PREDIGEN, PREDIGER
Die Bedeutung des biblischen Begriffs „predigen“ lässt sich am besten ermitteln, indem man die Bedeutung des ursprünglichen hebräischen und griechischen Wortes untersucht. Das griechische Wort kērýssō, das gewöhnlich mit „predigen“ wiedergegeben wird, bedeutet eigentlich „als Herold verkünden; Herold sein, als Herold wirken; [als Sieger] ausrufen“. Das damit verwandte Substantiv kḗryx bedeutet „Herold; Amtsbote; Beauftragter; Ausrufer (einer, der in Volksversammlungen Mitteilungen machte sowie für Ruhe und Ordnung sorgte usw.)“. kḗrygma, ein anderes verwandtes Substantiv, bedeutet „Heroldsruf; Bekanntmachung; Ausruf [des Sieges bei Wettspielen]; Befehl; Aufruf“ (H. G. Liddell, R. Scott, A Greek-English Lexicon, revidiert von H. S. Jones, Oxford 1968, S. 949; vgl. F. Passow, Handwörterbuch der griechischen Sprache, Nachdruck: Darmstadt 1983, Bd. I/2, S. 1725, 1726). Unter dem Wort kērýssō ist also nicht das Halten einer Predigt vor einer geschlossenen Gruppe von Jüngern zu verstehen, sondern ein öffentliches Ausrufen. Das zeigt sich darin, wie es in Verbindung mit dem „starken Engel“ gebraucht wird, „der mit lauter Stimme ausrief [kērýssonta]: ‚Wer ist würdig, die Buchrolle zu öffnen und ihre Siegel zu lösen?‘“ (Off 5:2; vgl. ferner Mat 10:27).
Das Wort euaggelízomai (sprich: euangelízomai) bedeutet „gute Botschaft verkündigen“ (Mat 11:5). Damit verwandt sind die Wörter diaggéllō (sprich: diangéllō), „weit und breit verkündigen; anmelden; verkünden“ (Luk 9:60; Apg 21:26; Rö 9:17), und kataggéllō (sprich: katangéllō), „verkündigen; sprechen von; immer wieder verkündigen; öffentlich bekannt machen“ (Apg 13:5; Rö 1:8; 1Ko 11:26; Kol 1:28). Der Unterschied zwischen den Wörtern kērýssō und euaggelízomai besteht hauptsächlich darin, dass Ersteres die Art und Weise der Verkündigung (d. h., dass es sich um ein öffentliches, offizielles Verkündigen handelt) betont, während Letzteres ihren Inhalt (d. h., dass es sich dabei um das euaggélion [sprich: euangélion], die gute Botschaft oder das Evangelium, handelt) hervorhebt.
Das Wort kērýssō entspricht in etwa dem hebräischen baßár, das „eine Botschaft überbringen; ankündigen; Überbringer einer Botschaft sein“ bedeutet (1Sa 4:17; 2Sa 1:20; 1Ch 16:23). baßár hat jedoch nicht den gleichen offiziellen Charakter wie kērýssō.
In den Hebräischen Schriften. Noah ist der Erste, der als „Prediger“ bezeichnet wird (2Pe 2:5), allerdings mögen auch die vor der Zeit Noahs geäußerten Prophezeiungen Henochs durch Predigen bekannt geworden sein (Jud 14, 15). Noahs Predigen der Gerechtigkeit vor der Sintflut schloss offensichtlich auch einen Aufruf zur Reue und eine Warnung vor der bevorstehenden Vernichtung ein, was aus der Bemerkung Jesu hervorgeht, dass die Leute ‘keine Kenntnis davon nahmen’ (Mat 24:38, 39). Bei der von Gott angeordneten öffentlichen Verkündigung durch Noah ging es also nicht vorwiegend um die Übermittlung einer guten Botschaft.
Nach der Sintflut dienten Abraham und viele andere als Propheten, indem sie göttliche Offenbarungen äußerten (Ps 105:9, 13-15). Bevor sich die Israeliten im Land der Verheißung niederließen, scheint niemand als ständiger oder berufsmäßiger Prediger öffentlich tätig gewesen zu sein. Die alten Patriarchen wurden nicht aufgefordert, als Herolde zu wirken. In der Zeit, als in Israel Könige regierten, traten Propheten als öffentliche Sprecher auf, die Gottes Verordnungen, Gerichtsurteile und Aufrufe an öffentlichen Orten verkündeten (Jes 58:1; Jer 26:2). Jonas Verkündigung der an Ninive gerichteten Botschaft entspricht genau dem durch das Wort kḗrygma vermittelten Gedanken und wird auch so bezeichnet. (Vgl. Jon 3:1-4; Mat 12:41.) Der Dienst der Propheten schloss im Allgemeinen aber viel mehr als die Tätigkeit eines Herolds oder Predigers ein, und in manchen Fällen benutzten die Propheten auch andere als Wortführer (2Kö 5:10; 9:1-3; Jer 36:4-6). Einige ihrer Botschaften und Visionen wurden nicht mündlich verkündigt, sondern schriftlich übermittelt (Jer 29:1, 30, 31; 30:1, 2; Da, Kap. 7 bis 12), während andere unter vier Augen ausgerichtet oder die Gedanken durch sinnbildliche Handlungen dargestellt wurden. (Siehe PROPHET; PROPHEZEIUNG.)
Ermahnungen, Warnungen und Gerichtsurteile wurden verkündet, auch gute Botschaften – von Siegen, Befreiungen und Segnungen – sowie Lobpreis für Jehova Gott (1Ch 16:23; Jes 41:27; 52:7; in diesen Texten wird das hebräische Wort baßár gebraucht). Gelegentlich sangen oder riefen die Frauen die Nachricht aus, dass eine Schlacht gewonnen wurde oder dass Hilfe komme (Ps 68:11; Jes 40:9; vgl. 1Sa 18:6, 7).
In den Hebräischen Schriften wird auch auf die Predigttätigkeit hingewiesen, die Christus Jesus und die Christenversammlung durchführen würden. Jesus zitierte Jesaja 61:1, 2 und zeigte, dass durch diese Worte sein göttlicher Auftrag und seine Befugnis zu predigen vorhergesagt worden waren (Luk 4:16-21). Er erfüllte Psalm 40:9 (die vorangehenden Verse wandte der Apostel Paulus auf Jesus an [Heb 10:5-10]), indem er ‘die gute Botschaft der Gerechtigkeit in der großen Versammlung kundtat’ (für ‘die gute Botschaft ... kundtat’ steht eine Form von baßár). Der Apostel Paulus zitierte Jesaja 52:7 (wo von dem Boten die Rede ist, der die Freilassung Zions aus der Gefangenschaft verkündigt) und wandte diese Worte auf die Predigttätigkeit der Christen an (Rö 10:11-15).
In den Christlichen Griechischen Schriften. Obwohl Johannes der Täufer vorwiegend in der Wildnis wirkte, führte er das Werk eines Predigers oder eines öffentlichen Boten durch, indem er den Juden, die zu ihm kamen, das Kommen des Messias und das Herannahen des Königreiches Gottes verkündete und sie aufforderte zu bereuen (Mat 3:1-3, 11, 12; Mar 1:1-4; Luk 3:7-9). Gleichzeitig diente er als Prophet und als Lehrer (er hatte Jünger) sowie als Evangeliumsverkündiger (Luk 1:76, 77; 3:18; 11:1; Joh 1:35). Er war „ein Vertreter Gottes“ und Gottes Zeuge (Joh 1:6, 7).
Jesus blieb nach seinem vierzigtägigen Fasten nicht in der Wildnis von Judäa; er zog sich auch nicht zurück, um ein mönchisches Leben zu führen. Er wusste, dass der ihm von Gott übertragene Auftrag verlangte, dass er predigte, und das tat er öffentlich: in Städten und Dörfern, im Tempelgebiet, in Synagogen, auf Marktplätzen und Straßen sowie auf dem Land (Mar 1:39; 6:56; Luk 8:1; 13:26; Joh 18:20). Doch wie Johannes predigte er nicht nur, sondern er lehrte auch, und seinem Lehren wird sogar noch mehr Wert beigemessen als seinem Predigen. Lehren (didáskō) unterscheidet sich vom Predigen insofern, als der Lehrer nicht nur verkündet, sondern auch unterweist, erklärt, Argumente darlegt und Beweise vorbringt. Daher bestand die Tätigkeit der Jünger Jesu sowohl vor als auch nach seinem Tod darin, zu predigen und zu lehren (Mat 4:23; 11:1; 28:18-20).
Jesus predigte über das Thema „Bereut, denn das Königreich der Himmel hat sich genaht“ (Mat 4:17). Er wirkte wie ein Herold, indem er seine Zuhörer auf das Tun Gottes, seines Souveräns, aufmerksam machte sowie darauf hinwies, dass die günstige und entscheidende Zeit gekommen sei (Mar 1:14, 15). Wie von Jesaja vorhergesagt worden war, brachte er nicht nur den Sanftmütigen und Trauernden sowie denen, die gebrochenen Herzens waren, gute Botschaft und Trost und rief den Gefangenen Freilassung aus, sondern er verkündete auch „den Tag der Rache seitens unseres Gottes“ (Jes 61:2). Freimütig setzte er Herrscher und Volk von Gottes Vorsätzen, Verordnungen, Bestimmungen und Urteilssprüchen in Kenntnis.
Nach Jesu Tod. Nach Jesu Tod und besonders von Pfingsten des Jahres 33 u. Z. an setzten Jesu Jünger das Predigtwerk fort, zuerst unter den Juden und schließlich unter allen Nationen. Aufgrund ihrer Salbung mit heiligem Geist wussten sie, dass sie beauftragte Herolde waren, und das betonten sie ihren Zuhörern gegenüber wiederholt (Apg 2:14-18; 10:40-42; 13:47; 14:3; vgl. Rö 10:15). Auch Jesus hatte nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er ‘von Gott gesandt’ sei (Luk 9:48; Joh 5:36, 37; 6:38; 8:18, 26, 42), der ihm „ein Gebot in Bezug auf das gegeben“ habe, was er sagen und was er reden solle (Joh 12:49). Als daher den Jüngern befohlen wurde, aufzuhören zu predigen, erwiderten sie: „Ob es in den Augen Gottes gerecht ist, eher auf euch zu hören als auf Gott, urteilt selbst. Wir aber, wir können nicht aufhören, von den Dingen zu reden, die wir gesehen und gehört haben.“ „Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 4:19, 20; 5:29, 32, 42). Diese Predigttätigkeit bildete einen wesentlichen Teil ihrer Anbetung, eine Möglichkeit, Gott zu lobpreisen, und eine Voraussetzung für ihre Rettung (Rö 10:9, 10; 1Ko 9:16; Heb 13:15; vgl. Luk 12:8). Deshalb sollten sich „bis zum Abschluss des Systems der Dinge“ alle Jünger – Männer und Frauen – daran beteiligen (Mat 28:18-20; Luk 24:46-49; Apg 2:17; vgl. Apg 18:26; 21:9; Rö 16:3).
Diese frühchristlichen Prediger waren nach weltlichen Maßstäben keine hochgebildeten Leute. In den Augen des Sanhedrins waren die Apostel Petrus und Johannes „ungelehrte und gewöhnliche Menschen“ (Apg 4:13). Über Jesus wunderten sich die Juden und sagten: „Wieso ist dieser Mann gelehrt, da er nicht auf den Schulen studiert hat?“ (Joh 7:15). Weltliche Geschichtsschreiber machten die gleiche Beobachtung. „Celsus, der erste schriftliche Bekämpfer des Christenthums, spottet darüber, daß Wollarbeiter, Schuster, Gerber, die ungebildetesten und bäurischsten Menschen eifrige Verkündiger des Evangeliums seyen“ (August Neander, Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche, 1842, Bd. 1, S. 120). Paulus sagte darüber Folgendes: „Denn ihr seht eure Berufung, Brüder, dass nicht viele, die dem Fleische nach Weise sind, berufen wurden, nicht viele Mächtige, nicht viele von vornehmer Geburt; sondern Gott hat das Törichte der Welt auserwählt, damit er die Weisen beschäme“ (1Ko 1:26, 27).
Obwohl die frühchristlichen Prediger nicht auf weltlichen Schulen gelernt hatten, waren sie nicht ungeschult. Jesus schulte die 12 Apostel gründlich, bevor er sie zum Predigen aussandte (Mat, Kap. 10). Diese Ausbildung bestand nicht einfach im Erteilen von Anweisungen, sondern war eine praktische Schulung (Luk 8:1).
Das Thema der christlichen Predigt war nach wie vor „das Königreich Gottes“ (Apg 20:25; 28:31). Doch nun war die Botschaft, die die Christen verkündeten, im Vergleich zu der, die sie vor dem Tod Christi verkündet hatten, umfassender. Das „heilige Geheimnis“ des Vorsatzes Gottes war durch Christus geoffenbart worden. Sein Opfertod war zu einem wichtigen Bestandteil des wahren Glaubens geworden (1Ko 15:12-14), und alle, die Gottes Gunst sowie Leben erlangen wollten, mussten seine übergeordnete Stellung, die er als der von Gott bestimmte König und Richter nun einnahm, anerkennen und sich unterordnen (2Ko 4:5). Deshalb wurde von den Jüngern oft gesagt, sie würden ‘Christus Jesus predigen’ (Apg 8:5; 9:20; 19:13; 1Ko 1:23). Untersucht man aber das, was sie predigten, so stellt man fest, dass sie dadurch bei ihren Zuhörern nicht den Eindruck erweckten, Christus habe nichts mit Gottes Königreichsvorkehrung und seinem umfassenden Vorsatz zu tun. Sie verkündeten vielmehr, was Jehova Gott für seinen Sohn und durch ihn getan hatte, wie sich seine Verheißungen durch Jesus erfüllten und noch erfüllen werden (2Ko 1:19-21). Ihre gesamte Predigttätigkeit diente somit der Lobpreisung und Verherrlichung Gottes „durch Jesus Christus“ (Rö 16:25-27).
Sie predigten nicht nur, weil sie sich dazu verpflichtet fühlten, und ihre Verkündigung bestand nicht lediglich in einem formellen Ausrufen einer Botschaft. Ihr tiefwurzelnder Glaube und der Wunsch, Gott zu ehren, sowie das Herzensbedürfnis, anderen Rettung zu vermitteln, trieben sie dazu an (Rö 10:9-14; 1Ko 9:27; 2Ko 4:13). Deshalb nahmen diese Prediger es auf sich, von den Weisen dieser Welt als töricht behandelt oder von den Juden als Ketzer verfolgt zu werden (1Ko 1:21-24; Gal 5:11). Aus diesem Grund bemühten sie sich auch beim Predigen, ihren Zuhörern durch logische und überzeugende Argumente zu helfen, gläubig zu werden und ihrem Glauben entsprechend zu handeln (Apg 17:2; 28:23; 1Ko 15:11). Paulus sagte von sich selbst, er sei „zum Prediger und Apostel und Lehrer ernannt worden“ (2Ti 1:11). Diese Christen waren keine bezahlten Herolde, sondern ergebene Anbeter Gottes, die sich selbst sowie ihre ganze Zeit und Kraft für die Predigttätigkeit einsetzten (1Th 2:9).
Da alle, die Jünger wurden, auch Prediger des Wortes wurden, breitete sich die gute Botschaft sehr schnell aus, sodass Paulus, als er seinen Brief an die Kolosser schrieb (um 60/61 u. Z. oder etwa 27 Jahre nach dem Tod Christi), sagen konnte, sie sei „in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, gepredigt worden“ (Kol 1:23). Somit erfüllte sich Christi Prophezeiung, dass ‘die gute Botschaft allen Nationen gepredigt werden würde’, in einem gewissen Sinn schon vor der Zerstörung Jerusalems und seines Tempels im Jahr 70 u. Z. (Mat 24:14; Mar 13:10; KARTE, Bd. 2, S. 744). Sowohl Jesu eigene Worte als auch die Offenbarung, die nach der Zerstörung Jerusalems geschrieben wurde, deuten darauf hin, dass sich diese Prophezeiung zu Beginn der Königreichsherrschaft Christi und vor der Vernichtung aller Feinde dieses Königreiches noch in einem größeren Ausmaß erfüllen würde – bestimmt die passendste Zeit für die Durchführung eines großen Verkündigungswerkes (Off 12:7-12, 17; 14:6, 7; 19:5, 6; 22:17).
Welche Ergebnisse sollten christliche Prediger aufgrund ihrer Bemühungen erwarten? Paulus machte die Erfahrung, dass „einige ... dem, was gesagt wurde, zu glauben [begannen]; andere glaubten nicht“ (Apg 28:24). Echtes, auf Gottes Wort beruhendes christliches Predigen führt zwangsläufig zu einer Reaktion. Es ist wirkungsvoll und dynamisch, vor allem aber werden die Menschen mit einer Frage konfrontiert, die sie zu einer Entscheidung zwingt. Einige werden zu aktiven Gegnern der Königreichsbotschaft (Apg 13:50; 18:5, 6). Andere schenken ihr eine Zeit lang Gehör, wenden sich dann aber aus verschiedenen Gründen wieder davon ab (Joh 6:65, 66). Eine dritte Gruppe dagegen nimmt die gute Botschaft an und handelt entsprechend (Apg 17:11; Luk 8:15).
„Von Haus zu Haus“. Jesus ging mit der Königreichsbotschaft zu den Menschen hin und lehrte sie öffentlich und in ihren Häusern (Mat 5:1; 9:10, 28, 35). Als er seine ersten Jünger zum Predigen aussandte, wies er sie an: „In welche Stadt oder welches Dorf ihr auch hineingeht, da forscht nach, wer es darin verdient“ (Mat 10:7, 11-14). Wenn sie ‘nachforschen’ sollten, mussten sie logischerweise in die Häuser der Menschen gehen, wo Menschen, die es ‘verdienten’, auf die Botschaft hören und die Jünger Unterkunft für die Nacht bekommen würden (Luk 9:1-6).
Bei einer späteren Gelegenheit bezeichnete Jesus „siebzig andere und sandte sie zu zweit vor sich her in jede Stadt und jeden Ort, wohin er selbst zu gehen im Begriff war“. Sie sollten nicht nur an öffentlichen Orten predigen, sondern die Menschen in ihren Häusern besuchen. Jesus wies sie an: „Wo immer ihr in ein Haus eintretet, da sagt zuerst: ‚Friede sei mit diesem Hause!‘“ (Luk 10:1-7).
Nach Pfingsten 33 u. Z. fuhren die Jünger Jesu fort, die gute Botschaft in die Häuser der Menschen zu tragen. Man befahl ihnen, nicht mehr „zu reden“, doch der inspirierte Bericht sagt: „Jeden Tag fuhren sie im Tempel und von Haus zu Haus ununterbrochen fort, zu lehren und die gute Botschaft über den Christus, Jesus, zu verkündigen“ (Apg 5:40-42; vgl. Sigge, ZB). Der Ausdruck „von Haus zu Haus“ ist eine Übersetzung des griechischen Wortes kat’ óikon, wörtlich „je Haus“; die griechische Präposition katá wird in distributivem Sinn gebraucht („von Haus zu Haus“) und nicht einfach adverbial („zu Hause“). (Siehe NW, Fn.) Diese Methode – in die Häuser der Leute zu gehen, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen – führte zu hervorragenden Ergebnissen. „Die Zahl der Jünger mehrte sich in Jerusalem fortgesetzt sehr“ (Apg 6:7; vgl. 4:16, 17 und 5:28).
Der Apostel Paulus sagte zu den Ältesten von Ephesus: „Vom ersten Tag an, da ich den Bezirk Asien betrat, ... [hielt] ich mich nicht davon zurück ..., euch alles, was nützlich war, kundzutun und euch öffentlich und von Haus zu Haus zu lehren. Doch legte ich gründlich Zeugnis ab, sowohl vor Juden als auch vor Griechen, in Bezug auf Reue gegenüber Gott und Glauben an unseren Herrn Jesus“ (Apg 20:18-21; vgl. RSt, Schäfer, Sigge, ZB). Paulus sprach hier von seinen Bemühungen, diesen Menschen zu predigen, als sie noch Ungläubige waren, Menschen, die „in Bezug auf Reue gegenüber Gott und Glauben an unseren Herrn Jesus“ aufgeklärt werden mussten. Somit forschte Paulus von Anfang an, als er in Asien als Missionar tätig war, „von Haus zu Haus“ nach geistig gesinnten Personen. Wenn er solche Menschen fand, kehrte er zweifellos zu ihnen in ihre Häuser zurück, um sie weiter zu belehren und sie, wenn sie gläubig wurden, im Glauben zu stärken. Dr. A. T. Robertson schreibt in seinem Buch Word Pictures in the New Testament über Apostelgeschichte 20:20: „Häuserweise (je Häuser). Es ist beachtenswert, dass dieser größte Prediger von Haus zu Haus predigte und aus seinen Besuchen nicht nur gesellschaftliche Besuche machte“ (Bd. III, 1930, S. 349, 350).
Predigen innerhalb der Versammlung. Bei der Predigttätigkeit, über die in den Christlichen Griechischen Schriften berichtet wird, handelt es sich größtenteils um die Verkündigung außerhalb der Versammlung. Als aber Paulus Timotheus ermahnte: „Predige das Wort, halte dringend darauf in günstiger Zeit, in unruhvoller Zeit“, bezog er sich auch auf das Predigen innerhalb der Versammlung, wie es ein Aufseher allgemein tut (2Ti 4:2). Der Brief des Paulus an Timotheus ist ein Pastoralbrief, d. h., er war an jemand gerichtet, der sich der Hirtentätigkeit unter Christen widmete, und enthält Rat über die Durchführung dieses Aufseherdienstes. Einige Verse vor der Ermahnung, ‘das Wort zu predigen’, weist Paulus Timotheus warnend darauf hin, dass der Abfall, der bereits begonnen habe, bedenkliche Ausmaße annehmen werde (2Ti 2:16-19; 3:1-7). Nach der Ermahnung, beim Predigen am „Wort“ festzuhalten und sich nicht davon abzuwenden, gibt er den zwingenden Grund dafür an. Er schreibt: „Denn es wird eine Zeitperiode geben, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen.“ Stattdessen würden sie sich Lehrer suchen, deren Lehren ihren eigenen Wünschen entsprächen. Demzufolge würden sie „ihre Ohren von der Wahrheit abwenden“, was nicht auf Außenstehende, sondern nur auf Personen innerhalb der Versammlung zutreffen kann (2Ti 4:3, 4). Timotheus sollte daher sein geistiges Gleichgewicht nicht verlieren, sondern den Brüdern stets freimütig Gottes Wort (keine menschlichen Philosophien oder nutzlosen Spekulationen) verkündigen, selbst wenn dies für ihn Schwierigkeiten und Leiden, verursacht durch falsch eingestellte Personen in der Versammlung, zur Folge haben könnte. (Vgl. 1Ti 6:3-5, 20, 21; 2Ti 1:6-8, 13; 2:1-3, 14, 15, 23-26; 3:14-17; 4:5.) Auf diese Weise würde er dem Abfall entgegenwirken und sich wie Paulus vor Blutschuld bewahren (Apg 20:25-32).
Warum predigte Jesus „den Geistern im Gefängnis“?
Der Apostel Petrus schreibt in 1. Petrus 3:19, 20, nachdem er die Auferstehung Jesu als Geistperson erwähnt hat: „In diesem Zustand ging er auch hin und predigte den Geistern im Gefängnis, die einst ungehorsam gewesen waren, als die Geduld Gottes in den Tagen Noahs wartete, während die Arche errichtet wurde.“ Dieser Text wird in Vine’s Expository Dictionary of Old and New Testament Words wie folgt kommentiert: „In I Pet. 3:19 wird wahrscheinlich nicht auf eine gute Botschaft Bezug genommen (nichts beweist, dass Noah eine solche Botschaft gepredigt hätte, auch gibt es keinen Beweis dafür, dass die Geister der vorsintflutlichen Menschen tatsächlich ,im Gefängnis‘ sind), sondern darauf, dass Christus nach seiner Auferstehung den gefallenen Engeln seinen Sieg verkündete“ (1981, Bd. 3, S. 201). Wie bereits erwähnt, kann sich kērýssō außer auf die Verkündigung von etwas Gutem auch auf die Bekanntmachung von etwas Schlechtem beziehen, wie Jonas Verkündigung der bevorstehenden Vernichtung Ninives. Die einzigen Geister, die sich gemäß der Bibel im Gefängnis befinden, sind die Engel, die zur Zeit Noahs „Gruben dichter Finsternis“ überliefert wurden (2Pe 2:4, 5) und „mit ewigwährenden Fesseln unter dichter Finsternis für das Gericht des großen Tages“ aufbehalten werden (Jud 6). Demnach kann der auferstandene Jesus diesen ungerechten Engeln nur das Gericht gepredigt haben. Es ist zu beachten, dass das Buch der Offenbarung, das Christus Jesus gegen Ende des ersten Jahrhunderts u. Z. in Form von Visionen Johannes übermittelte, viel über Satan, den Teufel, und seine Dämonen sowie über ihre schließliche Vernichtung enthält, also ein Predigen des Gerichts (Off 12 bis 20). Dass Petrus die Vergangenheitsform („predigte“) wählte, zeigt, dass diese Predigttätigkeit durchgeführt wurde, bevor er seinen ersten Brief schrieb.