GRIECHEN, GRIECHENLAND
Diese Namen sind von Graikói abgeleitet, dem Namen eines Stammes in NW-Griechenland. Die Italer wandten die Bezeichnung (lat. Graeci) auf die Einwohner ganz Griechenlands an. Schließlich gebrauchte sogar Aristoteles in seinen Schriften den Begriff auf ähnliche Weise.
„Ionier“ ist ein weiterer früherer Name. Er erscheint vom 8. Jahrhundert v. u. Z. an in assyrischen Keilschriftdokumenten sowie in persischen und ägyptischen Aufzeichnungen. Dieser Name ist von Jawan (hebr. Jawán) abgeleitet, dem Sohn Japhets und Enkel Noahs. Jawan war der japhetitische Vorfahr der alten Völker Griechenlands und der vorgelagerten Inseln sowie offensichtlich auch der alten Bewohner von Zypern, von Teilen S-Italiens, von Sizilien und von Spanien (1Mo 10:1, 2, 4, 5; 1Ch 1:4, 5, 7; siehe ELISCHA; JAWAN; KITTIM).
Heute bezieht sich die Bezeichnung „ionisch“ geografisch gesehen zwar auf das Meer zwischen S-Italien und S-Griechenland, einschließlich der Inselkette entlang der W-Küste des Letzteren, doch einst wurde diese Bezeichnung in einem umfassenderen Sinn angewandt, der dem Gebrauch des Wortes „Jawan“ in den Hebräischen Schriften näherkommt. Im 8. Jahrhundert v. u. Z. sprach der Prophet Jesaja von der Zeit, in der die aus der Verbannung Zurückgekehrten von Juda zu fernen Nationen gesandt würden, unter anderem nach „Tubal und Jawan, den weit entfernten Inseln“ (Jes 66:19).
In den Christlichen Griechischen Schriften wird das Land Hellás („Griechenland“, Apg 20:2) und das Volk Héllēnes genannt. Die Griechen selbst gebrauchten diese Namen schon mehrere Jahrhunderte vor der Zeitenwende und tun es noch heute. „Hellas“ mag mit „Elischa“, einem der Söhne Jawans, in Verbindung stehen (1Mo 10:4). Nach der Eroberung durch die Römer im Jahr 146 v. u. Z. wurde auch der Name „Achaia“ auf Mittel- und S-Griechenland bezogen.
Das Land und seine Merkmale. Griechenland umfasste den S-Teil der gebirgigen Balkanhalbinsel sowie die in der Nähe gelegenen Inseln des Ionischen Meeres im W und des Ägäischen Meeres im O. Im S lag das Mittelmeer. Wo die N-Grenze war, steht nicht fest, zumal die Jawaniter Griechenlands in den früheren Zeitperioden keine eigenständige Nation bildeten. In späteren Zeiten soll „Griechenland“ indes bis nach Illyrien (das bis an die Adriaküste reichte) und Mazedonien (oder Makedonien) gereicht haben. In Wirklichkeit dürften die Mazedonier und die später mit „Griechen“ Bezeichneten im Grunde gemeinsamer Herkunft gewesen sein.
Das Land war in der Antike wie in der Neuzeit unwirtlich und felsig, und etwa drei Viertel davon war zerklüftetes Kalksteingebirge, dessen Kämme von dichten Wäldern bewachsen waren. Da das Land arm an fruchtbaren Ebenen und Tälern und der Boden felsig war, war es um die Landwirtschaft schlecht bestellt. Das milde Klima begünstigte jedoch den Anbau von Oliven und Wein. Andere Erzeugnisse waren Gerste, Weizen, Äpfel, Feigen und Granatäpfel. Schaf- und Ziegenherden fanden in den Gebieten Weideland, in denen nichts angebaut wurde. Es gab auch Vorkommen von Erzen – Silber, Zink, Kupfer und Blei –, und die Berge lieferten große Mengen hochwertigen Marmor. In der Prophezeiung Hesekiels (27:1-3, 13) wird Jawan unter denen erwähnt, die mit Tyrus Handel trieben, und neben anderen Handelsgütern werden auch „Geräte aus Kupfer“ aufgeführt.
Die Vorteile der Lage am Meer. Wegen der Berge beanspruchte das Reisen auf dem Landweg viel Zeit und war schwierig. Von Tieren gezogene Wagen blieben im Winter leicht stecken. Es war daher am günstigsten, den Transport und die Nachrichtenübermittlung auf dem Seeweg zu erledigen. An der langen zerklüfteten Küste – gegliedert durch Golfe und Buchten – waren zahlreiche Häfen und Anlegestellen. Da sich viele Golfe tief ins Land erstrecken, lag kaum eine Stelle, die sich innerhalb der früheren Grenzen befand, mehr als 60 km vom Meer entfernt. Der s. Teil des griechischen Festlandes, der Peloponnes, war fast eine Insel. Nur eine Landenge zwischen dem Saronischen Golf und dem Golf von Korinth verbindet den Peloponnes mit Mittelgriechenland. (Heute führt durch den schmalen Isthmus ein etwa 6 km langer schleusenloser Kanal; so ist der Peloponnes jetzt völlig vom Festland getrennt.)
Die Jawaniter Griechenlands waren schon früh eine Seefahrernation. Vom NW des Landes aus, auf der gegenüberliegenden Seite der Straße von Otranto, liegt der „Absatz“ des italienischen „Stiefels“ nur ungefähr 160 km entfernt. Im O dienten Inselgruppen – gebildet aus unterseeischen Bergen, deren Spitzen aus dem Wasser ragen – als riesige Trittsteine, mit deren Hilfe man über das Ägäische Meer nach Kleinasien gelangen konnte. An der NO-Ecke der Ägäis führte eine Meerenge, der Hellespont (auch die Dardanellen genannt), ins Marmarameer, und von dort konnte man durch den Bosporus ins Schwarze Meer gelangen. In frühen Zeiten fuhren griechische Schiffe an der S-Küste Kleinasiens entlang nach Syrien und Palästina. Ein Schiff konnte während der Tagesstunden etwa 100 km zurücklegen. Die Beförderung der Briefe, die Paulus wahrscheinlich von Korinth aus an die Thessalonicher in Mazedonien schrieb, kann deshalb eine Woche oder länger gedauert haben, je nachdem, wie die Wetterverhältnisse waren (und in wie vielen Häfen das Schiff auf dem Weg anlegte).
Der griechische Einfluss beschränkte sich nicht nur auf das Festland und seine Ansiedlungen. Die vielen Inseln im Ionischen und Ägäischen Meer wurden genauso als ein Teil Griechenlands betrachtet wie das Festland. S-Italien und Sizilien gehörten zu dem sogenannten Großgriechenland (lat. Graecia Magna). Wie die Geschichte zeigt, hatten die Jawaniter Griechenlands Kontakt mit den Bewohnern Tarschischs (Spanien) und unterhielten mit ihnen Handelsbeziehungen; darin übertrafen sie die Phönizier bei Weitem. Ähnliche Verbindungen unterhielten die Griechen mit den Jawanitern von Zypern.
Die Herkunft der griechischen Stämme. Historiker von heute sind über die Herkunft der griechischen Stämme und ihre Einwanderung in Griechenland verschiedener Meinung. Die populäre Ansicht von der „Invasion“ n. Stämme stützt sich hauptsächlich auf die griechische Mythologie und auf archäologische Mutmaßungen. Die geschichtliche Vergangenheit Griechenlands geht in Wirklichkeit nicht weiter als bis ins 8. Jahrhundert v. u. Z. zurück (die erste Olympiade fand im Jahr 776 v. u. Z. statt), und ein ununterbrochener Geschichtsbericht reicht nur bis ins 5. Jahrhundert v. u. Z. hinein. Das war viele Jahrhunderte nach der Sintflut und somit lange nach der Zerstreuung der Menschheit als Folge der Sprachverwirrung in Babel (1Mo 11:1-9). Während dieser vielen Jahrhunderte vermischten sich vielleicht andere Gruppen mit der ursprünglichen Familie Jawans und seinen Söhnen, aber über die Zeit vor dem 1. Jahrtausend v. u. Z. gibt es nur Theorien von zweifelhaftem Wert.
Griechische Hauptstämme. Zu den Hauptstämmen Griechenlands zählten die Achäer, die in Thessalien, im mittleren Teil des Peloponnes und in Böotien wohnten; die Äolier, die im O Mittelgriechenlands und an der Nordwestküste von Kleinasien, Äolien genannt, und auf den nahe gelegenen Inseln zu finden waren; die Dorier, die sich im O des Peloponnes, auf den s. Inseln der Ägäis und im SW Kleinasiens niedergelassen hatten; die Ionier, die Attika, die Insel Euböa, die Inseln des mittleren Teils der Ägäis und die W-Küste Kleinasiens bewohnten. Es ist aber nicht sicher, ob diese Stämme irgendwelche Beziehungen zu den Mazedoniern der früheren Zeitperioden hatten.
Patriarchalische Tradition und die Stadtstaaten. Die griechischsprachigen Stämme waren ziemlich selbstständig, und das traf auch auf die sich innerhalb der Stämme bildenden Stadtstaaten zu. Das war u. a. auf die geografischen Verhältnisse zurückzuführen. Viele Griechen wohnten auf Inseln, aber auf dem Festland lebten die meisten in kleinen von Bergen umgebenen Tälern. Über die damalige Gesellschaftsordnung heißt es in der Encyclopedia Americana (1956, Bd. 13, S. 377): „Die grundlegende soziale Einheit bildete die patriarchalische Hausgemeinschaft ... Die patriarchalische Tradition war in der griechischen Kultur tief verwurzelt: Nur erwachsene Männer konnten innerhalb eines Stadtstaates (polis) aktiv werden. Die patriarchalische Familie lebte innerhalb mehrerer konzentrischer Verwandtschaftskreise – der Sippe (genos), der Phratrie [Sippengemeinschaft], des Stammes.“ Das entspricht im Großen und Ganzen der im ersten Buch Mose beschriebenen patriarchalischen Gesellschaftsordnung, die nach der Sintflut bestand.
In Griechenland war es ähnlich wie in Kanaan, wo die verschiedenen Stämme (die von Kanaan abstammten) jeweils ein kleines Königreich bildeten, dessen Mittelpunkt eine Stadt war. Der griechische Stadtstaat wurde pólis genannt. Dieser Ausdruck bezog sich wohl ursprünglich auf eine Akropolis oder eine auf einem Hügel gelegene Stadtburg, um die herum Siedlungen entstanden. Später bezeichnete das Wort das gesamte Gebiet und die Bewohner des Stadtstaates. Die meisten griechischen Stadtstaaten waren klein, und gewöhnlich zählten sie nicht mehr als 10 000 Einwohner (die Frauen, Sklaven und Kinder nicht eingeschlossen). Von Athen wird gesagt, es habe in seiner Blütezeit im 5. Jahrhundert v. u. Z. nur etwa 43 000 männliche Einwohner gehabt. Die Einwohnerzahl Spartas betrug lediglich 5000. Wie die kleinen Königreiche Kanaans verbündeten sich die griechischen Stadtstaaten manchmal, und sie bekämpften sich auch. Das Land war politisch zersplittert bis zur Zeit Philipps (II.) von Mazedonien.
Demokratische Experimente. Von der Regierungsform in den meisten griechischen Stadtstaaten hat man nur eine dunkle Vorstellung. Eine Ausnahme bilden Athen und Sparta, mit deren Staatsgebilde man ziemlich gut vertraut ist. Ganz offensichtlich unterschied es sich erheblich von den in Kanaan, Mesopotamien und Ägypten üblichen Staatsformen. Zumindest in der sogenannten geschichtlichen Zeit hatte man in den griechischen Stadtstaaten anstelle von Königen ein leitendes Beamtenkollegium, einen Rat und eine Versammlung (ekklēsía) der Bürger. Athen experimentierte mit der direkten Demokratie (das Wort „Demokratie“ leitet sich von dem griechischen Ausdruck dḗmos her, was „Volk“ bedeutet, und von krátos, was „Herrschaft“ bedeutet). In dieser Einrichtung bildete die Gesamtheit der Bürger das gesetzgebende Organ, wobei jeder Bürger in der Volksversammlung Mitsprache- und Stimmrecht besaß. Die „Bürger“ waren jedoch eine Minderheit, da Frauen, Ausländern und Sklaven keine Bürgerrechte zustanden. In vielen Stadtstaaten sollen Sklaven sogar ein Drittel der Bevölkerung ausgemacht haben, und zweifellos stand den „Bürgern“ dank der Sklavenarbeit genügend Zeit zur Verfügung, um an der Volksversammlung teilzunehmen. Es ist bemerkenswert, dass die älteste, etwa aus dem 9. Jahrhundert v. u. Z. stammende Textstelle, die sich in den Hebräischen Schriften auf Griechenland bezieht, davon spricht, dass Tyrus, Sidon und Philistäa Juden als Sklaven an die „Söhne der Griechen [wtl. „Jawaniter“ oder „Ionier“]“ verkauften (Joel 3:4-6).
Gewerbe und Handel. Abgesehen von der vorwiegend betriebenen Landwirtschaft, erzeugten die Griechen viele Waren, die sie zum Teil auch exportierten. Griechische Vasen waren überall im Mittelmeerraum berühmt. Artikel aus Silber und Gold sowie Wollstoffe erfreuten sich ebenfalls großer Beliebtheit. Es gab zahlreiche wirtschaftlich unabhängige Kleinbetriebe; ihre Besitzer waren Handwerker, denen einige Sklaven oder freie Bürger bei der Arbeit halfen. In der griechischen Stadt Korinth arbeitete der Apostel Paulus mit Aquila und Priscilla im Zeltmachergewerbe zusammen; wahrscheinlich verarbeiteten sie Stoff aus Ziegenhaar, das es in Griechenland reichlich gab (Apg 18:1-4). Korinth wurde wegen seiner strategisch wichtigen Lage nahe beim Golf von Korinth und beim Saronischen Golf ein bedeutendes Handelszentrum. Andere für den Handel wichtige Städte waren Athen und Ägina.
Griechische Kultur und Kunst. Nur Jungen erhielten eine Bildung oder Ausbildung, und das Hauptziel war, aus ihnen gute Bürger zu machen. Doch die Stadtstaaten hatten unterschiedliche Auffassungen darüber, was einen guten Bürger ausmacht. In Sparta konzentrierte man sich fast ausschließlich auf die körperliche Ertüchtigung (im Gegensatz zu dem Rat aus 1Ti 4:8, den Paulus dem Timotheus gab); die Jungen wurden im Alter von sieben Jahren ihren Eltern weggenommen und bis zum 30. Lebensjahr in Kasernen untergebracht. In Athen wurde mehr Wert auf Kenntnisse der Literatur, der Mathematik und der Kunst gelegt. Ein Sklave, dem man vertraute – paidagōgós genannt –, begleitete das Kind zur Schule, wo die Unterweisung im Alter von sechs Jahren begann. (Man beachte, dass Paulus in Gal 3:23-25 das Gesetz mit einem paidagōgós verglich; siehe ERZIEHER.) Die Dichtkunst wurde in Athen sehr geschätzt, und von den Schülern verlangte man, viele Gedichte auswendig zu lernen. Paulus erhielt zwar seine Erziehung und Ausbildung in Tarsus in Zilizien, aber er führte in Athen kurze Zitate aus Gedichten an, um seine Botschaft wirkungsvoll darzulegen (Apg 17:22, 28). Schauspiele wie Tragödien und Komödien waren allgemein beliebt.
Die Philosophie wurde in Athen und mit der Zeit auch in ganz Griechenland als sehr wichtig erachtet. Zu den größeren Gruppen der Philosophen gehörten die Sophisten, die behaupteten, Wahrheit sei eine Sache der persönlichen Auffassung; mit diesem Standpunkt (ähnlich wie der der Hindus) stimmten bekannte griechische Philosophen wie Sokrates, sein Schüler Platon und dessen Schüler Aristoteles nicht überein. Andere Philosophien behandelten die eigentliche Quelle der Glückseligkeit. Die Stoiker waren der Ansicht, man müsse, um die Glückseligkeit zu erreichen, im Einklang mit der Vernunft leben; nur darauf komme es an. Die Epikureer glaubten, die Lust sei die wahre Quelle der Glückseligkeit. (Vgl. die Worte des Paulus an die Korinther in 1Ko 15:32.) Angehörige von den Schulen der zwei letztgenannten Philosophengruppen befanden sich unter denen, die mit Paulus in Athen diskutierten, was zur Folge hatte, dass man ihn zum Areopag führte, wo er vernommen wurde (Apg 17:18, 19). Eine weitere Philosophenschule war die der Skeptiker, die den Standpunkt vertraten, dass im Grunde nichts im Leben von Bedeutung sei.
Ein Charakterzug des griechischen Volkes war – zumindest in späterer Zeit – seine Wissbegier, und es diskutierte und unterhielt sich gern über Neuigkeiten (Apg 17:21). Die Griechen versuchten, einige der wichtigsten Fragen, die das Leben und das Weltall betrafen, durch menschliche Logik (und Spekulationen) zu klären. Sie betrachteten sich somit als die Intellektuellen der damaligen Welt. Paulus misst in seinem ersten Brief an die Korinther einer solchen Menschenweisheit und übermäßigen Betonung des Intellekts den richtigen Stellenwert bei, denn er sagt u. a.: „Wenn jemand unter euch denkt, er sei in diesem System der Dinge weise, so werde er ein Tor, damit er weise werde ... ‚Jehova weiß, dass die Überlegungen der Weisen nichtig sind‘“ (1Ko 1:17-31; 2:4-13; 3:18-20). Trotz all ihrer philosophischen Überlegungen und Nachforschungen fanden sie, wie aus ihren Schriften hervorgeht, keine echte Grundlage für eine Hoffnung. Professor J. R. S. Sterrett und Professor Samuel Angus sagten diesbezüglich: „Keine Literatur enthält so viele mitleiderregende Klagen über die Nöte des Lebens, die Vergänglichkeit der Liebe, die Tücke der Hoffnung und die Grausamkeit des Todes“ (Funk and Wagnalls New Standard Bible Dictionary, 1936, S. 313).
Die griechische Religion. Unsere frühesten Kenntnisse der griechischen Religion verdanken wir der epischen Dichtung Homers. Historiker nehmen an, dass die beiden epischen Gedichte, die Ilias und die Odyssee, von ihm geschrieben wurden. Die ältesten Papyrusfragmente dieser Gedichte sollen aus der Zeit vor 150 v. u. Z. stammen. Nach dem Altphilologen Professor George G. A. Murray weichen diese frühen Texte erheblich von der Fassung ab, die in den letzten Jahrhunderten als der allgemein anerkannte Text gegolten hat (Encyclopædia Britannica, 1942, Bd. 11, S. 689). Im Gegensatz zur Bibel sind die Homerischen Texte also nicht unversehrt geblieben, sondern ihre Textgestalt war, wie Professor Murray nachgewiesen hat, überaus leicht Veränderungen unterworfen. Die Homerischen Gedichte handeln von menschlichen Helden und von Göttern, die den Menschen sehr ähnlich waren.
Der Einfluss, den Babylon auf die griechische Religion ausgeübt hat, ist unverkennbar. So ist eine gewisse antike griechische Fabel praktisch die wörtliche Übersetzung eines akkadischen Originals.
Einem weiteren Dichter, Hesiod, der wahrscheinlich im 8. Jahrhundert v. u. Z. lebte, schreibt man die Systematisierung der zahllosen griechischen Mythen und Sagen zu. Zusammen mit den Homerischen Gedichten bildete hauptsächlich Hesiods Theogonie das religiöse oder theologische Schrifttum der Griechen.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, zu sehen, wie die Bibel Licht auf den möglichen, ja sogar wahrscheinlichen Ursprung der griechischen Mythen wirft. Wie aus 1. Mose 6:1-13 hervorgeht, kamen Engelsöhne Gottes vor der Sintflut auf die Erde – nahmen also offensichtlich Menschengestalt an – und wurden mit attraktiven Frauen intim. Ihre Abkömmlinge wurden „Nephilim“ oder „Fäller“ genannt, das heißt „die zu Fall Bringenden“. Auf diese widernatürliche Vereinigung von Geistgeschöpfen mit Menschen und auf die daraus hervorgegangenen Mischwesen war die Unsittlichkeit und Gewalttätigkeit zurückzuführen, mit der die Erde erfüllt wurde. (Vgl. Jud 6; 1Pe 3:19, 20; 2Pe 2:4, 5; siehe NEPHILIM.) Jawan, der Vorfahr des griechischen Volkes, gehörte zweifellos zu denen, die nach der Sintflut von den Verhältnissen vor der Flut hörten; wahrscheinlich erzählte ihm sein Vater Japhet davon, der die Sintflut überlebt hatte. Man beachte nun, was die Schriften erkennen lassen, die Homer und Hesiod zugeschrieben werden.
Die zahlreichen Götter und Göttinnen, die darin beschrieben werden, hatten Menschengestalt und waren sehr schön, obgleich sie oft als übermenschliche Riesen dargestellt werden. Sie aßen, tranken, schliefen, hatten Geschlechtsverkehr untereinander oder sogar mit Menschen, lebten in Familien, stritten sich und schlugen sich, verführten und vergewaltigten. Obwohl angeblich heilig und unsterblich, waren sie doch zu jeder Art von Betrug und Verbrechen fähig. Sie konnten sowohl sichtbar als auch unsichtbar unter den Menschen umhergehen. Spätere griechische Schriftsteller und Philosophen suchten aus den Werken Homers und Hesiods einige der ärgsten Schandtaten, die den Göttern zugeschrieben wurden, zu entfernen.
Diese Werke dürften ein Abbild des in 1. Mose zu findenden authentischen Berichtes von den Verhältnissen vor der Sintflut sein, obwohl in stark erweiterter, verklärter und entstellter Form. Eine weitere bemerkenswerte Parallele liegt darin, dass die griechischen Sagen nicht nur von Hauptgöttern erzählen, sondern auch von Halbgöttern oder Helden, die teils göttlicher, teils menschlicher Abstammung waren. Die Halbgötter hatten zwar übermenschliche Kräfte, waren aber sterblich (Herakles [Herkules] war der Einzige von ihnen, dem es vergönnt war, Unsterblichkeit zu erlangen). Es besteht also eine auffällige Ähnlichkeit zwischen diesen Halbgöttern und den Nephilim, die in dem Bericht in 1. Mose erwähnt werden.
Der Orientalist E. A. Speiser stellte diese grundlegende Übereinstimmung fest und führte das Thema der griechischen Mythen auf Mesopotamien zurück (The World History of the Jewish People, 1964, Bd. 1, S. 260). Mesopotamien war das Gebiet, in dem Babylon lag und von wo aus sich die Menschheit nach der Sprachverwirrung ausbreitete (1Mo 11:1-9).
Von den Hauptgöttern der Griechen sagte man, sie hätten ihren Wohnsitz auf den Höhen des Olymps (2917 m) gehabt, der sich s. des Ortes Beröa erhob. (Paulus befand sich ganz in der Nähe der Hänge des Olymps, als er auf seiner zweiten Missionsreise den Beröern predigte; Apg 17:10.) Zu den olympischen Göttern zählten Zeus (von den Römern Jupiter genannt; Apg 28:11), der Gott des Himmels; Hera (römisch Juno), die Gemahlin des Zeus; Ge oder Gäa, die Göttin der Erde, auch Große Mutter genannt; Apollo, ein Sonnengott, ein Gott des plötzlichen Todes, der seine tödlichen Pfeile aus weiter Ferne abschoss; Artemis (römisch Diana), die Göttin der Jagd; die Verehrung einer anderen Artemis, einer Fruchtbarkeitsgöttin, war in Ephesus von großer Bedeutung (Apg 19:23-28, 34, 35); Ares (römisch Mars), der Kriegsgott; Hermes (römisch Merkur), der Gott der Reisenden, des Handels und der Redekunst, der Götterbote (im kleinasiatischen Lystra nannten die Leute Barnabas „Zeus, Paulus aber Hermes, da er der Wortführer war“ [Apg 14:12]); Aphrodite (römisch Venus), die Göttin der Fruchtbarkeit und der Liebe; sie galt als die Schwester der assyro-babylonischen Istar (Ischtar) und der syro-phönizischen Astarte (P. Hamlyn, Greek Mythology, London 1963, S. 63); hinzu kommt noch eine Unmenge anderer Götter und Göttinnen. Tatsächlich scheint jeder Stadtstaat seine eigenen untergeordneten Götter gehabt zu haben, die nach dortigem Brauch verehrt wurden.
Festlichkeiten und Spiele. In der Religion der Griechen nahmen festliche Veranstaltungen einen wichtigen Platz ein. Sportwettkämpfe und die damit verbundenen Dramen, Opfer und Gebete zogen von weit her viele Menschen an, und deshalb waren diese Festlichkeiten für die politisch gespaltenen Stadtstaaten wie ein einigendes Band. Zu den berühmtesten dieser Veranstaltungen gehörten die Olympischen Spiele (in Olympia), die Isthmischen Spiele (abgehalten in der Nähe von Korinth), die Pythischen Spiele (in Delphi) und die Nemeischen Spiele (nahe bei Nemea). Die Durchführung der Olympischen Spiele in einem Zyklus von vier Jahren bildete die Grundlage für die griechische Zeitrechnung; jeder Zeitabschnitt von vier Jahren wurde eine Olympiade genannt. (Siehe SPIELE.)
Orakel, Astrologie und Heiligtümer. Einer sehr großen Beliebtheit erfreuten sich Orakel – Stätten, an denen angeblich die Götter verborgenes Wissen kundtaten. Die berühmtesten Orakelstätten waren Tempel auf Delos, in Delphi und in Dodona. Dort konnte man gegen Bezahlung Antworten auf Anfragen erhalten. Die Orakelsprüche waren gewöhnlich mehrdeutig und mussten von den Priestern gedeutet werden. In Philippi in Mazedonien brachte ein Mädchen, das die Kunst der Voraussage betrieb (Paulus gebot einem Dämon, aus ihr auszufahren), „ihren Herren viel Gewinn ein“ (Apg 16:16-19). Professor G. Ernest Wright sagt, die moderne Astrologie gehe über die Griechen auf die Wahrsager Babylons zurück (Biblische Archäologie, 1958, S. 29, 30). Es gab auch viele Heiligtümer, wo man Heilung suchte.
Die philosophische Lehre von der Unsterblichkeit. Da sich die griechischen Philosophen für die grundlegenden Fragen des Lebens interessierten, waren ihre Ansichten gut dazu geeignet, die religiösen Anschauungen der Leute zu formen. Sokrates, der im 5. Jahrhundert v. u. Z. lebte, lehrte die Unsterblichkeit der Menschenseele. In Phaidon (Phädon) (übersetzt von F. Schleiermacher, 1982) zitiert Platon ein Gespräch, das Sokrates mit zweien seiner Mitarbeiter geführt hatte: „‚Meinen wir, dass der Tod etwas ganz Bestimmtes ist? ... Doch wohl nichts anderes als die Trennung der Seele von dem Körper? Und Totsein bedeute nichts anderes, als dass der Leib, abgesondert von der Seele, für sich allein ist und auch die Seele, abgesondert vom Leibe? Oder ist der Tod etwas anderes als dieses?‘ ‚Nein, sondern ebendies‘, sagte Simmias“ (Kap. 9, S. 23). „‚Und die Seele nimmt doch den Tod nie an?‘ ... ‚Nein.‘“ Sokrates fährt fort: „‚Also ist die Seele unsterblich.‘ ... ‚Unsterblich‘“ (Kap. 55, S. 113). Vergleiche dies mit Hesekiel 18:4 und Prediger 9:5, 10.
Tempel und Götzenbilder. Zu Ehren der Götter baute man prachtvolle Tempel, und schuf formvollendete Statuen aus Marmor und Bronze, die Abbilder dieser Götter sein sollten. Die Ruinen einiger der berühmtesten dieser Tempel befinden sich auf der Akropolis von Athen und schließen den Parthenon und das Erechtheion ein sowie die Propyläen. In derselben Stadt hielt Paulus eine Rede, in der er sich über die Furcht vor Gottheiten äußerte, die dort so deutlich in Erscheinung trat. Unumwunden verkündete er seinen Zuhörern, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde „nicht in Tempeln [wohnt], die mit Händen gemacht sind“. Als Gottes Geschlecht, so führte er weiter aus, sollten sie nicht meinen, der Schöpfer sei „gleich dem Gold oder Silber oder Stein, gleich einem Gebilde der Kunst und Findigkeit des Menschen“ (Apg 17:22-29).
Die Zeit der Perserkriege. Der Aufstieg des Medo-Persischen Reiches unter Cyrus (Kyros) (der im Jahr 539 v. u. Z. Babylon eroberte) stellte für Griechenland eine Bedrohung dar. Cyrus hatte bereits Kleinasien erobert, darunter die dortigen griechischen Kolonien. Im dritten Jahr des Cyrus (offensichtlich als Herrscher Babylons) unterrichtete ein Engel Jehovas Daniel davon, dass der vierte König von Persien „alles gegen das Königreich Griechenland in Bewegung bringen“ würde (Da 10:1; 11:1, 2). Der dritte persische König (Darius Hystaspis) warf im Jahr 499 v. u. Z. einen Aufstand griechischer Kolonien nieder und bereitete die Invasion Griechenlands vor. Die Flotte der persischen Invasoren wurde jedoch im Jahr 492 v. u. Z. durch einen Sturm vernichtet. Dann drang 490 eine große Streitmacht der Perser in Griechenland ein, wurde aber von einem kleinen Heer der Athener in der Ebene von Marathon, nö. von Athen, vernichtend geschlagen. Darius’ Sohn Xerxes beschloss, diese Niederlage zu rächen. Als der vorhergesagte vierte König brachte er das ganze Reich in Bewegung und stellte ein riesiges Heer auf. Im Jahr 480 v. u. Z. setzte er über den Hellespont.
Obwohl gewisse führende griechische Stadtstaaten – entgegen ihrer Gewohnheit – mit vereinten Kräften die Invasion aufzuhalten suchten, marschierten die persischen Truppen durch N- und Mittelgriechenland, erreichten Athen und brannten seine auf einem Hügel gelegene Stadtburg, die Akropolis, nieder. Auf See wurde die persische Flotte jedoch (mit ihren phönizischen und anderen Verbündeten) bei Salamis von den Athenern und ihren griechischen Bundesgenossen ausmanövriert und vernichtet. Diesem Sieg folgten weitere Siege über die Perser zu Lande, nämlich bei Platäa und bei Mykale (an der W-Küste Kleinasiens). Daraufhin zogen die persischen Truppen endgültig aus Griechenland ab.
Die Vormachtstellung Athens. Athen hatte nun dank seiner schlagkräftigen Kriegsflotte in Griechenland die führende Rolle übernommen. In den folgenden Jahren bis etwa 431 v. u. Z. erlebte Athen sein „goldenes Zeitalter“, in dem die bedeutendsten Werke der bildenden Kunst und der Architektur entstanden. Athen führte den Delischen Bund an, der sich aus mehreren griechischen Städten und Inseln zusammensetzte. Die Vorrangstellung Athens erweckte den Neid des Peloponnesischen Bundes, der von Sparta angeführt wurde. Die Folge war der Peloponnesische Krieg. Er dauerte von 431 bis 404 v. u. Z. und endete damit, dass den Athenern von den Spartanern eine vernichtende Niederlage zugefügt wurde. Das strenge Regiment Spartas, das hierauf folgte, hielt etwa bis 371 v. u. Z. an, als Theben die Oberhand gewann. Das griechische Gemeinwesen trat nun in eine Zeitspanne des politischen Verfalls ein, obgleich Athen auf dem Gebiet der Kultur und der Philosophie das Zentrum des Mittelmeerraums blieb. Zu guter Letzt gelang es im Jahr 338 v. u. Z. dem erstarkenden Mazedonien unter Philipp II., Griechenland zu erobern. Unter mazedonischer Vorherrschaft entstand ein vereinigtes Griechenland.
Griechenland unter Alexander dem Großen. Bereits im 6. Jahrhundert v. u. Z. hatte Daniel eine prophetische Vision erhalten, die den Sturz des Medo-Persischen Reiches durch Griechenland ankündigte. Alexander, der Sohn Philipps und Schüler des Aristoteles, wurde nach Philipps Ermordung der Vorkämpfer der griechischsprachigen Völker. Im Jahr 334 v. u. Z. brach er auf, um die persischen Angriffe auf griechische Städte, die an der W-Küste Kleinasiens lagen, zu rächen. In einem „Blitzkrieg“ eroberte er nicht nur ganz Kleinasien, sondern auch Syrien, Palästina, Ägypten und das gesamte Medo-Persische Reich bis nach Indien und erfüllte damit das prophetische Bild aus Daniel 8:5-7, 20, 21. (Vgl. Da 7:6.) Durch die Einnahme Judas im Jahr 332 v. u. Z. wurde Griechenland die fünfte in der Reihe von aufeinanderfolgenden Weltmächten, die mit der Nation Israel zu tun hatten. Vorausgegangen waren die vier Weltmächte Ägypten, Assyrien, Babylon und Medo-Persien. Mit dem Jahr 328 v. u. Z. war Alexanders Eroberungszug abgeschlossen. Nun sollte sich der verbleibende Teil der Vision Daniels erfüllen. Alexander starb 323 v. u. Z. in Babylon, und wie vorhergesagt, wurde sein Reich anschließend in vier Herrschaftsgebiete aufgeteilt, von denen aber keines die Stärke des ursprünglichen Reiches erlangte (Da 8:8, 21, 22; 11:3, 4; siehe ALEXANDER Nr. 1; KARTEN, Bd. 2, S. 334).
Doch vor seinem Tod hatte Alexander die griechische Kultur und die griechische Sprache überall in seinem riesigen Reich eingeführt. In vielen der eroberten Länder gründete man griechische Kolonien. In Ägypten wurde die Stadt Alexandria erbaut, die schließlich als Mittelpunkt der Gelehrsamkeit Athen den Rang streitig machte. Auf diese Weise wurde die Hellenisierung (oder Gräzisierung) eines Großteils des Mittelmeerraums und des Nahen Ostens eingeleitet. Die Koine, die griechische Gemeinsprache, wurde zur Lingua franca, in der sich die Menschen vieler Nationalitäten verständigten. Dieser Sprache bedienten sich jüdische Gelehrte in Alexandria, um die Hebräischen Schriften zu übersetzen, und so entstand die Septuaginta. Später wurden die Christlichen Griechischen Schriften in Koine niedergeschrieben. Die internationale Popularität dieser Sprache trug zur raschen Ausbreitung der christlichen guten Botschaft überall im Mittelmeerraum bei. (Siehe GRIECHISCH.)
Die Auswirkung der Hellenisierung auf die Juden. Als das Griechische Reich unter den Generälen Alexanders aufgeteilt wurde, wurde Juda ein Grenzstaat zwischen dem von den Ptolemäern regierten Ägypten und dem von den Seleukiden beherrschten Syrien. Zuerst stand Juda unter ägyptischer Herrschaft, doch im Jahr 198 v. u. Z. eroberten es die Seleukiden. In dem Bemühen, Juda und Syrien in der hellenistischen Kultur zu vereinigen, machte man die griechische Religion, die griechische Sprache, griechische Literatur und griechische Kleidung in Juda populär.
Im ganzen jüdischen Gebiet wurden griechische Kolonien gegründet, darunter die Kolonie in Samaria (später Sebaste genannt), in Akko (Ptolemais) und in Beth-Schean (Scythopolis) sowie einige an der zuvor unbesiedelten O-Seite des Jordan. (Siehe DEKAPOLIS.) In Jerusalem errichtete man ein Gymnasium, das jüdische Jugendliche anzog. Da die griechischen Spiele mit der griechischen Religion verknüpft waren, bewirkte der Einfluss des Gymnasiums, dass die Juden aufhörten, an biblischen Grundsätzen festzuhalten. Selbst die Priesterschaft ließ sich in jener Zeit sehr vom Hellenismus beeinflussen. Auf diese Weise begannen Glaubensansichten, die den Juden einst fremd waren, schließlich Wurzel zu fassen; dazu gehörten die heidnische Lehre von der Unsterblichkeit der Menschenseele und die Vorstellung von einem Platz in der Unterwelt, wo man nach dem Tod gequält wird.
Die Entweihung des Tempels in Jerusalem (168 v. u. Z.) durch Antiochos Epiphanes, der dort die Anbetung des Zeus einführte, kennzeichnete den Höhepunkt der Hellenisierung der Juden und führte zu den Makkabäerkämpfen.
Auch in Alexandria (Ägypten), wo der jüdische Sektor einen beträchtlichen Teil der Stadt einnahm, machte sich der hellenistische Einfluss geltend. (Siehe ALEXANDRIA.) Aufgrund der Popularität der griechischen Philosophie unterlagen einige alexandrinische Juden diesem Einfluss. Gewisse jüdische Schreiber fühlten sich verpflichtet, zu versuchen, jüdische Glaubensansichten dem damaligen „neuen Trend“ anzupassen. Sie suchten zu beweisen, dass ähnliche Vorstellungen, wie sie in der griechischen Philosophie jener Zeit zum Ausdruck kamen, schon zuvor in den Hebräischen Schriften enthalten gewesen seien oder sogar darin ihren Ursprung gehabt hätten.
Die griechischen Staaten unter römischer Herrschaft. Mazedonien und Griechenland (einer der vier Teile, in die Alexanders Reich aufgeteilt worden war) fielen 197 v. u. Z. an die Römer. Im Jahr darauf verkündete der römische Feldherr allen griechischen Städten die „Freiheit“. Das bedeutete zwar einerseits, dass man keinen Tribut mehr entrichten musste, doch andererseits erwartete Rom, dass man seinen Wünschen voll und ganz entsprach. Allmählich machte sich eine antirömische Gesinnung breit. Mazedonien ließ sich auf einen Krieg gegen die Römer ein, wurde aber im Jahr 168 v. u. Z. erneut geschlagen; etwa 20 Jahre später wurde es eine römische Provinz. Im Jahr 146 v. u. Z. erhob sich der Achäische Bund unter der Führung Korinths, woraufhin die Heere Roms in das s. Griechenland einmarschierten und Korinth zerstörten. So kam es, dass die Provinz „Achaia“ eingerichtet wurde. Bis 27 v. u. Z. schloss sie ganz S- und Mittelgriechenland ein (Apg 19:21; Rö 15:26; siehe ACHAIA).
Die Zeit der römischen Herrschaft bedeutete für Griechenland eine Epoche des politischen und wirtschaftlichen Niedergangs. Einzig und allein die griechische Kultur übte weiterhin einen starken Einfluss aus und wurde von den römischen Eroberern weitgehend übernommen. Voller Begeisterung importierten sie griechische Statuen und griechische Literatur. Sogar ganze Tempel wurden zerlegt und nach Italien verfrachtet. Viele junge Römer erwarben sich ihre Bildung in Athen und an anderen griechischen Stätten der Gelehrsamkeit. Im Gegensatz dazu kapselten sich die Griechen von allem Neuen ab und trauerten ihrer Vergangenheit nach.
Hellenen im 1. Jahrhundert u. Z. Während der Dienstzeit Jesu Christi und seiner Apostel waren die Einwohner Griechenlands und Personen griechischer Abstammung immer noch als Héllēnes (Sg. Héllēn) bekannt. Die Griechen bezeichneten Nichtgriechen als „Barbaren“, was einfach Ausländer oder fremdsprachige Leute bedeutet. Desgleichen stellte der Apostel Paulus in Römer 1:14 den „Griechen“ die „Barbaren“ gegenüber. (Siehe BARBAR.)
In einigen Fällen wendet Paulus indes den Begriff Héllēnes in umfassenderem Sinn an. Besonders wenn er den Gegensatz zu den Juden hervorheben will, bezieht er sich auf die Héllēnes oder Griechen als Vertreter aller nichtjüdischen Völker (Rö 1:16; 2:6, 9, 10; 3:9; 10:12; 1Ko 10:32; 12:13). So setzt Paulus in 1. Korinther, Kapitel 1 unverkennbar die „Griechen“ (V. 22) mit den „Nationen“ (V. 23) in Parallele. Das war zweifellos auf die Bedeutung und die Vorrangstellung zurückzuführen, die der griechischen Sprache und Kultur im ganzen Römischen Reich zukamen. Die Griechen standen gewissermaßen unter den nichtjüdischen Völkern an erster Stelle. Das bedeutet aber nicht, dass Paulus oder die anderen Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften mit dem Begriff Héllēnes sehr oberflächlich umgegangen wären, sodass sie – wie einige Bibelkommentatoren andeuten – mit Héllēn nichts anderes gemeint hätten als einen „Heiden“. Ein Beweis dafür, dass Héllēnes ein ganz bestimmtes Volk bezeichnete, ist in Kolosser 3:11 zu finden, wo Paulus den „Griechen“ von dem „Ausländer [bárbaros]“ und dem „Skythen“ unterscheidet.
In Übereinstimmung mit dem zuvor Erwähnten sagt der Gräzist Hans Windisch: „Die Bedeutung ‚Heide‘ ist ... weder im hellenistischen Judentum noch im NT nachzuweisen“ (Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, herausgegeben von G. Kittel, Bd. II, 1935, S. 513). Doch er liefert einige Beweise dafür, dass griechische Schreiber den Ausdruck Héllēn manchmal auf Angehörige anderer Nationen anwandten, die die griechische Sprache und die griechische Kultur angenommen hatten, auf Personen, die „hellenisiert“ worden waren. Wenn also in der Bibel das Wort Héllēnes oder Griechen gebraucht wird, muss man in vielen Fällen zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es sich dabei nicht um Personen handelt, die der Geburt nach Griechen, d. h. griechischer Abstammung, waren.
Die „Griechin“ syrophönizischer Nationalität, deren Tochter Jesus heilte (Mar 7:26-30), war wahrscheinlich von einer genauso zu betrachtenden griechischen Abstammung. „Unter denen, die heraufkamen, um am [Passah-]Fest anzubeten“, befanden sich „Griechen“, die um ein Gespräch mit Jesus baten. Dabei handelte es sich offensichtlich um griechische Proselyten, d. h. zur jüdischen Religion übergetretene Griechen (Joh 12:20; man beachte die prophetische Äußerung Jesu in Vers 32, dass er ‘Menschen von allen Arten zu sich ziehen’ wolle). Sowohl der Vater des Timotheus als auch Titus werden als Héllēn bezeichnet (Apg 16:1, 3; Gal 2:3). Das kann bedeuten, dass sie der Abstammung nach Griechen waren. Doch wenn, wie behauptet wird, einige griechische Schriftsteller dazu neigten, den Begriff Héllēnes für Nichtgriechen zu gebrauchen, die Griechisch sprachen und dem griechischen Kulturbereich angehörten, und wenn Paulus, wie bereits ausgeführt, den Ausdruck in stellvertretendem Sinn anwandte, dann wäre es auch möglich, dass jene Personen Griechen in diesem letzteren Sinn waren. Trotzdem ist der Umstand, dass sich die Griechin in Syrophönizien befand oder dass der Vater des Timotheus in Lystra in Kleinasien wohnte oder dass Titus anscheinend in Antiochia in Syrien wohnte, kein Beweis dafür, dass sie nicht zu der ethnischen Gruppe der Griechen gehörten oder der Abstammung nach Griechen waren, denn in all diesen Regionen waren griechische Kolonisten und Einwanderer zu finden.
Als Jesus einer Gruppe Juden mitgeteilt hatte, er wolle ‘zu dem gehen, der ihn gesandt habe’, und ‘wo er dann sein werde, könnten sie nicht hinkommen’, sagten die Juden unter sich: „Wohin beabsichtigt dieser zu gehen, sodass wir ihn nicht finden werden? Er beabsichtigt doch nicht etwa, zu den unter den Griechen versprengten Juden zu gehen und die Griechen zu lehren?“ (Joh 7:32-36). Mit dem Ausdruck ‘die unter den Griechen versprengten Juden’ meinten sie nicht die jüdischen Siedler in Babylon, sondern die überall in den weit entfernten griechischen Städten und Gegenden im W verstreut lebenden Juden. Die Berichte über die Missionsreisen des Paulus verraten, dass es eine ganz beachtliche Anzahl jüdischer Einwanderer in diesen griechischen Regionen gab.
In Apostelgeschichte 17:12 und 18:4, wo Ereignisse in den griechischen Städten Beröa und Korinth behandelt werden, sind sicherlich Personen griechischer Abstammung gemeint. Vielleicht gilt dies auch für die „Griechen“ im mazedonischen Thessalonich (Apg 17:4), in Ephesus an der W-Küste Kleinasiens – eine alte Kolonie der Griechen und einst die Hauptstadt Ioniens (Apg 19:10, 17; 20:21) – und sogar für die in Ikonion im mittleren Kleinasien (Apg 14:1). Wenn auch die in einigen dieser Texte vorkommende Wortverbindung „Juden und Griechen“ darauf hindeuten mag, dass Lukas den Begriff „Griechen“ wie Paulus stellvertretend für die nichtjüdischen Völker im Allgemeinen verwendete, lag geografisch gesehen in Wirklichkeit nur Ikonion außerhalb des ursprünglichen griechischen Einflussbereiches.
Hellenisten. In der Apostelgeschichte erscheint noch ein weiteres Wort: Hellēnistái (Sg. Hellēnistḗs). Dieses Wort findet sich weder in der griechischen noch in der hellenistisch-jüdischen Literatur. Daher lässt sich die Bedeutung nicht mit völliger Sicherheit bestimmen. Die meisten Lexikografen glauben jedoch, dass dieses Wort in Apostelgeschichte 6:1 und 9:29 „Griechisch sprechende Juden“ bedeute. Im ersten der beiden Texte werden die Hellēnistái den „Hebräisch sprechenden Juden“ (Ebráioi [griechischer Text von Westcott und Hort]) gegenübergestellt. Zu Pfingsten des Jahres 33 u. Z. kamen Juden und Proselyten aus vielen Ländern nach Jerusalem. Dass sich darunter auch zahlreiche Griechisch sprechende Leute befanden, geht aus der „Inschrift des Theodotus“ hervor, die auf dem Ophel in Jerusalem gefunden wurde. Sie ist in Griechisch abgefasst, und es heißt darin: „Theodotus, Sohn des Vetenus, Priester und Synagogenvorsteher, Sohn eines Synagogenvorstehers und Enkelsohn eines Synagogenvorstehers hat die Synagoge gebaut zum Vorlesen des Gesetzes und zur Lehre der Gebote, und (er hat) die Herberge und die Zimmer und die Wasserzisternen (gebaut), um Unterkunft für die von außerhalb, die sie brauchen, zu schaffen – (die Synagoge), die seine Väter und die Ältesten und Simonides gegründet hatten“ (Biblische Archäologie von G. Ernest Wright, 1958, S. 240, 241) Einige bringen diese Inschrift mit der „Synagoge der Freigelassenen“ in Verbindung, von der gewisse Mitglieder zu denen gehörten, die für den Märtyrertod des Stephanus verantwortlich waren (Apg 6:9; siehe FREIGELASSENER, FREIER).
Eine Form von Hellēnistái, die in Apostelgeschichte 11:20 erscheint und sich auf gewisse Bewohner Antiochias in Syrien bezieht, könnte jedoch für „Griechisch sprechende Leute“ ganz allgemein stehen, also weniger für Griechisch sprechende Juden. Dies scheint der Umstand anzuzeigen, dass das Wort in Antiochia bis zur Ankunft von Christen aus Kyrene und Zypern ‘nur den Juden’ gepredigt worden war (Apg 11:19). Somit können mit dem hier erwähnten Begriff Hellēnistái Personen verschiedener Nationalität gemeint sein, die hellenisiert worden waren, sich der griechischen Sprache bedienten (und vielleicht nach griechischem Brauchtum lebten). (Siehe ANTIOCHIA Nr. 1; KYRENE, KYRENÄER.)
Der Apostel Paulus besuchte Mazedonien und Griechenland sowohl auf seiner zweiten als auch auf seiner dritten Missionsreise (Apg 16:11 bis 18:11; 20:1-6). Er diente eine Zeit lang in den bedeutenden mazedonischen Städten Philippi, Thessalonich und Beröa sowie in Athen und Korinth, den wichtigsten Städten Achaias (Apg 16:11, 12; 17:1-4, 10-12, 15; 18:1, 8). Auf seiner zweiten Missionsreise widmete er anderthalb Jahre dem Dienst in Korinth (Apg 18:11). In dieser Zeit schrieb er die beiden Briefe an die Thessalonicher und möglicherweise auch den Brief an die Galater. Auf seiner dritten Missionsreise schrieb er von Korinth aus den Brief an die Römer. Nach seiner ersten Gefangenschaft in Rom besuchte Paulus offensichtlich zwischen 61 und 64 u. Z. erneut Mazedonien. Wahrscheinlich schrieb er von dort aus den ersten Brief an Timotheus und möglicherweise auch den Brief an Titus.
In den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende machte sich im Römischen Reich der Einfluss der griechischen Kultur weiterhin bemerkbar, und Griechenland behütete das, was es auf intellektuellem Gebiet zustande gebracht hatte; eine der bedeutendsten Hochschulen des Römischen Reiches stand in Athen. Konstantin versuchte, das Christentum mit gewissen heidnischen Bräuchen und Lehren zu verschmelzen, und er unternahm die ersten Schritte, um dieses Religionsgemisch zur Staatsreligion zu machen. Auf diese Weise wurde Griechenland ein Teil der Christenheit.
Heute umfasst Griechenland eine Fläche von 131 957 km2, und die Einwohnerzahl beträgt 10 048 000 (Schätzung aus dem Jahr 1989).