HERODES
Der Name einer Dynastie, die über die Juden herrschte. Die Angehörigen dieser Dynastie waren Idumäer, Edomiter. Nominell waren sie Juden, denn laut Josephus war den Idumäern etwa im Jahr 125 v. u. Z. von dem Makkabäerfürsten Johannes Hyrkanos I. die Beschneidung aufgezwungen worden.
In der Bibel werden die Herodäer nur kurz erwähnt; der Großteil unserer Kenntnisse geht auf die Schriften des Geschichtsschreibers Josephus zurück. Der Stammvater der Herodäer war Antipater (Antipas) I., den Alexander Jannäus, der hasmonäische (makkabäische) König, zum Statthalter von Idumäa eingesetzt hatte. Antipaters Sohn, der ebenfalls Antipater oder auch Antipas hieß, war der Vater Herodes’ des Großen. Nach dem Historiker Nikolaos von Damaskus, der von Josephus angeführt wird, stammte Antipater (II.) von den vornehmen Juden ab, die von Babylon in das Land Juda gekommen waren. Laut Josephus wollte Nikolaos allerdings mit dieser Behauptung Herodes nur einen Gefallen erweisen. Herodes war nämlich in Wirklichkeit sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits ein Edomiter.
Antipater II., ein steinreicher Mann, war in politische Machenschaften und in Intrigen verwickelt. In Verbindung mit seinen Söhnen verfolgte er ehrgeizige Ziele. In dem Kampf um die Stellung des jüdischen Hohen Priesters und Königs, der zwischen Johannes Hyrkanos II., dem Sohn des Alexander Jannäus und der Salome Alexandra, und Hyrkanos’ Bruder Aristobulos ausgebrochen war, unterstützte er Hyrkanos. Tatsächlich aber suchte Antipater nur seinen eigenen Vorteil. Schließlich verlieh ihm Julius Cäsar das römische Bürgerrecht und setzte ihn zum Statthalter von Judäa ein. Antipater ernannte Phasael, seinen Erstgeborenen, zum Statthalter von Jerusalem und einen anderen Sohn, Herodes, zum Statthalter von Galiläa. Der Giftanschlag eines Meuchelmörders beendete sein Leben.
1. Herodes der Große, der zweite Sohn von Antipater (Antipas) II. und dessen Frau Kypros. Die Geschichte bestätigt das kurze Charakterbild, das in der Bibel von diesem Mann entworfen wird: Sie weist ihn als skrupellos, verschlagen, misstrauisch, unmoralisch, grausam und mordlustig aus. Wie sein Vater war er ein geschickter Diplomat und ein Opportunist. Andererseits lässt es sich auch nicht abstreiten, dass er Organisationstalent besaß und ein befähigter Heerführer war. Josephus beschreibt ihn als einen Mann, der über große Körperkräfte verfügte, ein geschickter Reiter war und ausgezeichnet mit Lanze und Bogen umzugehen verstand (Geschichte des Jüdischen Krieges, 1. Buch, Kap. 21, Abs. 13). Seine nützlichsten und bemerkenswertesten Leistungen vollbrachte er wahrscheinlich als Bauherr.
Seine erste besondere Tat als Statthalter von Galiläa war die Säuberung seines Gebietes von Räuberbanden. Gewisse Juden beneideten ihn, und zusammen mit den Müttern der ermordeten Räuber stachelten sie Hyrkanos II. (den damaligen Hohen Priester) an, Herodes vor den Sanhedrin zu laden, weil er diesem vorgegriffen hatte, indem er die Räuber hinrichten ließ, ohne sie erst vor Gericht zu stellen. Herodes kam auch; allerdings erschien er kühn und respektlos mit einer Leibwache, obschon er als Proselyt diesem Gericht unterstand. Durch sein beleidigendes Benehmen erregte er den Zorn der Richter. Wie Josephus berichtet, ergriff Sameas (Simeon), einer der Richter, mutig das Wort und sagte voraus, dass Herodes, wenn er straffrei ausgehen werde, später alle, die jetzt über ihm zu Gericht säßen, umbringen würde. Hyrkanos war jedoch ein unentschlossener, zaghafter Mann. Er ließ sich von Herodes und durch einen Brief des Sextus Cäsar (ein Verwandter des Julius Cäsar und derzeit Statthalter von Syrien) einschüchtern, der ihm drohte für den Fall, dass er sich nicht füge und Herodes nicht freispreche, und so gab er nach (Jüdische Altertümer, 14. Buch, Kap. 9, Abs. 4).
König von Judäa. Herodes wurde der Nachfolger seines Vaters, und etwa im Jahr 39 v. u. Z. ernannte ihn der römische Senat zum König von Judäa; de facto konnte er allerdings erst 3 Jahre später die Herrschaft antreten, als er Jerusalem einnahm und Antigonos, den Sohn des Aristobulos, absetzte. Nach diesem Sieg unternahm Herodes Schritte, um seine Stellung zu behaupten. Er überredete den römischen Feldherrn Marcus Antonius, Antigonos zu töten, und ließ die führenden Parteigänger des Antigonos – im ganzen 45 Mann – hinrichten. Von den führenden Pharisäern verschonte er nur Sameas und Pollio, denn einige Jahre später ließ er auch Johannes Hyrkanos II. hinrichten. Dadurch, dass er alle, die über ihm zu Gericht gesessen hatten, umbringen ließ, gingen die Worte des Sameas in Erfüllung.
Durchtrieben, wie er stets war, hielt es der Politiker Herodes für das Beste, ein Gefolgsmann Roms zu sein. Dabei musste er allerdings sehr diplomatisch vorgehen und oft ins andere Lager überwechseln, um mit dem launischen Glück der römischen Herrscher Schritt zu halten. Als enger Freund des Sextus unterstützte er anfänglich Julius Cäsar, dann schloss er sich dem Mörder Cäsars, Cassius, an. Es gelang Herodes – teilweise durch beträchtliche Bestechungsgelder –, die Gunst des Marcus Antonius zu gewinnen, der der Feind des Cassius war und als Cäsars Rächer auftrat. Später wurde Antonius von Oktavian (Augustus Cäsar) in der Schlacht von Aktium besiegt. Auf geschickte Weise brachte Herodes Augustus dazu, ihm zu vergeben, dass er Antonius unterstützt hatte; danach konnte er sich sogar die Freundschaft des Augustus sichern. Da er Rom unterstützte und mit Geldgeschenken an die Cäsaren nicht sparte sowie wegen seiner Glattzüngigkeit saß Herodes immer am längeren Hebel, wenn in Rom von den Juden oder von anderen – manchmal sogar von seinen eigenen Familienangehörigen – Beschwerden oder Anklagen gegen ihn vorgebracht wurden.
Herodes war zunächst nur Statthalter von Galiläa gewesen. Cassius hatte ihn dann zum Statthalter von Coelesyrien eingesetzt, und später hatte ihn der römische Senat auf Empfehlung des Antonius zum König von Judäa erhoben. Kaiser Augustus fügte jetzt noch Samaria, Gadara, Gasa und Joppe hinzu, ferner die Gebiete Trachonitis, Batanäa, Auranitis sowie Peräa, eine Gegend ö. des Jordan, die ungefähr Gilead entspricht. Auch Idumäa unterstand seiner Herrschaft.
Der Tempel und andere Bauwerke. Das bemerkenswerteste Bauprojekt von Herodes war – vor allem biblisch gesehen – der Wiederaufbau des Tempels des Serubbabel in Jerusalem. Die Bauarbeiten verschlangen riesige Summen. Das Ergebnis beschreibt Josephus als überaus prachtvoll (Jüdische Altertümer, 15. Buch, Kap. 11, Abs. 3). Da die Juden Herodes hassten und ihm misstrauten, erlaubten sie ihm nicht, den bestehenden Tempel abzureißen, ehe er die Baumaterialien zusammengetragen und auf dem Gelände bereitgestellt hatte. Das Tempelheiligtum wurde laut Josephus in 18 Monaten wieder aufgebaut (Jüdische Altertümer, 15. Buch, Kap. 11, Abs. 6). Andere Hauptgebäude wurden in 8 Jahren errichtet. Doch 30 u. Z. erwähnten die Juden, der Tempel sei in 46 Jahren gebaut worden. Diese Worte fielen im Lauf eines Gesprächs mit Jesus Christus kurz vor dem ersten Passah nach seiner Taufe (Joh 2:13-20). Josephus schreibt (Jüdische Altertümer, 15. Buch, Kap. 11, Abs. 1), dass Herodes im 18. Jahr seiner Regierung mit diesem Werk begann. Wenn man die Jahre so zählt, wie die Juden die Regierungsjahre ihrer Könige betrachtet haben, könnte das 18/17 v. u. Z. bedeuten. Tatsächlich hörten die Arbeiten am Tempel, wie zum Beispiel der Anbau von Nebengebäuden, erst 6 Jahre vor seiner Zerstörung (im Jahr 70 u. Z.) auf.
Herodes ließ auch Theater, Amphitheater, Pferde- und Wagenrennbahnen, Zitadellen, Festungen, Paläste, Tempel zu Ehren Cäsars, Aquädukte, Denkmäler und sogar Städte erbauen und Gärten anlegen. Die Städte benannte er nach sich selbst, seinen Angehörigen oder nach den römischen Kaisern. Er erbaute in Cäsarea einen künstlichen Hafen, der an Größe dem in Tyrus gleichkam. Wie Josephus berichtet, ließ man bis zu einer Tiefe von 20 Faden (36 m) gewaltige Felsblöcke ins Meer hinab, um einen Damm von ca. 60 m Breite zu errichten (Jewish Antiquities, 15. Buch, Kap. 9, Abs. 6). Herodes baute die Festungen Antonia und Masada aus, letztere stattete er besonders prunkvoll aus. Er errichtete Bauten in weit entfernten Städten wie Antiochia in Syrien und Rhodos (auf der gleichnamigen Insel).
Herodes veranstaltete prunkvolle Spiele und verteilte großzügig Geschenke, besonders an römische Würdenträger. Worüber sich die Juden am meisten beschwerten, war die Erbauung von Amphitheatern wie das in Cäsarea, wo griechische und römische Spiele abgehalten wurden, die Wagenrennen, Gladiatorenkämpfe, Kämpfe von Menschen gegen wilde Tiere und andere heidnische Festlichkeiten einschlossen. Er war so daran interessiert, dass die Olympischen Spiele weiter durchgeführt wurden, dass er auf einer Reise nach Rom, während er sich in Griechenland aufhielt, selbst bei den Spielen mitkämpfte. Darauf spendete er eine große Summe Geld, um ihren Fortbestand – und beiläufig auch den seines Namens – zu sichern. Da er dem Namen nach Jude war, nannte er die Juden „meine Landsleute“ und die, die aus Babylon zurückgekehrt waren, um den Tempel Serubbabels zu bauen, „meine Väter“. Doch sein Lebenswandel widersprach seiner Behauptung, ein Diener Jehovas zu sein.
Familienzwist. Praktisch die ganze Familie der Herodäer war ehrgeizig, misstrauisch, zutiefst unmoralisch und streitsüchtig. Die eigene Familie bereitete Herodes die meisten Schwierigkeiten und das größte Leid. Ständig schürten seine Mutter Kypros und seine Schwester Salome Zwietracht. Herodes hatte Mariamne (I.), die Enkelin des Hyrkanos II. und Tochter Alexanders, des Sohnes des Aristobulos, geheiratet. Sie war eine auffallend schöne Frau, und Herodes liebte sie sehr, aber zwischen ihr und seiner Mutter sowie seiner Schwester kam Hass auf. Herodes war immer neidisch, und der Verdacht wollte ihm nicht aus dem Sinn, dass sich Mitglieder seiner eigenen Familie, in erster Linie seine Söhne, gegen ihn verschworen hatten; in einigen Fällen waren seine Verdächtigungen auch nicht unberechtigt. Seine Machtgier und sein ständiges Misstrauen trieben ihn dazu, seine Frau Mariamne, drei seiner Söhne, den Bruder seiner Frau und ihren Großvater (Hyrkanos) sowie viele andere ermorden zu lassen, darunter etliche seiner ehemals besten Freunde. Jeden, von dem er auch nur vermutete, er könne etwas wissen, was seinen Verdacht bestätigen würde, ließ er foltern, um ein Geständnis zu erpressen.
Sein Verhältnis zu den Juden. Herodes bemühte sich, die Juden zu beruhigen, indem er den Tempel umbaute und ihnen in Zeiten der Hungersnot das Notwendige gab. Gelegentlich erleichterte er einigen seiner Untertanen die Steuerlast. Es gelang ihm, Augustus dazu zu bringen, den Juden in verschiedenen Teilen der Welt Sonderrechte zu gewähren. Doch seine Tyrannei und seine Grausamkeit überwog alles, und während des größten Teils seiner Herrschaft hatte er Schwierigkeiten mit den Juden.
Krankheit und Tod. Herodes wurde schließlich – wahrscheinlich infolge seines ausschweifenden Lebens – von einer widerlichen fiebrigen Krankheit befallen. Josephus schreibt: „Auf der ganzen Körperoberfläche empfand er unerträgliches Jucken und in den Eingeweiden beständige Schmerzen. An den Füßen bildeten sich Anschwellungen wie bei Wassersüchtigen, im Unterleib eine Entzündung und an den Schamteilen ein fauliges Geschwür, welches Würmer erzeugte. Außerdem quälten ihn Atembeschwerden, die ihm das Liegen unmöglich machten, und Krämpfe in allen Gliedern“ (Geschichte des Jüdischen Krieges, 1. Buch, Kap. 33, Abs. 5).
Schon todkrank, ordnete er noch die Hinrichtung seines hinterhältigen Sohnes Antipater an. Da der König wusste, dass die Juden über die Nachricht von seinem, Herodes’, Tod jubeln würden, gebot er ferner, dass sich die Angesehensten des jüdischen Volkes in der Rennbahn in Jericho versammelten, worauf er sie dort einschließen ließ. Seinen Angehörigen gebot er dann, die Nachricht von seinem Tod erst bekannt zu geben, wenn man diese angesehenen Juden getötet hätte. Dann, so sagte er, würde bestimmt jede Familie in Judäa bei seinem Begräbnis weinen. Diese Anordnung wurde aber niemals ausgeführt. Seine Schwester Salome und ihr Mann Alexas befreiten die Männer und schickten sie nach Hause.
Herodes starb im Alter von ungefähr 70 Jahren. In seinem Testament hatte er seinen Sohn Antipas zu seinem Nachfolger ernannt. Doch kurz vor seinem Tod änderte er sein Testament oder ließ ein neues aufsetzen, in dem er Archelaus zum Thronfolger bestimmte. Archelaus wurde von dem Volk und dem Heer als König anerkannt (gemäß der Bibel hörte Joseph, Jesu Adoptivvater, dass „Archelaus anstelle seines Vaters Herodes als König von Judäa regierte“; Mat 2:22). Antipas jedoch focht diese Entscheidung an. Nachdem die Sache in Rom verhandelt worden war, entschied sich Augustus Cäsar für Archelaus. Allerdings ernannte er Archelaus zum Ethnarchen und teilte das Gebiet, über das Herodes geherrscht hatte: Die eine Hälfte bekam Archelaus; Antipas und Philippus, die zwei anderen Söhne des Herodes, erhielten je einen Teil der anderen Hälfte.
Der Kindermord. Die Bibel berichtet, dass Herodes in Bethlehem und dessen Umgebung alle Jungen im Alter von 2 Jahren und darunter umbringen ließ. Diese Darstellung stimmt mit anderen geschichtlichen Berichten überein, die von dem bösartigen Wesen des Herodes zeugen. Der Kindermord trug sich nicht lange vor seinem Tod zu, denn Jesus entkam dem Gemetzel, indem ihn seine Eltern nach Ägypten brachten, aber nach dem Tod des Herodes kehrten sie wieder zurück und wohnten in Galiläa. Diese beiden Ereignisse ließ Jehova durch seine Propheten Jeremia und Hosea vorhersagen (Mat 2:1-23; Jer 31:15; Hos 11:1).
Datum seines Todes. In Verbindung mit dem Zeitpunkt seines Todes ergibt sich ein Problem. Nach einigen Chronologen starb er im Jahr 5 oder 4 v. u. Z. Sie stützen ihre Chronologie zu einem großen Teil auf den Geschichtsschreiber Josephus. Josephus berechnete den Zeitpunkt, zu dem Herodes von Rom zum König ernannt wurde, nach Konsulatsjahren, das heißt, er ordnete das Ereignis in die Amtszeit bestimmter römischer Konsuln ein. Demnach fiele Herodes’ Ernennung zum König in das Jahr 40 v. u. Z., doch nach Appianos, einem anderen Historiker, fiele das Ereignis in das Jahr 39 v. u. Z. Nach der gleichen Methode wäre laut Josephus die Eroberung Jerusalems durch Herodes auf 37 v. u. Z. anzusetzen, andererseits schreibt er aber auch, dass sich dies 27 Jahre nach der Eroberung der Stadt durch Pompejus (die im Jahr 63 v. u. Z. gelang) ereignet habe (Jüdische Altertümer, 14. Buch, Kap. 16, Abs. 4). Hiernach wäre 36 v. u. Z. das Datum der Einnahme der Stadt Jerusalem durch Herodes. Herodes starb nun gemäß den Angaben des Josephus 37 Jahre nach seiner Ernennung zum König durch die Römer und 34 Jahre nach der Einnahme Jerusalems (Jüdische Altertümer, 17. Buch, Kap. 8, Abs. 1). Das Datum seines Todes ist also auf 2 oder vielleicht auch auf 1 v. u. Z. anzusetzen.
Wahrscheinlich rechnete der jüdische Geschichtsschreiber Josephus die Regierungszeit der Könige von Judäa jeweils vom Jahr der Thronbesteigung an, wie man es im Fall der Könige aus der Linie Davids getan hatte. Wenn Herodes im Jahr 40 v. u. Z. von Rom zum König ernannt wurde, hätte sein erstes Regierungsjahr von Nisan 39 bis Nisan 38 v. u. Z. gedauert; hätte sein erstes Regierungsjahr von dem Zeitpunkt an gezählt, als er Jerusalem eroberte, nämlich von 37 (oder 36) v. u. Z. an, dann hätte es dementsprechend Nisan 36 (oder 35) v. u. Z. begonnen. Wenn also – wie Josephus schreibt – Herodes 37 Jahre nach seiner Ernennung durch Rom und 34 Jahre nach seiner Eroberung Jerusalems starb und wenn diese Jahre in jedem Fall gemäß dem Regierungsjahr gerechnet werden, dann fiele sein Tod in das Jahr 1 v. u. Z. W. E. Filmer erhärtet das, indem er schreibt, das Zeugnis der jüdischen Überlieferung deute darauf hin, dass Herodes am 2. Schebat (der Monat Schebat entspricht in unserem Kalender dem Januar/Februar) starb (The Journal of Theological Studies, herausgegeben von H. Chadwick und H. Sparks, Oxford 1966, Bd. XVII, S. 284).
Gemäß Josephus starb Herodes nicht lange nach einer Mondfinsternis und vor einem Passah (Jüdische Altertümer, 17. Buch, Kap. 6, Abs. 4; Kap. 9, Abs. 3). Da am 11. März 4 v. u. Z. (nach dem julianischen Kalender 13. März) eine Mondfinsternis stattfand, haben einige gefolgert, Josephus habe diese Finsternis gemeint.
Andererseits ereignete sich im Jahr 1 v. u. Z., etwa drei Monate vor dem Passah, eine totale Mondfinsternis, wohingegen die Finsternis im Jahr 4 v. u. Z. nur eine partielle war. Die totale Finsternis im Jahr 1 v. u. Z. trat am 8. Januar (gemäß dem julianischen Kalender am 10. Januar) auf, 18 Tage vor dem 2. Schebat, dem überlieferten Todestag des Herodes. Eine weitere (partielle) Finsternis ereignete sich am 27. Dezember 1 v. u. Z. (gemäß dem julianischen Kalender 29. Dezember). (Siehe CHRONOLOGIE [Mondfinsternisse].)
Noch eine andere Rechenmethode geht von dem Alter des Herodes zur Zeit seines Todes aus. Laut Josephus wurde er etwa 70 Jahre alt. Im Alter von 15 Jahren habe er seine Ernennung zum Statthalter von Galiläa erhalten (die man gewöhnlich in das Jahr 47 v. u. Z. datiert), doch Gelehrte halten dies für einen Irrtum, 25 Jahre seien offensichtlich gemeint (Jüdische Altertümer, 17. Buch, Kap. 6, Abs. 1; 14. Buch, Kap. 9, Abs. 2). Demgemäß starb Herodes im Jahr 2 oder 1 v. u. Z. Wir müssen allerdings im Sinn behalten, dass Josephus beim Datieren von Ereignissen widersprüchliche Angaben macht und deshalb nicht die zuverlässigste Quelle ist. Den zuverlässigsten Aufschluss finden wir in der Bibel.
Nachweislich starb Herodes im Jahr 1 v. u. Z. Nach dem Bericht des Bibelschreibers und Historikers Lukas fing Johannes im 15. Jahr des Tiberius Cäsar an zu taufen (Luk 3:1-3). Augustus starb am 17. August 14 u. Z. Am 15. September wurde Tiberius vom römischen Senat zum Kaiser ernannt. Die Römer verwendeten kein System mit Antrittsjahren; folglich dauerte das 15. Jahr von der zweiten Hälfte des Jahres 28 u. Z. bis zur zweiten Hälfte des Jahres 29 u. Z. Johannes war 6 Monate älter als Jesus und begann seinen Dienst (offensichtlich im Frühling des Jahres) vor ihm als sein Vorläufer oder Wegbereiter (Luk 1:35, 36). Jesus, der – wie aus der Bibel hervorgeht – im Herbst geboren wurde, war etwa 30 Jahre alt, als er zu Johannes kam, um sich taufen zu lassen (Luk 3:21-23). Demnach wurde er höchstwahrscheinlich im Herbst, etwa im Oktober 29 u. Z., getauft. Wenn man 30 Jahre zurückrechnet, kommt man auf den Herbst des Jahres 2 v. u. Z. als den Zeitpunkt der Geburt des Sohnes Gottes. (Vergleiche Lukas 3:1, 23 mit Daniels Prophezeiung von den „siebzig Wochen“ in Daniel 9:24-27. Siehe SIEBZIG WOCHEN.)
Die Astrologen, die Jesus besuchten. Als Jesus „in den Tagen des Königs Herodes“ in Bethlehem geboren worden war, kamen gemäß dem Bericht des Apostels Matthäus Astrologen aus östlichen Gegenden nach Jerusalem und sagten, sie hätten seinen Stern gesehen, als sie im Osten gewesen seien. Sogleich das Schlimmste befürchtend, zog der misstrauische Herodes die Oberpriester und Schriftgelehrten zurate und erfuhr, dass der Christus in Bethlehem geboren werden sollte. Dann rief er die Astrologen zu sich und erkundigte sich bei ihnen genau, wann der Stern erschienen sei (Mat 2:1-7).
Man beachte, dass sich dies irgendwann nach Jesu Geburt zutrug, denn Jesus lag jetzt nicht mehr in der Krippe, sondern befand sich mit seinen Eltern in einem Haus (Mat 2:11; vgl. Luk 2:4-7). Als es die Astrologen unterließen, mit der Nachricht über den Verbleib des kleinen Kindes zu Herodes zurückzukehren, befahl der König, in Bethlehem und in dessen ganzem Gebiet alle Kinder im Alter von 2 Jahren und darunter umzubringen. Jesus war inzwischen von seinen Eltern aufgrund einer göttlichen Warnung nach Ägypten gebracht worden (Mat 2:12-18). Herodes kann kaum vor 1 v. u. Z. gestorben sein, sonst wäre Jesus (der um den 1. Oktober 2 v. u. Z. geboren wurde) weniger als 3 Monate alt gewesen.
Andererseits braucht Jesus nicht unbedingt 2 Jahre alt gewesen zu sein, als die Kinder getötet wurden; er könnte sogar jünger als ein Jahr gewesen sein, denn Herodes rechnete von dem Zeitpunkt an, als der Stern den Astrologen erschienen war, während sie im Osten waren (Mat 2:1, 2, 7-9). Hierbei könnte es sich gut um eine Zeitspanne von einigen Monaten gehandelt haben, denn wenn die Astrologen – was wahrscheinlich ist – aus Babylon oder Mesopotamien kamen, wo man sich schon seit Jahrhunderten mit Astrologie beschäftigte, war es eine sehr lange Reise. Die Israeliten brauchten wenigstens 4 Monate für die Reise, als sie im Jahr 537 v. u. Z. Babylon verließen und in ihre Heimat zurückzogen. Offenbar dachte Herodes, wenn er alle Babys im Alter bis zu 2 Jahren töten lasse, müsse mit Sicherheit auch der als „König der Juden“ Geborene darunter sein (Mat 2:2). Dass Herodes nicht lange nach diesen Geschehnissen starb, geht aus dem Umstand hervor, dass Jesus allem Anschein nach nicht lange in Ägypten blieb (Mat 2:19-21).
Somit scheinen die biblische Chronologie, astronomische Daten und die verfügbaren Geschichtsberichte auf 1 v. u. Z. oder möglicherweise sogar auf Anfang 1 u. Z. als Todesjahr des Herodes hinzudeuten.
2. Herodes Antipas, der Sohn Herodes’ des Großen und Malthakes, einer Samariterin. Zusammen mit seinem Bruder Archelaus wurde er in Rom erzogen. Herodes hatte Antipas testamentarisch zu seinem Nachfolger bestimmt, änderte zuletzt jedoch sein Testament und setzte dafür Archelaus ein. Antipas focht vor Augustus Cäsar das Testament an. Dieser bestätigte die Ansprüche des Archelaus, teilte aber das Königreich: Antipas erhielt die Tetrarchie Galiläa und Peräa. Der Begriff „Tetrarch“, der „Herrscher über ein Viertel“ einer Provinz bedeutet, bezog sich auf einen unbedeutenderen Bezirksherrscher oder Landesfürsten („Vierfürst“, Lu). Im Volksmund mag er jedoch wie Archelaus als König bezeichnet worden sein (Mat 14:9; Mar 6:14, 22, 25-27).
Antipas heiratete die Tochter des Araberkönigs Aretas, dessen Hauptstadt Petra war. Als er indes auf einer seiner Reisen nach Rom seinen Halbbruder Herodes Philippus, den Sohn Herodes’ des Großen und Mariamnes II. (nicht den Tetrarchen Philippus), besuchte, verliebte er sich leidenschaftlich in Herodias, die Frau des Philippus, die hochfliegende Pläne verfolgte. Er nahm Herodias mit nach Galiläa und heiratete sie. Von der Tochter des Aretas ließ er sich scheiden und schickte sie in ihre Heimat zurück. Diese unerhörte Beleidigung löste einen Krieg aus. Aretas fiel in das Herrschaftsgebiet des Antipas ein und fügte dem Tetrarchen derart schwere Verluste zu, dass er an den Rand des Untergangs geriet. Antipas wandte sich an den römischen Kaiser. Erst als dieser befahl, Aretas gefangen zu nehmen oder zu töten, war Antipas gerettet.
Antipas erfreute sich der besonderen Gunst des Tiberius Cäsar, der Augustus auf den Thron gefolgt war. Wie sein Vater frönte er der Baulust, jedoch in weit geringerem Ausmaß. Am See von Genezareth (Meer von Galiläa oder Tiberias) baute er eine Stadt und nannte sie nach dem Kaiser Tiberias (Joh 6:1, 23). Eine weitere Stadt nannte er nach Julia (mehr unter dem Namen Livia bekannt), der Frau des Augustus, Julias. Außerdem errichtete er Befestigungen, Paläste und Theater.
Lässt Johannes den Täufer töten. Das ehebrecherische Verhältnis mit Herodias trug Herodes Antipas den Tadel Johannes’ des Täufers ein. Johannes konnte Antipas mit Fug und Recht diesen Verweis erteilen, denn Antipas war nominell ein Jude und unterstand daher dem Gesetz. Antipas ließ Johannes ins Gefängnis werfen und hätte ihn gern getötet, aber er fürchtete das Volk, das Johannes für einen Propheten hielt. Als Antipas seinen Geburtstag feierte, gefiel ihm die Darbietung der Tochter der Herodias so sehr, dass er schwor, ihr zu geben, was immer sie sich wünsche. Herodias wies ihre Tochter an, um den Kopf von Johannes zu bitten. Obgleich es Herodes unangenehm war, gab er feige nach, weil er nicht vor der Festgesellschaft das Gesicht verlieren wollte und auch um seines Eides willen. (Unter dem Gesetz war er allerdings nicht an einen Eid gebunden, der von ihm verlangt hätte, eine ungesetzliche Handlung wie Mord zu begehen) (Mat 14:3-12; Mar 6:17-29).
Als Antipas später der Bericht über das Wirken Jesu zu Ohren kam – dass er predigte, heilte und Dämonen austrieb –, erschrak er. Er befürchtete nämlich, Jesus wäre in Wirklichkeit der von den Toten auferstandene Johannes. Von da an brannte er darauf, Jesus zu sehen, allem Anschein nach aber nicht, um ihn predigen zu hören, sondern weil er sich seiner Sache nicht sicher war (Mat 14:1, 2; Mar 6:14-16; Luk 9:7-9).
Wahrscheinlich als Jesus auf dem Weg nach Jerusalem durch Peräa zog, sagten die Pharisäer zu ihm: „Geh weg, und zieh fort von hier, denn Herodes will dich töten.“ Vielleicht hat Herodes dieses Gerücht selbst in Umlauf gesetzt, in der Hoffnung, Jesus werde angsterfüllt aus seinem Gebiet fliehen, denn er mag davor zurückgeschreckt sein, seine Hand nochmals gegen einen Propheten Gottes zu erheben, um ihn zu töten. Offensichtlich auf Herodes’ Verschlagenheit anspielend, nannte Jesus ihn in seiner Erwiderung einen „Fuchs“ (Luk 13:31-33).
Der „Sauerteig des Herodes“. Während der Regierung des Herodes Antipas sagte Jesus warnend zu seinen Nachfolgern: „Haltet eure Augen offen, nehmt euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes in Acht“ (Mar 8:15). Beide Sekten, die Pharisäer und die Herodianer oder Parteianhänger des Herodes, bekämpften Jesus Christus und seine Lehren, und obgleich sie einander feindlich gesinnt waren, sahen beide in Christus einen gemeinsamen Feind und waren in ihrer Feindschaft ihm gegenüber geeint. Die Herodianer waren eher politisch als religiös; angeblich behaupteten sie, das Gesetz zu halten, waren aber der Meinung, das Gesetz erlaube den Juden, einen Ausländer zum Fürsten zu haben (denn die Herodäer waren keine echten Juden, sondern Idumäer). Die Herodianer waren sehr nationalistisch und unterstützten weder die Idee einer theokratischen Herrschaft unter jüdischen Königen noch die römische Herrschaft, sondern sie wollten das nationale Königreich unter einem Sohn des Herodes wiederherstellen.
Ein Beispiel für ihren nationalistischen „Sauerteig“ war ihre verfängliche Frage, die sie im Verein mit den Pharisäern an Jesus richteten, um ihm eine Falle zu stellen: „Ist es erlaubt, Cäsar Kopfsteuer zu zahlen, oder nicht? Sollen wir zahlen, oder sollen wir nicht zahlen?“ (Mar 12:13-15). Jesus nannte sie „Heuchler“ und bewies, dass er seine Augen für ihren „Sauerteig“ offenhielt, denn seine Antwort entwaffnete sie; er durchkreuzte ihre Absicht, ihn entweder des Aufruhrs anzuklagen oder das Volk gegen ihn aufzubringen (Mat 22:15-22).
Treibt Spott mit Jesus. Am letzten Tag seines Erdenlebens wurde Jesus vor Pontius Pilatus gebracht. Als Pilatus erfuhr, dass Jesus ein Galiläer war, schickte er ihn zu Herodes Antipas, dem Bezirksherrscher (Tetrarchen) von Galiläa (der sich gerade in Jerusalem aufhielt), denn mit den Galiläern hatte Pilatus schon Schwierigkeiten gehabt (Luk 13:1; 23:1-7). Als Herodes Jesus sah, freute er sich, aber nicht, weil er um Jesu Wohl besorgt gewesen wäre oder weil er ernstlich hätte herausfinden wollen, ob die Anklagen, die die Priester und die Schriftgelehrten gegen ihn vorgebracht hatten, auf Wahrheit beruhten. Vielmehr wünschte er, von Jesus irgendein Zeichen zu sehen. Jesus weigerte sich, ein Wunder zu wirken, und schwieg auch, als Herodes ihn „mit sehr vielen Worten“ befragte. Jesus wusste, dass sein erzwungenes Erscheinen vor Herodes eine reine Farce war. Der enttäuschte Herodes behandelte Jesus nun verächtlich und trieb Spott mit ihm, indem er ihn mit einem hell glänzenden Kleid bekleidete und ihn zu Pilatus zurücksandte, der – soweit es Rom betraf – die höhere Instanz war. Pilatus und Herodes waren früher Feinde gewesen, was offenbar auf gewisse Beschuldigungen zurückzuführen war, die Herodes gegen Pilatus erhoben hatte. Wie Pilatus nunmehr vorgegangen war, gefiel hingegen Herodes, und sie wurden Freunde (Luk 23:8-12).
Nach der Freilassung des Petrus und des Johannes aus der Haft, kurz nach Pfingsten 33 u. Z., sagten die Jünger in einem Gebet zu Gott: „In dieser Stadt [waren] Herodes [Antipas] und auch Pontius Pilatus mit Menschen der Nationen und mit Völkern Israels gegen deinen heiligen Knecht Jesus versammelt ... Und nun, Jehova, beachte ihre Drohungen, und gewähre deinen Sklaven, dass sie dein Wort fortgesetzt mit allem Freimut reden“ (Apg 4:23, 27-29).
In Apostelgeschichte 13:1 heißt es von Manaen, einem Christen, er sei mit Herodes, dem Bezirksherrscher, erzogen worden. Da Antipas bei einem gewissen Privatmann in Rom erzogen wurde, mag die Angabe in der Bibel besagen, dass Manaen seine Bildung in Rom erhalten hatte.
Nach Gallien verbannt. Als Agrippa I. von Gajus Cäsar (Caligula) zum König der Tetrarchie des Philippus eingesetzt wurde, machte Herodias, Antipas’ Frau, ihrem Mann bittere Vorwürfe. Einzig und allein seine Tatenlosigkeit sei schuld daran, dass ihm die Königswürde versagt geblieben sei. Sie suchte ihn zu bewegen, nach Rom zu gehen und vom Cäsar einen Königstitel zu erbitten; er, Antipas, sei immerhin schon Tetrarch, wohingegen Agrippa vorher überhaupt kein Amt bekleidet habe. Sie ließ ihm so lange keine Ruhe, bis er ihrem Drängen nachgab. Doch Antipas’ ehrgeizige Bitte rief Caligulas Zorn hervor. Der Kaiser schenkte stattdessen den Beschuldigungen, die von Agrippa erhoben wurden, Glauben und verbannte Antipas nach Gallien (in die heutige französische Stadt Lyon); er starb schließlich in Spanien. Herodias hätte der Bestrafung entgehen können, weil sie Agrippas Schwester war, doch vermutlich ließ es ihr Stolz nicht zu, ihren Mann zu verlassen. Die Tetrarchie des Antipas, sein Geld sowie das Besitztum der Herodias wurden Agrippa I. gegeben. Herodias war demnach für die beiden großen Unglücke im Leben des Antipas verantwortlich: für die ihm von König Aretas beigebrachte Niederlage und für seine Verbannung.
3. Herodes Agrippa I. Enkel Herodes’ des Großen. Er war der Sohn des Aristobulos, der wiederum der Sohn Herodes’ des Großen von Mariamne I., der Enkelin des Hohen Priesters Hyrkanos II., war. Aristobulos hatte Herodes der Große hinrichten lassen. Agrippa war der letzte der Herodäer, der – wie einst sein Großvater – König von ganz Palästina wurde.
Seine Jugend. Seine Stellung als „König Herodes“ erlangte Agrippa durch einige Schachzüge und mithilfe seiner Freunde in Rom (Apg 12:1). Dank seiner gemeinsamen Erziehung in Rom mit Kaiser Tiberius’ Sohn Drusus und seinem Neffen Claudius wurde er eine vertraute Erscheinung in dortigen einflussreichen Kreisen. Er führte ein ausschweifendes und verschwenderisches Leben. Hoch verschuldet – er schuldete sogar dem römischen Fiskus Geld – verließ er Rom und floh nach Idumäa. Schließlich konnte er sich dank der Hilfe seiner Schwester Herodias und seiner Frau Kypros (die Tochter eines Neffen Herodes’ des Großen; die Frau des Neffen war Herodes’ Tochter) in Tiberias niederlassen. Nach einiger Zeit entzweite er sich mit Antipas, was ihn veranlasste wegzugehen. Zu guter Letzt landete er wieder in Rom, wo ihn Tiberius Cäsar in Gnaden aufnahm.
Durch eine unüberlegte Äußerung fiel Agrippa jedoch bei Kaiser Tiberius in Ungnade. Unvorsichtigerweise sprach er gegenüber Gajus (Caligula), mit dem ihn eine Freundschaft verband, den Wunsch aus, er, Gajus, möge recht bald Kaiser werden. Zufällig hörte dies Agrippas Diener, und so kam jene Bemerkung Tiberius zu Ohren. Der Kaiser ließ Agrippa ins Gefängnis werfen. Mehrere Monate hing sein Leben an einem seidenen Faden, doch einige Monate später starb Tiberius, und Caligula wurde Kaiser. Er ließ Agrippa frei und beförderte ihn sogar noch: Er wurde der König der Gebiete, über die sein verstorbener Onkel Philippus geherrscht hatte.
Begünstigt durch die römischen Kaiser. Herodias, die auf die Stellung ihres Bruders als König neidisch war, überredete ihren Gatten, Herodes Antipas, der nur ein Tetrarch war, sich bei dem neuen Kaiser in Rom um die Königswürde zu bewerben. Agrippa jedoch überlistete Antipas in dieser Sache. Er brachte vor Gajus (Caligula) die Anschuldigung vor, dass sich Antipas zuvor mit Sejanus und den Parthern gegen Tiberius verschworen habe, eine Anschuldigung, die Antipas nicht zurückweisen konnte. Antipas wurde verbannt. Seine Gebiete, Galiläa und Peräa, wurden mit dem Königreich Agrippas vereinigt. An einer Stelle schreibt Josephus, dass Caligula diese Gebiete Agrippa gegeben habe, und an zwei anderen, dass Claudius das getan habe. Vermutlich wurden sie ihm von Caligula versprochen, und Claudius bestätigte das dann.
Als Caligula ermordet wurde – nach Gelehrten im Jahr 41 u. Z. –, befand sich Agrippa in Rom. Er konnte sich als Vermittler oder Unterhändler zwischen dem Senat und seinem Freund, dem neuen Kaiser Claudius, betätigen. Aus Dankbarkeit belohnte ihn Claudius mit dem Gebiet Judäa und Samaria sowie mit dem Königreich des Lysanias. Agrippa war damit der Herrscher über ein Reich geworden, das ungefähr dem seines Großvaters Herodes des Großen entsprach. Zu dieser Zeit erbat Agrippa von Claudius für seinen Bruder Herodes das Königreich Chalkis; die Bitte wurde erfüllt. (Diesen Herodes kennt die Geschichte nur als den König von Chalkis, einem schmalen Landstrich am w. Abhang des Antilibanons.)
Schmeichelt sich bei den Juden ein; verfolgt Christen. Agrippa schmeichelte sich bei den Juden ein, indem er sich für einen eifrigen Anhänger der jüdischen Religion ausgab. Caligula, der behauptete, ein Gott zu sein, hatte beschlossen, im Tempel in Jerusalem eine Statue von sich aufzustellen. Geschickt brachte Agrippa ihn von seinem Vorhaben ab. Später baute Agrippa eine Mauer um die n. Vorstadt Jerusalems. Claudius sah darin eine mögliche Befestigung der Stadt gegen einen Angriff, den die Römer in Zukunft unternehmen könnten. Daher befahl Claudius dem Agrippa, den Bau einzustellen. Die Tatsache, dass Agrippa Gladiatorenkämpfe und andere heidnische Vorführungen im Theater unterstützte und veranstaltete, strafte seine Behauptung, ein Anbeter Gottes zu sein, Lügen.
Die Juden akzeptierten Agrippa, weil er von seiner Großmutter Mariamne her hasmonäischer Abstammung war. Während er die Sache der Juden verfocht, die unter dem römischen Joch seufzten, gelangte er auf einem anderen Gebiet zu einer traurigen Berühmtheit: Er verfolgte die Christen, die von den Juden gewöhnlich gehasst wurden. Er „brachte Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert um“ (Apg 12:1, 2). Als er sah, dass dies den Juden gefiel, ließ er Petrus festnehmen und ins Gefängnis werfen. Durch das Eingreifen eines Engels kam Petrus wieder frei; infolgedessen gerieten Agrippas Soldaten in helle Aufregung, und die Männer, die Petrus bewacht hatten, wurden bestraft (Apg 12:3-19).
Von Gottes Engel hingerichtet. Agrippas Herrschaft fand ein jähes Ende. Auf einem Fest zu Ehren Cäsars, das in Cäsarea stattfand, kleidete er sich in ein königliches Prachtgewand und begann, vor Leuten aus Tyrus und Sidon, die ihn um Frieden gebeten hatten, eine öffentliche Ansprache zu halten. Als sie ihn reden hörten, schrien sie: „Eines Gottes Stimme und nicht eines Menschen!“ Die Bibel berichtet, wie er daraufhin unverzüglich als verurteilter Heuchler hingerichtet wurde: „Da schlug ihn der Engel Jehovas augenblicklich, weil er nicht Gott die Ehre gab; und er wurde von Würmern zerfressen und verschied“ (Apg 12:20-23).
Gemäß Wissenschaftlern, die sich mit Chronologie beschäftigen, starb König Herodes Agrippa I. 44 u. Z. im Alter von 54 Jahren, nachdem er 3 Jahre über ganz Judäa geherrscht hatte. Er hinterließ einen Sohn, Herodes Agrippa II., und die Töchter Bernice (Apg 25:13), Drusilla, die Frau des Statthalters Felix, und Mariamne III. (Apg 24:24).
4. Herodes Agrippa II. Urenkel Herodes’ des Großen. Er war der Sohn von Herodes Agrippa I. und seiner Frau Kypros. Mit ihm endete gemäß Historikern die Linie der herodianischen Fürsten. Agrippa hatte drei Schwestern: Bernice, Drusilla und Mariamne III. (Apg 25:13; 24:24). Er wurde am kaiserlichen Hof in Rom erzogen. Beim Tod seines Vaters war er erst 17 Jahre alt, sodass Kaiser Claudius’ Ratgeber ihn für zu jung hielten, ihm das Reich seines Vaters zu übergeben. Demzufolge setzte Claudius über diese Gebiete Statthalter ein. Nachdem Agrippa II. einige Zeit in Rom geblieben war, erhielt er die Königswürde: Er wurde König von Chalkis, einem kleinen Fürstentum am w. Abhang des Antilibanongebirgszuges, nachdem sein Onkel (Herodes, König von Chalkis) gestorben war.
Nicht lange danach ernannte ihn Claudius zum König der Tetrarchien, die zuvor Philippus und Lysanias gehört hatten (Luk 3:1). Ferner wurde er mit der Aufsicht über den Tempel von Jerusalem betraut und ermächtigt, den jüdischen Hohen Priester zu ernennen. Sein Reich wurde noch erweitert, als ihm Nero, der Nachfolger des Claudius, Tiberias und Tarichäa in Galiläa sowie Julias in Peräa samt seinen abhängigen Ortschaften schenkte.
Später begann Agrippa, an den Palast anzubauen, der von den hasmonäischen Königen in Jerusalem errichtet worden war. Weil er nun von diesem Anbau aus beobachten konnte, was sich im Tempelvorhof abspielte, bauten die Juden eine Mauer, die ihm die Sicht versperrte und auch verhinderte, dass die römischen Wachen von einer gewissen Stelle aus sehen konnten, was vor sich ging. Das missfiel sowohl Herodes als auch Festus, doch die Juden wandten sich in dieser Sache an Nero, und der Kaiser gestattete, dass die Mauer stehen blieb. Agrippa verschönerte auch Cäsarea Philippi (änderte den Namen zu Ehren Neros auf Neronias ab). Er folgte den Fußstapfen seines Vaters, indem er in Berytos (Phönizien) ein Theater erbaute und viel Geld für Veranstaltungen ausgab.
Ein weitverbreitetes Gerücht besagte, dass Agrippa mit seiner Schwester Bernice in Blutschande lebte, bevor diese den König von Kilikien (Zilizien) heiratete. (Jüdische Altertümer, 20. Buch, 7. Kap., Abs. 3). Josephus erwähnt nicht, ob Agrippa verheiratet war oder nicht.
Als sich nach dem fehlgeschlagenen Versuch der Juden, das römische Joch abzuschütteln (66–70 u. Z.), eine nationale Katastrophe anzubahnen drohte, suchte Agrippa sie zu einem gemäßigteren Kurs zu überreden, doch er stieß auf taube Ohren. So verließ er die Juden und schloss sich dem römischen Heer an und wurde im Kampfgeschehen durch ein Wurfgeschoss verwundet.
Die Verteidigungsrede des Paulus vor Agrippa. Das Erste, was man in der Bibel über König Herodes Agrippa II. und seine Schwester Bernice erfahren kann, ist, dass sie – wahrscheinlich im Jahr 58 u. Z. – dem Statthalter Festus einen Höflichkeitsbesuch abstatteten (Apg 25:13). Festus war der Nachfolger des Felix. Während der Statthalterschaft des Felix war der Apostel Paulus von den Juden angeklagt worden. Als Felix aus dem Amt schied, ließ er Paulus gebunden zurück, weil er die Gunst der Juden erlangen wollte (Apg 24:27). Nebenbei bemerkt war Felix ein Schwager Agrippas, denn er hatte dessen Schwester Drusilla geheiratet (Apg 24:24). Während Paulus nach seiner Berufung auf Cäsar der weiteren Entwicklung in seiner Rechtssache entgegensah (Apg 25:8-12), äußerte König Agrippa gegenüber Statthalter Festus den Wunsch, Paulus anzuhören (Apg 25:22). Paulus freute sich, dass er sich vor Agrippa verteidigen konnte, und bezeichnete ihn als einen Mann, der „über alle Bräuche wie auch Streitfragen unter den Juden bestens Bescheid“ wisse (Apg 26:1-3). So eindrucksvoll argumentierte Paulus, dass sich Agrippa gedrängt fühlte zu sagen: „In Kurzem würdest du mich überreden, ein Christ zu werden.“ Hierauf entgegnete Paulus: „Ich möchte vor Gott wünschen, dass über kurz oder lang nicht nur du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche Menschen würden, wie auch ich bin, mit Ausnahme dieser Fesseln“ (Apg 26:4-29). Agrippa und Festus erkannten, dass Paulus unschuldig war, entschieden aber, ihn zur Verhandlung nach Rom zu schicken, da er sich auf Cäsar berufen habe (Apg 26:30-32).
Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 u. Z. zog Herodes Agrippa mit seiner Schwester Bernice nach Rom, wo man ihm das Amt eines Prätors übertrug. Agrippa starb kinderlos um das Jahr 100 u. Z.
5. Herodes Philippus. Sohn Herodes’ des Großen von Mariamne II., der Tochter des Hohen Priesters Simon. Philippus war der erste Ehemann der Herodias; sie ließ sich von ihm scheiden, um seinen Halbbruder Herodes Antipas zu heiraten. In der Bibel wird er in Matthäus 14:3, Markus 6:17, 18 und Lukas 3:19 beiläufig erwähnt.
Der Name Herodes Philippus unterscheidet ihn von dem Tetrarchen Philippus, denn dieser Philippus war ebenfalls ein Sohn Herodes’ des Großen, allerdings – nach Josephus – von einer anderen Frau, Kleopatra von Jerusalem.
Allem Anschein nach war Philippus an der Reihe, der Thronfolger seines Vaters zu werden, da er der älteste Sohn war, nachdem sein Vater seine drei Halbbrüder Antipater, Alexander und Aristobulos hatte hinrichten lassen. In einem früheren Testament des Herodes war er nach Antipas aufgeführt, wurde aber in Herodes’ endgültigem Testament übergangen. Das Königreich ging an Archelaus. Laut Josephus strich Herodes Philippus’ Namen aus seinem Testament, weil Mariamne II., die Mutter des Philippus, von dem Anschlag Antipaters gegen Herodes gewusst, aber nichts verraten hatte.
Philippus hatte von Herodias eine Tochter, Salome. Sie war es offensichtlich, die vor Herodes Antipas tanzte und, von ihrer Mutter angewiesen, um den Kopf Johannes’ des Täufers bat (Mat 14:1-13; Mar 6:17-29).
6. Philippus, der Tetrarch. Sohn Herodes’ des Großen von seiner Frau Kleopatra von Jerusalem. Er wurde in Rom erzogen und heiratete Salome, die Tochter von Herodes Philippus und Herodias. Als sein Vater starb, teilte Augustus Cäsar das Königreich: Philippus erhielt die Tetrarchie Ituräa, Trachonitis und weitere benachbarte Bezirke; diese Gebiete brachten ihm jährlich 100 Talente ein. (Ituräa wurde vielleicht später hinzugefügt und wird deshalb von Josephus nicht erwähnt.) Er regierte mehr als 30 Jahre. Josephus schreibt: „Er war seinen Unterthanen ein milder Herrscher und ruhigen Gemütes, brachte auch sein ganzes Leben in seinem eigenen Lande zu.“ Josephus berichtet außerdem, dass Philippus, wo immer er sich befand, unverzüglich Rechtsfälle behandelte. Er starb in Julias und wurde mit großem Prunk beigesetzt. Da er keine Söhne hinterließ, schlug Kaiser Tiberius die Tetrarchie zur Provinz Syrien (Jüdische Altertümer, 18. Buch, Kap. 4, Abs. 6).
Philippus’ Name wird nur ein einziges Mal in der Bibel erwähnt, nämlich wo der Zeitpunkt angegeben wird, zu dem Johannes der Täufer seinen Dienst aufnahm (Luk 3:1). Aus diesem Text lässt sich mithilfe geschichtlicher Angaben über die Regierungszeit des Augustus und des Tiberius ableiten, dass Johannes mit seinem Dienst im Jahr 29 u. Z. anfing.