Wir beobachten die Welt
Neue Abgründe der Gewalt
Wem Sportveranstaltungen wie Boxkämpfe oder Kampfsport-Wettbewerbe noch nicht brutal genug sind, dem haben Veranstalter in den Vereinigten Staaten eine neue Alternative zu bieten, „Extreme Fighting“ oder „Ultimate Fighting“ genannt. Der Ablauf ist einem Bericht in der New York Times zufolge ganz einfach: „Zwei Männer dreschen so lange aufeinander ein, bis einer aufgibt oder bewußtlos geschlagen wird.“ Sie tragen keine Handschuhe, die die Schläge dämpfen würden; es gibt weder Runden noch Pausen; Regeln sind kaum vorhanden, außer daß Beißen oder In-die-Augen-Fassen verboten ist. Die Gegner wenden Techniken aus Boxkampf, Judo, Karate, Ringkampf oder Straßenschlägereien an — oft mit sehr blutigen Folgen. Die Wettkämpfe werden vor wild anfeuernden Mengen von Fans ausgetragen, die Eintrittspreise von 200 Dollar bezahlen; auch im Kabelfernsehen oder auf Videos zum Ausleihen sind die Kämpfe beliebt. Viele Bundesstaaten haben diese Veranstaltungen allerdings bereits verboten.
Zusätzliche Arbeitslast für Frauen
Teilen sich Männer und Frauen die Arbeit daheim gerecht auf? Laut einer Studie des deutschen Statistischen Bundesamts ist das nicht der Fall. Die Volkswirte Norbert Schwarz und Dieter Schäfer baten 7 200 Haushalte, festzuhalten, wieviel Zeit für Hausarbeit eingesetzt wird. In der Studie wurden Arbeiten erfaßt wie Geschirrspülen, Einkaufen, die Pflege von kranken Angehörigen und das Werkeln rund ums Auto. „Unabhängig davon, ob sie berufstätig sind oder nicht, leisten Frauen ... etwa doppelt soviel Arbeitsstunden ohne Lohn wie Männer“, schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Religion im „Cyberspace“
Wer mit dem Computer den „Cyberspace“, die Netze miteinander verschalteter Computerdateien, erforschen will, hat nun auf religiösem Gebiet mehr Auswahl. Das World Wide Web bietet jetzt die Maria-Seite an, durch die Wißbegierige Antworten auf die zehn meistgestellten Fragen über die Jungfrau Maria erhalten können, beispielsweise warum sie immer in hellblauen Gewändern dargestellt wird. Die Amischen Mennoniten, die Elektrizität und andere technische Errungenschaften ablehnen, sind durch das Angebot „Frage die Amischen“ vertreten. Ein Computerausdruck mit Fragen wird ihnen zugestellt, sie antworten handschriftlich, und die Antworten werden über einen Vermittler per Computer weitergeleitet. Die Zeitschrift The Christian Century schreibt, daß es im Internet neuerdings einen „Beichtstuhl“ gibt mit einem digitalen Priester, der fragt: „Was möchtest du beichten?“ In der nächsten Zeile stehen mehrere Antworten zur Auswahl: „Ich habe folgende Sünde begangen: (Mord) (Ehebruch) (Faulheit) (sinnliche Begierde) (Geiz) (Betrug) (Schlemmerei) (Stolz) (Zorn) (Habsucht) (Setzen falscher Prioritäten).“
Riesenblume mit „atemberaubendem“ Duft
Die größte Blume der Welt, die Rafflesia, ist wahrhaftig ein eigenartiges Gewächs. Sie hat etwa die Größe eines Busreifens, und bis sie blüht, braucht sie so lange wie ein Menschenkind von der Empfängnis bis zur Geburt. Ihre Größe ist allerdings nicht der einzige Grund, warum sie für einen Blumenstrauß wohl kaum in Frage käme. Sie stinkt. Um Fliegen zur Bestäubung anzulocken, verströmt sie einen Verwesungsgeruch. Die malaysischen Dorfbewohner in den Regenwäldern, wo die Rafflesia heimisch ist, haben ihr den Namen Teufelsschüssel gegeben und sie früher ohne Zögern abgehackt. Wie jedoch die Zeitung South China Morning Post berichtet, hat der malaysische Nationalpark Kinabalu Maßnahmen ergriffen, um die seltene Blume zu schützen, damit Wissenschaftler sie weiter erforschen können. Die Einheimischen bessern nun ihre Einkünfte damit auf, daß sie Touristen zum Fotografieren der Rafflesia durch die Wälder führen. Bestimmt werden die meisten aber wohlweislich Abstand halten.
Italienisches Lourdes?
In der italienischen Stadt Civitavecchia soll neulich eine Madonnenstatue Blutstropfen geweint haben, was einen Zustrom von Zehntausenden Neugierigen und Pilgern ausgelöst hat. Daraufhin ist der Bürgermeister Pietro Tidei, der sich selbst als Ungläubiger bezeichnet, mit einem katholischen Prälaten nach Frankreich gereist. Sie besuchten den berühmten Wallfahrtsort Lourdes, wo sich angeblich Wunder ereignen. Der Besuch war allerdings keine Wallfahrt. Das Ziel bestand offensichtlich darin, dem „Wirtschaftswunder“ Lourdes auf den Grund zu gehen, um Anregungen zu erhalten, wie man Civitavecchia als ähnlich lukratives Mekka für Touristen und Pilger organisieren und verwalten könnte.
Brasiliens „heiliger Krieg“
Unlängst entfesselte ein Pastor der Pfingstgemeinde, Sergio von Helde, in Brasilien einen heiligen Krieg, wie sich die dortige Presse ausdrückte. In einer landesweit ausgestrahlten Fernsehsendung zog er über die Bilderanbetung der katholischen Kirche her. Um seinen Standpunkt zu unterstreichen, zeigte er eine schwarze Keramikstatue der Jungfrau von Aparecida, die den 110 000 000 brasilianischen Katholiken als Schutzheilige dient. Von Helde schlug auf die Statue ein, trat dagegen und nannte sie eine „scheußliche, schändliche Puppe“. Daraufhin sind Tausende von Katholiken mit Statuen der Schutzheiligen protestierend durch die Straßen gezogen. Aufgebrachte, schreiende Mengen umstellten einige Kirchen der Pfingstgemeinde, zu der von Helde gehört (Universelle Kirche des Reiches Gottes), und warfen mit Steinen. Von Helde, der danach vom Oberhaupt seiner Kirche des Amtes enthoben wurde, wirft den Medien vor, seinen Angriff zu häufig gezeigt zu haben. „TV Globo [die größte Fernsehanstalt des Landes] hat mich in ein Monster verwandelt“, behauptet der Pastor.
Selbstjustiz
In Südafrika wurden mehrere Personen, die man des Autodiebstahls verdächtigte, von einer wütenden Meute aus ihren Wohnungen geholt, mit Hacken umgebracht und mit Farbe beschmiert. Die Zeitung Saturday Star sagte dazu, daß die Zunahme solcher Vorfälle „ein Symptom einer Gesellschaft ist, die das Vertrauen zu ihrer Polizei verloren hat und sowohl von Verbrechen besessen ist als auch hysterisch darauf reagiert“. Natürlich entschuldigen Kriminologen dieses Verhalten nicht, sie schreiben aber dem Akt des Bemalens der Mordopfer eine Bedeutung zu. Er sei als Warnung an andere potentielle Verbrecher gedacht. Eine Kriminologin meinte: „Alles deutet darauf hin, daß die Situation völlig außer Kontrolle geraten ist und daß die Öffentlichkeit nicht mehr in der Lage ist, mit der Vorstellung umzugehen, daß sie von Kriminellen belagert wird.“
Ärger mit halbwüchsigen Kondoren
Der Kalifornische Kondor — ein riesiger aasfressender Vogel, der in unserem Jahrhundert so gut wie ausgerottet worden ist — stellt Naturschützer, die in Gefangenschaft aufgezogene Vögel in die Freiheit entlassen wollen, vor spezielle Probleme. Die Kondore, die als Jungvögel freigelassen werden, befinden sich „in einer erkundungs- und probierfreudigen jugendlichen Phase“, sagt eine Naturschützerin, die im New Scientist zitiert wird. Daß die Vögel keine Angst vor Menschen oder Starkstromleitungen haben, hat mehrere von ihnen bereits die Freiheit oder das Leben gekostet. Deshalb hat man sich eine neue Taktik bei der Aufzucht von Kondorjungen ausgedacht. Mit Hilfe von leichten Stromschlägen bringt man dem Vogel bei, um Hochspannungsleitungen einen Bogen zu machen. Damit der Kondor eine Aversion gegen Menschen entwickelt, bleiben diese außer Sichtweite, bis auf gelegentliche Ausnahmen, nämlich um sich plötzlich zu mehreren auf den Vogel zu stürzen, ihn zu fangen und auf dem Rücken am Boden zu halten. „Kondore hassen das“, merkt der New Scientist an, und so lernen sie, Menschen aus dem Weg zu gehen. Bislang war dieser Strategie ein gewisser Erfolg beschieden.
Tunnelbauhypothese
Archäologen rätseln seit langem, warum Hiskias Tunnel, der im achten Jahrhundert v. u. Z. gegraben wurde, um während der assyrischen Belagerung die Wasserversorgung Jerusalems zu sichern, einen so willkürlichen, gewundenen Verlauf hat. Bei einem geraden, effizienteren Verlauf hätte man nur eine Strecke von 320 Metern aushauen müssen statt der 533 Meter, die der Tunnel lang ist. 1880 fand man in der Tunnelwand eine Inschrift in Althebräisch. Darin wird erklärt, wie zwei Gruppen von Arbeitern an den beiden Enden begannen, den Tunnel in den Felsen zu treiben, und sich in der Mitte trafen. Das wirft die zusätzliche Frage auf, wie ihnen dies in Anbetracht des gewundenen Tunnelverlaufs gelang. Geologen meinen, die Antwort gefunden zu haben. Wie Dan Gill vom Geologischen Amt Israels sagt, weiteten die Arbeiter natürliche Kanäle aus, geformt durch Wasser, das an Stellen durch das Felsgestein floß, wo unter seismischem Druck Spalten entstanden waren oder verschiedene Schichten aufeinander trafen. Mit der Zeit konnten diese Spalten recht groß werden, was eine Erklärung dafür sein könnte, daß sich die Tunnelhöhe zwischen 1,70 und 5 Meter bewegt und daß die Arbeiter mit ihren Öllampen genug Luft bekamen. Die Arbeiter waren zudem sehr geschickt, denn für den Erfolg des Tunnels war eine leichte Neigung ausschlaggebend — lediglich 32 Zentimeter über die gesamte Strecke.