Fragen von Lesern
● Halten es Jehovas Zeugen für richtig, einen Psychiater zu konsultieren?
Ob ein Christ einen Psychiater oder irgendeinen anderen Arzt konsultieren möchte, muß er selbst entscheiden. Wahre Christen glauben aber fest an die Macht der Bibel, praktische Anleitung zu bieten. Sie erkennen an, daß der Schöpfer mehr über den Menschen (und auch über den menschlichen Geist) weiß als irgendein Mensch. Deshalb betrachten Jehovas Zeugen jede Behandlungsmethode im Lichte der „Weisheit von oben“ (Jak. 3:17).
Psychiater haben sich zwar auf die Behandlung von geistig-seelischen Störungen spezialisiert, doch tut man gut, zu berücksichtigen, daß sich die Behandlungsmethoden der einzelnen Psychiater völlig voneinander unterscheiden. Ein Handbuch trägt zum Beispiel den Titel Psychoanalysis and Psychotherapy: 36 Systems (Psychoanalyse und Psychotherapie: 36 Systeme). Weshalb gibt es so viele verschiedene Ansichten? Weil man trotz vielen Forschens verhältnismäßig wenig über die Wirkungsweise des menschlichen Geistes weiß. In dem Buch The Mind (Der Geist) heißt es: „Die Ursachen ... [verschiedener Geisteskrankheiten] stellen die bedeutendste noch ungeklärte Frage der modernen Psychiatrie dar. Es werden Lösungen angeboten, doch keine davon ist eindeutig.“
Einige Psychiater wenden die „Sprech-Behandlung“ an, wobei sie sich öfter in das Verhältnis, das der Patient in seiner Kindheit zu seinen Eltern hatte, vertiefen — in der Annahme, auf diesem Weg bestimmte Ängste oder Konflikte zu enthüllen. Andere konzentrieren sich darauf, den Patienten (manchmal unter Anwendung von Hypnose) neue Gewohnheiten lernen zu lassen, in der Hoffnung, ein neues „Verhaltensmuster“ sei die Lösung. Wieder andere sind der Auffassung, die meisten Geisteskrankheiten seien physisch bedingt (zum Beispiel durch eine Störung des chemischen Gleichgewichts des Körpers oder eine Störung des Nervensystems), und behandeln daher mit Drogen oder möglicherweise mit einer Diät und Vitaminen. Sehr umstritten ist bei Geisteskrankheiten die Gehirnchirurgie, die nur selten empfohlen wird.
Da sich wahre Christen bemühen, „die gleiche Gesinnung zu haben, die Christus Jesus hatte“, ist ihnen zu Recht daran gelegen, daß ihr Denken oder ihr Benehmen nicht durch die Glaubensansichten eines anderen beeinflußt wird (Röm. 15:5). Nicht alle, aber viele Psychiater und Psychoanalytiker sind Atheisten oder Agnostiker. Eine Untersuchung ergab, daß mehr als die Hälfte der befragten Psychoanalytiker mit Sigmund Freuds Ansicht übereinstimmten, der Glaube an Gott sei „kindisch“ und „mit der Wirklichkeit“ nicht in Übereinstimmung. Viele glauben, der Mensch werde von „tierischen Instinkten, die er während der Evolution von den niedrigeren Lebensformen ererbt“ habe, angetrieben. In dem Buch The Psychiatrists (Die Psychiater) heißt es ferner: „Die meisten Psychiater und Psychoanalytiker glauben, die Gesetze, die das sexuelle Verhalten regeln, seien viel zu streng“ (Seite 167). Möchtest du dein Leben nach dem Denken von Menschen ausrichten, die solche Ansichten vertreten?
Heute ist die Behandlung mit Drogen weit verbreitet, aber auch in diesem Fall ist es weise, den Ausgang der Sache sorgfältig zu bedenken. Drogen als Medizin zu nehmen ist Christen zwar nicht verboten, und in einigen Fällen mögen bestimmte Drogen eine gewisse Erleichterung verschaffen, doch ein Diener Gottes sollte mit allem, wodurch er versklavt und wovon er abhängig werden kann, sehr vorsichtig sein (Röm. 6:17; 12:1). Einige Personen, die sich für eine drogenfreie Behandlung entschieden haben, verweisen auf die guten Ergebnisse einer Therapie, bei der größere Mengen Vitamine verabreicht werden — eine Behandlungsform, die heute immer mehr von sich reden macht.
Wer sich ärztlich behandeln lassen möchte, sollte ferner den biblischen Grundsatz aus 1. Korinther 12:26 berücksichtigen. Dort wird gezeigt, daß andere Teile unseres Körpers mit betroffen sind, wenn e i n Teil leidet. Gemäß diesem Grundsatz mag es ratsam sein, daß sich Personen, die geistige Störungen oder nervliche Schwierigkeiten haben, einer gründlichen ärztlichen Untersuchung unterziehen, denn häufig ist ein gesundheitliches Problem vorhanden, dessen sie sich nicht bewußt sind. Selbst einige Personen, die dachten, sie würden geisteskrank werden oder würden von Dämonen belästigt, stellten fest, daß sie lediglich „niedrigen Blutzucker“ oder ein anderes Leiden hatten.
Selbstverständlich gibt es viele Krankheiten und Gebrechen, für die man noch kein „Heilmittel“ kennt. Auch hier hat Jehova für Hilfe gesorgt. Sein Wort kann uns in unserem Ausharren bestärken (1. Tim. 6:11, 12). Auf diese Weise wird uns auch geholfen, die qualvollen Umstellungen im Körper zu ertragen, die manchmal mit den Wechseljahren oder mit dem Alterungsprozeß einhergehen.
Was aber, wenn das Problem nicht körperlich bedingt ist? Wenn es zum Beispiel auf feindselige Gefühle oder auf Verzagtheit zurückzuführen ist — darauf, daß es uns schwerfällt, mit anderen auszukommen? In Jakobus 5:13-16 ist davon die Rede, daß jemand, der in geistiger oder seelischer Hinsicht Probleme hat, die älteren Männer der Christenversammlung rufen sollte, damit sie ihn „mit Öl einreiben“, das heißt ihm tröstenden biblischen Rat geben, und auch „über ihm beten“. Welche Wirkung sollte dies haben? In dem Text heißt es weiter: „Das Gebet des Glaubens wird dem sich nicht wohl Fühlenden zum Heil sein, und Jehova wird ihn [aus seiner Verzagtheit] aufrichten.“ Um davon Nutzen zu haben, muß der geistig Kranke natürlich aufrichtig und offen sein. Er muß biblischen Rat suchen und ihn befolgen; er muß im Einklang mit den zu seinen Gunsten dargebrachten Gebeten handeln (Jak. 1:25).
Das erlegt christlichen Ältesten eine große Verantwortung auf. Sie müssen inbrünstig zu Jehova beten und seine Leitung suchen. Wenn sie Geduld üben und Liebe und Interesse zeigen, können sie oft bis zur Wurzel der Schwierigkeiten vorstoßen. Die Ältesten sollten demjenigen, der sich in Schwierigkeiten befindet, erkennen helfen, wie wir, der Einladung unseres Gottes folgend, unsere Bürden auf ihn werfen können (Ps. 55:22; 1. Petr. 5:7). Manchmal ist es erforderlich, jemandem erkennen zu helfen, wie er ‘Zorn ablegen’ oder seine Gedanken auf das richten kann, was keusch ist (Kol. 3:5-14; Phil. 4:6-8). Und häufig mag jemand, der wirklich bereut, ein Schuldgefühl haben oder denken, es könne ihm nicht vergeben werden. Wer so sehr betrübt ist, bedarf eines tröstenden Zuspruchs, wie er zum Beispiel in 1. Johannes 1:9 zu finden ist.
Jehovas Zeugen schließen somit die Möglichkeit einer Behandlung durch Ärzte, die sich auf geistige oder seelische Störungen spezialisiert haben, zwar nicht unbedingt aus, doch sollte ein Zeuge Jehovas, der einen solchen Arzt konsultiert, die empfohlene Behandlung sorgfältig prüfen. Er sollte nicht außer acht lassen, daß es heute schon zu seiner geistigen Gesundheit beiträgt und daß er in der Zukunft ewiges Leben erlangen kann, wenn er Jehovas Gesetze hält. Falls ihm hinsichtlich der Vernünftigkeit einer bestimmten Behandlung Zweifel kommen, mag er vielleicht mit Ältesten der Christenversammlung darüber sprechen wollen, obgleich die endgültige Entscheidung von ihm selbst (oder von einem Elternteil oder von Mann und Frau gemeinsam) getroffen werden muß. Und wie auf allen anderen Lebensgebieten werden sich wahre Christen auch hier vor allem in vollem Maße die Kraft zunutze machen, die Jehova verleiht, da sie wissen, daß sie in Gottes Wort und Gottes Geist wirksame Hilfen haben. „Denn das Wort Gottes ist lebendig und übt Macht aus ... und ist imstande, die Gedanken und Absichten des Herzens zu beurteilen“ (Hebr. 4:12).