SÜNDE
Etwas, was mit Gottes Persönlichkeit, seinen Maßstäben, seinen Wegen und seinem Willen nicht im Einklang ist; alles, was das Verhältnis des Einzelnen zu Gott trübt. Sündigen kann man durch Worte (Hi 2:10; Ps 39:1) oder Taten (verkehrte Handlungen [3Mo 20:20; 2Ko 12:21] oder das Versäumnis, etwas zu tun, was man tun sollte [4Mo 9:13; Jak 4:17]) sowie in Gedanken oder durch die Herzenseinstellung (Spr 21:4; vgl. auch Rö 3:9-18; 2Pe 2:12-15). Der Unglaube ist eine große Sünde, da er Zweifel an Gott oder mangelndes Vertrauen in seine Fähigkeit, etwas zu tun, verrät (Heb 3:12, 13, 18, 19). Eine Betrachtung des Gebrauchs der hebräischen und der griechischen Wörter sowie entsprechende Beispiele werden das veranschaulichen.
Der mit dem Wort „Sünde“ wiedergegebene hebräische Ausdruck ist chattáʼth; der entsprechende griechische Ausdruck lautet hamartía. In beiden Sprachen bedeuten die Verbformen (hebr. chatáʼ; gr. hamartánō) „verfehlen“, in dem Sinn von: ein Ziel verfehlen oder nicht erreichen, einen Weg oder das Richtige verfehlen. In Richter 20:16 wird chatáʼ mit einer Negation gebraucht, um die Benjaminiter zu beschreiben, die ‘aufs Haar genau und ohne zu fehlen mit Steinen schleuderten’. Griechische Schriftsteller verwandten hamartánō oft in Verbindung mit einem Speerwerfer, der sein Ziel verfehlte. Mit diesen beiden Wörtern bezeichnete man nicht nur das Verfehlen oder Nichttreffen eines gegenständlichen Zieles (Hi 5:24), sondern auch das Verfehlen moralischer oder geistiger Ziele. In Sprüche 8:35, 36 heißt es: „Wer mich [die göttliche Weisheit] findet, wird ... Leben finden ... Wer mich aber verfehlt [eine Form von chatáʼ], tut seiner Seele Gewalt an“, und das führt zum Tod. In der Bibel werden sowohl die hebräischen als auch die griechischen Ausdrücke vor allem auf das Sündigen der vernunftbegabten Geschöpfe Gottes angewandt, auf das Verfehlen des Zieles in Bezug auf ihren Schöpfer.
Der Mensch im Vorsatz Gottes. Der Mensch wurde „im Bilde Gottes“ erschaffen (1Mo 1:26, 27). Er, wie alles andere, was Gott erschuf, existierte seines Willens wegen und wurde deshalb erschaffen (Off 4:11). Dass Gott ihm Arbeit zu tun gegeben hatte, zeigte, dass der Mensch Gottes Vorsatz auf der Erde dienen sollte (1Mo 1:28; 2:8, 15). Gemäß den Worten des inspirierten Apostels wurde der Mensch erschaffen, um „Gottes Bild und Herrlichkeit“ zu sein (1Ko 11:7), d. h., die Eigenschaften seines Schöpfers widerzuspiegeln, indem er sich so verhält, dass er Gottes Herrlichkeit widerspiegelt. Als Gottes irdischer Sohn sollte der Mensch seinem himmlischen Vater gleichen oder so sein wie er. Wäre er anders, so wäre das im Widerspruch dazu, dass Gott sein Vater ist, und würde ihn schmähen. (Vgl. Mal 1:6.)
Jesus zeigte das, als er seine Jünger anspornte, den Menschen Güte und Liebe zu erweisen, die die übertreffen, die „Sünder“ bekunden, Personen, von denen man weiß, dass sie sündig handeln. Er sagte, dass sich seine Jünger nur dadurch, dass sie Gottes Barmherzigkeit und Liebe nachahmten, ‘als Söhne ihres Vaters, der in den Himmeln ist, erweisen würden’ (Mat 5:43-48; Luk 6:32-36). Paulus stellt Gottes Herrlichkeit der menschlichen Sünde gegenüber, wenn er sagt: „Denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Rö 3:23; vgl. Rö 1:21-23; Hos 4:7). In 2. Korinther 3:16-18 und 4:1-6 zeigt der Apostel, dass diejenigen, die sich von der Sünde abwenden und zu Jehova umkehren, „mit unverhülltem Angesicht wie Spiegel die Herrlichkeit Jehovas widerstrahlen ... [und] von Herrlichkeit zu Herrlichkeit in dasselbe Bild umgewandelt“ werden, weil die herrliche gute Botschaft über den Christus, der das Bild Gottes ist, zu ihnen hindurchstrahlt. (Vgl. 1Ko 10:31.) Der Apostel Petrus zeigt, was der ausdrückliche Wille Gottes für seine irdischen Diener ist, indem er aus den Hebräischen Schriften zitiert. Er schreibt: „In Übereinstimmung mit dem Heiligen, der euch berufen hat, werdet auch ihr selbst heilig in eurem ganzen Wandel, weil geschrieben steht: ‚Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin‘“ (1Pe 1:15, 16; 3Mo 19:2; 5Mo 18:13).
Die Sünde bewirkt also, dass der Mensch Gottes Herrlichkeit und Gleichnis nicht mehr widerspiegelt; sie entheiligt den Menschen, d. h., sie verunreinigt, beschmutzt oder befleckt ihn in geistiger und moralischer Hinsicht. (Vgl. Jes 6:5-7; Ps 51:1, 2; Hes 37:23; siehe HEILIGKEIT.)
Alle diese Texte betonen somit Gottes ursprünglichen Vorsatz, dass der Mensch in Übereinstimmung mit Gottes Persönlichkeit sein sollte, dass er wie sein Schöpfer sein sollte, ähnlich wie sich ein menschlicher Vater, der seinen Sohn liebt, wünscht, dass der Sohn in Bezug auf die Lebenseinstellung, die Normen des Handelns, die Eigenschaften des Herzens so sei wie er. (Vgl. Spr 3:11, 12; 23:15, 16, 26; Eph 5:1; Heb 12:4-6, 9-11.) Das erfordert notwendigerweise, dass der Mensch dem Willen Gottes gehorcht und sich ihm unterordnet, ob dieser Wille in der Form eines ausdrücklichen Gebotes übermittelt wurde oder nicht. Sünde ist demnach ein moralisches Fehlverhalten, ein Verfehlen des Ziels in allen diesen Aspekten.
Wie die Sünde aufkam. Ehe die Sünde auf der Erde aufkam, wurde im geistigen Bereich gesündigt. Während einer Zeit von unbekannter Dauer war das ganze Universum mit Gott in völliger Harmonie. Disharmonie entstand durch ein Geistgeschöpf, das einfach als Widerstandleistender oder Widersacher bezeichnet wird (hebr. Ssatán; gr. Satanás; Hi 1:6; Rö 16:20), als der führende Falschankläger oder Verleumder (gr. Diábolos) Gottes (Heb 2:14; Off 12:9). Der Apostel Johannes schrieb deshalb: „Wer fortgesetzt Sünde begeht, stammt vom Teufel, denn der Teufel hat von Anfang an gesündigt“ (1Jo 3:8).
Mit dem Ausdruck „von Anfang an“ meinte Johannes eindeutig den Anfang der Gegnerschaft Satans, ebenso wie mit dem Wort „Anfang“ in 1. Johannes 2:7 und 3:11 der Beginn der christlichen Jüngerschaft gemeint ist. Die Worte des Johannes zeigen, dass Satan, nachdem er einmal die Sünde aufgebracht hatte, diesen Weg weiterverfolgte. Darum gibt sich jeder, der „Sünde treibt oder sich damit beschäftigt“, als ein ‘Kind’, ein geistiger Abkömmling, des Widersachers zu erkennen, das die Eigenschaften seines „Vaters“ widerspiegelt (The Expositor’s Greek Testament, herausgegeben von W. R. Nicoll, 1967, Bd. V, S. 185; Joh 8:44; 1Jo 3:10-12).
Da der ‘Geburt der Sünde’ das Nähren einer Begierde bis zu deren Befruchtung vorausgeht (Jak 1:14, 15), war das Geistgeschöpf, das zum Gegner wurde, bereits vor dem eigentlichen Offenbarwerden der Sünde von der Gerechtigkeit abgewichen und hatte eine Abneigung gegen Gott bei sich verspürt.
Auflehnung in Eden. Was Gott Adam und dessen Frau als Ausdruck seines Willens mitteilte, war hauptsächlich positiv, ein Auftrag, den sie ausführen sollten (1Mo 1:26-29; 2:15). Ein Verbot erhielt Adam allerdings, nämlich von dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse nicht zu essen (ja die Frucht nicht einmal anzurühren) (1Mo 2:16, 17; 3:2, 3). Die Art und Weise, wie Gott den Gehorsam und die Ergebenheit des Menschen prüfte, ist beachtenswert, weil dadurch die Würde des Menschen gewahrt wurde. Gott unterstellte Adam nichts Schlechtes; er prüfte ihn zum Beispiel nicht dadurch, dass er ihm verbot, Sodomie zu treiben, zu morden oder sonst eine gemeine oder niederträchtige Tat zu begehen, wodurch er angedeutet hätte, dass Adam irgendwelche verwerfliche Neigungen haben könnte. Zu essen war etwas Normales, Angebrachtes, und Adam war gesagt worden, er könne von allem, was Gott ihm gegeben habe, „bis zur Sättigung essen“ (1Mo 2:16). Doch dann stellte Gott Adam auf die Probe, indem er ihm verbot, von der Frucht dieses einen Baumes zu essen, wodurch das Genießen der Frucht ein Symbol dafür wurde, dass der Essende zu einer Erkenntnis gelangte, die es ihm ermöglichte, selbst zu entscheiden, was für den Menschen „gut“ oder „böse“ ist. Gott erlegte Adam also weder eine schwere Bürde auf, noch mutete er ihm etwas zu, was unter dessen Würde als menschlicher Sohn Gottes gewesen wäre.
Die Frau war der erste Mensch, der sündigte. Die Versuchung, mit der Gottes Widersacher an sie herantrat, wobei er durch eine Schlange zu ihr redete (siehe VOLLKOMMENHEIT [Der erste Sünder und der König von Tyrus]), bestand nicht in einer unverhohlenen Aufforderung zu unsittlichem Handeln, sondern sollte in ihr den Wunsch wecken, auf ein angeblich höheres geistiges Niveau zu gelangen und größere Freiheit zu genießen. Nachdem der Versucher Eva veranlasst hatte, Gottes Gesetz, über das sie zweifellos von ihrem Mann unterrichtet worden war, zu wiederholen, unternahm er einen Angriff auf Gottes Wahrhaftigkeit und Güte. Er behauptete, dass das Essen von der Frucht des verbotenen Baumes nicht zum Tod führe, sondern Erleuchtung mit sich bringe und ihr die Fähigkeit verleihe, wie Gott selbst zu entscheiden, ob etwas gut oder böse sei. Durch diese Behauptung verriet der Versucher, dass sich sein Herz inzwischen seinem Schöpfer völlig entfremdet hatte, denn sie stand in krassem Widerspruch zu dem, was Gott gesagt hatte, und war außerdem eine verschleierte Verleumdung Gottes. Er beschuldigte Gott nicht eines unwissentlichen Irrtums, sondern einer bewussten Falschdarstellung der Dinge, indem er sagte: „Denn Gott weiß ...“ Die Schwere der Sünde und das Verabscheuungswürdige der Unzufriedenheit dieses Geistsohnes zeigten sich in dem Vorgehen, zu dem er sich herabließ, um seine Ziele zu erreichen. Er wurde ein hinterlistiger Lügner und ein von Ehrgeiz getriebener Mörder, denn er wusste offensichtlich, dass das, was er seiner menschlichen Zuhörerin vorschlug, für sie tödliche Folgen haben würde (1Mo 3:1-5; Joh 8:44).
Wie der Bericht zeigt, begann sich in der Frau ein unrechtes Verlangen zu entwickeln. Anstatt mit größtem Abscheu und gerechtem Zorn zu reagieren, als sie hörte, wie die Gerechtigkeit des Gesetzes Gottes infrage gestellt wurde, begann sie den Baum als etwas Begehrenswertes anzusehen. Sie spürte ein Verlangen nach etwas, was eigentlich Jehova Gott, ihrem Souverän, zustand: die Fähigkeit und das Recht zu bestimmen, was für seine Geschöpfe gut oder böse ist. Daher begann sie sich nach den Methoden, Maßstäben und dem Willen des Gegners auszurichten, der dem widersprach, was ihr Schöpfer und ihr von Gott eingesetztes Haupt, ihr Mann (1Ko 11:3), gesagt hatten. Da sie den Worten des Versuchers Vertrauen schenkte, ließ sie sich verführen und aß von der Frucht, wodurch die in ihrem Herzen und in ihrem Sinn geborene Sünde offenbar wurde (1Mo 3:6; 2Ko 11:3; vgl. Jak 1:14, 15; Mat 5:27, 28).
Später nahm auch Adam von der Frucht, als seine Frau ihm davon anbot. Der Apostel Paulus zeigt, dass zwischen der Sünde Adams und der Sünde seiner Frau insofern ein Unterschied bestand, als Adam nicht durch die Propaganda des Versuchers betrogen wurde, also der Behauptung nicht glaubte, man könne ungestraft von der Frucht des Baumes essen (1Ti 2:14). Was ihn zum Essen bewog, muss demnach der Wunsch gewesen sein, seine Frau zu behalten, und so ‘hörte er auf ihre Stimme’ statt auf die Stimme seines Gottes (1Mo 3:6, 17). Er folgte ihrem Weg und entsprach ihrem Willen und dadurch auch dem Willen des Widersachers Gottes. Demzufolge ‘verfehlte er das Ziel’, handelte nicht gemäß Gottes Bild und Gleichnis und strahlte nicht Gottes Herrlichkeit wider, ja er beleidigte seinen himmlischen Vater.
Folgen der Sünde. Die Sünde führte zur Disharmonie zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. Sie beeinträchtigte nicht nur sein Verhältnis zu Gott, sondern auch sein Verhältnis zur übrigen Schöpfung Gottes, ja sie schädigte sogar ihn selbst – seinen Sinn, sein Herz und seinen Körper. Sie brachte großes Unheil über die ganze Menschheit.
Diese Disharmonie zeigte sich in dem unmittelbaren Verhalten der beiden Menschen. Das Bedecken gewisser Teile ihres von Gott erschaffenen Körpers und der spätere Versuch, sich vor Gott zu verstecken, waren offenkundige Beweise für die Entfremdung, die in ihrem Sinn und ihrem Herzen vor sich gegangen war (1Mo 3:7, 8). Die Sünde erweckte in ihnen Schuldgefühle, Angst, Unsicherheit und Scham. Das veranschaulicht, was der Apostel Paulus meinte, als er gemäß Römer 2:15 schrieb, dass Gottes Gesetz ‘ins Herz des Menschen geschrieben sei’. Eine Verletzung dieses Gesetzes löste daher im Inneren des Menschen einen Aufruhr aus; sein Gewissen klagte ihn wegen seiner Sünde an. Er hatte so etwas wie einen eingebauten Lügendetektor, der es ihm unmöglich machte, seine Sündhaftigkeit vor seinem Schöpfer zu verbergen. Gott reagierte auf den Versuch des Menschen, seine veränderte Haltung gegenüber seinem himmlischen Vater zu entschuldigen, unverzüglich mit der Frage: „Hast du von dem Baum gegessen, von dem nicht zu essen ich dir geboten hatte?“ (1Mo 3:9-11).
Um sich selbst treu zu bleiben und im Interesse der übrigen Mitglieder seiner universellen Familie konnte Jehova Gott eine solch sündige Handlungsweise nicht dulden – weder vonseiten seiner menschlichen Geschöpfe noch vonseiten des Geistsohnes, der zum Rebellen geworden war. Er bewahrte seine Heiligkeit und verhängte mit Recht das Todesurteil über sie alle. Das Menschenpaar wurde dann aus Gottes Garten in Eden vertrieben und hatte so keinen Zugang mehr zu dem anderen Baum, den Gott als den „Baum des Lebens“ bezeichnet hatte (1Mo 3:14-24).
Auswirkungen auf die gesamte Menschheit. In Römer 5:12 heißt es: „Darum, so wie durch e i n e n Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und sich so der Tod zu allen Menschen verbreitet hat, weil sie alle gesündigt hatten ...“ (Vgl. 1Jo 1:8-10.) Einige haben erklärt, das bedeute, dass alle künftigen Nachkommen Adams teilhatten an Adams erster Sünde, weil er sie als ihr Familienoberhaupt vertrat und sie dadurch in Wirklichkeit zu Teilhabern an seiner Sünde machte. Der Apostel sagt jedoch, dass der Tod sich zu allen Menschen „verbreitet“ habe, was auf eine fortschreitende und nicht auf eine gleichzeitige Wirkung auf die Nachkommen Adams hindeutet.
Der Apostel fügt dann noch hinzu, dass der Tod „von Adam bis auf Moses [als König regierte], sogar über die, die nicht nach der Gleichheit der Übertretung Adams gesündigt hatten“ (Rö 5:14). Adams Sünde wurde zu Recht „Übertretung“ genannt, da es sich dabei um eine Übertretung eines Gesetzes Gottes, eines an ihn ergangenen ausdrücklichen Befehls, handelte. Auch sündigte Adam aus eigener freier Entscheidung, als vollkommener Mensch, der fehlerfrei war. Seine Nachkommen erfreuten sich offensichtlich niemals jenes Zustandes der Vollkommenheit. Das alles scheint der Ansicht zu widersprechen, dass zu dem Zeitpunkt, als Adam sündigte, alle seine noch ungeborenen Nachkommen mit ihm gesündigt hätten. Könnten alle Nachkommen Adams für seine Sünde mitverantwortlich gemacht werden, dann hätten sie irgendwie die Möglichkeit gehabt haben müssen, ihn sich selbst zum Familienoberhaupt zu wählen. Doch keiner von ihnen wurde auf eigenen Wunsch ein Nachkomme Adams; sie wurden alle zufolge des Willens ihrer Eltern als solche geboren (Joh 1:13).
Die Tatsachen sprechen also dafür, dass die Übertragung der Sünde von Adam auf die nachfolgenden Generationen auf die anerkannten Vererbungsgesetze zurückzuführen ist. Darauf nimmt der Psalmist offenbar Bezug, wenn er sagt: „In Vergehen wurde ich unter Geburtsschmerzen hervorgebracht, und in Sünde empfing mich meine Mutter“ (Ps 51:5). Die Sünde mit ihren Folgen kam in die Welt und hat sich zu allen Menschen verbreitet, nicht weil Adam das Haupt der Menschheitsfamilie war, sondern weil er ihr Vorvater oder ihr menschlicher Lebengeber war, nicht Eva. Von ihm sowie von Eva würden seine Nachkommen zwangsläufig nicht nur körperliche Merkmale erben, sondern auch Charaktereigenschaften wie die Neigung zur Sünde. (Vgl. 1Ko 15:22, 48, 49.)
Paulus kam ebenfalls zu diesem Schluss, denn er sagte: „So, wie durch den Ungehorsam des e i n e n Menschen [Adam] viele zu Sündern gemacht wurden, so werden auch durch den Gehorsam des e i n e n [Christus Jesus] viele zu Gerechten gemacht werden“ (Rö 5:19). Diejenigen, die durch den Gehorsam Christi „zu Gerechten gemacht“ werden sollten, wurden nicht alle auf einmal – in dem Moment, als Christus sein Loskaufsopfer Gott darbrachte – zu Gerechten gemacht, sondern der Nutzen dieses Opfers wurde im Lauf der Zeit jeweils denen zuteil, die an diese Vorkehrung glaubten und mit Gott versöhnt wurden (Joh 3:36; Apg 3:19). Ebenso wurde eine Generation der Nachkommen Adams nach der anderen zu Sündern gemacht, da sie von ihren mit Sünde behafteten Eltern, die von Adam abstammten, hervorgebracht wurden.
Die Macht und der Lohn der Sünde. „Der Lohn, den die Sünde zahlt, ist der Tod“ (Rö 6:23), und durch die Geburt als Nachkommen Adams stehen alle Menschen unter dem „Gesetz der Sünde und des Todes“ (Rö 8:2; 1Ko 15:21, 22). Die Sünde hat mit dem Tod „als König“ über sie regiert; sie gerieten in eine Sklaverei, in die sie durch Adam verkauft worden waren (Rö 5:17, 21; 6:6, 17; 7:14; Joh 8:34). Diese Darlegungen zeigen, dass unter Sünde nicht nur das Begehen (oder Unterlassen) gewisser Handlungen zu verstehen ist, sondern auch ein Gesetz, ein Leitsatz oder eine Kraft, die in den Menschen wirkt, nämlich die von Adam geerbte Neigung zum Unrechttun. Dieses adamische Erbe hat die ‘Schwachheit des Fleisches’, die Unvollkommenheit, hervorgerufen (Rö 6:19). Das „Gesetz“ der Sünde wirkt ständig in ihren Gliedern, es versucht, die Handlungsweise der Menschen zu beherrschen, sie sich gefügig zu machen, sodass sie kein harmonisches Verhältnis zu Gott haben können (Rö 7:15, 17, 18, 20-23; Eph 2:1-3).
Der „König“ Sünde mag seine „Befehle“ verschiedenen Personen auf verschiedene Weise und zu verschiedenen Zeiten geben. So sagte Gott warnend zu Kain, dem ersten Sohn Adams, als er bemerkte, wie zornig er auf seinen Bruder Abel war, er solle darangehen, gut zu handeln, und erklärte: „Die Sünde [kauert] am Eingang, und nach dir steht ihr tiefes Verlangen; und wirst du, ja du, die Herrschaft über sie erlangen?“ Kain ließ sich jedoch von der Sünde des Neides und des Hasses beherrschen, was ihn veranlasste zu morden (1Mo 4:3-8; vgl. 1Sa 15:23).
Krankheit, Schmerz und Altern. Der Tod des Menschen ist gewöhnlich auf Krankheit oder das Altern zurückzuführen, was darauf schließen lässt, dass es sich dabei um Begleiterscheinungen der Sünde handelt. Unter dem mosaischen Gesetz oder dem Gesetzesbund mit Israel gehörte zu den Sündopfern eines, das dargebracht werden musste, um für Personen, die an Aussatz gelitten hatten, Sühne zu leisten (3Mo 14:2, 19). Wer die Leiche eines Menschen berührt oder auch nur das Zelt, in dem jemand gestorben war, betreten hatte, wurde unrein und musste sich einer zeremoniellen Reinigung unterziehen (4Mo 19:11-19; vgl. 4Mo 31:19, 20). Jesus brachte Krankheiten ebenfalls mit Sünde in Verbindung (Mat 9:2-7; Joh 5:5-15), zeigte aber auch, dass gewisse Leiden nicht unbedingt die Folgen bestimmter sündiger Handlungen sind (Joh 9:2, 3). Aus anderen Texten geht hervor, dass sich gerechtes Handeln (das Gegenteil von Sündigen) vorteilhaft auf die Gesundheit auswirkt (Spr 3:7, 8; 4:20-22; 14:30). Unter der Regierung Christi wird nicht nur dem mit der Sünde regierenden Tod (Rö 5:21), sondern auch allen Schmerzen ein Ende gemacht (1Ko 15:25, 26; Off 21:4).
Sünde und Gesetz. Der Apostel Johannes schrieb: „Jeder, der Sünde treibt, treibt auch Gesetzlosigkeit, und so ist Sünde Gesetzlosigkeit“ (1Jo 3:4) und ferner: „Jede Ungerechtigkeit ist Sünde“ (1Jo 5:17). Der Apostel Paulus sprach andererseits von denen, „die ohne Gesetz gesündigt haben“. Des Weiteren erklärte er: „Bis zum GESETZ [das durch Moses übermittelt worden war] war Sünde in der Welt, doch wird Sünde niemandem zugerechnet, wenn kein Gesetz da ist. Nichtsdestoweniger regierte der Tod als König von Adam bis auf Moses, sogar über die, die nicht nach der Gleichheit der Übertretung Adams gesündigt hatten“ (Rö 2:12; 5:13, 14). Die Worte des Paulus müssen im Zusammenhang betrachtet werden, damit man sie versteht. In seinen früheren Darlegungen in diesem Brief an die Römer zog er einen Vergleich zwischen denen, die unter dem Gesetzesbund standen, und denen, die ihm nicht unterworfen waren und somit nicht unter dessen Gesetz standen, zeigte aber gleichzeitig, dass beide Gruppen der Sünde unterworfen waren (Rö 3:9).
In den ungefähr 2500 Jahren zwischen Adams Ungehorsam und der Einführung des Gesetzesbundes im Jahr 1513 v. u. Z. hatte Gott den Menschen weder eine umfassende Gesetzessammlung noch ein systematisch angeordnetes Gefüge von Rechtssätzen gegeben, das den Begriff Sünde in all ihren Formen und Konsequenzen definierte. Er hatte zwar gewisse Gebote gegeben wie die, die Noah nach der Sintflut erhielt (1Mo 9:1-7), und den Bund der Beschneidung, den er mit Abraham und dessen Hausgenossen einschließlich seiner ausländischen Sklaven schloss (1Mo 17:9-14). Von Israel aber konnte der Psalmist sagen: „Er [Gott] tut sein Wort Jakob kund, seine Bestimmungen und seine richterlichen Entscheidungen Israel. Er hat keiner anderen Nation so getan; und was seine richterlichen Entscheidungen betrifft, sie haben sie nicht gekannt“ (Ps 147:19, 20; vgl. 2Mo 19:5, 6; 5Mo 4:8; 7:6, 11). Über den Gesetzesbund mit Israel konnte gesagt werden, „dass der Mensch, der die Gerechtigkeit des GESETZES getan hat, durch sie leben wird“, denn nur ein sündloser Mensch – wie Christus Jesus – konnte dieses Gesetz vollkommen halten und danach leben (Rö 10:5; Mat 5:17; Joh 8:46; Heb 4:15; 7:26; 1Pe 2:22). Das traf auf keines der Gesetze zu, die von der Zeit Adams an bis zur Einführung des Gesetzesbundes erlassen worden waren.
„Von Natur aus die Dinge des Gesetzes tun“. Das heißt nicht, dass die Menschen, die in dem Zeitraum zwischen Adam und Moses lebten, frei von Sünden gewesen wären, weil es keine umfassende Gesetzessammlung gab, an der ihr Verhalten hätte beurteilt werden können. Paulus schrieb gemäß Römer 2:14, 15: „Denn wenn immer Menschen von den Nationen, die ohne Gesetz sind, von Natur aus die Dinge des Gesetzes tun, so sind diese Menschen, obwohl sie ohne Gesetz sind, sich selbst ein Gesetz. Sie zeigen ja, dass ihnen der Inhalt des Gesetzes ins Herz geschrieben ist, wobei ihr Gewissen mitzeugt und sie inmitten ihrer eigenen Gedanken angeklagt oder auch entschuldigt werden.“ Da der Mensch ursprünglich in Gottes Bild und Gleichnis erschaffen wurde, hat er ein Sittlichkeitsempfinden, das die Voraussetzung für das Gewissen ist. Selbst bei unvollkommenen, sündigen Menschen ist noch ein gewisses Maß davon vorhanden, wie das aus den Worten des Paulus hervorgeht. (Siehe GEWISSEN.) Da ein Gesetz im Wesentlichen eine Vorschrift für bestimmtes Handeln ist, wirkt dieses Sittlichkeitsempfinden in ihrem Herzen wie ein Gesetz. Doch diesem Gesetz ihres Sittlichkeitsempfindens steht ein anderes vererbtes Gesetz gegenüber, nämlich „das Gesetz der Sünde“, das gerechten Neigungen widerstreitet und die, die sich seiner Herrschaft nicht widersetzen, zu Sklaven macht (Rö 6:12; 7:22, 23).
Dieses Sittlichkeitsempfinden und das damit verbundene Gewissen waren sogar bei Kain festzustellen. Durch die ausweichende Antwort, die er Gott gab, nachdem er Abel ermordet hatte, bewies er, dass sein Gewissen ihn verurteilte, obwohl Gott den Menschen noch kein Gesetz über Tötung gegeben hatte (1Mo 4:8, 9). Der Hebräer Joseph gab zu erkennen, dass ihm Gottes ‘Gesetz ins Herz geschrieben war’, als er die verführerische Bitte der Frau Potiphars mit den Worten ablehnte: „Wie ... könnte ich diese große Schlechtigkeit begehen und in Wirklichkeit gegen Gott sündigen?“ Obwohl Gott Ehebruch noch nicht ausdrücklich verurteilt hatte, erkannte Joseph, dass eine solche Handlung ein Unrecht wäre, ein Verstoß gegen den Willen Gottes für den Menschen, wie er in Eden geäußert wurde (1Mo 39:7-9; vgl. 1Mo 2:24).
Wie die Bibel zeigt, sprachen in der patriarchalischen Zeit (von Abraham bis zu den 12 Söhnen Jakobs) die Angehörigen vieler Stämme und Völker von „Sünde“ (chattáʼth), z. B. von Sünden gegen einen Arbeitgeber (1Mo 31:36), gegen den Herrscher, dem man untertan ist (1Mo 40:1; 41:9), gegen einen Verwandten (1Mo 42:22; 43:9; 50:17) oder einfach gegen einen Mitmenschen (1Mo 20:9). In jedem Fall erkannte derjenige, der diesen Ausdruck gebrauchte, dadurch an, dass er zu der Person, gegen die er sich versündigt hatte oder sich hätte versündigen können, in einem gewissen Verhältnis stand und deshalb verpflichtet war, deren Interessen oder deren Willen und Autorität – wie im Fall eines Herrschers – zu respektieren und nichts zu tun, was dagegen verstoßen hätte. Dadurch bewies er, dass er ein Sittlichkeitsempfinden hatte. Mit der Zeit gewann aber die Sünde immer mehr die Oberhand über diejenigen, die Gott nicht dienten, sodass Paulus von den Angehörigen der Nationen sagen konnte: „[Sie wandeln] in geistiger Finsternis und [sind] dem Leben, das Gott gehört, entfremdet ... sie [haben] jedes sittliche Gefühl verloren“ (Eph 4:17-19).
Wie die Sünde durch das Gesetz „überströmte“. Der Mensch hat zwar durch sein Gewissen von Natur aus einen gewissen Sinn für Recht und Unrecht; als aber Gott mit Israel den Gesetzesbund schloss, identifizierte er die verschiedenen Erscheinungsformen der Sünde. Dadurch wurde der Mund eines jeden, der von Gottes Freunden Abraham, Isaak und Jakob abstammte und der behaupten mochte, von Sünde völlig frei zu sein, „gestopft und die ganze Welt vor Gott straffällig“. Wegen der Unvollkommenheit, die sie von Adam geerbt hatten, konnten sie unmöglich durch Gesetzeswerke vor Gott gerechtgesprochen werden, „denn durch Gesetz kommt die genaue Erkenntnis der Sünde“ (Rö 3:19, 20; Gal 2:16). Da das Gesetz ausdrücklich sagte, was alles unter den Begriff Sünde fiel, bewirkte es, dass Übertretung und Sünde gewissermaßen ‘überströmten’; denn nun konnten viele Handlungen und sogar Einstellungen als sündig erkannt werden (Rö 5:20; 7:7, 8; Gal 3:19; vgl. Ps 40:12). Die darin vorgeschriebenen Opfer erinnerten die unter diesem Gesetz Stehenden immer wieder an ihren sündigen Zustand (Heb 10:1-4, 11). Dadurch wurde das Gesetz ihr Erzieher, der sie zu Christus führen sollte, damit sie „zufolge des Glaubens gerechtgesprochen werden könnten“ (Gal 3:22-25).
Wie konnte die Sünde durch Gottes Gebot, das er Israel gab, ‘einen Anlass erhalten’?
Der Apostel Paulus wies darauf hin, dass die Menschen nicht durch das mosaische Gesetz einen gerechten Stand vor Jehova Gott erlangen könnten, indem er schrieb: „Als wir mit dem Fleisch in Übereinstimmung waren, waren die sündigen Leidenschaften, die durch das GESETZ erregt wurden, in unseren Gliedern wirksam, damit wir für den Tod Frucht brächten. ... Was sollen wir also sagen? Ist das GESETZ Sünde? Dazu komme es nie! Tatsächlich hätte ich die Sünde nicht kennengelernt, wenn nicht das GESETZ gewesen wäre; und ich hätte zum Beispiel die Begierde nicht erkannt, wenn das GESETZ nicht gesagt hätte: ‚Du sollst nicht begehren.‘ Die Sünde aber, die durch das Gebot Anlass erhielt, bewirkte in mir jederlei Begierde, denn ohne Gesetz war die Sünde tot“ (Rö 7:5-8).
Ohne das Gesetz hätte der Apostel Paulus die volle Reichweite oder das Ausmaß der Sünde – beispielsweise die Sünde der Begierde – nicht kennengelernt oder erkannt. Wie der Apostel schreibt, „erregte“ das Gesetz sündige Leidenschaften, und das Gebot, dass man nicht begehren sollte, war ein „Anlass“ zur Sünde. Das sollte im Licht der Worte des Paulus verstanden werden: „Ohne Gesetz war die Sünde tot.“ Solange die Sünde nicht speziell definiert worden war und es kein Gesetz gab, konnte niemand beschuldigt werden, Sünden begangen zu haben. Ehe das Gesetz kam, hatten Paulus und andere seines Volkes gelebt, ohne wegen Sünden verurteilt worden zu sein, wegen Sünden, die nicht einzeln spezifiziert worden waren. Als jedoch das Gesetz eingeführt wurde, wurden Paulus und seine Landsleute als Sünder bezeichnet, die unter dem Todesurteil standen. Das Gesetz brachte ihnen deutlicher zum Bewusstsein, dass sie Sünder waren. Das bedeutet nicht, dass das mosaische Gesetz sie veranlasste zu sündigen, aber es enthüllte, dass sie Sünder waren. Auf diese Weise erhielt die Sünde durch das Gesetz Anlass und bewirkte in Paulus und seinem Volk Sünde. Das Gesetz lieferte die Grundlage dafür, dass mehr Personen aufgrund von Sünden und vieler weiterer rechtlicher Punkte verurteilt werden konnten.
Die Frage „Ist das GESETZ Sünde?“ muss demnach entschieden verneint werden (Rö 7:7). Das Gesetz verfehlte nicht das Ziel, indem es den Zweck nicht erfüllt hätte, zu dem Gott es gab, sondern es war sozusagen ein „Volltreffer“, nicht nur, indem es gut und nützlich war als schützende Richtschnur, sondern auch, weil es rechtlich festlegte, dass alle Personen, die Israeliten nicht ausgenommen, Sünder waren und von Gott erlöst werden mussten. Es wies die Israeliten auch auf Christus als den benötigten Erlöser hin.
Vergehen, Übertretungen, Verfehlungen. Die Bibel bringt häufig „Vergehen“ (hebr. ʽawón), „Übertretung“ (hebr. péschaʽ; gr. parábasis), „Verfehlung“ (gr. paráptōma) und andere ähnliche Ausdrücke mit „Sünde“ (hebr. chattáʼth; gr. hamartía) in Verbindung. Alle diese verwandten Ausdrücke bezeichnen spezielle Aspekte oder Formen der Sünde.
Vergehen, Versehen und Torheit. Das hebräische Wort ʽawón bedeutet im Wesentlichen Vergehen, verkehrtes oder unrechtes Handeln. Es bezieht sich auf ein sittliches Vergehen oder Unrecht, auf ein Verdrehen dessen, was recht ist (Hi 10:6, 14, 15). Wer sich dem Willen Gottes nicht unterordnet, lässt sich offensichtlich nicht von Gottes vollkommener Weisheit und Gerechtigkeit leiten und wird daher unweigerlich fehlgehen. (Vgl. Jes 59:1-3; Jer 14:10; Php 2:15.) Zweifellos ist der Umstand, dass die Sünde den Menschen aus dem Gleichgewicht bringt, dass er das, was gerade ist, verdreht (Hi 33:27; Hab 1:4), der Grund, weshalb ʽawón am häufigsten in Verbindung oder parallel mit chattáʼth (Sünde, Verfehlen des Ziels) gebraucht wird (2Mo 34:9; 5Mo 19:15; Ne 4:5; Ps 32:5; 85:2; Jes 27:9). Dieses gestörte Gleichgewicht ruft im Innern eines Menschen Verwirrung und Disharmonie hervor und führt zu Schwierigkeiten in seinem Verhältnis zu Gott und zu Gottes übriger Schöpfung.
Das „Vergehen“ (ʽawón) kann absichtlich oder unabsichtlich sein; es kann ein bewusstes Abweichen von dem sein, was recht ist, oder eine unwissentlich begangene falsche Handlung, ein „Versehen“ (scheghagháh), durch das man sich dennoch vor Gott schuldig macht (3Mo 4:13-35; 5:1-6, 14-19; 4Mo 15:22-29; Ps 19:12, 13). Ein absichtliches Vergehen hat natürlich weit schwerwiegendere Folgen als ein unabsichtliches (4Mo 15:30, 31; vgl. Klg 4:6, 13, 22). Das Vergehen steht im Widerspruch zur Wahrheit, und wer willentlich sündigt, verdreht die Wahrheit, und das führt zu noch größerer Sünde. (Vgl. Jes 5:18-23.) Der Apostel Paulus erwähnt „die trügerische Macht der Sünde“, durch die das Menschenherz verhärtet wird (Heb 3:13-15; vgl. 2Mo 9:27, 34, 35). Derselbe Schreiber zitiert in Hebräer 8:12 und Hebräer 10:17 aus Jeremia 31:34, wo im Hebräischen von Israels „Vergehung“ und „Sünde“ die Rede ist, und gebraucht dabei die Ausdrücke hamartía (Sünde) und adikía (Ungerechtigkeit) bzw. hamartía und anomía (Gesetzlosigkeit).
In Sprüche 24:9 heißt es: „Die Zügellosigkeit der Torheit ist Sünde“, und hebräische Ausdrücke, die den Gedanken der Torheit vermitteln, werden oft in Verbindung mit Sündigen gebraucht; in einigen Fällen sagte der Sünder sogar reumütig: „Ich habe töricht gehandelt“ (1Sa 26:21; 2Sa 24:10, 17). Der Sünder, der von Gott nicht bestraft wird, verstrickt sich in seinen Vergehungen und gerät in seiner Torheit auf Abwege (Spr 5:22, 23; vgl. 19:3).
Übertretung, ein „Überschreiten“. Sünde kann die Form einer „Übertretung“ annehmen. Das griechische Wort parábasis (Übertretung) bezieht sich im Wesentlichen auf ein „Überschreiten“ gewisser Schranken oder Grenzen, besonders auf einen Verstoß gegen das Gesetz. Matthäus gebrauchte die Verbform parabáinō in seinem Bericht über das Gespräch, in dem die Pharisäer und Schriftgelehrten Jesus fragten, warum seine Jünger ‘die Überlieferung der Männer früherer Zeiten übertreten würden’, und Jesus ihnen die Gegenfrage stellte, weshalb sie (seine Gegner) ‘das Gebot Gottes um ihrer Überlieferung willen übertreten würden’, wodurch sie das Wort Gottes ungültig machten (Mat 15:1-6). Das Wort kann auch „zur Seite treten“ bedeuten, wie bei Judas, der von seinem Dienst und seinem Apostelamt „abgewichen“ war (Apg 1:25). In einigen griechischen Texten wird dieses Verb auch auf jemand angewandt, der „darüber hinausgeht und nicht in der Lehre Christi verbleibt“ (2Jo 9, Me).
Ähnliche Ausdrücke werden in den Hebräischen Schriften auf die Sünden von Personen angewandt, die sich über Gottes Bund oder seine ausdrücklichen Befehle ‘hinwegsetzten’, sie ‘übertraten’ oder ‘umgingen’ (hebr. ʽavár) (4Mo 14:41; 5Mo 17:2, 3; Jos 7:11, 15; 1Sa 15:24; Jes 24:5; Jer 34:18).
Mit den Worten „Wo es kein Gesetz gibt, da gibt es auch keine Übertretung“ weist der Apostel Paulus auf die besondere Verbindung zwischen parábasis und der Verletzung des bestehenden Rechts hin (Rö 4:15). Wenn also kein Gesetz vorhanden wäre, würde der Sünder nicht als „Übertreter“ bezeichnet. Dementsprechend gebrauchen Paulus und die anderen Schreiber der Christlichen Schriften parábasis (und parabátēs, „Übertreter“) in Verbindung mit dem Gesetz. (Vgl. Rö 2:23-27; Gal 2:16, 18; 3:19; Jak 2:9, 11.) Da Adam das Gebot direkt von Gott erhalten hatte, machte er sich der „Übertretung“ eines erlassenen Gesetzes schuldig. Seine Frau wurde zwar betrogen, aber auch sie machte sich der Gesetzesübertretung schuldig (1Ti 2:14). Der Gesetzesbund, der Moses durch Engel übermittelt worden war, wurde dem abrahamischen Bund hinzugefügt, „um Übertretungen offenbar zu machen“ und um „alle Dinge zusammen dem Gewahrsam der Sünde [zu] übergeben“, d. h., um alle Nachkommen Adams – auch die Israeliten – der Sünde zu überführen und zu beweisen, dass sie alle der Vergebung und der Rettung bedurften, nämlich durch den Glauben an Christus Jesus (Gal 3:19-22). Hätte sich Paulus also wieder dem mosaischen Gesetz unterstellt, so hätte er sich erneut zu einem „Übertreter“ dieses Gesetzes gemacht, wäre davon verurteilt worden und hätte so die unverdiente Güte Gottes beiseitegesetzt, die eine Erlösung von dieser Verurteilung ermöglichte (Gal 2:18-21; vgl. 3:1-4, 10).
Das hebräische Wort péschaʽ vermittelt nicht nur den Gedanken der Übertretung (Ps 51:3; Jes 43:25-27; Jer 33:8), sondern bedeutet auch „Auflehnung“, d. h. ein Sichabwenden vom Gesetz oder von der Autorität einer Person oder deren Ablehnung (1Sa 24:11; Hi 13:23, 24; 34:37; Jes 59:12, 13). Eine absichtliche Übertretung wird also zur Auflehnung gegen Gottes väterliche Herrschaft und Autorität. Der Wille des Geschöpfes wird dadurch über den Willen des Schöpfers gestellt, was einer Auflehnung gegen Gottes Souveränität, seine Oberherrschaft, gleichkommt.
Verfehlung. Das griechische Wort paráptōma bedeutet wörtlich „[ein] Danebenfallen“, „Fehltritt“ (Rö 11:11, 12) oder „grober Fehler“, „Verfehlung“ (Eph 1:7; Kol 2:13). Adams Sünde – das Essen der verbotenen Frucht – war eine „Übertretung“, da er dadurch Gottes Gesetz übertrat; sie war eine „Verfehlung“, weil er fiel oder einen Fehltritt beging, statt in Einklang mit Gottes gerechten Forderungen zu stehen oder aufrecht zu wandeln und Gottes Autorität zu unterstützen. Die vielen Satzungen und Forderungen des Gesetzesbundes brachten es mit sich, dass es unter denen, die ihm unterworfen waren, wegen ihrer Unvollkommenheit zu unzähligen solchen Verfehlungen kam (Rö 5:20); die Nation Israel als Ganzes verfehlte, diesen Bund zu halten (Rö 11:11, 12). Da die verschiedenen Satzungen dieses Gesetzes zu einem einzigen Bund gehörten, machte sich jemand, der in einem einzigen Punkt einen „Fehltritt“ tat, zu einem ‘Übertreter’ des ganzen Bundes und somit all seiner Satzungen (Jak 2:10, 11).
„Sünder“. Da es ‘keinen Menschen gibt, der nicht sündigt’ (2Ch 6:36), kann von allen Nachkommen Adams mit Recht gesagt werden, sie seien von Natur aus „Sünder“. In der Bibel wird aber das Wort „Sünder“ gewöhnlich in einem spezielleren Sinn gebraucht, nämlich für Personen, die Sünde treiben oder die wegen ihres sündhaften Lebens in der Öffentlichkeit als Sünder bekannt sind (Luk 7:37-39). Die Amalekiter, die Saul auf Jehovas Befehl vernichten sollte, wurden als „Sünder“ bezeichnet (1Sa 15:18). Der Psalmist betete, Gott möge seine Seele „nicht mit Sündern“ hinwegnehmen, „mit blutschuldigen Menschen, an deren Händen Zügellosigkeit haftet und deren Rechte voll Bestechung ist“ (Ps 26:9, 10; vgl. Spr 1:10-19). Geistliche Führer verurteilten Jesus, weil er mit „Steuereinnehmern und Sündern“ verkehrte, denn die Juden betrachteten die Steuereinnehmer im Allgemeinen als eine verrufene Bevölkerungsschicht (Mat 9:10, 11). Jesus sagte aber, dass diese und die Huren vor den geistlichen Führern der Juden in das Königreich eingehen würden (Mat 21:31, 32). Zachäus, ein Steuereinnehmer, der in den Augen vieler ein „Sünder“ war, gab zu, von anderen Geld erpresst zu haben (Luk 19:7, 8).
Als Jesus sagte, dass „im Himmel mehr Freude über einen einzigen Sünder sein wird, der bereut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Reue nicht bedürfen“, war das offensichtlich in einem relativen Sinn zu verstehen (siehe GERECHTIGKEIT [Güte und Gerechtigkeit]), denn alle Menschen sind von Natur aus Sünder, kein Einziger ist in absolutem Sinn gerecht (Luk 15:7, 10; vgl. Luk 5:32; 13:2; siehe GERECHTSPRECHEN).
Verschiedene Schweregrade von Sünden. Sünde ist Sünde, und in jedem Fall würde der Schuldige den „Lohn“ der Sünde, den Tod, verdienen, aber die Bibel zeigt, dass es in Gottes Augen verschiedene Schweregrade von Sünden gibt. Die Männer von Sodom z. B. waren „arge Sünder gegen Jehova“, und ihre Sünde war „sehr schwer“ (1Mo 13:13; 18:20; vgl. 2Ti 3:6, 7). Das Herstellen des Goldenen Kalbes durch die Israeliten wurde ebenfalls als eine ‘große Sünde’ bezeichnet (2Mo 32:30, 31), und Jerobeam veranlasste durch die Kälberanbetung die Bewohner des Nordreiches, „mit einer großen Sünde zu sündigen“ (2Kö 17:16, 21). Die Sünde Judas wurde „gleich derjenigen Sodoms“ und machte das Königreich Juda in Gottes Augen zu etwas Verabscheuungswürdigem (Jes 1:4, 10; 3:9; Klg 1:8; 4:6). Durch eine solche Missachtung des Willens Gottes kann sogar jemandes Gebet zur Sünde werden (Ps 109:7, 8, 14). Da Sünde eine Beleidigung der Person Gottes ist, geht er nicht einfach darüber hinweg, und je schwerer eine Sünde ist, desto größer wird verständlicherweise sein Unwille und sein Zorn (Rö 1:18; 5Mo 29:22-28; Hi 42:7; Ps 21:8, 9). Er gerät aber nicht nur in Zorn, wenn es um seine eigene Person geht, sondern auch, wenn Menschen, besonders seinen treuen Dienern, Schaden oder Unrecht zugefügt wird (Jes 10:1-4; Mal 2:13-16; 2Th 1:6-10).
Menschliche Schwachheit und Unwissenheit. Jehova berücksichtigt die Schwachheit der von Adam abstammenden unvollkommenen Menschen, sodass diejenigen, die ihn aufrichtig suchen, sagen können: „Er hat uns selbst nicht nach unseren Sünden getan; noch hat er nach unseren Vergehungen das auf uns gebracht, was wir verdienen.“ Wie die Bibel zeigt, hat Gott mit der Menschheit viel Geduld gehabt und ihm auf wunderbare Weise Erbarmungen und liebende Güte erwiesen (Ps 103:2, 3, 10-18). Er berücksichtigt auch Unwissenheit als mitbestimmenden Faktor bei Sünden (1Ti 1:13; vgl. Luk 12:47, 48), sofern diese Unwissenheit nicht selbst verschuldet ist. Wer die von Gott angebotene Erkenntnis und Weisheit willentlich ablehnt und „an Ungerechtigkeit Gefallen“ hat, wird nicht entschuldigt (2Th 2:9-12; Spr 1:22-33; Hos 4:6-8). Einige sind vorübergehend von der Wahrheit weg in die Irre geführt worden, haben sich aber zur Umkehr verhelfen lassen (Jak 5:19, 20). Andere dagegen ‘verschließen ihre Augen vor dem Licht und vergessen die Reinigung von ihren früheren Sünden’ (2Pe 1:9).
Was ist unvergebbare Sünde?
Erkenntnis bringt größere Verantwortung mit sich. Die Sünde des Pilatus war nicht so groß wie die der geistlichen Führer der Juden, die Jesus dem Statthalter überliefert hatten, und auch nicht so groß wie die des Judas, der seinen Herrn verraten hatte (Joh 19:11; 17:12). Jesus erklärte den damaligen Pharisäern, sie hätten keine Sünde, wenn sie blind wären, womit er offensichtlich meinte, dass Gott ihnen ihre Sünden aufgrund ihrer Unwissenheit hätte vergeben können; da sie aber vorgaben, nicht unwissend zu sein, ‘blieb ihre Sünde’ (Joh 9:39-41). Jesus sagte, dass sie „keine Entschuldigung für ihre Sünde“ hätten, weil sie Zeugen der machtvollen Worte und der Machttaten seien, die er aufgrund des auf ihm ruhenden Geistes Gottes vollbringe (Joh 15:22-24; Luk 4:18). Wer den dadurch geoffenbarten Geist Gottes willentlich und wissentlich durch Worte oder Taten lästerte, machte sich „ewiger Sünde“ schuldig, einer Sünde, die niemals vergeben wird (Mat 12:31, 32; Mar 3:28-30; vgl. Joh 15:26; 16:7, 8). Das könnte auf einige zutreffen, die Christen geworden waren und sich dann willentlich von Gottes reiner Anbetung abwandten. In Hebräer 10:26, 27 heißt es: „Wenn wir willentlich Sünde treiben, nachdem wir die genaue Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, so bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig, wohl aber ein gewisses furchtvolles Erwarten des Gerichts und eine feurige Eifersucht, die die Gegner verzehren wird.“
In 1. Johannes 5:16, 17 weist Johannes offensichtlich auf willentliche, wissentliche Sünder hin, denn er erwähnt „eine Sünde, die den Tod nach sich zieht“, und stellt sie einer Sünde gegenüber, die nicht den Tod nach sich zieht. (Vgl. 4Mo 15:30.) Ein Christ würde für jemand, der nachweislich eine solch willentliche, wissentliche Sünde begangen hat, nicht beten. Natürlich ist Gott der Richter, der die Herzenseinstellung des Sünders endgültig beurteilt. (Vgl. Jer 7:16; Mat 5:44; Apg 7:60.)
Einzelne Sünde und gewohnheitsmäßige Sünde. Johannes macht auch einen Unterschied zwischen einer einzelnen Sünde und dem gewohnheitsmäßigen Sündigen, wie das aus einem Vergleich von 1. Johannes 2:1 mit 3:4-8 nach der Neuen-Welt-Übersetzung hervorgeht. Dass die Wiedergabe: „Jeder, der Sünde treibt [poiṓn tēn hamartían]“ (1Jo 3:4) richtig ist, wird in Robertsons Werk Word Pictures in the New Testament (Bd. VI, 1933, S. 221) bestätigt, wo gesagt wird: „Das aktive Partizip Präsens (poiōn) bedeutet gewohnheitsmäßiges Sündigen.“ Zu 1. Johannes 3:6, wo im griechischen Text ouch hamartánei steht, heißt es in demselben Werk (S. 222): „Linear Präsens ... Indikativ Aktiv von hamartanō, ‚sündigt nicht fortgesetzt‘.“ Ein treuer Christ kann also irgendwann einmal zufolge einer Schwäche oder Irreführung in Sünde geraten oder abgleiten, aber er „begeht nicht fortgesetzt Sünde“, d. h., er wandelt nicht in Sünde (1Jo 3:9, 10; vgl. 1Ko 15:33, 34; 1Ti 5:20).
An den Sünden anderer teilhaben. Wer vorsätzlich mit Sündern Umgang pflegt, wer ihre schlechten Taten gutheißt oder ihre Handlungsweise deckt, sodass die Ältesten nichts davon erfahren und nichts unternehmen können, macht sich in Gottes Augen der Sünde schuldig. (Vgl. Ps 50:18, 21; 1Ti 5:22.) Daher werden alle, die die sinnbildliche Stadt „Babylon die Große“ nicht verlassen, „einen Teil ihrer Plagen empfangen“ (Off 18:2, 4-8). Ein Christ, der mit jemandem Umgang pflegt, der die Lehre des Christus aufgegeben hat, oder der einem solchen auch nur „einen Gruß“ entbietet, „hat an seinen bösen Werken teil“ (2Jo 9-11; vgl. Tit 3:10, 11).
Paulus warnte Timotheus davor, ‘an den Sünden anderer teilzuhaben’ (1Ti 5:22). Seine vorangehenden Worte: „Lege niemals deine Hände jemandem voreilig auf“ müssen sich auf dessen Befugnis beziehen, Aufseher in den Versammlungen einzusetzen. Timotheus sollte keinen Neubekehrten einsetzen, damit ein solcher nicht vor Stolz aufgeblasen werde. Hätte er diesen Rat missachtet, so wäre er vernünftigerweise in einem gewissen Maß mitschuldig gewesen, wenn der Betreffende irgendwelche Verfehlungen begangen hätte (1Ti 3:6).
Gemäß diesem Grundsatz konnte sich in Gottes Augen eine ganze Nation einer Sünde schuldig machen (Spr 14:34).
Sünden gegen Menschen sowie gegen Gott und Christus. Wie bereits gezeigt, berichten die Hebräischen Schriften über die Sünden, die Menschen verschiedener Völker zur Zeit der Patriarchen begingen. Das waren hauptsächlich Sünden gegen andere Menschen.
Da Gott allein den Maßstab für Gerechtigkeit und Güte bildet, sind Sünden, die gegen Menschen begangen werden, kein Versäumnis, dem ‘Bild und Gleichnis’ der Betreffenden zu entsprechen, sondern ein Versäumnis, ihre rechtmäßigen und richtigen Belange zu respektieren oder sich darum zu kümmern, also ein Vergehen gegen sie, durch das ihnen ungerechterweise Schaden zugefügt wird (Ri 11:12, 13, 27; 1Sa 19:4, 5; 20:1; 26:21; Jer 37:18; 2Ko 11:7). Jesus gab genaue Richtlinien, die jemand befolgen sollte, gegen den bestimmte schwere Sünden begangen wurden (Mat 18:15-17). Selbst wenn jemandes Bruder 77-mal oder 7-mal an einem Tag gegen ihn sündigt, sollte er ihm vergeben, sofern er bereut, nachdem ihm ein Verweis erteilt worden ist (Mat 18:21, 22; Luk 17:3, 4; vgl. 1Pe 4:8). Petrus spricht von Hausknechten, die geschlagen wurden, weil sie gegen ihren Besitzer gesündigt hatten (1Pe 2:18-20). Man kann sich gegen die Obrigkeit versündigen, wenn man ihr nicht den gebührenden Respekt erweist. Paulus erklärte, dass er sich „weder gegen das GESETZ der Juden noch gegen den Tempel, noch gegen Cäsar irgendwie versündigt“ habe (Apg 25:8).
Sünden gegen Menschen sind aber auch Sünden gegen den Schöpfer, dem wir Rechenschaft ablegen müssen (Rö 14:10, 12; Eph 6:5-9; Heb 13:17). Gott, der Abimelech davon zurückhielt, mit Sara Beziehungen zu haben, sagte zu dem Philisterkönig: „Ich hielt dich auch davon zurück, gegen mich zu sündigen“ (1Mo 20:1-7). Für Joseph war Ehebruch ebenfalls eine Sünde gegen den Schöpfer von Mann und Frau und den Stifter der Ehe (1Mo 39:7-9); auch König David war sich dessen bewusst (2Sa 12:13; Ps 51:4). Sünden wie Raub, Betrug oder die Veruntreuung fremden Eigentums galten nach dem mosaischen Gesetz als ‘treuloses Benehmen gegen Jehova’ (3Mo 6:2-4; 4Mo 5:6-8). Wer sein Herz verhärtete, seine Hände gegenüber seinem armen Bruder verschlossen hielt und wer jemandes Lohn zurückhielt, wurde von Gott zurechtgewiesen (5Mo 15:7-10; 24:14, 15; vgl. Spr 14:31; Am 5:12). Samuel erklärte: „Es ist für mich undenkbar, gegen Jehova zu sündigen, indem ich aufhöre, zu euren Gunsten [zugunsten seiner Mitisraeliten und auf ihre Bitte hin] zu beten“ (1Sa 12:19-23).
In Jakobus 2:1-9 wird nicht nur Günstlingswirtschaft verurteilt sondern auch, Klassenunterschiede unter Christen zu machen. Paulus sagt, dass die, die das schwache Gewissen ihrer Brüder nicht beachten und sie so zum Straucheln bringen, ‘gegen Christus sündigen’, den Sohn Gottes, der sein Blut für seine Nachfolger dahingab (1Ko 8:10-13).
Demnach ist in Wirklichkeit jede Sünde eine Sünde gegen Jehova Gott, aber gewisse Sünden betreffen ihn, von seinem Standpunkt aus gesehen, mehr als andere, z. B. Götzendienst (2Mo 20:2-5; 2Kö 22:17), Unglaube (Rö 14:22, 23; Heb 10:37, 38; 12:1), Respektlosigkeit gegenüber heiligen Dingen (4Mo 18:22, 23) und sämtliche Formen falscher Anbetung (Hos 8:11-14). Zweifellos aus diesem Grund sagte der Hohe Priester Eli zu seinen Söhnen, die vor Gottes Stiftshütte und dem Dienst dort keinen Respekt hatten: „Wenn ein Mensch gegen einen Menschen sündigen sollte, wird Gott für ihn Schiedsrichter sein [vgl. 1Kö 8:31, 32]; wenn aber ein Mensch gegen Jehova sündigen sollte, wer sollte da für ihn beten?“ (1Sa 2:22-25; vgl. V.12-17).
Gegen den eigenen Leib sündigen. Paulus warnte vor Hurerei (Geschlechtsbeziehungen außerhalb einer schriftgemäßen Ehe) mit den Worten: „Jede andere Sünde, die ein Mensch begehen mag, ist außerhalb seines Leibes, wer aber Hurerei treibt, sündigt gegen seinen eigenen Leib“ (1Ko 6:18; siehe HUREREI). Wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, betonte Paulus, dass Christen mit Christus Jesus, ihrem Herrn und Haupt, vereint werden sollten (1Ko 6:13-15). Der Hurer handelt unrecht und sündigt, indem er mit der anderen Person (oft eine Hure) e i n Fleisch wird (1Ko 6:16-18). Da keine andere Sünde den Leib des Christen von der Gemeinschaft mit Christus trennen und ihn mit jemand anders „eins“ machen kann, wird jede andere Sünde in diesem Zusammenhang als ‘außerhalb des Leibes’ betrachtet. Auch kann sich jemand durch Hurerei einen dauernden gesundheitlichen Schaden zuziehen.
Sünden von Engeln. Da Gottes Geistsöhne ebenfalls seine Herrlichkeit widerspiegeln, ihn preisen und seinen Willen tun sollten (Ps 148:1, 2; 103:20, 21), können sie grundsätzlich ebenso sündigen wie die Menschen. Aus 2. Petrus 2:4 geht hervor, dass einige Geistsöhne Gottes tatsächlich sündigten und ‘Gruben dichter Finsternis überliefert wurden, um für das Gericht aufbehalten zu werden’. In 1. Petrus 3:19, 20 wird offensichtlich auf die gleiche Situation Bezug genommen, indem dort von „Geistern im Gefängnis“ die Rede ist, „die einst ungehorsam gewesen waren, als die Geduld Gottes in den Tagen Noahs wartete“. Und Judas 6 weist darauf hin, dass diese Geistgeschöpfe insofern „das Ziel verfehlten“ oder sündigten, als sie „ihre ursprüngliche Stellung nicht bewahrten, sondern ihre eigene rechte Wohnstätte verließen“. Ihre rechte Wohnstätte waren selbstverständlich die Himmel, Gottes Gegenwart.
Da nicht vorgesehen ist, dass durch das Opfer Jesu Christi auch die Sünden von Geistgeschöpfen zugedeckt werden, besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Sünden dieser ungehorsamen Engel vergeben werden (Heb 2:14-17). Sie waren wie Adam vollkommen, hatten also keine angeborenen Schwächen, die bei der Beurteilung ihrer Sünden als mildernder Umstand hätten gelten können.
Sündenvergebung. Wie unter dem Stichwort GERECHTSPRECHEN (Inwiefern Gerechtigkeit „angerechnet“ wird) gezeigt wird, „hält“ Jehova Gott denen, die gemäß Glauben leben, Gerechtigkeit „zugute“. Dadurch werden die Sünden von Gott „zugedeckt“, „ausgetilgt“ oder „ausgelöscht“, die diesen Treuen sonst angerechnet worden wären. (Vgl. Ps 32:1, 2; Jes 44:22; Apg 3:19.) Jesus verglich somit „Verfehlungen“ und „Sünden“ mit „Schulden“. (Vgl. Mat 6:14; 18:21-35; Luk 11:4.) Wenn ihre Sünden auch wie Scharlach wären, würde Jehova den Makel, der sie entheiligt, „abwaschen“ (Jes 1:18; Apg 22:16). Das Mittel, durch das Gott seine liebevolle Barmherzigkeit und liebende Güte zum Ausdruck bringen und zugleich seine vollkommene Gerechtigkeit bewahren kann, wird unter LÖSEGELD; REUE; VERSÖHNUNG und damit verwandten Stichwörtern betrachtet.
Sünde meiden. Durch Liebe zu Gott und zum Nächsten kann Sünde, d. h. Gesetzlosigkeit, weitgehend vermieden werden. Die Liebe ist eine hervorragende Eigenschaft Gottes, und er machte die Liebe zur Grundlage des Gesetzes, das er dem Volk Israel gab (Mat 22:37-40; Rö 13:8-11). Wenn Christen danach handeln, werden sie Gott nicht entfremdet, sondern können mit ihm und seinem Sohn in freudiger Gemeinschaft sein (1Jo 1:3; 3:1-11, 24; 4:16). Sie lassen sich von Gottes heiligem Geist leiten, können, „was den Geist betrifft, vom Standpunkt Gottes aus leben“ und haben von Sünden abgelassen (1Pe 4:1-6). Sie bringen statt der schlechten Frucht des sündigen Fleisches die gerechte Frucht des Geistes Gottes hervor (Gal 5:16-26). Dadurch können sie von der Herrschaft der Sünde frei werden (Rö 6:12-22).
Der Glaube an Gottes sichere Belohnung für gerechtes Handeln (Heb 11:1, 6) kann einem helfen, der Versuchung zum zeitweiligen Genuss der Sünde zu widerstehen (Heb 11:24-26). Wer stets an die unumstößliche Regel denkt: „Was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ und daran, dass ‘Gott sich nicht verspotten lässt’, schützt sich vor der Täuschung der Sünde (Gal 6:7, 8). Er ist sich dessen bewusst, dass Sünden nicht für immer verborgen bleiben können (1Ti 5:24) und dass, „obwohl ein Sünder hundertmal Schlechtes tun und es lange Zeit treiben mag, wie es ihm gefällt“, es doch „mit denen, die den wahren Gott fürchten, gut ausgehen wird“ im Gegensatz zu dem Bösen, der sich vor Gott nicht fürchtet (Pr 8:11-13; vgl. 4Mo 32:23; Spr 23:17, 18). Mit all dem materiellen Reichtum, den sich die Bösen erworben haben, können sie sich Gottes Schutz nicht erkaufen (Ze 1:17, 18), und nach einiger Zeit wird sich das Vermögen des Sünders tatsächlich als „etwas für den Gerechten Aufbewahrtes“ erweisen (Spr 13:21, 22; Pr 2:26). Wer durch Glauben nach Gerechtigkeit strebt, kann die „schwere Last“ der Sünde – den Verlust des inneren Friedens und die durch einen kranken Geisteszustand verursachte Schwäche – vermeiden (Ps 38:3-6, 18; 41:4).
Ein solcher Glaube beruht auf einer Erkenntnis des Wortes Gottes und wird dadurch auch gestärkt (Ps 119:11; vgl. Ps 106:7). Wer hastig ist und sich über seinen Weg nicht zuerst orientiert, „verfehlt das Ziel“ oder sündigt (Spr 19:2, Fn.). Da der Gerechte weiß, dass ‘ein einziger Sünder viel Gutes vernichten kann’, bemüht er sich, wirklich weise zu handeln. (Vgl. Pr 9:18; 10:1-4.) Wer den schlechten Umgang mit denen meidet, die falsche Götter anbeten oder einen Hang zur Unsittlichkeit haben, handelt weise, denn solche Leute verstricken andere in Sünde und verderben nützliche Gewohnheiten (2Mo 23:33; Ne 13:25, 26; Ps 26:9-11; Spr 1:10-19; Pr 7:26; 1Ko 15:33, 34).
Natürlich gibt es vieles, was man tun oder nicht tun kann oder was so oder anders getan werden kann, ohne dass es als Sünde verurteilt wird. (Vgl. 1Ko 7:27, 28.) Der Mensch wurde von Gott nicht durch unzählige Gebote eingeengt, die ihm seine Handlungsweise bis ins Kleinste vorschrieben. Er sollte offensichtlich seinen Verstand gebrauchen, und es wurde ihm auch genügend Spielraum gelassen, seine Persönlichkeit und seine Neigungen zu entfalten. Der Gesetzesbund enthielt viele Vorschriften, aber selbst diese hinderten die Menschen nicht daran, sich frei zu entfalten. Das Christentum, dessen Leitlinie die Liebe zu Gott und zum Nächsten ist, räumt aufrichtigen Personen ebenfalls die größtmögliche Freiheit ein, die sie sich wünschen können. (Vgl. Mat 22:37-40; Rö 8:21; siehe FREIHEIT; JEHOVA [Ein Gott mit Moralmaßstäben und Normen].)