Die Bibel und das darin gebrauchte Wort Gesetz
DIE biblischen Gesetze bilden einen komplizierten Bestandteil der göttlichen Offenbarungen, die für uns in den Hebräischen und Griechischen Schriften aufgezeichnet worden sind. In den Ausgaben des Wachtturms vom 15. August, 1. September und 15. September 1952 wurden grundlegende Dinge betreffs dieser Gesetze einer eingehenden Prüfung unterzogen. Es wurde dort gezeigt, daß, wo immer sich vernunftbegabte Geschöpfe zu einem besonderen Zweck zusammenschließen, sie eine Organisation bilden. Damit solche Organisationen erfolgreich wirken können, ist eine gewisse Leitung oder eine Regierung nötig. Unter Regierung versteht man die Beherrschung von Geschöpfen mit Hilfe von Gesetzen, durch die das Räderwerk der Organisation in Bewegung gehalten wird.
Schließlich kommen wir zu dem Begriff „Gesetz“ selbst, der als die Gesamtheit der Handlungsregeln oder Verhaltungsvorschriften definiert wird, durch die die Handlungsweise von Geschöpfen nach dem Wunsche der Regierungen — seien diese von Gott oder Menschen eingesetzt — gelenkt und geleitet wird. Die Methoden, wie die Menschen geleitet werden, mögen gut oder schlecht sein, je nachdem die Regierungen, die die Gesetze erlassen, gut oder schlecht, vollkommen oder unvollkommen sind. Die Regierungen, die die Gesetzgeber sind, werden als die „Höherstehenden“ bezeichnet, während die Menschen, die die Gesetze halten müssen, als die „Tieferstehenden“ oder „Untergeordneten“ gelten. Alles, was in dem von Gott erschaffenen Universum vor sich geht, ist gewissen Regeln und Gesetzen unterworfen.
Wenn wir dem Wort „Gesetz“ irgendwo in der Bibel begegnen und genau wissen möchten, was es bedeutet, dann müssen wir anhand des biblischen Begleittextes zuerst feststellen, in welchen Bereich das betreffende Gesetz gehört. Handelt es sich um ein von Gott entworfenes Gesetz, oder sind Menschen oder gar Satan seine Urheber und Hüter? Nachdem wir festgestellt haben, in welches Gebiet das Gesetz fällt, müssen wir mit unserem geistigen Auge zu erfassen suchen, wer die „Höherstehenden“ sind, die das Gesetz erlassen haben, und wer die „Tieferstehenden“ sind, von denen erwartet wird, daß sie sich dem Gesetz unterwerfen. Außerdem muß beachtet werden, daß sich das Wort „Gesetz“ in der Bibel auf ein einzelnes Gesetz oder auch auf eine ganze Sammlung von Handlungsregeln beziehen kann. Ferner wird ein „Befehl“, der an mehrere Personen gerichtet wird, als ein „Gebot“ bezeichnet, was ein weiterer Ausdruck für „Gesetz“ ist. So waren zum Beispiel die Zehn Gebote, die Mose erhielt, in Wirklichkeit grundlegende Gesetze, die den Israeliten gegeben wurden.
Wir wollen nun der Reihe nach sechs verschiedene Gesetzesgebiete oder -bereiche, die in der Bibel erwähnt werden, untersuchen. Wir werden angenehm überrascht sein, festzustellen, wie sehr unser Verständnis der Heiligen Schrift bereichert wird, wenn wir erkennen, wer die „Höherstehenden“ und wer die „Tieferstehenden“ sind.
DAS GESETZ IN EDEN UND DAS PATRIARCHALISCHE GESETZ
1. Das Wort „Gebot“ erscheint in der Bibel zum erstenmal in 1. Mose 2:16, 17, NW: „Und Jehova Gott auferlegte dem Menschen nun dieses Gebot: ‚Von jedem Baume des Gartens darfst du bis zur Sättigung essen. Aber was den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen betrifft: davon sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du davon ißt, wirst du gewißlich sterben.‘“ Wie wir ohne weiteres erkennen können, haben wir es hier mit einem Gesetz zu tun, das zu den in Eden bestehenden Gesetzen gehörte, das also hier auf Erden, unter den vollkommenen Bewohnern des Gartens Eden in Kraft war. Jehova Gott war offensichtlich der Gesetzgeber, der Höherstehende. Von Adam und Eva und ihren künftigen Nachkommen, die die Menschheitsfamilie bilden sollten, wurde erwartet, daß sie das Gesetz hielten, und somit waren sie in der von Gott regierten Organisation im Edenparadies die Tieferstehenden. Die Sanktion oder Strafe, die auf der Übertretung dieses in Eden gültigen Gesetzes stand, war unmißverständlich angekündigt worden — sie lautete auf Tod, und zwar auf einen sicheren, unfehlbar erfolgenden Tod.
Das in Eden bestehende Gesetz, das von Adam später übertreten wurde, was zu seinem Tode führte, war also nicht nur ein bedeutendes menschliches Gesetz, sondern es stammte von dem höchsten König des Universums, war also ein von Gott inspiriertes Gesetz. Wenn auch jenem Gesetz von Jehova ein Ende bereitet wurde, verdient doch jedes göttliche Gesetz, von dem erkannt wird, daß es auf unsere Zeit anwendbar ist, unsere größte Aufmerksamkeit.
2. Als nächstes begegnen wir in der Bibel den Geboten, die Noah und seine Familienangehörigen erhielten. „Und Noah tat es; nach allem, was Gott ihm geboten hatte, also tat er.“ Und damit kommen wir zu dem Gebiet des gerechten patriarchalischen Gesetzes, das vor der Flut seinen Anfang nahm. In diesem Falle war Jehova Gott der gesetzgebende Höherstehende, und Noah und seine Familie waren die das Gesetz befolgenden Tieferstehenden. Dieses System einzelner gesetzlicher Anweisungen ermöglichte es jener aus Noah und seinen Angehörigen bestehenden patriarchalischen Gesellschaft, die Flut zu überleben und auf einer gereinigten Erde eine neue gerechte Zivilisation ins Dasein zu rufen. — 1. Mose 6:22; 7:9.
In den Tagen Abrahams wurden den Gliedern der gerechten patriarchalischen Gesellschaft weitere Gesetzesvorschriften gegeben. „Denn ich bin mit ihm [Abraham] vertraut geworden, damit er seinen Söhnen und seinem ganzen Hause nach ihm befehlen möge, daß sie Jehovas Wege bewahren, um Gerechtigkeit und Recht zu üben.“ Das Gesetz der Beschneidung war eines dieser neuhinzugefügten Gesetze. Und zu dem Patriarchen Isaak sagte Jehova später: „In deinem Samen werden sich segnen alle Nationen der Erde: darum daß Abraham meiner Stimme gehorcht und beobachtet hat meine Vorschriften, meine Gebote, meine Satzungen und meine Gesetze.“ Die zu dem Gebiet des patriarchalischen Gesetzes gehörenden Vorschriften und Gebote sind als solche allerdings nicht mehr bindend, enthalten aber viele Grundsätze und waren prophetische Schatten kommender Dinge, weshalb sie für Christen der Neuen-Welt-Gesellschaft heute sehr wertvoll sind. — 1. Mose 17:11, 12; 18:19, NW; 26:4, 5.
DAS MOSAISCHE GESETZ UND DER NEUE BUND
3. Die ausführlichste Gesetzgebung, von der die Heilige Schrift berichtet, ist jene, die im Jahre 1513 v. Chr. durch Mose erfolgte. „Und Jehova sprach zu Mose: Steige zu mir herauf auf den Berg und sei daselbst; und ich werde dir die steinernen Tafeln geben und das Gesetz und das Gebot, das ich geschrieben habe, um sie zu belehren.“ (2. Mose 24:12) Bei dieser Gelegenheit empfing Mose außer den Zehn Geboten insgesamt über sechshundert weitere Gesetze. Diese Gesetzessammlung wird in der Bibel allgemein als das „Gesetz Moses“ oder einfach als „das Gesetz“ bezeichnet. Durch diese Gesetzessammlung wurde das Volk Israel zu einer nationalen theokratischen Gesellschaft organisiert, in der Jehova Gott der König oder der Höherstehende war, während die Israeliten die Tieferstehenden, das heißt die Diener oder Sklaven Gottes waren.
Durch diese Gesetzessammlung wurde das Volk Israel ungefähr 1500 Jahre lang als theokratische Gesellschaft zusammengehalten, bis Gott selbst im Jahre 33 n. Chr. dieses handgeschriebene Dokument oder diesen gesetzlichen Bund, zu dem die Zehn Gebote gehörten, durch den Tod Jesu am Marterpfahl gesetzlich beendete. „Er [Gott] vergab uns huldvoll all unsere Übertretungen und tilgte die aus Verordnungen bestehende, gegen uns gerichtete handschriftliche Urkunde, die wider uns war, und er hat sie weggeräumt, indem er sie an den Marterpfahl nagelte.“ Somit unterstehen Christen heutzutage diesem alten göttlichen Gesetz nicht mehr; es ist nicht mehr in Kraft, obwohl es eine Fülle von prophetischen Vorbildern und Grundsätzen aufweist, die auf die Neue-Welt-Gesellschaft anwendbar sind, welche seit dem Jahre 1919 im Entstehen begriffen ist. — Kol. 2:13, 14; Röm. 7:4, NW.
4. Seit dem Jahre 33 n. Chr. haben sich die geistlichen Israeliten oder die gesalbten Christen freiwillig als „Tieferstehende“ oder Sklaven einem neuen, von Jehova erlassenen Gesetz unterstellt, das als der neue Bund bekannt ist, der durch Jesus Christus geschlossen wurde. „Denn wenn jener erste Bund [das Mosaische Gesetz] nicht mangelhaft gewesen wäre, so wäre nicht Raum für einen zweiten [den neuen Bund] gesucht worden. ‚Denn dies ist der Bund, den ich nach jenen Tagen mit dem [geistlichen] Hause Israel errichten werde‘, spricht Jehova: ‚Ich werde meine Gesetze in ihren Sinn legen und sie auf ihre Herzen schreiben, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.‘“ — Heb. 8:7, 10, NW.
Aus diesem Grunde ging die Entwicklung und die Tätigkeit der Gesellschaft der Zeugen Jehovas seit den Tagen Jesu bis in unsere Zeit im gesetzlichen Rahmen des christlichen Systems der Dinge vor sich, das auf Richtlinien und Gebote aufgebaut ist, die durch Christus Jesus, den größeren Noah und größeren Mose, sowie durch seine inspirierten Apostel verkündigt wurden. Die „anderen Schafe“ oder Gefährten der gesalbten Christen unterziehen sich als „Tieferstehende“ diesen von Gott gegebenen christlichen Vorschriften ebenfalls freudig und willig, um in die „e i n e Herde“ aufgenommen zu werden. — Joh. 10:16.
DAS GESETZ DER SÜNDE UND DAS GESETZ DES SINNES
5. Außer dem eben erwähnten göttlichen Gesetz weist Paulus noch auf ein anderes Gesetzesgebiet hin, dem Christen ebenfalls — allerdings unfreiwillig — unterworfen sind. „So bin ich denn mit meinem Sinn ein Sklave [Tieferstehender] des Gesetzes Gottes [das durch den neuen Bund enthüllt wurde], mit meinem Fleische aber des Gesetzes der Sünde.“ (Röm. 7:25, NW) Dieses Gesetz, das die Menschen in Knechtschaft hält, ist als das „Gesetz der Sünde und des Todes“ bekannt. (Röm. 8:2) Wer sind in diesem Falle die Höherstehenden? Paulus beantwortet die Frage, indem er zeigt, daß ‚König Sünde‘ und ‚König Tod‘, unterstützt von Satan, die gestrengen Herren sind. (Röm. 5:21; Heb. 2:14) Da wir von Adam her die Sünde ererbt haben, sind wir ihr durch unser angeborenes, sündiges Fleisch sklavisch verkauft. — Röm. 7:24.
6. Jehova kam uns aber zu Hilfe, indem er in seiner Liebe das Loskaufsopfer Jesu Christi beschaffte. Paulus zeigt, daß Christen, die Gott hingegeben sind, jetzt unter den Einfluß eines anderen Gesetzes, das als ‚das Gesetz des Sinnes‘ bekannt ist, gelangen können, da die Verurteilung durch das Gesetz Moses — das offenbar machte, daß ihr Fleisch der göttlichen Norm der Vollkommenheit bei weitem nicht entsprach — nun beseitigt ist. (Röm. 3:21-23) „Jetzt aber sind wir von dem ‚Gesetz‘ entbunden, weil wir dem gestorben sind, wodurch wir festgehalten wurden, damit wir Sklaven [Untergeordnete] seien in einem neuen Sinne nach dem Geist und nicht im alten Sinne nach den Gesetzesschriften [dem Mosaischen Gesetz].“ — Röm. 7:6, NW; Matth. 20:28.
Der durch Mose geschlossene, nun veraltete Gesetzesbund befaßte sich mit dem gefallenen Fleisch und sollte dazu dienen, den Werken des Fleisches Einhalt zu tun. (Gal. 5:19-21) Die Kraft, die diesem Gesetzesbund zugrunde lag, bestand in seinen Strafbestimmungen, die den Juden schließlich eine strenge Verurteilung oder einen Fluch eintrugen, weil sie das Gesetz fortwährend übertraten. (2. Kor. 3:9) Der neue Bund dagegen, der von Jesus Christus ins Leben gerufen wurde, steht unter der leitenden Kraft des Geistes Gottes. (2. Kor. 3:6) Somit wird unser Sinn durch den Geist Gottes auf die Pfade der Gerechtigkeit geleitet, wodurch das erreicht wird, was durch den alten Gesetzesbund mit seinen Zehn Geboten und anderen Gesetzen nicht erreicht wurde. „Wenn ihr durch den Geist geleitet werdet, seid ihr nicht unter Gesetz.“ — Gal. 5:18, NW.
Jehovas Vorkehrung ermöglicht es Christen auch, die abwärtsführenden Neigungen des Fleisches, das dem ‚König Sünde‘ unterworfen ist, zu bekämpfen. „Somit finde ich folgendes Gesetz in meinem Fall: daß, wenn ich das Rechte zu tun wünsche, das Schlechte bei mir vorhanden ist. Ich habe wirklich Lust an dem Gesetz Gottes [das durch den neuen Bund enthüllt wurde] gemäß dem Menschen, der ich innerlich bin, aber ich erblicke in meinen Gliedern ein anderes Gesetz [das des Fleisches, das dem ‚König Sünde‘ unterworfen ist], das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich gefangennimmt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.“ (Röm. 7:21-23, NW) Alle Christen müssen diesen großen Kampf zwischen den „Dingen des Fleisches“ und den „Dingen des Geistes“ kämpfen. — Röm. 8:4-8, NW.
In seiner Großmut ließ aber Jehova die unverdiente Güte auf dem christlichen Schauplatz walten, damit sie „als König herrsche durch Gerechtigkeit“ und auf unsere Herzen einen machtvollen Einfluß ausübe, wenn wir uns diese liebende Vorkehrung, die Gott durch Christus getroffen hat, eifrig zunutze machen. (Röm. 5:21, NW) Wir werden „Sklaven der Gerechtigkeit [stehen unter ihr]“, und das macht es uns möglich, hart zu kämpfen, um ein reines christliches Leben zu führen und unsere Lauterkeit trotz des starken Dranges unseres Fleisches, der uns nach unten ziehen will, zu bewahren. Mit Jehovas Hilfe können wir durch Christus Jesus und unseren starken Glauben aus diesem Kampfe gegen unser Fleisch siegreich hervorgehen. Auch können wir unter dieser neuen Einrichtung eine Fülle von Früchten des Geistes zur Ehre Jehovas hervorbringen. — Röm. 6:17-20; Gal. 5:22-24.
Ist dir dieses kurze Studium über die Anwendung des Wortes „Gesetz“ in der Bibel eine Hilfe gewesen, deine Stellung als ergebener christlicher Sklave Gottes, Jehovas, besser zu erkennen? Wir hoffen es.