GLEICHNISSE
Der griechische Ausdruck parabolḗ (wtl. „ein Nebeneinander- oder Zusammenstellen“) hat einen größeren Bedeutungsumfang als unser deutsches Wort „Parabel“. Er wird passenderweise mit dem deutschen Wort „Gleichnis“ übersetzt, das ebenfalls einen größeren Bedeutungsbereich hat. Es wird als kurze bildhafte Erzählung definiert, die einen abstrakten Gedanken oder Vorgang durch Vergleich mit einer anschaulichen, konkreten Handlung verständlich machen will. Ein Gleichnis kann auch eine Parabel und oft auch ein Spruch sein. Ein Spruch ist ein einprägsamer Satz, eine prägnant formulierte Wahrheit; eine Parabel ist eine kurze, fiktive Erzählung, die eine sittliche oder religiöse Wahrheit anhand eines Beispiels veranschaulicht.
Nach den Worten aus Matthäus 13:34, 35 wurde über Jesus Christus vorhergesagt, er werde in „Gleichnissen“ reden. In dem von Matthäus in diesem Zusammenhang angeführten Text aus Psalm 78:2 erscheint der Ausdruck „Sprichwort“ (hebr. maschál). Der Evangelist gebrauchte hierfür das griechische Wort parabolḗ. Wie die wörtliche Bedeutung dieses griechischen Begriffs zeigt, diente die parabolḗ als Mittel, um einen Gedanken zu lehren oder zu übermitteln, etwas zu erklären, indem man es gleichsam neben etwas Ähnliches stellte. (Vgl. Mar 4:30.)
Manche Übersetzer hielten es für notwendig, in Hebräer 9:9 und 11:19 andere Begriffe statt „Parabel“ zu verwenden. Im ersten dieser Texte wird die Stiftshütte oder das Zelt, das die Israeliten in der Wildnis hatten, vom Apostel Paulus als „ein Gleichnis [NW, Fn.; parabolḗ; „Sinnbild“, EÜ, Pa] für die bestimmte Zeit“ bezeichnet. Im zweiten Text sagt der Apostel von Abraham, er habe Isaak „in sinnbildlicher Weise“ (NW) (en parabolḗi [sprich: en parabolḗ]; „auf gleichnishafte Weise“, Pa) von den Toten empfangen. Auch der Spruch „Arzt, heile dich selbst“ wird als parabolḗ bezeichnet (Luk 4:23).
Ein anderer verwandter Ausdruck ist „Allegorie“ (gr. allēgoría). Er bezeichnet eine verlängerte Metapher, in der eine Reihe von Handlungen andere Handlungen versinnbildlicht, wobei die Figuren oft Vorbilder oder Personifizierungen sind. Paulus gebraucht das griechische Verb allēgoréō („allegorisch erklären“) in Galater 4:24 in Bezug auf Abraham, Sara und Hagar. Es wird übersetzt mit Wendungen wie „allegorisch gesagt“ (Wei), „sinnbildlich geredet“ (Df), „sind ein symbolisches Drama“ (NW).
Der Apostel Johannes gebrauchte ebenfalls einen bestimmten Ausdruck (paroimía), der „bildliche Rede“ bedeutet (Joh 10:6; 16:25, 29) und verschiedentlich mit „Gleichnis“, „bildliche Rede“, „Bildrede“, „Bildspruch“ (Lu, NW, Pa, Wei) übersetzt wird. Petrus gebrauchte den gleichen Ausdruck mit Bezug auf das Sprichwort: „Der Hund ist zum eigenen Gespei zurückgekehrt und die gebadete Sau zum Wälzen im Schlamm“ (2Pe 2:22).
Wirkung. Gleichnisse sind beim Lehren aus mindestens fünf Gründen sehr wirkungsvoll: 1. Sie erregen und fesseln die Aufmerksamkeit; weniges erweckt so viel Interesse wie ein Erlebnisbericht oder eine Geschichte. Wer kennt nicht das Gleichnis vom verlorenen Sohn oder das vom verlorenen Schaf? 2. Gleichnisse regen zum Nachdenken an; die Bedeutung eines Vergleichs herauszufinden, um die dadurch dargelegten abstrakten Wahrheiten zu erkennen, ist eine der besten Denkübungen. 3. Sie sprechen die Gefühle des Zuhörers an, und da die praktische Anwendung der betreffenden Wahrheiten gewöhnlich für ihn unverkennbar ist, appellieren sie an sein Gewissen und an sein Herz. 4. Sie sind eine Gedächtnishilfe; man kann die Geschichte später rekonstruieren und sie dann praktisch anwenden. 5. Durch Gleichnisse bleibt die Wahrheit erhalten, denn Gleichnisse sind zu allen Zeiten anwendbar und verständlich, da sie aus dem Leben gegriffen und der Natur entnommen sind, während bloße Worte mit der Zeit eine andere Bedeutung erhalten mögen. Das ist einer der Gründe, weshalb die biblischen Wahrheiten heute noch genauso eindeutig sind wie zu der Zeit, als sie geäußert oder niedergeschrieben wurden.
Zwecke. Wie aus dem Vorangehenden zu ersehen ist, besteht der Hauptzweck aller Gleichnisse darin, zu lehren. Die biblischen Gleichnisse dienen aber noch anderen Zwecken:
1. Da es manchmal notwendig ist, intensiv nachzudenken, um den tieferen, zu Herzen gehenden Sinn eines Gleichnisses zu erfassen, wenden sich Personen ab, die Gott nicht lieben, sondern nur ein oberflächliches Interesse haben und daher nicht wollen, dass die Wahrheit in ihr Herz dringt (Mat 13:13-15). Solche Personen sucht Gott nicht zu gewinnen. Gleichnisse veranlassten demütige Personen, um weitere Erklärungen zu bitten; die stolzen taten dies nicht. Jesus sagte: „Wer Ohren hat, höre zu!“ Der größte Teil der Volksmengen, die Jesus zugehört hatten, gingen ihres Weges, aber die Jünger kamen zu ihm und baten ihn um eine Erklärung (Mat 13:9, 36).
2. Gleichnisse verbergen Wahrheiten vor denen, die sie missbrauchen könnten und die Gottes Diener in eine Falle locken möchten. Jesus beantwortete die Fangfrage der Pharisäer mit dem Gleichnis von der Steuermünze, das er mit den Worten abschloss: „Zahlt daher Cäsars Dinge Cäsar zurück, Gottes Dinge aber Gott.“ Seine Feinde konnten das Gleichnis anwenden, wie sie wollten; seine Jünger aber erkannten genau, dass es dabei um den Grundsatz der Neutralität ging (Mat 22:15-21).
3. Da es dem Zuhörer überlassen bleibt, die Grundsätze eines Gleichnisses auf sich anzuwenden, mag es für ihn nicht nur eine deutliche Warnung und ein Tadel sein, sondern es kann ihn auch entwaffnen, sodass er nichts mehr zu erwidern weiß. Man könnte darauf das Sprichwort anwenden: „Wem der Schuh passt, der zieht ihn an.“ Als die Pharisäer Jesus kritisierten, weil er mit Steuereinnehmern und Sündern aß, erwiderte er: „Gesunde benötigen keinen Arzt, wohl aber die Leidenden. Geht also hin und lernt, was dies bedeutet: ‚Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer.‘ Denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Mat 9:11-13).
4. In Verbindung mit einer Zurechtweisung lässt sich durch die Verwendung von Gleichnissen sogar vermeiden, dass der Zuhörer voreingenommen wird und sich deswegen der Zurechtweisung verschließt; man erreicht dadurch mehr als durch eine bloße Darlegung des Tatbestandes. Das war bei König David der Fall, denn er schenkte Nathan Gehör, als er von ihm wegen seiner Sünde in Verbindung mit Bathseba und Uria getadelt wurde (2Sa 12:1-14), und der gesetzlose König Ahab, der den syrischen König Ben-Hadad, einen Feind Gottes, ungehorsamerweise am Leben gelassen hatte, wurde durch ein Gleichnis veranlasst, über die auf seinen Fall zutreffenden Grundsätze nachzudenken und nichts ahnend über sich selbst das Urteil zu fällen (1Kö 20:34, 38-43).
5. Gleichnisse können ferner bewirken, dass jemand dies oder jenes tut, wodurch er sein wahres Gesicht zeigt und so verrät, ob er ein wahrer Diener Gottes ist oder nicht. Als Jesus sagte: „Wer sich von meinem Fleisch nährt und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben“, „wandten sich viele seiner Jünger ab, den hinter ihnen liegenden Dingen zu, und gingen nicht mehr mit ihm“. Auf diese Weise sonderte Jesus diejenigen aus, die nicht wirklich von Herzen gläubig waren (Joh 6:54, 60-66).
Richtiger Gesichtspunkt und richtige Betrachtungsweise. Biblische Gleichnisse können von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. Sie behandeln und beleuchten nicht nur Grundsätze, sondern haben oft auch eine prophetische Bedeutung. Überdies hatten einige eine prophetische Bedeutung für die damalige Zeit oder die Zeit kurz danach, während andere noch eine Erfüllung in ferner Zukunft haben sollten.
Zwei übliche irrige Auffassungen können für das Verständnis der biblischen Gleichnisse ein Hindernis sein. Eine davon ist die Ansicht, dass Gleichnisse lediglich gute Geschichten seien, die als Beispiele oder Lektionen dienten. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn zum Beispiel betrachten manche lediglich als eine schöne Erzählung und das vom reichen Mann und von Lazarus als ein Beispiel für die Belohnung und die Bestrafung nach dem Tod.
In diesem Zusammenhang mag es auch erwähnenswert sein, dass es sich bei den Gleichnissen nicht unbedingt um tatsächliche Begebenheiten handelte, obwohl sie aus dem Leben gegriffen und der Natur entnommen waren. Einige beginnen zwar mit den Worten „Einst“, „Ein Mensch hatte“, „Da war ein Mensch“, „Ein gewisser Mensch war“ oder mit ähnlichen Wendungen, aber sie wurden alle unter dem Einfluss des Geistes Gottes geäußert und waren das, was sie genannt wurden: Gleichnisse (Ri 9:8; Mat 21:28, 33; Luk 16:1, 19). Von Jesus Christus wird gesagt: „Alle diese Dinge redete Jesus durch Gleichnisse zu den Volksmengen. Ja, ohne ein Gleichnis redete er nicht zu ihnen“ (Mat 13:34; Mar 4:33, 34).
Das zweite Hindernis für das Verständnis besteht darin, dass man bei der Anwendung des Gleichnisses durch willkürliche Deutung oder Auslegung versucht, jeder Einzelheit des geschilderten Geschehens eine passende symbolische Bedeutung zu geben.
Die richtige Betrachtungsweise setzt voraus, dass man zuerst den Kontext liest, um festzustellen, in welchem Rahmen das Gleichnis geäußert wurde; man sollte sich fragen: „Unter welchen Umständen oder Verhältnissen wurde es geäußert?“ Wenn zum Beispiel die Herrscher Israels mit „Diktatoren von Sodom“ angesprochen werden und das Volk mit „Leute von Gomorra“, dann denken wir an ein Volk, das sehr gegen Jehova gesündigt hat (Jes 1:10; 1Mo 13:13; 19:13, 24). Wenn der Psalmist zu Jehova betet, er möge an seinen Feinden und an den Feinden seines Volkes so tun „wie an Midian“, so erinnert uns das an die vernichtende Niederlage jener Bedrücker des Volkes Gottes, bei der über 120 000 Mann fielen (Ps 83:2, 3, 9-11; Ri 8:10-12).
Eine Kenntnis des mosaischen Gesetzes und der damaligen Sitten und Bräuche sowie der Spracheigentümlichkeiten ist oft ebenfalls eine Hilfe. So hilft uns beispielsweise eine Kenntnis des Gesetzes Mose, das Gleichnis vom Schleppnetz zu verstehen (Mat 13:47-50). Die Tatsache, dass Obstbäume in Palästina damals besteuert wurden und unfruchtbare Bäume deshalb umgehauen wurden, lässt uns besser verstehen, warum Jesus den unfruchtbaren Feigenbaum verdorren ließ, um ihn als Vergleich zu gebrauchen (Mat 21:18-22).
Schließlich sollte man die in einem Gleichnis erwähnten Einzelheiten nicht willkürlich, d. h. nicht aufgrund einer persönlichen oder philosophischen Ansicht, deuten. Die für Christen geltende Regel lautet: „Niemand [hat] die Dinge Gottes kennengelernt, ausgenommen der Geist Gottes. Nun haben wir nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der von Gott ist, damit wir die Dinge erkennen könnten, die uns Gott gütigerweise gegeben hat. Diese Dinge reden wir auch, nicht mit Worten, die durch menschliche Weisheit gelehrt werden, sondern mit solchen, die durch den Geist gelehrt werden, indem wir geistige Dinge mit geistigen Worten verbinden“ (1Ko 2:11-13).
Die Anwendung dieser Regel kann in Verbindung mit dem prophetischen Sinnbild aus Offenbarung, Kapitel 6 gezeigt werden. Als erstes von vier Pferden wird ein weißes Pferd genannt (Off 6:2). Was stellt es dar? Um die Bedeutung herauszufinden, kann man sich sowohl anderen Teilen der Bibel als auch dem Kontext zuwenden. In Sprüche 21:31 wird gesagt: „Das Ross ist etwas, was für den Tag der Schlacht gerüstet wird.“ Weiß wird oft als Sinnbild für Gerechtigkeit gebraucht. Gottes Richterstuhl ist weiß; die Heere im Himmel reiten auf weißen Pferden und sind in weiße, reine, feine Leinwand gekleidet (Off 20:11; 19:14; vgl. Off 6:11; 19:8). Daraus kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass das weiße Pferd gerechten Krieg darstellt.
Der Reiter auf dem schwarzen Pferd hat eine Waage, und Nahrungsmittel werden abgewogen (Off 6:5, 6). Hier wird offenbar Hungersnot dargestellt, denn Hesekiel wurde angewiesen, eine Hungersnot wie folgt anzukündigen: „Deine Speise, die du essen wirst, wird nach dem Gewicht sein ..., und sie werden Brot essen müssen nach Gewicht und mit angstvoller Besorgtheit, und nach Maß und mit Schaudern werden sie Wasser trinken“ (Hes 4:10, 16). Wenn man die Bedeutung der in der Bibel erwähnten Sinnbilder – z. B. der in Gleichnissen erwähnten Tiere – kennt, erleichtert dies das Verständnis. (Siehe TIERE [SINNBILDER].)
Nicht wenige Gleichnisse sind aufgrund der Erklärungen in der Bibel selbst zu verstehen, weil danach häufig von Ereignissen erzählt wird, durch die sich das Gleichnis bewahrheitet hat. Zwei Beispiele hierfür sind: die Begebenheit, als Hesekiel ein Loch durch eine Wand bohrte und dann mit bedecktem Gesicht hinausging (Hes 12:1-16; 2Kö 25:1-7, 11; Jer 52:1-15), und Abrahams Versuch, Isaak zu opfern, den er aber durch Gottes Eingreifen zurückempfing (diese Gleichnisse waren tatsächliche Begebenheiten, die sich dramenähnlich abspielten) (1Mo 22:9-13; Heb 11:19). Andere Gleichnisse wurden anschließend erklärt, vor allem Jesus Christus erklärte viele seiner Gleichnisse selbst. Häufig tragen neuzeitliche Ereignisse zum Verständnis biblischer Gleichnisse bei.
In den Hebräischen Schriften. Die von Jehovas Geist getriebenen hebräischen Propheten und Bibelschreiber zeichneten zahlreiche passende Vergleiche auf. So heißt es im 1. Buch Mose in der Verheißung Jehovas, dass er Abrahams Samen mehren werde „wie die Sterne der Himmel und wie die Sandkörner, die am Ufer des Meeres sind“ (1Mo 22:15-18). Um die missliche Lage hervorzuheben, in die sein Volk in Juda durch die Sünde geraten war, veranlasste Jehova Jesaja, den Zustand seines Volkes mit einer widerlichen körperlichen Krankheit zu vergleichen. Jesaja sagte: „Das ganze Haupt ist in krankem Zustand, und das ganze Herz ist kraftlos ... Wunden und Quetschungen und frische Striemen – sie sind nicht ausgedrückt oder verbunden worden, noch ist etwas mit Öl erweicht worden“ (Jes 1:4-6). Durch Visionen von einem riesigen Standbild und einem hohen Baum übermittelte Jehova König Nebukadnezar prophetische Botschaften, und Daniel sah bestimmte Regierungen der Erde als Tiere dargestellt (Da, Kap. 2, 4, 7).
Wenn die Propheten von einer bestimmten Person oder einer Personengruppe sprachen, verwendeten sie oft bestimmte Wörter oder Ausdrücke, um bildlich auf ein charakteristisches Merkmal der Betreffenden hinzuweisen. So wird zum Beispiel Jehova als „der FELS Israels“, als eine „Felsenkluft“ und als eine „Feste“ bezeichnet, um den Gedanken zu vermitteln, dass die von Gott kommende Sicherheit auf einer unerschütterlichen Grundlage beruht (2Sa 23:3; Ps 18:2). Von Juda wird gesagt, er sei „ein Löwenjunges“ (1Mo 49:9), und die Assyrer werden als „die Rute“ für Gottes Zorn bezeichnet (Jes 10:5).
In zahlreichen Fällen stellten die Propheten die Botschaft, die sie ausrichten sollten, durch gewisse Handlungen dar, wodurch die Wirkung des gesprochenen Wortes verstärkt wurde. Jeremia sagte für Jerusalem Unglück voraus, und um seiner Botschaft Nachdruck zu verleihen, zerbrach er vor den Augen der versammelten älteren Männer des Volkes und der Priester einen Krug. Er sagte verschiedenen Nationen voraus, dass sie Babylon dienen würden, und um dies zu verdeutlichen, sandte er Bande und Jochstangen an ihre Könige (Jer, Kap. 19, 27). Jesaja ging nackt und barfuß umher, um den Israeliten nachdrücklich vor Augen zu führen, dass die Ägypter und die Äthiopier, von denen sie Hilfe erwarteten, auf diese Weise in die Gefangenschaft weggeführt würden (Jes 20). Hesekiel ritzte eine Darstellung der Stadt Jerusalem in einen Ziegelstein ein, baute ein Belagerungswerk gegen sie, stellte zwischen sich und sein Modell ein eisernes Backblech und legte sich auf seine Seite, den Blick darauf gerichtet, um die bevorstehende Belagerung Jerusalems sinnbildlich darzustellen (Hes 4).
Manchmal wurde eine Geschichte erzählt, um den Gedanken, der vermittelt werden sollte, zu betonen. Jotham tat dies, um den Grundbesitzern von Sichem zu zeigen, dass es töricht von ihnen war, einen solch gemeinen Mann wie Abimelech zum König zu wählen (Ri 9:7-20). Im Buch Hesekiel wird ein Gleichnis, das von zwei Adlern und einem Weinstock handelt, wiedergegeben, um das Verhalten Judas gegenüber Babylon und Ägypten zu veranschaulichen (Hes 17). Um die Handlungsweise Samarias (des Zehnstämmereiches Israel) und Jerusalems (Judas) zu veranschaulichen, zog Hesekiel als Beispiel zwei Schwestern heran, Ohola und Oholiba, die beide der Prostitution nachgingen (Hes 23).
Die hier erwähnten Beispiele sind nur einige der vielen in den Hebräischen Schriften geschilderten Gleichnisse oder sinnbildlichen Darstellungen. So gut wie alle Bibelschreiber und Propheten benutzten Gleichnisse oder sinnbildliche Darstellungen, die ihnen zum Teil von Gott direkt übermittelt wurden, entweder auf mündlichem Weg oder in Form von Visionen oder konkreten Wirklichkeiten, beispielsweise die Stiftshütte, die als „Gleichnis“ bezeichnet wird (Heb 9:9; NW, Fn.).
In den Griechischen Schriften. Auch die Christlichen Griechischen Schriften sind voll von anschaulichen Gleichnissen. Jesus Christus, von dem gesagt wurde: „Nie hat ein anderer Mensch auf diese Weise geredet“, hatte ein größeres Wissen, aus dem er schöpfen konnte, als irgendein Mensch, der je gelebt hat (Joh 7:46). Durch ihn hat Gott alles gemacht (Joh 1:1-3; Kol 1:15-17). Er war mit der ganzen Schöpfung innig vertraut. Deshalb waren seine Vergleiche äußerst passend, und seine Darstellung menschlicher Gefühlsregungen verriet ein tiefes Verständnis. Er glich dem Weisen der alten Zeit, der sagte: „Und außer der Tatsache, dass der Versammler weise geworden war, lehrte er auch das Volk fortwährend Erkenntnis, und er stellte Erwägungen und gründliche Nachforschungen an, damit er viele Sprüche in gute Form bringe. Der Versammler suchte die gefälligen Worte zu finden und die richtigen Worte der Wahrheit niederzuschreiben“ (Pr 12:9, 10).
Jesus bezeichnete seine Jünger passenderweise als „das Salz der Erde“ und als „das Licht der Welt“ (Mat 5:13, 14). Er forderte sie auf, „aufmerksam die Vögel des Himmels“ zu beobachten und „eine Lektion von den Lilien des Feldes“ zu lernen (Mat 6:26-30). Er verglich sich mit einem Hirten, der bereit war, für seine Schafe zu sterben (Joh 10:11-15). An Jerusalem richtete er die Worte: „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel versammelt! Ihr aber habt nicht gewollt“ (Mat 23:37). Zu den heuchlerischen geistlichen Führern sagte er: „Blinde Leiter, die ihr die Mücke aussiebt, das Kamel aber hinunterschluckt!“ (Mat 23:24). Über jemand, der andere zum Straucheln bringt, sagte er: „Es wäre vorteilhafter für ihn, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde“ (Luk 17:1, 2).
Einige der von Jesus geäußerten Gleichnisse waren kurze, kernige Aussprüche, die mit den Sprichwörtern in den Hebräischen Schriften verglichen werden könnten; die meisten waren aber länger und hatten den Charakter einer Erzählung. Jesus entnahm den Stoff für seine Gleichnisse meistens seiner natürlichen Umgebung, dem Alltagsleben, gelegentlich auftretenden Vorkommnissen oder nicht unüblichen Situationen sowie dem Tagesgeschehen, das seinen Zuhörern gut bekannt war.
Einige der bekanntesten Gleichnisse Jesu. Im Folgenden werden einige nützliche Angaben über den Hintergrund und den Kontext von 30 Gleichnissen gemacht, die Jesus Christus während seines Dienstes auf der Erde äußerte und die von den Evangelisten aufgezeichnet wurden:
1. Die beiden Schuldner (Luk 7:41-43). Der Zweck des Gleichnisses von den beiden Schuldnern (von denen der eine eine zehnmal größere Schuld hatte als der andere) und seine Anwendung sind aus dem Kontext, Lukas 7:36-40, 44-50, ersichtlich.
Anlass zu diesem Gleichnis gab das Verhalten Simons, bei dem Jesus zu Gast war, der Frau gegenüber, die kam und Jesus die Füße mit wohlriechendem Öl einrieb. Die Anwesenheit eines solch ungeladenen Gastes war nichts Ungewöhnliches, denn anscheinend konnten in gewissen Fällen während eines Gastmahls auch ungeladene Personen den Raum betreten und sich entlang der Wand hinsetzen und von dort aus mit den in der Mitte des Raumes zu Tisch Liegenden sprechen. Jesus wandte die Situation der beiden Schuldner passend an, indem er darauf hinwies, dass Simon ihm kein Wasser für seine Füße gegeben hatte, dass er ihn nicht mit einem Kuss begrüßt und sein Haupt nicht mit Öl eingerieben hatte – Gefälligkeiten, die einem Gast in der Regel erwiesen wurden. Doch die Frau, die viele Sünden begangen hatte, bewies größere Liebe zu Jesus und war ihm gegenüber gastfreundlicher, obwohl er nicht bei ihr zu Gast war. Er sagte dann zu ihr: „Deine Sünden sind vergeben.“
2. Der Sämann (Mat 13:3-8; Mar 4:3-8; Luk 8:5-8). Das Gleichnis selbst enthält keine Anhaltspunkte für die Auslegung; doch in Matthäus 13:18-23, Markus 4:14-20 und Lukas 8:11-15 wird es deutlich erklärt. Die Aufmerksamkeit wird auf die Verhältnisse gelenkt, die den Boden oder das Herz beeinflussen, sowie auf die Dinge, die das Wachstum des Samens, des Wortes vom Königreich, hindern können.
Beim Säen wurden damals verschiedene Methoden angewandt. Gewöhnlich hatte der Sämann den Samen in einem über die Schulter gehängten und um die Taille befestigten Sack oder in einem aus einem Teil seines äußeren Gewandes erstellten Beutel. Der Samen wurde beim Gehen breit ausgeworfen. Die Saat wurde so bald wie möglich bedeckt, bevor Krähen und Raben sie wegpicken konnten. Ließ aber der Sämann zwischen gepflügten Feldern Pfade oder fielen einige Samenkörner den Weg entlang, wo der Boden hart war, so fraßen die Vögel sie auf. „Die felsigen Stellen“ waren nicht Stellen, wo der Boden mit Steinen übersät war, sondern wo, wie es in Lukas 8:6 heißt, die Samenkörner auf „den Felsen“ fielen oder auf eine verborgene Felsbank, auf der sehr wenig Erde lag. Als dann diese Samenkörner aufgingen, verdorrten sie bald in der Sonne. Der Boden, auf dem die Dornen wuchsen, war zwar offenbar gepflügt, aber nicht vom Unkraut befreit worden, sodass es gedeihen konnte und den frisch gesäten Samen erstickte. Die angegebenen Erträge des produktiven Samens – hundertfach, sechzigfach und dreißigfach – sind gut möglich. Mit dem Säen von Samen und den verschiedenen Bodenarten waren die Zuhörer Jesu vertraut.
3. Unkraut unter dem Weizen (Mat 13:24-30). Gemäß Matthäus 13:36-43 erklärte Jesus das Gleichnis, indem er den „Weizen“, die „Söhne des Königreiches“, dem „Unkraut“, den „Söhnen dessen, der böse ist“, gegenüberstellte.
Das Besäen eines Weizenfeldes mit Unkraut ist eine Handlung, die Feindschaft verrät, und ist im Nahen Osten nicht unbekannt. Man nimmt an, dass es sich bei dem erwähnten „Unkraut“ um den giftigen Taumellolch (Lolium temulentum) handelt. Seine Giftigkeit wird gewöhnlich einem in seinem Samen wachsenden Pilz zugeschrieben. Bis zur Reife sieht der Taumellolch dem Weizen sehr ähnlich, doch dann ist er leicht davon zu unterscheiden. Der Genuss kann Schwindel verursachen und unter Umständen sogar den Tod herbeiführen. Da sich die Wurzeln dieses Unkrauts leicht mit denen des Weizens verflechten, wäre es nicht ratsam, es schon vor der Ernte auszureißen – selbst wenn man es erkennen könnte –, weil man den Weizen mit ausreißen könnte.
4. Das Senfkorn (Mat 13:31, 32; Mar 4:30-32; Luk 13:18, 19). Das Thema ist „das Königreich der Himmel“. Wie aus anderen Texten hervorgeht, kann sich das auf einen bestimmten Gesichtspunkt in Verbindung mit dem Königreich beziehen. In diesem Fall werden zwei Schwerpunkte gesetzt: zum einen das erstaunliche Wachstum der Königreichsbotschaft und zum anderen der Schutz, den die genießen, die diese Botschaft annehmen.
Das Senfkorn ist sehr klein und kann deshalb gut zur Bezeichnung von etwas Winzigem gebraucht werden (Luk 17:6). Einige Senfpflanzen werden tatsächlich 3 bis 4,5 m hoch; sie haben kräftige Zweige und werden, wie Jesus sagte, tatsächlich „ein Baum“. Vergleichbar damit fing auch die Christenversammlung zu Pfingsten 33 u. Z. sehr klein an. Sie wuchs im 1. Jahrhundert jedoch sehr schnell und heute haben die Zweige des „Senfbaums“ ein Ausmaß erreicht, das alle Erwartungen übertroffen hat (Jes 60:22).
5. Der Sauerteig (Mat 13:33). Wieder ist „das Königreich der Himmel“ das Thema. Mit den „drei großen Maß“ sind drei sáta, d. h. drei Sea, gemeint, was ungefähr 22 l Mehl entspricht. Die Sauerteigmenge ist im Vergleich dazu zwar klein, aber sie durchsäuert die ganze Teigmasse. Was wird in Verbindung mit dem Königreich durch dieses Gleichnis veranschaulicht? Wie der Gärungsprozess im Sauerteig, so ist auch das geistige Wachstum in Verbindung mit dem Königreich für das menschliche Auge oft unsichtbar. Doch das Wachstum ist beständig und seine Kraft durchdringt alles. Vergleichbar mit dem Sauerteig in einer großen Menge Mehl hat sich das Königreichspredigtwerk, der Auslöser des geistigen Wachstums, so weit ausgedehnt, dass die gute Botschaft jetzt „bis zum entferntesten Teil der Erde“ gepredigt wird (Apg. 1:8).
6. Der verborgene Schatz (Mat 13:44). Jesus erzählte dieses Gleichnis nicht den Volksmengen, sondern seinen Jüngern (Mat 13:36). Wie aus dem Text zu ersehen ist, geht es dabei um „das Königreich der Himmel“, das demjenigen, der es findet, Freude macht, von ihm aber verlangt, dass er sich ändert und sich darauf einstellt, zuerst das Königreich zu suchen und alles dafür herzugeben.
7. Der Kaufmann, der Perlen suchte (Mat 13:45, 46). Jesus erzählte dieses Gleichnis seinen Jüngern. Er verglich das Königreich der Himmel mit einer schönen Perle von solch hohem Wert, dass ein Mann alles, was er hatte, verkaufte, um sie zu erwerben.
Perlen sind ein wertvoller Schmuck, den man im Innern der Perlmuschel und bestimmter anderer Weichtiere findet. Doch nicht alle Perlen sind „schön“; manche mögen, statt weiß schillernd, gelb sein, eine schwärzliche Tönung haben oder nicht glatt sein. Im Altertum waren Perlen im Nahen Osten sehr geschätzt und erfreuten ihren Besitzer. In diesem Gleichnis suchte der Kaufmann Perlen; er erkannte den unübertrefflichen Wert der einen und war bereit, die nötigen Schritte zu unternehmen, ja alles aufzugeben, um sie zu erwerben. (Vgl. Luk 14:33; Php 3:8.)
8. Das Schleppnetz (Mat 13:47-50). Anhand dieses Gleichnisses schilderte Jesus die Aussonderung der für das Königreich der Himmel ungeeigneten Personen. In Vers 49 ist die Rede vom „Abschluss des Systems der Dinge“ als der Zeit, zu der die Erfüllung ihren Höhepunkt erreicht.
Ein Schleppnetz ist ein Netz aus Flachsschnüren, das über den Grund eines Gewässers gezogen wird. Mit dem Schleppnetz sammelte man alle möglichen Fische ein. Das Gleichnis war für die Jünger Jesu sehr passend, da einige von ihnen Fischer waren. Sie wussten, dass einige Fische unbrauchbar waren und weggeworfen werden mussten, da alles, was weder Flossen noch Schuppen hatte, unrein war und deshalb nach dem mosaischen Gesetz nicht gegessen werden durfte (3Mo 11:9-12; 5Mo 14:9, 10).
9. Der unbarmherzige Sklave (Mat 18:23-35). Was Jesus veranlasste, dieses Gleichnis zu äußern, geht aus Matthäus 18:21, 22 hervor, und die Anwendung ist in Vers 35 zu finden. Das Gleichnis zeigt besonders, dass die Schulden, die unsere Mitmenschen bei uns haben, gering sind im Vergleich zu der Schuld, die wir bei Gott haben. Es führt uns sündigen Menschen, denen Gott aufgrund des Opfers Christi eine solch große Schuld vergibt, nachdrücklich vor Augen, dass wir die verhältnismäßig unbedeutenden Sünden, die unsere Mitmenschen gegen uns begehen, vergeben sollten.
Ein Denar entsprach einem Tagelohn; die 100 Denare (die kleinere Schuld) entsprachen somit ungefähr dem Drittel eines Jahreseinkommens. Zehntausend Silbertalente (die größere Schuld) entsprachen 60 Millionen Denaren, d. h., ein Mensch hätte Zehntausende von Jahren leben müssen, um diese Summe zusammenzubringen. Wie groß die Schuld gegenüber dem König war, ist daraus ersichtlich, dass – wie Josephus berichtet – die Gebiete Judäa, Idumäa und Samaria sowie bestimmte Städte jährlich insgesamt Steuern in Höhe von 600 Talenten entrichteten; Galiläa und Peräa zahlten 200 Talente. Jesus selbst sagte (Vers 35), welcher Grundsatz durch dieses Gleichnis zum Ausdruck kam: „In gleicher Weise wird mein himmlischer Vater auch mit euch verfahren, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder aus eurem Herzen heraus vergebt.“
10. Der Barmherzige Samariter (Luk 10:30-37). Der Zusammenhang (Luk 10:25-29) zeigt, dass dieses Gleichnis als Antwort auf die Frage: „Wer ist in Wirklichkeit mein Nächster?“, geäußert wurde. Welche Folgerung daraus zu ziehen ist, geht aus den Versen 36 und 37 hervor.
Die Straße von Jerusalem nach Jericho führte durch eine wilde, einsame Gegend, die oft der Schauplatz von Raubüberfällen war, weshalb dort schließlich zum Schutz der Reisenden eine Garnison stationiert wurde. Im 1. Jahrhundert lag Jericho ungefähr 21 km onö. von Jerusalem. Um zu zeigen, wer der „Nächste“ war, der nach dem Gesetz geliebt werden sollte, sprach Jesus von der Reaktion eines Priesters und eines Leviten gegenüber einem Mann, der ausgeraubt und halb tot liegen gelassen worden war. Die Priester waren beauftragt, im Tempel in Jerusalem Opfer darzubringen, und die Leviten halfen ihnen dabei. Die Samariter erkannten das im Pentateuch niedergelegte mosaische Gesetz an, aber die Juden waren ihnen gegenüber nicht freundlich gesinnt, ja sie verkehrten überhaupt nicht mit ihnen (Joh 4:9). Sie blickten verächtlich auf die Samariter herab (Joh 8:48); es gab sogar Juden, die die Samariter öffentlich in ihrer Synagoge verfluchten und täglich darum beteten, dass ihnen kein ewiges Leben zuteilwerde. Dem Verletzten wurden Öl und Wein – damals häufig verwendete Heilmittel – auf die Wunden gegossen. Die zwei Denare, die der Samariter dem Herbergswirt gab, damit dieser für den Mann sorge, entsprachen ungefähr zwei Tagelöhnen (Mat 20:2).
11. Der beharrliche Freund (Luk 11:5-8). Dieses Gleichnis bildete einen Teil der Antwort Jesu auf die Bitte seiner Jünger, sie beten zu lehren (Luk 11:1-4). Wie aus den Versen 9 und 10 hervorgeht, sollte daraus nicht gefolgert werden, dass Gott durch unsere Bitten gestört wird, sondern dass er erwartet, dass wir unablässig bitten.
Gastfreundschaft ist eine Pflicht, die man im Orient gern erfüllt. Selbst wenn ein Gast – vielleicht wegen der Schwierigkeiten, die das Reisen damals häufig mit sich brachte – unerwartet um Mitternacht eintraf, fühlte sich sein Gastgeber verpflichtet, ihm etwas zu essen zu geben. Da es oft schwierig war, genau zu wissen, wie viel Brot man für die Familie benötigte, konnte man sich notfalls etwas bei Nachbarn leihen. In diesem Fall war der Nachbar bereits zu Bett gegangen. Da es in manchen Häusern – besonders in denen der Armen – häufig nur einen großen Raum gab, hätte er, wenn er aufgestanden wäre, möglicherweise die ganze Familie gestört. Das war wohl der Grund, weshalb er zögerte, die Bitte zu erfüllen.
12. Der unvernünftige Reiche (Luk 12:16-21). Das Gleichnis bildete einen Teil der Antwort, die Jesus einem Mann gab, der ihn bat, in einer Erbangelegenheit Schiedsrichter zu sein. Wie der Vers 15 zeigt, wollte er damit besonders den Gedanken betonen: „Wenn jemand auch in Fülle hat, kommt doch sein Leben nicht aus den Dingen, die er besitzt.“ Man vergleiche damit die Worte, die Jesus danach (von Vers 22 an) zu seinen Jüngern sprach.
Nach dem Gesetz musste der Vater seinem ältesten Sohn zwei Teile von allem, was er besaß, als Erbe hinterlassen (5Mo 21:17). Wahrscheinlich war es zu dem Streit gekommen, weil dieses Gesetz nicht berücksichtigt worden war; daher die Warnung vor Habsucht.
13. Der unfruchtbare Feigenbaum (Luk 13:6-9). Erzählt gegen Ende des Jahres 32 u. Z., drei volle Jahre nach der Taufe Jesu. Kurz vorher war berichtet worden, dass Pilatus einige Galiläer hatte umbringen lassen. Auch hatte Jesus vom Tod der 18 gesprochen, auf die der Turm von Siloam gefallen war, und hatte zu den Leuten gesagt, sie kämen ebenfalls alle ums Leben, wenn sie nicht bereuten (Luk 13:1-5). Danach erzählte er dieses Gleichnis.
Es war allgemein üblich, in den Weingärten in gewissen Abständen auch Feigen- und Olivenbäume zu pflanzen, damit man, wenn in einem Jahr die Weinernte schlecht ausfiel, doch ein gewisses Einkommen hatte. Neue Bäume aus Ablegern tragen gewöhnlich innerhalb von zwei bis drei Jahren wenigstens ein paar Feigen. Die Parallele zwischen den im Gleichnis erwähnten drei Jahren und den drei damals bereits vergangenen Jahren des Dienstes Jesu war offensichtlich von Bedeutung. Als steuerpflichtiges Objekt war der Baum eine finanzielle Belastung und verdiente es, umgehauen zu werden.
14. Das große Abendessen (Luk 14:16-24). Die Verse 1 bis 15 bilden den Rahmen; Jesus äußerte dieses Gleichnis während eines Essens, als einer der Mitgäste zu ihm sagte: „Glücklich ist, wer Brot isst im Königreich Gottes.“
Es war Sitte, die zu einem Festmahl geladenen Gäste zu benachrichtigen, sobald das Mahl bereitet war. Diejenigen, die ihre Teilnahme an diesem großen Abendmahl absagten, hatten andere Interessen, die ihnen wichtiger waren und gegen die an sich nichts einzuwenden gewesen wäre. Doch ihre Reaktion zeigte, dass ihnen überhaupt nicht daran gelegen war, zugegen zu sein, und dass sie vor dem Gastgeber nicht die nötige Achtung hatten. Die meisten der später Eingeladenen – die Armen und Krüppel, die Blinden und Lahmen sowie andere, die schließlich hereingebracht wurden – waren Personen, die die Welt im Allgemeinen für unwürdig hielt. (Vgl. Vers 13.)
15. Das verlorene Schaf (Luk 15:3-7). Anlass zur Äußerung dieses Gleichnisses gaben gemäß Lukas 15:1, 2 die Pharisäer und die Schriftgelehrten, die murrten, weil Jesus Sünder und Steuereinnehmer willkommen hieß. In Matthäus 18:12-14 wird ein ähnliches Gleichnis berichtet, das aber bei einer anderen Gelegenheit geäußert wurde.
Steuereinnehmer, besonders die jüdischen, wurden gehasst, weil sie damit beschäftigt waren, für die verhassten Römer die Steuern einzuziehen. Man verachtete sie. Jesu Gleichnis vom verlorenen Schaf war für seine Zuhörer etwas, was sie aus dem täglichen Leben kannten. Ein verlorenes Schaf ist hilflos; der Hirt sucht es so lange, bis er es gefunden hat. Die Freude im Himmel über einen Sünder, der bereut, steht in auffallendem Gegensatz zu dem Murren der Schriftgelehrten und der Pharisäer, denen es missfiel, dass sich Jesus um solche Personen kümmerte.
16. Die verlorene Drachme (Luk 15:8-10). Der Rahmen für dieses Gleichnis ist in Lukas 15:1, 2 zu finden, und es kommt unmittelbar nach dem Gleichnis vom verlorenen Schaf. Aus Vers 10 geht die Anwendung hervor.
Der Wert einer Drachme entsprach 65 Cent, beinahe einem Tagelohn. Die verlorene Münze mag in diesem Fall jedoch von besonders großem Wert gewesen sein, da sie vielleicht zu einem Satz von zehn Drachmen – einem alten Erbstück – oder zu einer kostbaren Schmuckkette gehörte. Die Frau musste eine Lampe anzünden, um die Münze zu suchen, da die Lichtöffnung eines Hauses – sofern überhaupt eine vorhanden war – gewöhnlich ziemlich klein war; und das Fegen des Fußbodens, der meistens aus Lehm war, erleichterte die Suche.
17. Der verlorene Sohn (Luk 15:11-32). Die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten, weil Jesus Steuereinnehmer und Sünder willkommen hieß und mit ihnen aß. Jesus reagierte darauf, indem er das Gleichnis vom verlorenen Schaf, dann das von der verlorenen Münze und nun das vom verlorenen Sohn erzählte.
Nach dem jüdischen Gesetz stand dem jüngeren Sohn die Hälfte des Erbanteils seines älteren Bruders zu (5Mo 21:17). So ähnlich, wie der jüngere Sohn in ein fernes Land gegangen war, hatten sich in den Augen der Juden die Steuereinnehmer von ihnen entfernt, indem sie in den Dienst Roms getreten waren. Schweine hüten zu müssen war für einen Juden entwürdigend, da diese Tiere nach dem Gesetz unrein waren (3Mo 11:7). Als der jüngere Sohn nach Hause zurückkehrte, bat er darum, als Lohnarbeiter aufgenommen zu werden, nicht als Sohn. Ein Lohnarbeiter gehörte nicht einmal zur Hausgemeinschaft wie ein Sklave, sondern war ein Außenstehender, der oft nur für einen Tag eingestellt wurde (Mat 20:1, 2, 8). Der Vater verlangte, dass ein langes Gewand, das beste, für den jüngeren Sohn gebracht werde. Dabei handelte es sich nicht um ein einfaches Kleidungsstück, sondern wahrscheinlich um ein reich besticktes Festgewand, wie man es einem geehrten Gast anbot. Der Ring und die Sandalen waren möglicherweise ein Zeichen der Würde oder ein Beweis dafür, dass jemand ein freier Mann war.
18. Der ungerechte Verwalter (Luk 16:1-8). Die Verse 9 bis 13 zeigen, was wir aus dem Gleichnis lernen können. Der Verwalter wurde nicht wegen seiner ungerechten Handlungsweise gelobt, sondern wegen seiner praktischen Weisheit.
Er war mit der Verantwortung für die Belange seines Herrn betraut, hatte also eine wichtige Vertrauensstellung inne (1Mo 24:2; 39:4). Seine Entlassung hätte bedeutet, dass er ohne Mittel zum Lebensunterhalt aus dem Haus geschickt worden wäre. Seine Abstriche an den Schulden der Schuldner seines Herrn brachten ihm kein Geld ein, aber er gewann dadurch Freunde, die ihn in der Zukunft vielleicht unterstützen würden. Hundert Bath-Maß Öl entsprachen 2200 l, und 100 Kor-Maß Weizen entsprachen 22 000 l.
19. Der reiche Mann und Lazarus (Luk 16:19-31). Aus Lukas 16:14, 15 geht hervor, dass die geldliebenden Pharisäer Jesus zuhörten und ihn verhöhnten. Er sagte aber zu ihnen: „Ihr seid es, die sich vor Menschen selbst gerechtsprechen, aber Gott kennt euer Herz; denn was bei den Menschen hoch ist, ist etwas Abscheuliches in Gottes Augen.“
„Purpur und Leinwand“, die sich der reiche Mann „umzulegen“ pflegte, waren mit den Gewändern vergleichbar, die nur von Fürsten oder Edlen sowie von Priestern getragen wurden (Est 8:15; 1Mo 41:42; 2Mo 28:4, 5). Diese Gewänder waren sehr kostbar. Der Hades, in den der reiche Mann kam, war das allgemeine Grab der verstorbenen Menschen. Aus diesem Gleichnis zu schließen, der Hades sei ein Ort lodernden Feuers, ist unlogisch, denn in Offenbarung 20:14 heißt es deutlich, dass der Tod und der Hades in den „Feuersee“ geschleudert wurden. Der reiche Mann muss daher sinnbildlich gestorben und in den Hades gekommen sein, und von einem sinnbildlichen Tod ist auch an anderen Stellen der Bibel die Rede (Luk 9:60; Kol 2:13; 1Ti 5:6). Der reiche Mann erlitt also Feuerqualen, während er sinnbildlich tot, in Wirklichkeit aber lebendig war. Gottes Gerichtsbotschaften werden in seinem Wort mit Feuer verglichen (Jer 5:14; 23:29), und von dem Werk seiner Propheten, die seine Gerichtsbotschaften verkündigen, heißt es, dass diejenigen, die gegen Gott und seine Diener kämpfen, dadurch „gequält“ würden (Off 11:7, 10).
Lazarus ist eine gräzisierte Form des hebräischen Namens Eleasar, der „Gott hat geholfen“ bedeutet. Die Hunde, die seine Geschwüre beleckten, waren wahrscheinlich streunende Unratfresser und galten als unrein. Dass Lazarus am Busenplatz Abrahams war, bedeutete, dass er sich in einer Gunststellung befand (vgl. Joh 1:18), wobei es sich um eine Redewendung handelte, die von dem Brauch abgeleitet wurde, bei Mahlzeiten so zu Tisch zu liegen, dass man sich an die Brust eines Freundes zurücklehnen konnte (Joh 13:23-25).
20. Unnütze Sklaven (Luk 17:7-10). Aus Vers 10 ist ersichtlich, welche Lehre aus dem Gleichnis gezogen werden kann.
Sklaven, die auf dem Feld ihres Herrn gearbeitet hatten, trugen ihm am Abend häufig auch das Essen auf. Es war für sie nicht nur selbstverständlich, dass sie mit dem Essen warteten, bis ihr Herr gegessen hatte, sondern oft stritten sie sich sogar darum, wer die Ehre haben sollte, ihn zu bedienen. Sie betrachteten es nicht als eine zusätzliche Last, sondern als etwas, worauf ihr Herr ein Recht hatte.
21. Die Witwe und der Richter (Luk 18:1-8). Aus Vers 1 geht hervor, dass Jesus das Gleichnis gebrauchte, um den Jüngern zu zeigen, „dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten“. In den Versen 7 und 8 ist die Anwendung zu finden. Das Gleichnis, das die Notwendigkeit des Gebets hervorhebt, war im Hinblick auf das, was im vorangehenden Kapitel in den Versen 20 bis 37 gesagt wird, besonders passend.
Anscheinend gehörte der erwähnte Richter keinem jüdischen Gerichtshof an. Im ersten Jahrhundert gab es viererlei jüdische Gerichte: 1. das Ortsgericht, das sich aus drei Männern zusammensetzte; 2. ein Gericht, das aus sieben älteren Männern des Ortes bestand; 3. in Jerusalem gab es untere Gerichte, denen je 23 Personen angehörten (solche Gerichte gab es in ganz Palästina in allen Städten, die groß genug waren), und 4. das höchste Gericht (der Große Sanhedrin mit Sitz in Jerusalem), das aus 71 Mitgliedern bestand und dessen Gerichtsbarkeit sich über die ganze Nation erstreckte. (Siehe GERICHT, GERICHTSHOF.) Aber der in dem Gleichnis erwähnte Richter passt nicht in den Rahmen des Gerichtswesens der Juden, bei denen einem Gericht mindestens drei Richter angehören mussten. Er muss demnach ein von den Römern eingesetzter Richter oder Polizeibeamter gewesen sein. Es wird deutlich gesagt, dass er Gott nicht fürchtete und sich auch nicht um die öffentliche Meinung kümmerte. Auch wird nicht gesagt, dass Gott wie der ungerechte Richter handelt, sondern Gott wird dem Richter gegenübergestellt. Wenn der Richter schließlich tat, was recht war, wie viel eher wird Gott es tun! Die Beharrlichkeit der Witwe veranlasste den ungerechten Richter zu handeln; Gottes Diener müssen ebenfalls beharrlich beten. Gott, der gerecht ist, wird ihre Gebete erhören und ihnen Recht verschaffen.
22. Der selbstgerechte Pharisäer und der reumütige Steuereinnehmer (Luk 18:9-14). Der Vers 9 lässt den Rahmen des Gleichnisses erkennen und der Vers 14 den Zweck.
Leute, die in den Tempel gingen, um zu beten, durften nicht in das Heilige oder das Allerheiligste, sondern nur in die Vorhöfe ringsum. Die beiden Männer (Juden) hielten sich wahrscheinlich in dem sogenannten Vorhof der Frauen auf. Die Pharisäer waren stolz und selbstgerecht und blickten verächtlich auf andere herab (Joh 7:47, 49). Sie fasteten zweimal in der Woche, obgleich das mosaische Gesetz dies nicht verlangte. Als Fastentage wählten sie, wie berichtet wird, die üblichen Markttage, an denen viele Leute in der Stadt waren und in der Synagoge besondere Gottesdienste abgehalten wurden und der örtliche Sanhedrin tagte; so konnte ihre Frömmigkeit gesehen werden (Mat 6:16; vgl. 10:17, Fn.). Die jüdischen Steuereinnehmer durften zwar in den Tempel gehen, aber sie waren verhasst, weil sie im Dienst von Rom standen.
23. Die Arbeiter, denen ein Denar ausbezahlt wurde (Mat 20:1-16). Jesus erzählte dieses Gleichnis in Verbindung mit der Antwort, die er Petrus auf die Frage gab: „Siehe! Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns eigentlich zuteilwerden?“ (Mat 19:27; siehe ferner Mat 19:30; 20:16).
Die Weinlese war für den Besitzer eines Weingartens keine sorglose Zeit. Einige Arbeiter wurden für die ganze Erntezeit eingestellt, andere wurden nach Bedarf in den Dienst genommen. Die Auszahlung der Löhne am Ende des Tages entsprach dem mosaischen Gesetz; arme Arbeiter waren darauf angewiesen (3Mo 19:13; 5Mo 24:14, 15). Ein Denar, der als Tagelohn ausbezahlt wurde, war eine römische Silbermünze. Heute wäre sie 74 Cent wert. Die Juden teilten im ersten Jahrhundert u. Z. den Tag vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang in 12 gleiche Teile ein; demnach dauerte die 3. Stunde ungefähr von 8 bis 9 Uhr vormittags, die 6. ungefähr von 11 Uhr vormittags bis mittags, die 9. ungefähr von 2 bis 3 Uhr nachmittags und die 11. etwa von 4 bis 5 Uhr nachmittags.
24. Die Minen (Luk 19:11-27). Erzählt im Jahr 33 u. Z., als Jesus zum letzten Mal nach Jerusalem unterwegs war (Luk 19:1, 28). Warum er dieses Gleichnis äußerte, geht aus dem Vers 11 hervor, wo es heißt: „Sie meinten, das Königreich Gottes werde sich augenblicklich zeigen.“
Es war im Römischen Reich üblich, dass jemand von vornehmer Geburt nach Rom reiste, um Königsmacht zu erlangen. Das tat auch Archelaos, der Sohn von Herodes dem Großen, aber die Juden schickten eine fünfzigköpfige Gesandtschaft an den Hof des Augustus, die Klagen gegen ihn vorbrachte, um seinem Machtstreben, wenn möglich, ein Ende zu setzen. Die Silberminen, von denen jeder Sklave eine bekam, entsprachen damals 88 Tagelöhnen und hätten heute einen Wert von 65,40 Dollar.
25. Die zwei Kinder (Mat 21:28-31). Mit diesem Gleichnis, das Jesus im Tempel in Jerusalem erzählte, beantwortete er zum Teil die Fragen aus Vers 23: „Mit welcher Befugnis tust du diese Dinge? Und wer hat dir diese Befugnis gegeben?“ Nachdem er auf die Fragen der geistlichen Führer eingegangen war, zeigte er ihnen anhand einiger Gleichnisse, was für Personen sie in Wirklichkeit waren.
Aus den Versen 31 und 32 ist ersichtlich, wie Jesus sein Gleichnis anwandte. Er gab zu verstehen, dass die Oberpriester und die einflussreichen älteren Männer, zu denen er sprach, mit dem zweiten Kind zu vergleichen waren, da sie vorgaben, Gott zu dienen, es aber in Wirklichkeit nicht taten. Die Steuereinnehmer und die Huren dagegen, die Johannes dem Täufer glaubten, glichen dem ersten Kind; sie weigerten sich zuerst entschieden, Gott zu dienen, bereuten dann aber und änderten ihre Lebensweise.
26. Die mörderischen Weingärtner (Mat 21:33-44; Mar 12:1-11; Luk 20:9-18). Erzählt im Tempel in Jerusalem, nur drei Tage bevor Jesus, der Sohn Gottes, getötet wurde. Auch mit diesem Gleichnis beantwortete er die Frage nach der Quelle seiner Befugnis (Mar 11:27-33). Gemäß den Berichten der Evangelisten merkten die geistlichen Führer nach der Äußerung dieses Gleichnisses sogleich, dass Jesus von ihnen gesprochen hatte (Mat 21:45; Mar 12:12; Luk 20:19).
Der Zaun um den Weingarten kann eine Steinmauer (Spr 24:30, 31) oder eine Hecke (Jes 5:5) gewesen sein. Die Weinpresse war häufig in den Felsboden gehauen und bestand aus zwei Kufen, und der Saft floss von der oberen Kufe in die untere. Der Turm war ein Beobachtungsstand für den Wächter, der dafür sorgen musste, dass keine Diebe oder Tiere eindrangen. In manchen Fällen erhielten die angestellten Weingärtner einen gewissen Teil der Früchte. In anderen Fällen zahlten sie Miete oder kamen mit dem Besitzer überein, ihm eine bestimmte Menge des Ertrags abzugeben. In dem Gleichnis war wahrscheinlich Letzteres der Fall. Mit der Ermordung des Sohnes (des Erben) beabsichtigten die Weingärtner anscheinend, den Weingarten in Besitz zu nehmen, da derjenige, der ihn gepflanzt hatte, außer Landes war. In Jesaja 5:1-7 heißt es, dass der „Weingarten Jehovas“ das „Haus Israel“ sei. Die Berichte der Evangelisten lassen erkennen, dass Jesus Psalm 118:22, 23 als Schlüssel zum Verständnis des Gleichnisses zitierte.
27. Das Hochzeitsfest für den Sohn des Königs (Mat 22:1-14). Wie aus Vers 1 ersichtlich ist, setzte Jesus mit diesem Gleichnis das vorangegangene Gespräch fort und beantwortete damit auch zum Teil noch die Frage, mit welcher Befugnis er sein Werk durchführe (Mat 21:23-27). Die Anwendung ist in den Versen 2 und 14 zu finden.
Einige Monate zuvor hatte Jesus ein ähnliches Gleichnis geäußert, das von einem großen Abendessen handelte, zu dem viele eingeladen wurden; die Geladenen waren jedoch mit anderen Dingen beschäftigt und ließen es dem gegenüber, der sie eingeladen hatte, an Respekt fehlen (Luk 14:16-24). Jetzt – nur drei Tage vor seinem Tod – spricht Jesus nicht nur von einer Abneigung zu kommen, sondern auch von einem mörderischen Geist der Geladenen. Die Ermordung der Vertreter des Königs kam einer Rebellion gleich; deshalb töteten die Heere des Königs die Mörder und verbrannten ihre Stadt. Da es sich bei diesem Anlass um eine königliche Hochzeit handelte, hielt der königliche Gastgeber für seine Gäste wahrscheinlich ein besonderes Kleid bereit. Wenn ja, dann hätte es bedeutet, dass ein Gast, der kein solches vom König bereitgestelltes Hochzeitskleid trug, dieses verschmäht hatte, als es ihm angeboten worden war.
28. Die zehn Jungfrauen (Mat 25:1-13). Dieses Gleichnis bezüglich des „Königreiches der Himmel“ bildet einen Teil der Antwort Jesu auf die Frage seiner Jünger, die in Matthäus 24:3 aufgezeichnet ist. Der Zweck des Gleichnisses geht deutlich aus Matthäus 25:13 hervor.
Zur damaligen Zeit bildete die feierliche Überführung der Braut aus dem Haus ihres Vaters in das Haus ihres Bräutigams oder das Haus seines Vaters einen bedeutenden Bestandteil der Hochzeitsfeier. Der Bräutigam verließ am Abend in seiner besten Kleidung sein Haus und begab sich in Begleitung seiner Freunde zur Wohnung der Brauteltern. Von dort bewegte sich der Festzug zum Haus des Bräutigams, begleitet von Musikern und Sängern und gewöhnlich auch von Personen, die Lampen trugen. Die Menschen, die den Weg säumten, zeigten gewöhnlich großes Interesse für den Festzug, und einige schlossen sich ihm an, besonders Mädchen, die Lampen trugen (Jer 7:34; 16:9; Jes 62:5). Da kein Grund zur Eile bestand, konnte es spät werden, und einige, die am Weg entlang warteten, mögen schläfrig geworden und eingeschlafen sein. Den Gesang und die Freudenrufe konnte man wahrscheinlich schon von Weitem hören, sodass diejenigen, die wach geblieben waren, sie vernahmen und riefen: „Der Bräutigam ist da!“ Wenn dann der Bräutigam und seine Begleitung ins Haus gegangen waren und die Tür geschlossen worden war, war es für säumige Gäste zu spät hineinzukommen. Die Lampen, die zum Festzug mitgenommen wurden, waren Öllampen und mussten immer wieder nachgefüllt werden.
29. Die Talente (Mat 25:14-30). Dieses Gleichnis, das von einem Mann handelt, der im Begriff stand, außer Landes zu reisen, erzählte Jesus vier seiner Jünger drei Tage vor seinem Tod, nach dem er dann bald in den Himmel auffahren sollte. Er beantwortete damit ebenfalls zum Teil die in Matthäus 24:3 aufgezeichnete Frage (Mar 13:3, 4).
Im Unterschied zu dem Gleichnis von den Minen (Luk 19:11-27), in dem jeder Sklave nur eine Mine bekam, wurden die Talente „einem jeden nach seiner eigenen Fähigkeit“ gegeben. Das in diesem Fall erwähnte Talent – wahrscheinlich ein Silbertalent – entsprach dem, was ein Arbeiter damals in etwa 20 Jahren verdienen konnte. Die Sklaven hätten an dem, was ihrem Herrn gehörte, interessiert sein sollen. Sie hätten daher mit dem ihnen anvertrauten Gut ihres Herrn fleißig und umsichtig Geschäfte machen sollen. Sie hätten, wenn sie mit dem Geld ihres Herrn nicht selbst arbeiten wollten, es zumindest bei den Bankleuten anlegen sollen, damit es nicht völlig brachgelegen, sondern Zins eingetragen hätte. Der böse und träge Sklave verbarg jedoch das ihm anvertraute Talent in der Erde und arbeitete dadurch eigentlich gegen die Interessen seines Herrn.
30. Die Schafe und die Böcke (Mat 25:31-46). Aus den Versen 31, 32, 41 und 46 geht hervor, dass durch dieses Gleichnis gezeigt werden sollte, wie die Menschen aller Nationen voneinander getrennt und gerichtet werden, wenn der Sohn des Menschen in seiner Herrlichkeit kommt. Es bildet einen Teil der Antwort Jesu auf die Frage seiner Jünger: „Was wird das Zeichen deiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge sein?“ (Mat 24:3).
Schafe und Böcke weiden im Nahen Osten gewöhnlich zusammen, und der Hirt kann sie leicht voneinander unterscheiden, wenn er sie trennen möchte. Als Jesus in diesem Gleichnis Böcke erwähnte, wollte er damit diese Tierart nicht in Verruf bringen. (Am jährlichen Sühnetag diente das Blut eines Ziegenbocks zur Sühnung der Sünden Israels.) Somit stellen die Böcke lediglich e i n e Klasse von Menschen dar und die Schafe eine andere. Die „Rechte“ – die Seite, auf die die „Schafe“ gestellt werden – ist ein Ehrenplatz (Apg 2:33; Eph 1:19, 20). Die „Linke“ – die Seite, auf die die „Böcke“ gestellt werden – veranschaulicht einen unehrenhaften Platz. (Vgl. Pr 10:2.) Man beachte, dass die „Schafe“, die zur Rechten des inthronisierten Sohnes des Menschen gestellt werden, nicht die gleichen Personen sind wie die „Brüder“ Jesu Christi, denen sie Gutes getan hatten (Mat 25:34-40; Heb 2:11, 12).
Die Offenbarung. In der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel, sind mehr Sinnbilder und gleichnishafte Darstellungen zu finden als in irgendeinem anderen Bibelbuch. Wie der Schreiber Johannes selbst berichtet, wurde sie ihm „in Zeichen“ dargelegt (Off 1:1). Daher kann mit Recht gesagt werden, dass die Bibel von Anfang bis Ende ein hervorragendes Beispiel für die Verwendung passender Gleichnisse und Sinnbilder ist.
Von Jüngern Christi verwendete Gleichnisse oder Veranschaulichungen. Die christlichen Bibelschreiber zeichneten nicht nur die von Jesus Christus geäußerten Gleichnisse auf, sondern machten auch selbst häufig Gebrauch von Gleichnissen. Lukas berichtet in der Apostelgeschichte von den treffenden Veranschaulichungen, die der Apostel Paulus machte, als er zu den Nichtjuden in Athen sprach. Paulus bezog sich auf Gegenstände der Verehrung, die den Athenern bekannt waren, und auf die Schriften ihrer Dichter (Apg 17:22-31). Wenn man den Brief an die Hebräer liest, stellt man fest, dass der Apostel Paulus (dem dieser Brief im Allgemeinen zugeschrieben wird) oft gewisse Dinge anhand von Beispielen veranschaulichte, die zeigten, wie Gott in der Vergangenheit mit Israel handelte. Gegenüber den Korinthern, die die Sportarten der Griechen kannten, verglich er den Weg eines Christen mit einem Wettlauf (1Ko 9:24-27). Hervorragend ist der Vergleich mit dem Olivenbaum und der damit verbundenen Warnung vor Selbstgefälligkeit und der an die Christen gerichteten Ermahnung, Gott heiligen Dienst gemäß der Vernunft darzubringen (Rö 11:13-32; 12:1, 2).
Jakobus, der Halbbruder Jesu, flocht in seinen Brief geschickt einige alltägliche Dinge ein. Er erwähnte einen Mann, der in einen Spiegel schaut, den Zaum eines Pferdes, das Steuerruder eines Schiffes usw., um bestimmte Wahrheiten klarzumachen (Jak 1:23, 24; 3:3, 4). Petrus und Judas bezogen sich häufig auf Ereignisse, die in früheren inspirierten Schriften erwähnt wurden, um die Botschaft zu veranschaulichen, die sie unter dem Einfluss des heiligen Geistes zu übermitteln hatten. Alle diese unter der Leitung des Geistes Gottes verwendeten Gleichnisse oder Veranschaulichungen dienen dem Zweck, Gottes Wort, die Bibel, zu einem lebendigen Buch zu machen.