, besitzen ihn. Seine Frucht ist Liebe in wahrem Sinne. Wenn wir die ganze Gemeinschaft der Brüder wirklich lieben, können wir uns unmöglich von ihr ausschließen. Liebe sucht immer den Gegenstand ihrer Zuneigung; sie kann nicht allein bleiben. Wenn ein junger Mann eine verzehrende Zuneigung zu einem jungen Mädchen hat, dann versuche man nur einmal, ihn von ihr fernzuhalten! Auf diese oder jene Weise wird er einen Weg zu ihr finden und seine Liebe über sie ausschütten. Das, so sagt der Weise, war eines der vier Dinge, die ihm zu wunderbar schienen, als daß er sie verstand: „Der Weg eines Mannes mit einer Jungfrau.“ (Spr. 30:19) So müssen wir unseren Brüdern gegenüber sein. Aus eigenem Willen können wir uns nicht von ihnen fernhalten, und dies nicht nur, weil Gott uns gebietet, das Zusammenkommen mit ihnen nicht zu versäumen. Wir müssen uns unter sie mischen, und zwar mit positiven Gedanken, um anderen Gutes zu tun, um nützlich zu sein, und nicht nur, um selbst einen Nutzen zu erhalten, indem wir nur der empfangende Teil sind. Missionare, die im selben Missionarheim leben, oder jene, die in derselben Gruppe wirken, sollten einander immer mehr schätzen und einander ertragen, wenn manchmal etwa Prüfungen entstehen. Sie sollten sich gegenseitig stärken, da zwei durch ihre Zusammenarbeit besser daran sind als einer. (Pred. 4:9-12) Missionare brauchen einander im Felddienste. Sie sollten bei Gefahren an einem besonderen Orte versuchen, einander zu schützen. All dies sollten sie, vielleicht auf Kosten ihrer eigenen persönlichen Empfindungen im Interesse des Werkes tun, um eine Ortsversammlung einheimischer Zeugen Jehovas heranzubilden.
26, 27. Wie kann jemand den Besuch einer Zusammenkunft zur bloßen Formsache machen, indem nicht echte Liebe ihn dazu treibt, und wie sollten wir Nutzen ziehen aus der Zusammenkunft und dem Beisammensein?
26 Wir können es uns nicht leisten, unsere Brüder in der Neuen-Welt-Gesellschaft zu ignorieren. Es gibt keinen Grund oder keine Entschuldigung für ein Benehmen, wie es z. B. in folgendem Auszug aus einem Brief an die Gesellschaft beschrieben wird: „Ich könnte noch viel mehr sagen, aber ich muß jetzt zum Grund meines Schreibens kommen. Beantwortet diese Frage bitte im Wachtturm. Wie kann es möglich sein, daß ein geweihter Zeuge Jehovas mit anderen Zeugen jahrelang im gleichen Königreichssaal, in der gleichen Reihe Seite an Seite sitzt, an den anderen vorbeigeht und zu seiner Schwester oder seinem Bruder kein einziges Mal etwas sagt, und das nicht nur monate-, sondern jahrelang, nicht einmal etwa ‚Wie geht’s?‘ oder ‚Guten Abend‘? Und wenn man eine Anstrengung macht, mit ihm zu reden, so wendet er sich ohne Antwort ab. Zeigt das Liebe zum Nächsten? Jesus hat uns ermahnt: ‚Liebet einander‘ usw. Ohne Rücksicht auf Rasse oder Farbe ist die große Volksmenge ungeteilt.“
27 Jener, den dieser Brief beschreibt, mag denken, er bekunde Liebe zu Gott durch den Besuch der Zusammenkunft im Königreichssaal. Aber er vergißt, daß solche Liebe zu Gott unvollständig und nur Formsache ist. Denn er verfehlt, Gott zu lieben, da er sein Gebot nicht beachtet, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Wir sollten Zusammenkünfte unterstützen, nicht bloß durch unseren Besuch, sondern indem wir uns daran beteiligen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Nach der Zusammenkunft begib dich unter die Anwesenden im Saal und widme deine Aufmerksamkeit solchen, die man zu übersehen scheint. So wird dich der Besuch der Zusammenkunft, indem du anderen, die dort sind, Liebe erweisest, noch glücklicher machen. Bemühe dich, nicht zu spät zu kommen, besonders nicht zu öffentlichen Vorträgen. Wenn Fremdlinge rechtzeitig anwesend sind, macht es auf sie einen schlechten Eindruck, viele leere Stühle zu erblicken und zu sehen, daß Glieder der Versammlung zu spät kommen. Leere Stühle mögen auch ein offensichtliches Zeugnis für sie sein, daß die Glieder der Versammlung nicht einmal ihre eigenen Zusammenkünfte besuchen. Wenn du gezwungen bist, allein in den Felddienst zu gehen, so geh. Wenn es aber möglich ist, so schließe dich anderen im gruppenweisen Zeugnisdienste an. Bilde andere heran, die dann deine Gefährten werden, damit sie im Predigen von Tür zu Tür und von Laden zu Laden tüchtiger werden. Ihr, die Stärkeren, gebt den Schwächeren von eurer Stärke und Wärme des Eifers ab. Gebet und werdet glücklicher! — 1. Kön. 1:1-4.
LIEBE — AUCH IM SINN
28. Weswegen ist es nötig, über unsere Gemütsverfassung zu wachen, und was ist ein Gegenmittel für eine falsche Einstellung?
28 Im Sinn liegt Triebkraft, um unsere Liebe anderen gegenüber zum Ausdruck zu bringen oder sie zurückzuhalten. Wir müssen über unsere Gemütsverfassung wachen und darauf achten, daß sie nicht negativ, auf das eigene Ich gerichtet und nach innen gekehrt ist, indem wir uns völlig mit uns selbst beschäftigen, noch dürfen wir denken, wir seien anderen lästig, so daß wir dazu neigen, mit unseren Gedanken allein sein zu wollen. Das Gegenmittel, das der Apostel für eine solch falsche geistige Einstellung empfiehlt, lautet: „Indem ihr euer Augenmerk nicht nur in persönlichem Interesse auf eure eigenen Dinge richtet, sondern in persönlichem Interesse auch auf die der anderen. Bewahret diese geistige Einstellung in euch, die auch in Christus Jesus war.“ (Phil. 2:4, 5, NW) Wenn wir dieses Gegenmittel anwenden, fühlen wir uns getrieben, gegenüber anderen in der Neuen-Welt-Gesellschaft selbstlos zu handeln. Das sollte uns nicht zu schwer fallen. Wenn uns in der Bergpredigt Christi befohlen wird, sogar unsere Feinde zu lieben und ihnen Gutes zu tun, wieviel mehr sollten wir Liebe zu unseren Freunden bekunden, unseren Brüdern in der Familie Gottes! Sei in der Liebe nach außen gekehrt!
29. Was nicht nachzutragen werden wir in 1. Korinther 13:5 (NW) geheißen? Was könnte sonst geschehen, wovor uns Sprüche 18:19 warnt?
29 In 1. Korinther 13:5 (NW) wird beschrieben, wie diese göttliche Eigenschaft wirkt: „Sie trägt Schädigungen nicht nach.“ In anderen Worten, trage deinem geistigen Bruder nichts nach. Wenn jemand dies hartnäckig tut, mag er sich schließlich so unversöhnlich erweisen wie der beleidigte Bruder, der in Sprüche 18:19 beschrieben wird: „Ein verletzter Bruder hält härter denn eine feste Stadt, und Zank hält härter denn Riegel am Palast.“ (Lu) „Ein entfremdeter Bruder ist schlimmer als eine starke Stadt, und Streitigkeiten sind wie der Riegel einer Burg.“ (Ro) „Ein Bruder, an dem man treulos gehandelt hat, widersteht mehr als eine feste Stadt; und Zwistigkeiten sind wie der Riegel einer Burg.“ (Elb) Ja, wider alle Erwartungen wird ein Bruder sich weigern, Familienzuneigung an den Tag zu legen und seinem eigenen Bruder von Fleisch und Blut zu vergeben. Offenbar stellt er sich auf den Standpunkt, daß sein Bruder nicht jemanden, der ihm so nahesteht wie sein eigener Bruder, hätte verletzen oder sich gegen ihn hätte vergehen dürfen.
30. Welche Beispiele hiervon finden wir in Kain und Esau?
30 Kain vergab es seinem Bruder Abel nie, daß er ihn, obwohl unschuldigerweise, in dem Falle, wo es darauf ankam, Gottes Gunst zu gewinnen, in den Schatten stellte. Zweifellos dachte er, es sei seiner Stellung als Erstgeborenem ein Schimpf angetan worden, und so fühlte er sich in seinem Stolz verletzt. Esau sann auf Mord an seinem Bruder Jakob, weil Jakob Schritte unternommen hatte, das Erstgeburtsrecht, das er sich auf gesetzliche Weise erworben hatte, vom Vater Isaak gemäß dem Beschluß Gottes auf sich übertragen zu lassen. Jakob verließ das Elternhaus, um den Zorn seines Bruders abkühlen zu lassen. Als er nach zwanzig Jahren Abwesenheit zurückkehrte, war Jakob nicht sicher, ob Esau ihm vergeben habe, sondern sandte Gabe um Gabe vor sich her, Esau entgegen, in der Hoffnung, daß diese Geschenke und auch seine lange Abwesenheit seinen Bruder erweichen und ihn zur Vernunft bringen möchten. Glücklicherweise kam es so heraus, doch war eine lange Zeit, nämlich 20 Jahre, damit verbunden. Was, wenn man eine starke Stadt so lange belagern müßte, um sie einzunehmen oder zu besiegen? — 1. Mose 25:20-34; 27:1-45; 31:36-41; 32:3 bis 33:11.
31. (a) Welche Beispiele hiervon finden wir in Joab und Absalom? (b) Wie kann jemand auf diese Weise eine Gelegenheit, Gott nachzuahmen, verpassen, und wen verletzt er dadurch?
31 General Joab hegte gegen seinen israelitischen Bruder, General Abner, einen Groll, weil er seinen Bruder Asael zur Zeit des Bürgerkrieges getötet hatte, und schließlich tötete er Abner mit Hilfe einer List. (2. Sam. 2:18-23; 3:26-39) Absalom, der Sohn des Königs David, vergab seinem Halbbruder Amnon nie, daß er seine Schwester Tamar überwältigt hatte, sondern nach zwei Jahren des Abwartens benutzte er eine vorbereitete Gelegenheit, um Amnon zu töten. (2. Sam. 13:1-29) Brüder in der Neuen-Welt-Gesellschaft müssen sich also davor hüten, Groll und Ärger zu hegen, eine schlechte Laune zu offenbaren, über wirkliche oder eingebildete Beleidigungen immer wieder nachzudenken und dadurch immer mehr das Gefühl der Kälte und Bitterkeit gegen einen Bruder aufkommen zu lassen, den sie als Gegner betrachten. Der Bruder, den man des Vergehens oder der Schuld bezichtigt, mag dem Laufe folgen, den Jesus in Matthäus 18:15-17 vorgezeichnet hat. Dennoch bleibt der Bruder widerspenstig und lehnt eine Versöhnung ab. Er will nicht, daß der Schuldige so leicht davonkomme, auch wenn er sein geistlicher Bruder ist. Er zieht es vor, den Streit so unbezwinglich zu machen, wie den Torriegel einer Burg. So verpaßt er die Gelegenheit, Gott nachzuahmen: „Werdet gütig gegeneinander, voll zarten Erbarmens, bereitwillig einander vergebend, gleichwie Gott auch euch bereitwillig vergeben hat durch Christus. Daher, werdet Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder.“ (Eph. 4:32; 5:1, NW) Er schadet dadurch am meisten sich selbst.
32. Was ist das bessere Verhalten gegen einen Bruder, den man als Beleidiger ansieht, Und wem gereicht dies in erster Linie zum Nutzen? Warum?
32 Durch einen solch unversöhnlichen, zur Vergebung nicht bereiten Geist trägt er dazu bei, seinen Bruder zu schwächen und ihn geistig zu behindern. Es ist besser, zu vergeben und Streit und Zank zu beseitigen und dem Bruder zu helfen, wie eine starke Stadt zu sein, so wie gewisse neuzeitliche Übersetzungen Sprüche 18:19 wiedergeben: „Ein Bruder, dem geholfen wird, ist wie eine starke Stadt, aber Zank ist wie die Riegel einer Burg.“ (RS) „Ein Bruder, dem der Bruder beisteht, ist wie eine feste, hohe Stadt; er ist stark wie ein wohlgegründetes Schloß [er hält stand wie der Riegel einer Burg, AÜ].“ (ZB, Fußn; Al) Unsere Verantwortung und unser Vorrecht besteht darin, unseren Bruder aufzuerbauen, indem wir ihm, wenn nötig, Vergebung zuteil werden lassen. Dadurch helfen wir ihm, stark und für den Feind uneinnehmbar zu werden, fähig, wie der Riegel einer Burg allen Anstürmen dieser Welt standzuhalten. Auf diese Weise nützt ein Christ sich selbst und auch seinem geistigen Bruder. „Ein barmherziger Mensch tut seiner eigenen Seele wohl; ein Grausamer aber schädigt sein eigenes Fleisch.“ (Spr. 11:17, SB) Erinnert euch daran, was Jesus sagte: „Glücklich die Barmherzigen, da ihnen Barmherzigkeit erwiesen wird. Denn wenn ihr den Menschen ihre Übertretungen vergebt, wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben; wenn ihr aber den Menschen ihre Übertretungen nicht vergebt, wird euer Vater auch eure Übertretungen nicht vergeben.“ (Matth. 5:7; 6:14, 15, NW) Lohnt es sich etwa nicht, Gottes Vergebung zu erlangen? Sie bedeutet für uns ewiges Leben in der neuen Welt.
33. Wie können wir uns auch innere Pein und Prüfungen ersparen, und wie werden unsere guten Beziehungen zu einem anderen Bruder nicht verletzt?
33 Wir ersparen uns viel innere Pein und viele Prüfungen, wenn wir nicht reizbar, empfindlich und leicht beleidigt sind. Stelle dir nicht vor, daß andere in ihren Bemerkungen stets auf dich anspielen und daß du unverdient kritisiert werdest, wodurch du dich beleidigt oder verletzt fühlst. Bist du im Zweifel darüber, wer gemeint war, dann erkundige dich bei dem, der die Bemerkung machte. Ziehe nicht vorschnell Schlüsse und trage dem Betreffenden etwas nach, so daß du kalt gegen ihn wirst. Wenn seine Bemerkungen auf dich passen, mögen sie auch auf andere zutreffen. Somit mag der Redner als Beispiel auch an jemand anders gedacht haben. So nimm in Demut den Segen seiner Bemerkungen zusammen mit den anderen Zuhörern entgegen. Wie würdest du es aufnehmen, wenn der Redner direkt zu dir käme und dir sagte: „Du bist der Mann“? Das müßtest du unmißverständlich als dir geltend hinnehmen, doch obwohl es dich schmerzen würde, wäre es doch etwas, was du entweder als wahr anerkennen oder wogegen du dich, weil es unwahr ist, verteidigen würdest. Ein königlicher Würdenträger, der höher stand als du, nahm die Rüge an — König David. Ohne sich irgendwie beleidigt zu fühlen und zu denken, er müsse seinen kühnen Ankläger, den Propheten Nathan, bestrafen, gab er zu, daß er es sei, auf den das von Nathan gewählte Bild paßte, und er bereute. Das gereichte zu seinem Wohl und führte zu seiner Versöhnung mit Jehova Gott. (2. Sam. 11:1 bis 12:15; Spr. 28:13) So demütige dich, um eine verdiente Rüge und Zurechtweisung anzunehmen, und sei dankbar dafür. Doch miß nicht einem anderen Übles zu, noch laß deiner Vorstellung freien Lauf, noch laß dich verleiten, dich beleidigt oder gekränkt zu fühlen. Solches bringt dich aus dem Gleichgewicht, raubt dir Frieden und Glück und verdirbt deine ungezwungenen, guten Beziehungen zu einem Bruder, der sich gar nicht bewußt ist, daß er dich verletzt hat.
EIN VOLLKOMMENES BAND LIEBENDER EINHEIT
34. Wie handelte Gottes Liebe der entfremdeten Menschheit gegenüber positiv, und was zu tun sind wir als Nachahmer dieses Beispiels verpflichtet?
34 Gottes Liebe hält das ganze Universum heiliger Geschöpfe in Einheit mit Gott. Seine größte Gabe der Liebe war sein einziggezeugter Sohn. Ihn zu geben war ein Schritt der Liebe, um die vielen Entfremdeten auf Erden schließlich in eine unverbrüchliche Einheit mit ihm zu bringen. Seine Liebe bewog ihn, positiv zu handeln und den ersten Schritt zu tun, uns in die Einheit mit ihm zu bringen, und dies unter großen Kosten für ihn. Laßt uns dasselbe tun und positiv sein, indem wir selbst den Anfang machen, Güte und herzliche Vergebung zu offenbaren. Das ist praktische Liebe. In unserem Zeugniswerk im Feld offenbaren wir unseren Feinden, unseren Gegnern gegenüber Güte und beten in ihrem Interesse. Wir gehen immer wieder durch unser Gebiet, obwohl wir darin durch Unwissende und Irregeführte beschimpft worden sind. Wie inkonsequent wäre es somit, uns gegen unsere Brüder in der Versammlung zu verhärten, indem wir uns in dem Gedanken versteifen, wir könnten wohl der Welt wegen ihrer Unwissenheit vergeben, unsere Brüder aber hätten es besser wissen sollen und müßten verhältnismäßig strenger behandelt werden, um sie zum Nachdenken zu bringen und sie die Sache fühlen zu lassen, bis sie richtig schmerzt! Gemäß dem Lichte, das wir aus Gottes Beispiel empfangen, ist es unsere Pflicht, unsere Brüder zu lieben und ihnen somit einen besseren, vorzüglicheren Weg zu zeigen. Denket Gutes von den Brüdern! Planet nur Gutes für andere und führet den Plan aus. Pfleget diese größte Frucht des Geistes — die Liebe!
35. Warum müssen wir das Band der Liebe in der Neuen-Welt-Gesellschaft stark werden lassen, und weshalb müssen wir unsere Einstellung noch vor Harmagedon ändern?
35 Möge das vollkommene Band der Einheit innerhalb der Neuen-Welt-Gesellschaft stark werden! „Kleidet euch mit der zarten Zuneigung des Mitleids, der Güte, Niedriggesinntheit, Milde und Langmut. Ertraget einander weiterhin und vergebet einander bereitwillig, wenn jemand Ursache zur Klage wider einen anderen hat, gleichwie Jehova euch bereitwillig vergeben hat, so tut auch ihr. Aber außer all diesen Dingen kleidet euch mit Liebe, denn sie ist ein vollkommenes Band der Einheit.“ (Kol. 3:12-14, NW) Wenn sie ein Band der Einheit ist, muß sie uns zueinander hinziehen und uns zusammenhalten und darf uns nicht trennen, uns nicht zerstreuen. Jetzt müssen wir uns in der gegenbildlichen Arche des neuen Systems der Dinge, die die Fluten Harmagedons bis in die neue Welt hinein überdauern wird, zusammentun und dürfen einander nicht meiden. Schwierigkeiten zwischen Brüdern sollten nicht von langer Dauer sein, sondern so früh wie möglich im Interesse aller geschlichtet werden, die im Herrn von gleicher Gesinnung sind. (Phil. 2:1-4; 4:2) Gottes Schöpfung hat durch die von ihm kommende Kraft Zusammenhang gleich den „Fesseln des Orion [Kesil, Young].“ (Hiob 38:31) Die neue Welt der Gerechtigkeit wird ebenfalls Zusammenhang besitzen. Sie liegt direkt vor uns, so daß eine große Volksmenge der gegenwärtigen Generation in der „Arche“ hinüberleben kann, um gleich von Anfang an Eingang darin zu finden. Was soll das heißen? Nun, wir müssen jetzt, vor Beginn der neuen Welt, zusammen leben. Harmagedon wird nicht durch ein Wunder unsere Gesinnung unseren Brüdern gegenüber ändern, indem es uns plötzlich liebenswert macht. Wir müssen uns jetzt ändern. Allerdings kann Harmagedon mit gewissen Neigungen aufräumen, aber die Neigungen, die es ausrottet, gehören solchen, die durch Harmagedon vernichtet werden. Eines ist gewiß: Wahre Liebe wird Harmagedon überleben und somit auch jene, die sie ausüben.
36. Durch welche Eigenschaft wird die Welt erkennen, daß wir Christi Nachfolger sind, und wie beschreibt Psalm 133 die Einheit, die sie bewirkt?
36 Laßt uns Freunde sein! Wer Freunde hat, muß etwas tun: er muß freundlich sein. (Spr. 18:24) „Der Freund liebt zu aller Zeit, und als Bruder für die Drangsal wird er geboren.“ (Spr. 17:17) Durch eine solche dauernde Freundschaft wird es dieser Welt offenbar werden, daß wir Christi Jünger sind, wahre Christen. (Joh. 13:34, 35) Liebe macht eine solch dauernde Freundschaft möglich. „Liebe deckt alle Übertretungen [Sünden, Rießler] zu.“ (Spr. 10:12) Liebe ist ein unzertrennliches Band, wenn sie echt ist. Die Einheit, mit der sie Brüder fest zusammenhält, wird reizvoll in Psalm 133:1-3 beschrieben: „Siehe, wie gut und wie lieblich es ist, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! Wie das köstliche Öl auf dem Haupte, das herabfließt auf den Bart, auf den Bart Aarons, das herabfließt auf den Saum seiner Kleider; wie der Tau des Hermon, der herabfällt auf die Berge Zions; denn dort hat Jehova den Segen verordnet, Leben bis in Ewigkeit!“
37. Inwiefern ist diese Einheit wie das Öl auf Aarons Haupt?
37 Das Öl, mit dem Aaron, der Bruder Moses, gesalbt und als Israels Hoherpriester geweiht wurde, war nicht nur von feiner Konsistenz, sondern war von lieblichem Duft und verbreitete einen Wohlgeruch in der ganzen Umgebung, so daß es angenehm war, in der Nähe des Hohenpriesters zu sein. Es war ein Wohlgeruch, den kein anderes Salböl hatte, denn Gott ließ niemand sonst ein Salböl von gleicher Zusammensetzung herstellen. Ebenso bringt uns der Wohlgeruch der Einheit der Neuen-Welt-Gesellschaft in angenehmer Weise eine Atmosphäre der Liebe zum Bewußtsein, wie sie keiner Organisation dieser Welt entströmt. Wir freuen uns, in dieser Atmosphäre zu leben; sie ist gut für uns. Sie kommt von Gott durch seinen großen Hohenpriester Jesus Christus. Sie ist der Hauch seines Geistes. — 2. Mose 30:22-33; Apg. 10:38.
38. Womit vergleicht Psalm 133 die brüderliche Einheit sonst noch, und warum war dies in der Gegend um die Berge Zions herum ein wichtiger Faktor?
38 Als Brüder in Einheit in der Neuen-Welt-Gesellschaft beisammen zu wohnen erfrischt und belebt uns auch, wie der Tau des Berges Hermon vom hohen Libanon-Gebirge. Um den Gipfel des Berges Hermon, der immer wieder mit Schnee bedeckt wurde, sammelten sich die Dünste der Nacht, die dann weit im Süden auf die Berge Zions herabtauten, wo Jehova seinen Namen hingesetzt hatte. Der Tau, der so herniederfiel, war für die Pflanzenwelt des Verheißenen Landes während der heißen, regenlosen Jahreszeit vom Mai bis zum September ein rettender Faktor. Auf welche Weise? Unlängst hat man entdeckt,a daß Pflanzen, die zufolge trockener Hitze dahinwelken, sich schneller erholen durch Tau, der nachts auf ihre Blätter fällt, als durch die Bewässerung des Bodens, und daß von den Pflanzen soviel Tau aufgenommen wird, daß sie am nächsten Tag ohne Bewässerung des Bodens normal leben. Man hatte nicht geahnt, wieviel Wasser durch den Tau aufgenommen und später durch die Wurzeln in den Boden ausgeschieden und dort aufgespeichert wird, ohne daß durch die Verdunstung Feuchtigkeit verlorengeht. Die Wassermenge, die so von der Pflanze in der Erde gelagert wird, konnte selbst bei kleineren Pflanzen in Gramm gemessen werden und entsprach gelegentlich dem ganzen Gewicht der Pflanze selbst. Zweifellos wurde die irdische Pflanzenwelt vom dritten Schöpfungstage an bis zur Flut der Tage Noahs in der Hauptsache auf diese Weise bewässert, denn Gott hatte es noch nicht regnen lassen auf Erden, sondern ein Dunst stieg fortwährend von der Erde auf und bewässerte die ganze Oberfläche der Erde. (1. Mose 2:5, 6, NW) Somit war der Tau, der vom schneebedeckten Gipfel des Berges Hermon auf die heiligen Berge Zions herabfiel, wie eine erfrischende, lebenerhaltende Feuchtigkeit, wodurch alles grün und reizvoll blieb. — Richt. 6:36-40.
39. Inwiefern ist unser Beisammenwohnen in Einheit wie Tau, und warum kommt er von oben auf uns herab?
39 So wie es sich im vorbildlichen Zion in Palästina verhielt, so verhält es sich im gegenbildlichen Zion, in Gottes Königreich. So wie Gott verordnet hat, daß Gottes Königreich uns Segnungen bringen soll, ja Leben in Ewigkeit, so hatte er auch veranlaßt, daß das vorbildliche Zion im Altertum während der heißen Jahreszeit der Dürre täglich mit Tau versorgt wurde, und so ein prophetisches Bild geschaffen. Daß wir als Brüder in liebender Einheit beisammen wohnen, ist wie Tau, der sich in Fülle niedersenkt, uns inmitten der Verfolgungshitze dieser Welt erfrischt und uns zu unserem ewigen Leben in Gottes neuer Welt förderlich ist. Weil wir so beieinander wohnen, erhalten wir die Gunst unseres regierenden Königs Jesus Christus: „Des Königs Zorn ist wie das Knurren eines jungen Löwen, aber sein Wohlgefallen wie Tau auf das Gras.“ (Spr. 19:12) Dem wiederhergestellten geistlichen Israel hat Jehova Gott verheißen: „Ich werde für Israel sein wie der Tau“; und er sorgt dafür, daß sein Wort auf sie herabfällt wie Tau, zu ihrer nie fehlenden Erfrischung. — Hos. 14:4, 5; 5. Mose 32:2, NW.
40. Um unter den Menschen guten Willens wem zu gleichen, müssen wir diese Erfrischung haben, und was ist unerläßlich in dieser Hinsicht?
40 Wenn wir unser Zusammenkommen versäumen und die Einheit als Neue-Welt-Gesellschaft zu bewahren vernachlässigen, berauben wir uns dieses lebenerhaltenden Taus. Können wir es uns erlauben, inmitten dieser feindseligen Welt ohne die so dringend benötigte Erfrischung zu sein? Nein! Wir brauchen sie, um für unser Werk unter den Menschen guten Willens stets frisch zu sein, wie vorausgesagt worden ist: „Der Überrest Jakobs [des geistlichen Israels] wird inmitten vieler Völker sein wie ein Tau von Jehova, wie Regenschauer auf das Kraut, der nicht auf Menschen wartet und nicht auf Menschenkinder harrt.“ (Micha 5:7) Wir sind nicht wie ein Tau für die vor Durst Schmachtenden, wenn wir diese geistige Erfrischung nicht selbst zuerst in uns aufgenommen haben. Indem wir als Neue-Welt-Gesellschaft in Einheit bleiben, erhalten wir diesen Tau. Er hält uns kühl und ruhig, so daß es für Gott und auch für sein Volk angenehm ist, auf uns zu blicken. Was unbedingt erforderlich ist, um so vereint zu bleiben, ist die Frucht des göttlichen Geistes, die Liebe. Es ist eine Liebe, nicht nur in Worten und mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit, denn wahre Liebe ist praktisch!
[Fußnote]
a In der Earhartschen botanischen Versuchsanstalt des Kalifornischen Instituts der Technologie in Pasadena, Calif., USA. — Siehe Neuyorker Times, S. E 11, 17. Mai 1953.