AUSZUG AUS ÄGYPTEN
Die Befreiung des Volkes Israel aus ägyptischer Knechtschaft. Jehova sprach zu Abraham (vor 1933 v. u. Z.), nachdem er ihm verheißen hatte, dass sein Same das Land erben werde: „Wisse bestimmt, dass deine Nachkommen ansässige Fremdlinge werden in einem Land, das nicht das ihre ist, und sie werden ihnen dienen müssen, und diese werden sie bestimmt vierhundert Jahre lang niederdrücken. Die Nation aber, der sie dienen werden, richte ich, und danach werden sie mit viel Habe ausziehen. ... Aber in der vierten Generation werden sie hierher zurückkehren, denn die Vergehung der Amoriter ist noch nicht vollendet“ (1Mo 15:13-16).
Offensichtlich konnte die 400-Jahr-Periode der Unterdrückung nicht vor dem Erscheinen des dem Abraham verheißenen Samens beginnen. Abraham war noch kinderlos, als er Kanaan verließ, weil dort eine Hungersnot herrschte, und nach Ägypten zog, wo sich mit dem Pharao gewisse Probleme ergaben (1Mo 12:10-20). Kurz nachdem Gott die Worte über die 400 Jahre der Unterdrückung geäußert hatte, gebar die ägyptische Sklavin und Nebenfrau dem damals 86 Jahre alten Abraham (im Jahr 1932 v. u. Z.) einen Sohn, den Ismael. Aber erst 14 Jahre später (1918 v. u. Z.) schenkte Sara, Abrahams freie Frau, ihm einen Sohn, Isaak. Und nach Gottes Willen sollte durch diesen Sohn der verheißene Same kommen. Da aber Gottes Zeit noch nicht da war, Abraham oder seinem Samen das Land Kanaan zu geben, waren sie, wie vorhergesagt, „ansässige Fremdlinge ... in einem Land, das nicht das ihre“ war (1Mo 16:15, 16; 21:2-5; Heb 11:13).
Zeitpunkt des Auszugs. Wann begannen daher die 400 Jahre der Unterdrückung, und wann endeten sie? Gemäß der jüdischen Tradition begannen sie mit der Geburt Isaaks zu zählen. Doch von einer wirklichen Unterdrückung kann erst von dem Tag an die Rede sein, an dem Isaak entwöhnt wurde. Die Anzeichen deuten auf das Jahr 1913 v. u. Z. – Isaak war etwa 5 Jahre alt und Ismael etwa 19 – als den Beginn der Unterdrückung hin. Damals begann „der nach der Weise des Fleisches Geborene den nach der Weise des Geistes Geborenen zu verfolgen“ (Gal 4:29). Voller Eifersucht und Hass fing der Halbägypter Ismael an, über Isaak, der noch klein war, „spottzulachen“. Dabei handelte es sich um viel mehr als um einen bloßen Zank zwischen Kindern (1Mo 21:9). Andere Übersetzungen sprechen von „spotten“ (Al; de Wette, 1839; EB) oder „Spott treiben“ (RSt). Die Unterdrückung des Samens Abrahams dauerte während des ganzen Lebens von Isaak an. Als erwachsener Mann wurde Isaak von Jehova gesegnet; doch von den Bewohnern Kanaans wurde er verfolgt, und er sah sich wegen der Schwierigkeiten, die sie ihm bereiteten, gezwungen, von Ort zu Ort zu ziehen (1Mo 26:19-24, 27). Schließlich – in den späteren Lebensjahren Jakobs, des Sohnes Isaaks – kam der vorhergesagte „Same“ nach Ägypten, um dort ansässig zu werden. Im Lauf der Zeit gerieten seine Nachkommen in Sklaverei.
Durch welchen inneren Beweis wird in der Bibel die Zeit des Auszugs Israels aus Ägypten festgelegt?
Die 400-Jahr-Periode der Unterdrückung dauerte somit von 1913 v. u. Z. bis 1513 v. u. Z. Es war auch eine Zeit göttlicher Langmut oder eine Gnadenfrist, die Gott den Kanaanitern gewährte, deren vorherrschender Stamm die Amoriter waren. Wenn sie abgelaufen wäre, wäre ihre Vergehung vollendet; zweifellos hätten sie dann die vollständige Vertreibung aus dem Land verdient. Als ersten Schritt in dieser Richtung wollte Gott die Aufmerksamkeit seinem Volk in Ägypten zuwenden, es aus der Knechtschaft befreien und in das Land der Verheißung zurückkehren lassen (1Mo 15:13-16).
Die 430-Jahr-Periode. Eine weitere Zeitangabe, mit deren Hilfe man den Zeitpunkt des Auszugs berechnen kann, enthalten die Worte in 2. Mose 12:40, 41: „Und die Wohnzeit der Söhne Israels, die in Ägypten gewohnt hatten, betrug vierhundertdreißig Jahre. Und es geschah am Ende der vierhundertdreißig Jahre, ja es geschah an ebendiesem Tag, dass alle Heere Jehovas aus dem Land Ägypten auszogen.“ In der Fußnote zu 2. Mose 12:40 heißt es mit Bezug auf den Ausdruck „die ... gewohnt hatten“: „Im Hebr[äischen] steht das ... Verb im Pl[ural]. Das Relativpronomen ʼaschér, ‚die‘, kann sich auf die ‚Söhne Israels‘ statt auf die ‚Wohnzeit‘ beziehen.“ Die Septuaginta gibt den Vers 40 wie folgt wieder: „Aber die Wohnzeit der Söhne Israels, die sie im Land Ägypten und im Land Kanaan wohnten, [betrug] vierhundertdreißig Jahre.“ Und die Lesart des samaritanischen Pentateuchs lautet: „im Land Kanaan und im Land Ägypten“. Diese Wiedergaben zeigen somit übereinstimmend, dass die 430-Jahr-Periode eine längere Zeitspanne umfasste als die Wohnzeit der Israeliten in Ägypten.
Der Apostel Paulus wies darauf hin, dass diese 430-Jahr-Periode (aus 2Mo 12:40) begann, als der abrahamische Bund rechtskräftig wurde, und dass sie mit dem Auszug aus Ägypten endete. Paulus schrieb: „Ferner sage ich dies: Was den zuvor von Gott rechtskräftig gemachten [abrahamischen] Bund betrifft, so macht ihn das GESETZ, das vierhundertdreißig Jahre später [im Jahr des Auszugs] entstanden ist, nicht ungültig, um die Verheißung aufzuheben. ... während Gott es Abraham gütigerweise durch eine Verheißung gegeben hat“ (Gal 3:16-18).
Wie viel Zeit verstrich denn von dem Zeitpunkt an, als der abrahamische Bund rechtskräftig wurde, bis zur Ankunft der Israeliten in Ägypten? In 1. Mose 12:4, 5 ist nachzulesen, dass Abraham 75 Jahre alt war, als er Haran verließ und auf dem Weg nach Kanaan den Euphrat überquerte. Zu dieser Zeit trat der abrahamische Bund – die Abraham zuvor in dem Ur der Chaldäer gegebene Verheißung – in Kraft. Aus den Altersangaben in 1. Mose 12:4; 21:5 und 25:26 sowie aus den in 1. Mose 47:9 aufgezeichneten Worten Jakobs ist zu schließen, dass zwischen dem Zeitpunkt, als der abrahamische Bund rechtskräftig wurde, und der Ankunft Jakobs und seiner Familie in Ägypten 215 Jahre vergingen. Demnach wohnten die Israeliten in Wirklichkeit 215 Jahre (1728–1513 v. u. Z.) in Ägypten. Diese Zahl stimmt mit anderen Zeitangaben überein.
Vom Auszug bis zum Tempelbau. Zwei weitere Zeitangaben stimmen mit dieser Ansicht überein und erhärten sie. Salomo begann im vierten Jahr seiner Herrschaft (1034 v. u. Z.) mit dem Bau des Tempels, und dies war gemäß 1. Könige 6:1 „im vierhundertachtzigsten Jahr“ nach dem Auszug aus Ägypten (1513 v. u. Z.).
‘Ungefähr 450 Jahre’. Ferner wäre die in Apostelgeschichte 13:17-20 aufgezeichnete Ansprache zu nennen, die Paulus in Antiochia (Pisidien) hielt und in der er eine Zeitspanne von „ungefähr vierhundertfünfzig Jahren“ erwähnt. Der Apostel beginnt seine Abhandlung der israelitischen Geschichte mit der Zeit, in der Gott ‘unsere Vorväter erwählte’, d. h. von der Geburt Isaaks an, der der verheißene Same sein sollte (1918 v. u. Z.). (Die Geburt Isaaks entschied endgültig die Frage, wen Gott als den Samen anerkennen würde, worüber man bis dahin wegen Saras Unfruchtbarkeit im Zweifel gewesen war.) Von diesem Zeitpunkt ausgehend, erinnert Paulus an das, was Gott für das auserwählte Volk bis zu der Zeit getan hatte, in der „er ihnen Richter bis zum Propheten Samuel“ gab. Die Zeitspanne von „ungefähr vierhundertfünfzig Jahren“ erstreckte sich daher offensichtlich von Isaaks Geburt im Jahr 1918 v. u. Z. bis zum Jahr 1467 v. u. Z., also bis 46 Jahre nach dem Auszug aus Ägypten im Jahr 1513 v. u. Z. (40 Jahre dauerte die Wanderung in der Wildnis und 6 Jahre die Eroberung des Landes Kanaan) (5Mo 2:7; 4Mo 9:1; 13:1, 2, 6; Jos 14:6, 7, 10). Das ergibt eine Gesamtzahl, die zweifellos der vom Apostel Paulus genannten runden Summe von „ungefähr vierhundertfünfzig Jahren“ entspricht. Somit bestätigen beide Zeitangaben das Jahr 1513 v. u. Z. als das Jahr des Auszugs und stimmen außerdem mit der biblischen Chronologie, die Könige und Richter Israels betreffend, überein. (Siehe CHRONOLOGIE [Von 1943 v. u. Z. bis zum Auszug aus Ägypten].)
Andere Ansichten. Das Datum 1513 v. u. Z. für den Auszug aus Ägypten sowie 1473 v. u. Z – 40 Jahre nach dem Auszug – für das Eindringen der Israeliten in Kanaan und die Eroberung Jerichos betrachten einige Kritiker als viel zu früh angesetzt; sie verlegen diese Ereignisse in das 14. oder sogar in das 13. Jahrhundert v. u. Z. Einige Archäologen datieren die Eroberung Jerichos in das 13. Jahrhundert v. u. Z., doch sie haben dafür keine alten historischen Urkunden oder Zeugnisse, sondern sie stützen sich auf Funde von Tonwaren. Es liegt auf der Hand, dass eine auf Tongefäßfunden beruhende Berechnung von Zeitabschnitten sehr spekulativ ist, was die Grabungen in Jericho gezeigt haben. Die Funde haben bei den Archäologen zu widersprüchlichen Schlussfolgerungen und Datierungen geführt. (Siehe ARCHÄOLOGIE [Unterschiedliche Datierungen]; CHRONOLOGIE [Archäologische Datierung].)
Ähnlich verhält es sich mit den Ägyptologen. Ihre Datierungen der ägyptischen Dynastien weichen um Jahrhunderte voneinander ab, sodass ihre Zeitangaben für eine spezielle Zeitperiode unbrauchbar sind. Aus diesem Grund ist es unmöglich, den Pharao des Auszugs mit Bestimmtheit zu nennen; einige sagen, es sei Thutmosis III. gewesen, nach anderen war es Amenhotep II., Ramses II. usw.; doch in jedem Fall beruhen die Angaben auf einer sehr zweifelhaften Grundlage.
Die Glaubwürdigkeit des Berichts über den Auszug. Gegen den Bericht über den Auszug aus Ägypten wurde eingewandt, dass die ägyptischen Pharaonen den Auszug nirgendwo vermerkt hätten. Das ist jedoch nicht ungewöhnlich, denn auch Könige der neueren Zeit haben keine ihrer Niederlagen, sondern nur ihre Siege schriftlich festhalten lassen, und oft haben sie sogar versucht, alles Geschichtliche, das ihrem Image oder dem ihres Volkes schadete oder der Ideologie widersprach, die sie ihrem Volk aufzwingen wollten, beseitigen zu lassen. Selbst in jüngster Vergangenheit haben Herrscher versucht, die Werke und den Namen ihrer Vorgänger zu entfernen. In den ägyptischen Inschriften wurde alles, was peinlich oder unangenehm war, weggelassen oder so bald wie möglich daraus beseitigt. Ein Beispiel ist Name und Bild der Königin Hatschepsut. Ihr Nachfolger, Thutmosis III., ließ auf einem in Dair Al Bahri entdeckten Denkmal aus Stein beides entfernen. (Siehe J. P. Free, Archaeology and Bible History, 1964, S. 98 und Bild gegenüber von S. 94.)
Manetho, ein ägyptischer Priester, der offenbar die Juden hasste, schrieb sein Werk um das Jahr 280 v. u. Z. in Griechisch. Der jüdische Historiker Josephus zitiert Manetho, der geschrieben haben soll, dass die Vorfahren der Juden „zu vielen Tausenden nach Aegypten gekommen seien und hier die Herrschaft über dessen Bewohner errangen“; dann schreibt Josephus weiter, dass Manetho „selbst zugibt, dass sie in späterer Zeit das Land verlassen, das jetzige Judäa eingenommen, hier Jerusalem gegründet und den Tempel gebaut haben“ (Gegen Apion, 1. Buch, Abs. 26).
Manethos Bericht ist im Großen und Ganzen historisch sehr ungenau, doch ist es bedeutsam, dass er erwähnt, dass die Juden in Ägypten waren und aus dem Land wegzogen. Des Weiteren identifiziert er gemäß Josephus Moses mit Osarsiph, einem ägyptischen Priester, was erkennen lässt, dass die Juden in Ägypten waren und dass Moses ihr Anführer war, auch wenn das auf ägyptischen Denkmälern nicht verzeichnet ist. Josephus spricht noch von einem anderen ägyptischen Historiker namens Chäremon, der schrieb, dass Joseph und Moses gleichzeitig aus Ägypten vertrieben worden seien. Außerdem erwähnt Josephus einen Lysimachos, der etwas Ähnliches berichtet (Gegen Apion, 1. Buch, Abs. 26, 32, 33, 34).
Die Zahl der Ausziehenden. In 2. Mose 12:37 wird die runde Zahl von 600 000 „kräftigen Männern zu Fuß“ – außer den „kleinen Kindern“ – angegeben. Gemäß dem Bericht in 4. Mose 1:2, 3, 45, 46 waren es bei der tatsächlichen Zählung, die ungefähr ein Jahr nach dem Auszug vorgenommen wurde, 603 550 Männer – vom Zwanzigjährigen aufwärts ohne die Leviten (4Mo 2:32, 33), die 22 000 männliche Personen im Alter von einem Monat aufwärts zählten (4Mo 3:39). Das hebräische Wort gevarím bezieht sich nur auf „kräftige Männer“; es schließt Frauen nicht mit ein. (Vgl. Jer 30:6.) Der Ausdruck „kleine Kinder“ ist eine Übersetzung des hebräischen Wortes taph und bezieht sich auf jemand, der trippelt. (Vgl. Jes 3:16.) Die meisten dieser „kleinen Kinder“ mussten getragen werden oder konnten zumindest nicht die ganze Strecke marschieren.
„In der vierten Generation“. Wie bereits erwähnt, sagte Jehova zu Abraham, dass seine Nachkommen in der vierten Generation nach Kanaan zurückkehren würden (1Mo 15:16). In den ganzen 430 Jahren, von dem Zeitpunkt an, als der abrahamische Bund in Kraft trat, bis zum Auszug aus Ägypten, lebten mehr als vier Generationen, selbst wenn man die in der Bibel verzeichnete lange Lebensdauer der damaligen Menschen berücksichtigt. Die Israeliten verbrachten jedoch nur 215 Jahre tatsächlich in Ägypten. Die ‘vier Generationen’, die nach dem Einzug in Ägypten lebten, können, wenn man lediglich von e i n e m Stamm Israels, dem Stamm Levi, ausgeht, wie folgt berechnet werden: 1. Levi, 2. Kehath, 3. Amram und 4. Moses (2Mo 6:16, 18, 20).
Die angegebene Zahl derer, die aus Ägypten zogen – 600 000 kräftige Männer, außer Frauen und Kindern –, deutet darauf hin, dass es insgesamt mehr als drei Millionen Personen gewesen sein können, die das Land verließen. Einige bestreiten dies zwar, doch ist die Zahl keineswegs unvernünftig. Wenn es auch nur vier Generationen von Levi bis Moses waren, müssen angesichts des langen Lebens dieser Männer zu ihren Lebzeiten mehrere Generationen geboren worden sein. Selbst heute mag ein 60- oder 70-jähriger Mann Enkel und sogar Urenkel haben (was bedeutet, dass vier Generationen gleichzeitig leben).
Außergewöhnliche Mehrung. Der Bericht lautet: „Und die Söhne Israels wurden fruchtbar und begannen an Menge zu wimmeln; und sie vermehrten sich fortwährend und wurden in außergewöhnlichem Maß mächtiger, sodass das Land mit ihnen gefüllt wurde“ (2Mo 1:7). Ja, sie wurden so zahlreich, dass der König von Ägypten sagte: „Siehe! Das Volk der Söhne Israels ist zahlreicher und mächtiger als wir.“ „Je mehr man sie aber bedrückte, umso mehr vermehrten sie sich und umso mehr breiteten sie sich ständig aus, sodass es ihnen vor den Söhnen Israels graute“ (2Mo 1:9, 12). Wenn man bedenkt, dass Polygamie bestand, indem manche Nebenfrauen oder Konkubinen hatten, und einige Israeliten Ägypterinnen heirateten, kann man verstehen, wie es kam, dass sie sich so vermehrten, dass die Zahl der männlichen Erwachsenen 600 000 betrug.
Jakobs Familie, die nach Ägypten zog, umfasste 70 Seelen mit denen, die kurz nach ihrer Ankunft dort geboren wurden (1Mo 46). Wenn man Jakob, seine 12 Söhne, seine Tochter Dina, seine Enkelin Serach, die drei Söhne Levis und möglicherweise weitere nicht zu den Familienoberhäuptern rechnet, die sich in Ägypten zu vermehren begannen, sind es von den 70 noch rund 50. (Die Söhne Levis werden nicht mitgerechnet, weil die Leviten in der späteren Zahl von 603 550 nicht berücksichtigt sind.) Wenn man vorsichtig rechnet und die Zahl von 50 Familienoberhäuptern nimmt, wobei man berücksichtigt, dass die Bibel sagt: „Die Söhne Israels wurden fruchtbar und begannen an Menge zu wimmeln; und sie vermehrten sich fortwährend und wurden in außergewöhnlichem Maß mächtiger, sodass das Land mit ihnen gefüllt wurde“ (2Mo 1:7), kann man leicht zeigen, wie es kam, dass es zur Zeit des Auszugs 600 000 Männer im wehrfähigen Alter, zwischen 20 und 50 Jahren, waren. Man beachte Folgendes:
In Anbetracht der großen Familien, die man damals hatte, und des Wunsches der Israeliten, Kinder zu haben, um die Verheißung Gottes zu erfüllen, ist es nicht unvernünftig anzunehmen, dass jedes Familienoberhaupt von seinem 20. bis zu seinem 40. Lebensjahr durchschnittlich 10 Kinder zeugte (etwa die Hälfte davon Jungen). Um eine vorsichtige Berechnung anzustellen, wollen wir voraussetzen, dass jeder der ursprünglichen 50, die Familienoberhäupter wurden, erst vom 25. Jahr ihres Aufenthalts in Ägypten an begann, Kinder zu zeugen. Und da durch den Tod oder andere Umstände einige Jungen vielleicht nicht das Mannesalter erreichten und daher keine Kinder zeugten oder schon vor ihrem 40. Lebensjahr, der von uns gesetzten Grenze, zeugungsunfähig wurden, können wir auch die Zahl der geborenen männlichen Bevölkerung, die Kinder zeugte, um 20 Prozent herabsetzen. Doch das würde lediglich bedeuten, dass den 50 ursprünglichen Familienoberhäuptern, die nach unserer Annahme Kinder hatten, in einer Zeit von 20 Jahren statt 250 nur 200 Söhne geboren wurden.
Der Befehl Pharaos. Es gilt, noch einen weiteren Faktor zu berücksichtigen: den Befehl Pharaos, alle männlichen Kinder, die geboren würden, zu töten. Dieser Befehl wurde anscheinend nicht strikt befolgt, auch muss er nicht lange gegolten haben. Aaron wurde rund drei Jahre vor Moses (oder 1597 v. u. Z.) geboren, und anscheinend war damals kein solcher Befehl in Kraft. Aus der Bibel geht hervor, dass der Befehl Pharaos nicht viel Erfolg hatte. Die beiden Hebräerinnen Schiphra und Pua, die vermutlich der Berufsgruppe der Hebammen vorstanden, führten den Befehl des Königs nicht aus. Offenbar gaben sie den Hebammen, die ihnen unterstanden, den Befehl nicht weiter. Die Folge war: „Und das Volk wurde immer zahlreicher und wurde sehr mächtig.“ Darauf gebot Pharao seinem Volk, jeden neugeborenen israelitischen Jungen in den Nil zu werfen (2Mo 1:15-22). Doch anscheinend hassten die Ägypter die Hebräer nicht so sehr, dass sie das getan hätten. Moses wurde sogar von Pharaos eigener Tochter gerettet. Auch kam Pharao vielleicht bald zu der Einsicht, dass er wertvolle Sklaven verlieren würde, wenn sein Befehl in Kraft bliebe. Wir wissen, dass der Pharao des Auszugs sich dann weigerte, die Hebräer gehen zu lassen, weil sie ihm als Sklaven äußerst nützlich waren.
Wir wollen noch vorsichtiger rechnen und die Zahl der in einer Zeit von fünf Jahren überlebenden Jungen um fast ein Drittel reduzieren, um die mögliche Wirkung des wenig erfolgreichen Befehls Pharaos zu berücksichtigen.
Eine Berechnung. Selbst wenn man all das einbezieht, hätte die Bevölkerung sehr schnell wachsen können, weil Gott sie segnete. Folgende Aufstellung zeigt, wie viele Kinder in jeweils fünf Jahren von 1563 v. u. Z. (also 50 Jahre vor dem Auszug) bis 1533 (oder 20 Jahre vor dem Auszug) hätten geboren werden können:
VERMEHRUNG DER MÄNNLICHEN BEVÖLKERUNG
v. u. Z.
Söhne geboren
von 1563 bis 1558
47 350
von 1558 bis 1553
62 300
von 1553 bis 1548
81 800
von 1548 bis 1543
103 750
von 1543 bis 1538
133 200
von 1538 bis 1533
172 250
—
Gesamtzahl 600 650*
* Theoretisch errechnete Größe der männlichen Bevölkerung zwischen 20 und 50 Jahren zur Zeit des Auszugs (1513 v. u. Z.)
Es gilt zu beachten, dass selbst bei der geringsten Änderung in der Zählmethode, zum Beispiel, wenn im Durchschnitt jedem Vater nur ein Sohn mehr geboren worden wäre, es eine Zahl von über einer Million ergäbe.
Wie viel Volk verließ Ägypten unter Moses?
Außer den 600 000 kräftigen Männern, die die Bibel erwähnt, gab es auch sehr viele ältere Männer und noch mehr Frauen und Kinder sowie „viel Mischvolk“, also Nichtisraeliten (2Mo 12:38). Somit ist anzunehmen, dass insgesamt über drei Millionen Personen aus Ägypten auszogen. Dass der ägyptische Pharao ein so großes Sklavenvolk nicht ziehen lassen wollte, verwundert nicht. Es bedeutete für ihn einen großen wirtschaftlichen Schaden.
Der Bibelbericht bestätigt, dass es eine große Zahl kampftüchtiger Männer war: „Moab geriet in Schrecken vor dem Volk, weil ihrer viele waren; und Moab begann vor den Söhnen Israels Grauen zu empfinden“ (4Mo 22:3). Natürlich beruhte die Furcht der Moabiter zum Teil auf der Tatsache, dass Jehova so große Wunder für Israel gewirkt hatte, aber sie fürchteten sich auch vor den Israeliten, weil sie so zahlreich waren, was sie nicht getan hätten, wenn es sich nur um ein paar Tausend gehandelt hätte. Während der Wildniswanderung veränderte sich die Zahl der Israeliten nur wenig, weil in der Wildnis so viele wegen ihres Ungehorsams starben (4Mo 26:2-4, 51).
Bei der Zählung, die kurz nach dem Auszug erfolgte, wurden die Leviten extra gezählt, und die Zahl derer, die im Alter von einem Monat und darüber waren, betrug 22 000 (4Mo 3:39). Man mag sich fragen, warum es bei den anderen 12 Stämmen insgesamt nur 22 273 männliche Erstgeborene im Alter von einem Monat und darüber gab (4Mo 3:43). Das ist ohne Weiteres zu verstehen, wenn man weiß, dass die Familienoberhäupter nicht gezählt wurden, dass ein Mann, wenn er mehrere Frauen hatte, viele Söhne haben konnte, aber nur einen Erstgeborenen, und dass der Erstgeborene des Mannes, nicht aber der Frau gezählt wurde.
Streitfragen. Gottes bestimmte Zeit war gekommen, das Volk Israel aus „dem Eisenschmelzofen“, aus Ägypten, zu befreien, wie er Abraham verheißen hatte. Jehova betrachtete Israel wegen der Verheißung, die er dem Abraham gegeben hatte, als seinen Erstgeborenen. Jakob zog mit seiner Familie freiwillig nach Ägypten, doch später wurden seine Nachkommen versklavt. Als Volk waren sie Jehova so lieb wie ein erstgeborener Sohn, und Jehova hatte das Recht, sie aus Ägypten zu befreien, ohne einen Preis zu bezahlen (5Mo 4:20; 14:1, 2; 2Mo 4:22; 19:5, 6).
Pharao, der sich Jehovas Vorhaben widersetzte, wollte das große Volk von Sklavenarbeitern nicht verlieren. Als Moses ihn im Namen Jehovas bat, die Israeliten ziehen zu lassen, damit sie in der Wildnis Jehova ein Fest feiern könnten, antwortete er: „Wer ist Jehova, dass ich seiner Stimme gehorchen und Israel wegsenden sollte? Ich kenne Jehova überhaupt nicht“ (2Mo 5:2). Pharao war in seinen eigenen Augen ein Gott und anerkannte die Macht Jehovas nicht, obwohl er zweifellos häufig gehört hatte, dass die Hebräer diesen Namen gebrauchten. Jehovas Anbeter hatten diesen Namen von Anfang an gekannt; Abraham hatte Gott sogar mit dem Namen Jehova angesprochen (1Mo 2:4; 15:2).
Durch Pharaos Einstellung und Handeln wurde die Frage aufgeworfen: Wer ist der wahre Gott? Jehova Gott musste sich nun als mächtiger erweisen als die Götter Ägyptens – auch als der Pharao, der als ein Gott verehrt wurde. Er tat das, indem er zehn Plagen über Ägypten brachte, worauf Israel freigelassen wurde. (Siehe GÖTTER, GÖTTINNEN [Die zehn Plagen].) Bei der letzten Plage, als die Erstgeborenen starben, wurde den Israeliten geboten, während sie das Passah aßen, für den Auszug aus Ägypten bereit zu sein. Sie verließen Ägypten zwar in Eile, denn sie wurden von den Ägyptern gedrängt, die sagten: „Wir sind alle so gut wie tot!“, aber sie gingen dennoch nicht mit leeren Händen (2Mo 12:33). Sie nahmen ihre Rinder- und Kleinviehherden, ihren Mehlteig, der noch nicht gesäuert war, und ihre Backtröge mit. Außerdem gaben die Ägypter den Israeliten alles, worum sie baten, Gegenstände aus Silber und Gegenstände aus Gold sowie Kleidung. Nebenbei bemerkt, war das kein Berauben der Ägypter. Die Ägypter hatten kein Recht gehabt, Israel zu versklaven, demzufolge schuldeten sie dem Volk seinen Lohn (2Mo 12:34-38).
Zusammen mit den Israeliten zog auch „viel Mischvolk“ aus Ägypten weg (2Mo 12:38). Dabei handelte es sich ausschließlich um Anbeter Jehovas, denn sie mussten bereit sein, mit Israel das Land zu verlassen, während die Ägypter ihre Toten begruben. Sie hatten auch das Passah gefeiert, andernfalls wären sie mit den ägyptischen Trauer- und Bestattungsriten beschäftigt gewesen. Das Mischvolk mag zum Teil aus Personen bestanden haben, die mit den Israeliten verschwägert waren. Zum Beispiel hatten viele israelitische Männer ägyptische Frauen geheiratet und israelitische Frauen ägyptische Männer. Ein typisches Beispiel ist der Mann, der in der Wildnis zu Tode gebracht wurde, weil er den Namen Jehovas beschimpft hatte. Er war der Sohn eines ägyptischen Mannes, und seine Mutter war Schelomith vom Stamm Dan (3Mo 24:10, 11). Man sollte auch beachten, dass Jehova für die Zeit, wenn Israel in das Land der Verheißung kommen würde, für die ansässigen Fremdlinge und für die Sklaven, die das Passah essen wollten, Bedingungen festlegte, die auf unabsehbare Zeit galten (2Mo 12:25, 43-49).
Die Route des Auszugs. Die Israeliten müssen von verschiedenen Orten in Ägypten aufgebrochen und anfangs nicht in einer geschlossenen Gruppe marschiert sein. Einige stießen wahrscheinlich erst unterwegs zur Hauptgruppe. Der Ausgangspunkt des Auszugs war Ramses, entweder die Stadt oder ein Bezirk dieses Namens; die erste Etappe führte nach Sukkoth (2Mo 12:37). Nach Ansicht einiger Gelehrter zogen die Israeliten aus allen Teilen des Landes Gosen nach Sukkoth, um sich dort zu sammeln, während Moses den Marsch von Ramses aus begann (KARTE, Bd. 1, S. 536).
Die Israeliten hatten Ägypten in Eile verlassen, gedrängt von den Ägyptern; dennoch waren sie keineswegs unorganisiert: „Doch zogen die Söhne Israels in Schlachtordnung aus dem Land Ägypten herauf“, das heißt vermutlich wie ein Heer in fünf Gruppen: Vorhut, Nachhut, Mitte und zwei Flügel. Sie hatten nicht nur Moses als fähigen Führer, sondern auch Jehova tat seine Führung kund, und zwar bereits schon am Lagerplatz in Etham, indem er für eine Wolkensäule sorgte, die sie am Tag führte und die nachts zu einer Feuersäule wurde, um ihnen Licht zu spenden (2Mo 13:18-22).
Am kürzesten wäre der ca. 400 km lange Landweg gewesen von der Gegend n. von Memphis bis etwa Lachisch im Land der Verheißung. Doch hätte dieser Weg bedeutet, dass die Israeliten an der Mittelmeerküste entlang und durch das Land der Philister hätten ziehen müssen. Ihre Vorväter Abraham und Isaak hatten jedoch in früheren Zeiten mit den Philistern Schwierigkeiten gehabt. Gott, der wusste, dass die Israeliten durch einen Angriff der Philister den Mut verlieren könnten, weil sie im Kriegshandwerk unerfahren waren und auch weil sie ihre Familien und Herden bei sich hatten, gebot Israel, umzukehren und vor Pihahiroth zwischen Migdol und dem Meer angesichts von Baal-Zephon zu lagern. Das war ein Lagerplatz am Meer (2Mo 14:1, 2).
Die genaue Route, der die Israeliten von Ramses bis zum Roten Meer folgten, lässt sich heute nicht mit Sicherheit feststellen, da die Lage der im Bericht erwähnten Orte nicht eindeutig bestimmt werden kann. In den meisten Nachschlagewerken wird gezeigt, dass sie durch das Wadi Tumilat in der ägyptischen Deltaregion zogen. Die Annahme dieser Route stützt sich jedoch hauptsächlich auf die Identifikation von Ramses mit einem Ort in der NO-Ecke des Deltagebietes. Aber John A. Wilson, Professor für Ägyptologie, schreibt: „Leider stimmen die Gelehrten nicht überein, welches die genaue Lage von Ramses war. Die Pharaonen, die Ramses hießen, nannten mehrere Städte nach ihrem Namen, besonders Ramses II. Ferner wurden Hinweise auf diese Stadt in Deltaorten ausgegraben, von denen nicht ernsthaft behauptet werden kann, Ramses zu sein“ (The Interpreter’s Dictionary of the Bible, herausgegeben von G. A. Buttrick, 1962, Bd. 4, S. 9).
Bald hat man geglaubt, es sei dieser, bald, es sei jener Ort, und eine Zeit lang hielt man jeweils den einen allgemein für richtig, und dann verwarf man ihn zugunsten eines andern. Von vielen wird angenommen, es sei Tanis (heute San Al Hadschar), 56 km sw. der am Mittelmeer gelegenen Küstenstadt Port Said, von anderen Qantir, ca. 20 km weiter s. Es ist zu bemerken, dass ein ägyptischer Text Tanis und (Per-)Ramses als zwei getrennte Orte aufführt, ferner stammt ein Teil des in Tanis ausgegrabenen Materials aus anderen Orten. Daher schreibt John A. Wilson weiter: „Es gibt keine Garantie dafür, dass Inschriften mit dem Namen Ramses ursprünglich von hier stammen.“ Die Inschriften, die Ramses II. erwähnen und die an diesen Orten gefunden wurden, lassen lediglich eine Verbindung mit Ramses II. erkennen, aber sie beweisen keineswegs, dass der eine oder der andere Ort das biblische, von den Israeliten schon vor der Geburt Mose als Vorratsort erbaute Ramses ist (2Mo 1:11). Wie unter dem Stichwort RAMSES gezeigt wird, hat die Ansicht, dass Ramses II. der Pharao des Auszugs sei, wenig für sich.
Man hält die Route durch das Wadi Tumilat auch deshalb für sehr wahrscheinlich, weil heute allgemein die Theorie angenommen wird, dass die Israeliten nicht durch das Rote Meer gezogen seien, sondern an einer Stelle n. davon. Einige Gelehrte haben sogar den Standpunkt verfochten, sie seien an dem an der Mittelmeerküste gelegenen Sirbonischen See oder in der Nähe davon vorbeigezogen und hätten sich, nachdem sie aus dem Wadi Tumilat gekommen seien, nach N gewandt, auf die Küste zu. Diese Ansicht steht in direktem Widerspruch zu der eindeutigen Aussage der Bibel, dass Gott selbst die Israeliten von dem Weg in das Land der Philister weggeführt habe (2Mo 13:17, 18). Andere sagen, sie seien durch das Wadi Tumilat gezogen, behaupten aber, der Durchzug sei im Gebiet der Bitterseen n. von Sues erfolgt.
Rotes Meer, nicht „Schilfmeer“. Die letztere Ansicht stützt sich auf das Argument, dass das hebräische Wort jam-ßúph (übersetzt mit „Rotes Meer“) wörtlich „Schilfmeer oder Schilfrohrmeer, Binsenmeer“ bedeutet und dass die Israeliten daher nicht den Arm des Roten Meeres, der als Golf von Sues bekannt ist, durchquerten, sondern ein Schilfmeer, eine sumpfige Gegend, wie es die Bitterseenregion ist. Mit dieser Meinung widersprechen sie jedoch den Übersetzern der Septuaginta, die das Wort jam-ßúph mit dem griechischen Ausdruck erythrá thálassa wiedergaben, der wörtlich „Rotes Meer“ heißt. Noch viel wichtiger aber ist, dass Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte (er zitiert Stephanus), und der Apostel Paulus den gleichen griechischen Namen gebrauchten, als sie über die Ereignisse des Auszugs aus Ägypten schrieben (Apg 7:36; Heb 11:29; siehe ROTES MEER).
Außerdem wäre es kein großes Wunder gewesen, wenn sie nur durch einen Sumpf gezogen wären, und die Ägypter hätten nicht vom Roten Meer „verschlungen“ werden können, als ‘die wogenden Wasser sie bedeckten’ und sie ‘hinunterfuhren in die Tiefen wie ein Stein’ (Heb 11:29; 2Mo 15:5). Nicht nur bezogen sich später Moses und Josua auf dieses gewaltige Wunder, sondern der Apostel Paulus sagte auch, dass die Israeliten in Moses getauft wurden durch die Wolke und das Meer. Das zeigt, dass sie völlig umgeben waren von Wasser – auf beiden Seiten umschloss sie das Meer, und über und hinter ihnen war die Wolke (1Ko 10:1, 2). Das lässt auch erkennen, dass das Wasser so tief gewesen sein musste, dass sie es nicht hätten durchwaten können.
Die wirkliche Route des Auszugs hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: welches die damalige ägyptische Hauptstadt war und welches Gewässer die Israeliten durchquerten. Da die inspirierten Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften den Ausdruck „Rotes Meer“ verwendeten, haben wir allen Grund zu glauben, dass die Israeliten dieses Gewässer durchquerten. Als damalige ägyptische Hauptstadt kommt am ehesten Memphis infrage, das während des Großteils der ägyptischen Geschichte Regierungssitz war. (Siehe MEMPHIS.) Trifft dies zu, dann muss sich der Ausgangspunkt des Auszugs so nahe bei Memphis befunden haben, dass Moses in der Passahnacht nach Mitternacht zu Pharao gerufen werden konnte und anschließend rechtzeitig Ramses erreichte, um von dort noch vor Ende des 14. Nisan nach Sukkoth aufzubrechen (2Mo 12:29-31, 37, 41, 42). Die älteste jüdische Tradition – sie wurde von Josephus schriftlich festgehalten – besagt, dass der Marsch etwas n. von Memphis begonnen habe (Jüdische Altertümer, 2. Buch, Kap. 15, Abs. 1).
Der Weg durch das Wadi Tumilat wäre so weit n. von Memphis gewesen, dass die obigen Umstände unmöglich gewesen wären. Aus diesem Grund haben viele ältere Kommentatoren die bekannten „Pilger“-Routen durch Ägypten angenommen, z. B. die El-Haddsch-Route, die von Kairo quer durch das Land nach Sues (das antike Klysma, später Kolzom) am Ende des Golfs von Sues führt.
Wo teilte sich das Rote Meer, damit Israel hindurchziehen konnte?
Man beachte, dass Gott zu Moses sagte, nachdem die Israeliten die zweite Station auf dem Weg in das Land der Verheißung – Etham „am Rand der Wildnis“ – erreicht hatten, sie sollten „sich umwenden und vor Pihahiroth ... am Meer lagern“. Durch dieses Manöver sollte Pharao glauben gemacht werden, die Israeliten würden ‘verwirrt im Land umherirren’ (2Mo 13:20; 14:1-3). Gelehrte, die die El-Haddsch-Route für die wahrscheinliche Route halten, weisen darauf hin, dass das hebräische Verb für „sich umwenden“ ganz eindeutig ist und nicht lediglich „abbiegen“ oder „abweichen“ bedeutet, sondern den Sinn hat von „zurückkehren“ oder zumindest „einen festgelegten Umweg machen“. Ihrer Auffassung nach machten die Israeliten, als sie einen Punkt n. des Endes vom Golf von Sues erreicht hatten, kehrt und zogen auf die O-Seite des Dschebel Ataka, eines Gebirges auf der W-Seite des Golfes. An diesem Ort hätte sich einer großen Menschenmenge, wie sie die Israeliten bildeten, keine geeignete Möglichkeit zur raschen Flucht geboten, wenn die Verfolger von N gekommen wären; sie wären eingekesselt gewesen, da ihnen das Meer den Weg versperrt hätte.
Die jüdische Tradition des 1. Jahrhunderts u. Z. stellt es auch so dar. (Siehe PIHAHIROTH.) Noch wichtiger aber ist, dass diese Situation im Gegensatz zu den populären Ansichten vieler Gelehrter zu dem allgemeinen Bild, das die Bibel selbst zeichnet, passt (2Mo 14:9-16). Zweifellos hat der Durchzug so weit vom Ende des Golfes (od. des w. Armes des Roten Meeres) entfernt stattgefunden, dass die Streitkräfte Pharaos nicht einfach einen Bogen um das Ende des Golfes machen und die Israeliten auf der anderen Seite mühelos erreichen konnten (2Mo 14:22, 23).
Als dem Pharao der Abmarsch der Israeliten gemeldet worden war, hatte sich seine Einstellung in Bezug auf ihre Freilassung völlig geändert. Der Verlust eines ganzen Sklavenvolkes bedeutete für die Wirtschaft Ägyptens einen schweren Schlag. Es war für seine Streitwagen ein Leichtes, das ganze auf dem Marsch befindliche Volk einzuholen, besonders da es auch noch kehrtgemacht hatte. Angespornt von dem Gedanken, die Israeliten würden in der Wildnis umherirren, nahm er voller Zuversicht die Verfolgung auf. Mit seiner gesamten Streitmacht – einer Elitetruppe, zu der 600 auserlesene Wagen gehörten, sowie allen anderen mit Kriegern besetzten Streitwagen Ägyptens und der Reiterei – holte er Israel bei Pihahiroth ein (2Mo 14:3-9).
Strategisch gesehen befanden sich die Israeliten in einer äußerst ungünstigen Lage: eingeschlossen zwischen dem Meer und den Bergen, der Rückweg von den Ägyptern blockiert. Nun, da sich die Israeliten in einer Falle glaubten, erfasste sie große Furcht, und sie fingen an, Moses Vorwürfe zu machen. Doch da griff Gott zum Schutz Israels ein und setzte die Wolke, die vor den Israeliten hergezogen war, hinter sie. Auf der den Ägyptern zugekehrten Seite war die Wolke dunkel, auf der anderen, den Israeliten zugewandten Seite erhellte sie die Nacht. Während die Wolke die Ägypter daran hinderte, die Israeliten anzugreifen, erhob Moses auf den Befehl Jehovas hin seinen Stab, worauf sich die Wasser teilten und die Israeliten auf trockenem Meeresboden hinüberziehen konnten (2Mo 14:10-21).
Breite und Tiefe der Durchzugsstelle. Da die Israeliten in einer einzigen Nacht durch das Meer zogen, ist kaum anzunehmen, dass durch die Teilung der Wasser nur ein schmaler Weg entstanden war. Vielmehr muss es sich um einen 1 km breiten oder noch breiteren Weg gehandelt haben. Selbst in recht geschlossener Formation hätte eine solche Anzahl Menschen mit ihren Wagen, ihrem Gepäck und ihrem Vieh, auch wenn sie ziemlich dicht aufgeschlossen marschiert wären, eine Fläche von vielleicht 8 km2 oder mehr eingenommen. Der trockene Meeresboden erlaubte den Israeliten demnach, auf ziemlich breiter Front hindurchzuziehen. Wenn diese Front eine Breite von 1,5 km gehabt hätte, wäre der Zug der Israeliten wahrscheinlich mindestens 5 km lang oder länger gewesen. Wäre die Front 2,5 km breit gewesen, hätte der Zug eine Länge von ca. 3 km oder mehr gehabt. Eine solche Kolonne hätte mehrere Stunden gebraucht, um auf den Meeresgrund zu gelangen und ihn zu überqueren. Wohl bildeten die Israeliten keine von Panik erfasste Menschenmasse, sondern sie behielten ihre Schlachtordnung bei, dennoch müssen sie in größter Eile durch das Meer gezogen sein.
Wäre die Wolke nicht da gewesen, so hätten die Ägypter die Israeliten leicht einholen und viele von ihnen töten können (2Mo 15:9). Als die Israeliten in das Meer gezogen waren und sich die Wolke hinter ihnen vorwärts bewegt hatte, sodass die Ägypter es sahen, nahmen sie die Verfolgung auf. Auch hier zeigt es sich wiederum, dass das trockene Stück Meeresboden ziemlich breit und lang gewesen sein musste, denn Pharaos Streitmacht war groß. Da die Ägypter entschlossen waren, ihre ehemaligen Sklaven zu vernichten oder zurückzuholen, jagte ihnen das ganze Heer bis weit ins Meer hinaus nach. Dann, während der Morgenwache – sie dauerte von 2 bis 6 Uhr –, blickte Jehova aus der Wolke auf das Lager der Ägypter hernieder und begann, es in Verwirrung zu bringen; er nahm fortgesetzt Räder von ihren Wagen ab (2Mo 14:24, 25).
Bei Tagesanbruch hatten die Israeliten das O-Ufer des Roten Meeres sicher erreicht. Nun erhielt Moses den Befehl, seine Hand auszustrecken, damit die Wasser zurückkehren und die Ägypter unter sich begraben würden. Dann begann „das Meer ... zu seinem normalen Stand zurückzukehren“, und die Ägypter flohen vor der Begegnung damit. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass durch die Teilung der Wasser eine breite Öffnung entstanden war, denn wenn sich die Ägypter in einer schmalen Öffnung befunden hätten, wären sie sofort in den Wassermassen begraben worden. Doch sie versuchten, den heranrückenden Wassermauern zu entkommen, indem sie auf das W-Ufer zujagten, aber die Wasser fluteten unaufhörlich zurück, bis sie schließlich alle Wagen und Reiter, die zu Pharaos Streitmacht gehörten, völlig bedeckten. Nicht e i n Ägypter blieb am Leben.
Natürlich wäre eine solche Überschwemmung in einem Sumpf unmöglich gewesen. Außerdem wären in einem untiefen Sumpf die Leichen nicht ans Ufer gespült worden, was aber geschah, sodass Israel „die Ägypter tot am Ufer des Meeres“ sah (2Mo 14:22-31; BILD und KARTE, Bd. 1, S. 537).
Die Wasser „erstarrten“. Gemäß der Beschreibung in der Bibel „erstarrten“ die wogenden Wasser, damit Israel hindurchziehen konnte (2Mo 15:8). Das Wort „erstarren“ wird in der Einheitsübersetzung, der Jerusalemer Bibel, der Lutherbibel, der Pattloch-Bibel, der Schlachter-Bibel (1975) und der Zürcher Bibel sowie in den Übersetzungen von H. Bruns, E. Henne und H. Menge gebraucht. Die Erklärung in dem Deutschen Wörterbuch, Brockhaus-Wahrig lautet: „eine Flüssigkeit erstarrt[, d. h.] geht in den festen Aggregatzustand über, wird starr; ... steif, unbeweglich werden“. Das hebräische Wort, das hier mit „erstarren“ übersetzt worden ist, wird in Hiob 10:10 in Bezug auf das Gerinnen von Milch verwendet. Demnach bedeutet es nicht notwendigerweise, dass die Wassermauern festgefroren waren, sondern die erstarrte Masse mag eher die Festigkeit von Gallert oder Dickmilch gehabt haben. Da nichts Sichtbares die Wasser des Roten Meeres zu beiden Seiten des Volkes Israel zurückhielt, erschienen sie wie erstarrt, fest geworden, geronnen oder eingedickt, sodass sie gleich einer Mauer zu beiden Seiten stehen konnten und nicht einstürzten und die Israeliten unter sich begruben. So erschienen sie Moses, als ein starker O-Wind bewirkte, dass sich das Meer teilte und sein Boden trocken wurde, sodass er weder sumpfig noch gefroren war und von den Menschenmassen leicht passiert werden konnte.
Der Weg durch das Meer war so breit, dass bis zum Morgen die ungefähr drei Millionen Israeliten alle an das O-Ufer gelangen konnten. Darauf begannen die Wasser von beiden Seiten zurückzuströmen. Die Wellen schlugen über den Ägyptern zusammen und begruben sie unter sich, während die Israeliten am O-Ufer standen und Jehovas beispiellose Befreiung eines ganzen Volkes aus der Hand einer Weltmacht erlebten. Sie erkannten, dass sich Mose Worte buchstäblich erfüllt hatten: „Die Ägypter, die ihr heute tatsächlich seht, werdet ihr nicht wiedersehen, nein, nie wieder“ (2Mo 14:13).
Durch diese eindrucksvolle Machtkundgebung verherrlichte Jehova seinen Namen und rettete die Israeliten. Sicher am O-Ufer des Roten Meeres angekommen, sangen die Söhne Israels unter Mose Leitung ein Lied, während seine Schwester Mirjam, die Prophetin, ein Tamburin in die Hand nahm und allen Frauen, die mit Tamburinen und in Reigentänzen auszogen, voranging und den Männern im Wechselgesang antwortete (2Mo 15:1, 20, 21). Eine völlige Trennung zwischen den Israeliten und ihren Feinden war herbeigeführt worden. Als sie aus Ägypten zogen, durfte ihnen weder Mensch noch Tier ein Leid antun; noch nicht einmal ein Hund ‘muckste mit seiner Zunge’ gegen die Israeliten oder ‘spitzte seine Zunge’ gegen sie (2Mo 11:7). Während die Erzählung im 2. Buch Mose nichts davon erwähnt, dass Pharao zusammen mit seinen Streitkräften im Meer vernichtet wurde, heißt es in Psalm 136:15, dass Jehova „Pharao und seine Streitmacht ins Rote Meer abschüttelte“.
Vorbild späterer Ereignisse. Gott hatte Israel getreu seiner Verheißung, die er Abraham gegeben hatte, aus Ägypten herausgeführt, weshalb er das ganze Volk Israel als seinen Sohn betrachtete, wie er Pharao erklärt hatte: ‘Israel ist mein Erstgeborener’ (2Mo 4:22). Später sagte Jehova: „Als Israel ein Knabe war, da liebte ich ihn, und aus Ägypten rief ich meinen Sohn“ (Hos 11:1). Dieser Hinweis auf den Auszug aus Ägypten war auch eine Prophezeiung, die sich erfüllte, als Joseph und Maria mit Jesus nach dem Tod des Herodes aus Ägypten zurückkehrten und sich in Nazareth niederließen. Der Historiker Matthäus wendet die Prophezeiung aus Hosea auf dieses Ereignis an und sagt von Joseph: „Er hielt sich dort bis zum Lebensende des Herodes auf, damit erfüllt würde, was Jehova durch seinen Propheten geredet hatte, welcher sagt: ‚Aus Ägypten rief ich meinen Sohn‘“ (Mat 2:15).
Der Apostel Paulus zählt den Auszug aus Ägypten zu den Dingen, die den Israeliten als Beispiele oder Vorbilder widerfuhren (1Ko 10:1, 2, 11). Er versinnbildlicht daher offenbar etwas Größeres. Das buchstäbliche Israel wird in der Bibel gebraucht, um das geistige Israel, das Israel Gottes, zu versinnbildlichen (Gal 6:15, 16). Außerdem sagte Moses, dass ein Prophet gleich ihm kommen werde (5Mo 18:18, 19). Die Juden erwarteten, dass dieser ein großer Führer und Befreier sein würde. Der Apostel Petrus sagte von Jesus Christus, dass er der größere Moses sei (Apg 3:19-23). Die Befreiung Israels am Roten Meer und die Vernichtung der ägyptischen Streitkräfte müssen daher in Bezug auf die Befreiung des geistigen Israel aus der Hand seiner Feinde, des symbolischen Ägypten, eine Bedeutung haben, eine Befreiung, die durch ein großes von Jesus Christus gewirktes Wunder erzielt wird. Und so, wie die am Roten Meer vollbrachte Tat Gottes zur Verherrlichung seines Namens gereichte, wird die weit größere Erfüllung dieser vorbildlichen Geschehnisse großen Ruhm und große Ehre für den Namen Jehovas bewirken (2Mo 15:1).