PROPHEZEIUNG
Eine von Gott inspirierte Botschaft; eine Offenbarung oder Verkündigung des göttlichen Willens und Vorsatzes. Prophezeiungen können inspirierte Belehrungen auf sittlichem Gebiet, Kundgaben eines göttlichen Befehls oder Urteilsspruches oder Bekanntmachungen künftiger Ereignisse sein. Voraus- oder Vorhersagen zu treffen, ist nicht der Grundgedanke der Verben in den Ursprachen (hebr. naváʼ; gr. prophēteuō); doch bildet es ein hervorstechendes Merkmal biblischer Prophezeiungen. (Siehe PROPHET.)
Folgende Beispiele veranschaulichen den Sinn des hebräischen und des griechischen Wortes: Als Hesekiel in einer Vision gesagt wurde: „Prophezeie dem Wind“, ließ er lediglich Gottes Befehl an den Wind ergehen (Hes 37:9, 10). Diejenigen, die Jesus bei seinem Verhör verhüllten, schlugen und dann zu ihm sagten: „Prophezeie uns, du Christus: Wer ist es, der dich schlug?“, wollten keine Voraussage von ihm hören, sondern forderten ihn auf, durch göttliche Offenbarung herauszufinden, wer ihn geschlagen hatte (Mat 26:67, 68; Luk 22:63, 64). Die Samariterin am Brunnen erkannte Jesus als ‘einen Propheten’, weil er Dinge über ihre Vergangenheit offenbarte, die er nur mithilfe der Macht Gottes wissen konnte (Joh 4:17-19; vgl. Luk 7:39). Somit können Teile der Bibel wie zum Beispiel Jesu Bergpredigt und seine öffentliche Verurteilung der Schriftgelehrten und Pharisäer (Mat 23:1-36) passenderweise als Prophezeiungen bezeichnet werden, denn in diesen Teilen der Bibel wurde ebenso wie in den prophetischen Sprüchen Jesajas, Jeremias und anderer früherer Propheten unter Inspiration verkündet, wie Gott über gewisse Dinge dachte. (Vgl. Jes 65:13-16 mit Luk 6:20-25.)
In der ganzen Bibel gibt es natürlich viele Beispiele für Vorhersagen oder Voraussagen. Einige Beispiele aus früheren Zeiten findet man in 1. Mose 3:14-19; 9:24-27; 27:27-40; 49:1-28; 5. Mose 18:15-19.
Der Quell aller wahren Prophezeiungen ist Jehova Gott. Er übermittelt sie mithilfe seines heiligen Geistes oder gelegentlich durch Engelboten, die vom Geist geleitet werden (2Pe 1:20, 21; Heb 2:1, 2). Die Prophezeiungen in den Hebräischen Schriften beginnen häufig mit den Worten: „Hört das Wort Jehovas“ (Jes 1:10; Jer 2:4), und mit dem Ausdruck „das Wort“ ist oft eine von Gott inspirierte Botschaft oder Prophezeiung gemeint (Jes 44:26; Jer 21:1; Hes 33:30-33; vgl. Jes 24:3).
In welcher Hinsicht ‘inspirierte das Zeugnisgeben für Jesus zum Prophezeien’?
In der Vision, die der Apostel Johannes hatte, wurde ihm von einem Engel gesagt, dass „das Zeugnisgeben für Jesus ... das [ist], was zum Prophezeien inspiriert [wtl. „ist der Geist der Prophezeiung“]“ (Off 19:10). Der Apostel Paulus nennt Christus das ‘heilige Geheimnis Gottes’ und sagt, dass „in ihm ... alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis sorgsam verborgen [sind]“ (Kol 2:2, 3). Dem ist so, weil Jehova Gott seinem Sohn die Schlüsselrolle bei der Verwirklichung seines erhabenen Vorsatzes übertragen hat, der darin besteht, seinen Namen zu heiligen und die Erde sowie ihre Bewohner wieder mit ihm in Harmonie zu bringen, durch „eine Verwaltung an der Grenze der Fülle der bestimmten Zeiten, nämlich in dem Christus wieder alle Dinge zusammenzubringen, die Dinge in den Himmeln und die Dinge auf der Erde“ (Eph 1:9, 10; vgl. 1Ko 15:24, 25). Da die Erfüllung des großartigen Vorsatzes Gottes ganz eng mit Jesus verknüpft ist (vgl. Kol 1:19, 20), wiesen demnach alle Prophezeiungen, d. h. alle inspirierten Botschaften von Gott, die von seinen Dienern verkündet wurden, auf seinen Sohn hin. Wie aus Offenbarung 19:10 hervorgeht, sollte somit der ganze „Geist“ (der ganze Sinn und Zweck sowie das ganze Ziel) der Prophezeiung für Jesus Zeugnis geben, den Jehova ‘zum Weg und zur Wahrheit und zum Leben’ machen würde (Joh 14:6). Das würde nicht nur auf Prophezeiungen zutreffen, die vor Jesu irdischem Dienst geäußert worden waren, sondern auch auf die, die danach gemacht wurden (Apg 2:16-36).
Als in Eden Rebellion ausbrach, begann Jehova Gott in seiner Prophezeiung über den „Samen“, der schließlich ‘den Kopf der Schlange, des Widersachers Gottes, zermalmen’ würde, mit diesem ‘Zeugnis für Jesus’ (1Mo 3:15). Der abrahamische Bund enthielt eine Prophezeiung über jenen Samen und sagte voraus, dass sich durch ihn alle Familien der Erde segnen würden und dass er den Widersacher und dessen „Samen“ besiegen würde (1Mo 22:16-18; vgl. Gal 3:16). Es wurde vorausgesagt, dass der verheißene Same, „Schilo“ (was „Derjenige, dessen es ist [dem es gehört]“ bedeutet) genannt, aus dem Stamm Juda kommen würde (1Mo 49:10). Durch die Nation Israel offenbarte Jehova seinen Vorsatz, „ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation“ zu schaffen (2Mo 19:6; vgl. 1Pe 2:9, 10). Die Opfer, die gemäß dem mosaischen Gesetz dargebracht wurden, schatteten das Opfer des Sohnes Gottes vor, und die Priesterschaft versinnbildlichte Christi königliches himmlisches Priestertum (mit Mitpriestern) während seiner Tausendjahrherrschaft (Heb 9:23, 24; 10:1; Off 5:9, 10; 20:6). Folglich wurde das Gesetz ein „Erzieher ..., der zu Christus führt“ (Gal 3:23, 24).
Über Ereignisse, die die Geschichte der Nation Israel kennzeichneten, sagt der Apostel Paulus: „Diese Dinge nun widerfuhren ihnen fortgesetzt als Vorbilder [oder „zu einem vorbildhaften Zweck“], und sie sind zur Warnung für uns [Nachfolger Christi Jesu] geschrieben worden, auf welche die Enden der Systeme der Dinge gekommen sind“ (1Ko 10:11). David, der hervorragendste König Israels, schattete Gottes Sohn vor, und Jesus Christus erbte Gottes Bund mit David für ein ewiges Königreich (Jes 9:6, 7; Hes 34:23, 24; Luk 1:32; Apg 13:32-37; Off 22:16). Die verschiedenen Schlachten, die von treuen Königen (die gewöhnlich von Gottes Propheten geleitet und ermuntert wurden) geschlagen wurden, veranschaulichen den Krieg, den Gottes Sohn gegen die Feinde seines Königreiches führen wird, und die Siege, die Gott ihnen schenkte, veranschaulichen somit Christi Sieg über alle Streitkräfte Satans – ein Sieg, der Gottes Volk die Befreiung bringt (Ps 110:1-5; Mi 5:2-6; Apg 4:24-28; Off 16:14, 16; 19:11-21).
Viele Prophezeiungen aus der Zeit der Könige beschrieben die Herrschaft des Gesalbten Gottes (Messias oder Christus) und die Segnungen seiner Herrschaft. Andere messianische Prophezeiungen wiesen auf die Verfolgung und die Leiden des Knechtes Gottes hin. (Vgl. Jes 11:1-10; 53:1-12; Apg 8:29-35.) Wie der Apostel Petrus bemerkt, „untersuchten“ die Propheten aus alter Zeit „beständig, welchen besonderen Zeitabschnitt oder welche Art eines Zeitabschnitts der Geist in ihnen in Bezug auf Christus anzeigte, als er im Voraus über die für Christus bestimmten Leiden und über die nach diesen folgenden Herrlichkeiten Zeugnis gab“. Es wurde ihnen geoffenbart, dass sich all das in der Zukunft, nach ihrem Tod, erfüllen sollte (1Pe 1:10-12; vgl. Da 9:24-27; 12:1-10).
Da diese Prophezeiungen in Christus Jesus Wirklichkeit werden, was zeigt, dass sie alle wahr sind, kann man erkennen, wie „die Wahrheit ... durch Jesus Christus gekommen [ist]“. „Denn so viele Verheißungen Gottes es auch gibt, sie sind durch ihn zum Ja geworden“ (Joh 1:17; 2Ko 1:20; vgl. Luk 18:31; 24:25, 26, 44-46). Petrus konnte richtigerweise über Jesus sagen: „Ihn betreffend legen alle Propheten Zeugnis ab“ (Apg 3:20-24; 10:43; vgl. 28:23).
Zweck und Zeit der Erfüllung. Prophezeiungen, ob Voraussagen oder lediglich von Gott inspirierte Anweisungen oder Zurechtweisungen, dienten sowohl zum Nutzen derer, die sie zuerst hörten, als auch zum Nutzen späterer Generationen, die an Gottes Verheißungen glauben würden. Die Prophezeiungen gaben denen, die sie ursprünglich empfingen, die Gewissheit, dass Gott in all den Jahren oder Jahrhunderten nicht von seinem Vorsatz abgewichen war, dass er an den Bedingungen seines Bundes und an seinen Verheißungen festhielt. (Vgl. Ps 77:5-9; Jes 44:21; 49:14-16; Jer 50:5.) Daniels Prophezeiung lieferte beispielsweise Informationen, die ein unschätzbares Bindeglied zwischen dem Ende der Niederschrift der Hebräischen Schriften oder des vorchristlichen Teils der Bibel und dem Kommen des Messias bildeten. Diese Voraussage der Weltereignisse, der Aufstieg und Niedergang aufeinanderfolgender Weltmächte eingeschlossen, gab den Juden in den Jahrhunderten persischer, griechischer und römischer Herrschaft (sowie den Christen danach) die Gewissheit, dass es in Gottes Vorausschau keinen „blinden Fleck“ gab, dass ihre eigenen Zeitverhältnisse tatsächlich vorausgesehen worden waren und dass sich Jehovas unfehlbarer Vorsatz ganz bestimmt noch erfüllen würde. Durch die Prophezeiung wurden sie davor bewahrt, Glauben und Erwartungen in diese vergehenden Regierungsformen der Welt mit ihrer vergänglichen Macht zu setzen. Außerdem wurden diese Treuen dadurch befähigt, ihr Leben weise zu gestalten. (Vgl. Da 8:20-26; 11:1-20.)
Die Tatsache, dass sich viele Prophezeiungen zu ihren Lebzeiten erfüllten, überzeugte aufrichtige Menschen von Gottes Macht, seinen Vorsatz trotz allen Widerstandes durchzuführen. Dass Jehova – und nur er allein – solche Ereignisse vorhersagen und in Erfüllung gehen lassen konnte, bewies seine einzigartige Göttlichkeit (Jes 41:21-26; 46:9-11). Diese Prophezeiungen halfen ihnen auch, Gott besser kennenzulernen, seinen Willen und die Sittenmaßstäbe, nach denen er handelt und richtet, besser zu verstehen, sodass sie ihr Leben damit in Übereinstimmung bringen konnten (Jes 1:18-20; 55:8-11).
Eine große Anzahl von Prophezeiungen erfüllten sich zum ersten Mal an den Menschen, die damals lebten, und viele Prophezeiungen verkündeten Gottes Gericht am buchstäblichen Israel und an den umliegenden Nationen und sagten Israels und Judas Sturz sowie die darauf folgende Wiederherstellung voraus. Doch diese Prophezeiungen verloren nicht ihren Wert für spätere Generationen wie zum Beispiel für die Christenversammlung im 1. Jahrhundert u. Z. oder in unserer Zeit. Der Apostel Paulus sagte: „Denn alles, was vorzeiten geschrieben wurde, ist zu unserer Unterweisung geschrieben worden, damit wir durch unser Ausharren und durch den Trost aus den Schriften Hoffnung haben können“ (Rö 15:4). Da sich Gott, was seine Sittenmaßstäbe und seinen Vorsatz betrifft, nicht ändert (Mal 3:6; Heb 6:17, 18), wirft seine Handlungsweise mit Israel Licht darauf, wie er in ähnlichen Situationen zu irgendeiner anderen Zeit handeln wird. Folglich hatten Jesus und seine Jünger das Recht, prophetische Aussagen, die sich Jahrhunderte vorher erfüllt hatten, auch auf ihre Zeit anzuwenden (Mat 15:7, 8; Apg 28:25-27). Andere Prophezeiungen waren ausgesprochene Voraussagen, und einige bezogen sich einzig und allein auf Jesu irdischen Dienst und darauf folgende Ereignisse (Jes 53; Da 9:24-27). Für diejenigen, die zur Zeit des Erscheinens des Messias lebten, waren die Prophezeiungen eine Hilfe, ihn zu erkennen und die Echtheit seines Auftrags und seiner Botschaft zu bezeugen. (Siehe MESSIAS.)
Nach Jesu Weggang von der Erde ergänzten die Hebräischen Schriften und ihre Prophezeiungen Jesu Lehren und schufen eine wichtige Grundlage, mit deren Hilfe seine christlichen Nachfolger anschließende Ereignisse erkennen, einordnen sowie deren Bedeutung und Wichtigkeit verstehen konnten. Das verlieh ihrem Predigen und Lehren Gültigkeit und Überzeugungskraft und flößte ihnen Vertrauen und Mut ein, wenn sie Widerstand zu erdulden hatten (Apg 2:14-36; 3:12-26; 4:7-12, 24-30; 7:48-50; 13:40, 41, 47). In den früheren von Gott inspirierten Offenbarungen fanden sie eine Menge Belehrung auf sittlichem Gebiet, aus der sie beim ‘Zurechtweisen, beim Richtigstellen der Dinge, bei der Erziehung in der Gerechtigkeit’ schöpfen konnten (2Ti 3:16, 17; Rö 9:6-33; 1Ko 9:8-10; 10:1-22). Petrus, der die Bestätigung für die Prophezeiungen erhalten hatte, als er die Umgestaltungsszene sah, schrieb: „Demzufolge haben wir das prophetische Wort umso fester; und ihr tut gut daran, ihm Aufmerksamkeit zu schenken als einer Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet“ (2Pe 1:16-19; Mat 16:28 bis 17:9). Somit ergänzten die vorchristlichen Prophezeiungen Jesu Belehrung und waren Gottes Mittel, um die Christenversammlung bei wichtigen Entscheidungen zu leiten, zum Beispiel, was die nichtjüdischen Gläubigen betraf (Apg 15:12-21; Rö 15:7-12).
Prophezeiungen dienten auch als Warnung und zeigten, wann schnelles Handeln erforderlich war. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist Jesu Warnung vor Jerusalems Vernichtung und der Hinweis auf die Situation, die für seine Nachfolger das Zeichen wäre, an einen Ort der Sicherheit zu fliehen (Luk 19:41-44; 21:7-21). Ähnliche prophetische Warnungen gelten für Christi Gegenwart. (Vgl. Mat 24:36-42.)
Durch die Ausgießung des heiligen Geistes zu Pfingsten wurden den Christen wunderbare Gaben verliehen, wie zum Beispiel die Gabe des Prophezeiens und des Zungenredens in Sprachen, die sie nicht erlernt hatten. In einigen (doch nicht unbedingt in allen) Fällen konnten diejenigen, denen die Gabe des Prophezeiens verliehen worden war, wie zum Beispiel Agabus, Voraussagen äußern (Apg 11:27, 28; 21:8-11), sodass die Christenversammlung oder Einzelpersonen in der Lage waren, sich auf gewisse Notlagen oder Prüfungen vorzubereiten. Die kanonischen Briefe der Apostel und Jünger enthalten auch von Gott inspirierte Voraussagen über die Zukunft, Warnungen vor dem künftigen Abfall (und Hinweise auf die Formen, die er annehmen würde), vor Gottes Gericht und dessen bevorstehender Vollstreckung; Lehrpunkte werden geoffenbart, die vorher nicht verstanden wurden, oder die, die bereits bekannt sind, werden erläutert und erklärt (Apg 20:29, 30; 1Ko 15:22-28, 51-57; 1Th 4:15-18; 2Th 2:3-12; 1Ti 4:1-3; 2Ti 3:1-13; 4:3, 4; vgl. Jud 17-21). Das Bibelbuch Offenbarung ist voller prophetischer Äußerungen, sodass Menschen gewarnt werden können und in der Lage sind, die „Zeichen der Zeiten“ zu deuten (Mat 16:3) und schnell zu handeln (Off 1:1-3; 6:1-17; 12:7-17; 13:11-18; 17:1-12; 18:1-8).
Doch Paulus führt in seinem ersten Brief an die Korinther aus, dass die Wundergaben, einschließlich der des inspirierten Prophezeiens, weggetan werden sollten (1Ko 13:2, 8-10). Offensichtlich wurden diese Gaben nach dem Tod der Apostel nicht mehr übertragen und verschwanden schließlich aus der Christenversammlung, da sie ihren Zweck erfüllt hatten. Um diese Zeit war der Bibelkanon natürlich vollständig.
Jesu Gleichnisse ähnelten in ihrer Form einigen bildhaften Aussprüchen früherer Propheten. (Vgl. Hes 17:1-18; 19:1-14; Mat 7:24-27; 21:33-44.) Fast alle dieser prophetischen Gleichnisse hatten damals eine gewisse Erfüllung. Manche hoben vor allem moralische Grundsätze hervor (Mat 18:21-35; Luk 18:9-14). Andere enthielten zeitliche Elemente, die sich bis zu Jesu Gegenwart und dem „Abschluss des Systems der Dinge“ erstrecken (Mat 13:24-30, 36-43; 25:1-46).
Mehrfache Erfüllung. Die Tatsache, dass Jesus und seine Jünger auf Prophezeiungen Bezug nahmen, zeigt, dass eine Prophezeiung, die die Zukunft voraussagt, mehr als eine Erfüllung haben kann, wie beispielsweise Habakuks Prophezeiung, die sich zum ersten Mal erfüllte, als die Babylonier Juda verödeten. Auf diese Prophezeiung nahm Paulus Bezug und wandte sie auf seine Zeit an (Hab 1:5, 6; Apg 13:40, 41). Jesus zeigte, dass sich Daniels Prophezeiung über das „abscheuliche Ding, das Verwüstung verursacht“, in der Generation erfüllen würde, die damals lebte; doch Daniels Prophezeiung bringt das „abscheuliche Ding“, das Verwüstung verursacht, auch mit der „Zeit des Endes“ in Verbindung (Da 9:27; 11:31-35; Mat 24:15, 16). Wie die Bibel zeigt, bedeutet das ‘Aufstehen’ Michaels, dass Jesus Christus als König zugunsten der Diener Jehovas in Aktion tritt. (Da 12:1; siehe MICHAEL Nr. 1.) Jesu Prophezeiung bezüglich des Abschlusses des Systems der Dinge erwähnt ebenfalls sein Kommen in Königsmacht, das im 1. Jahrhundert u. Z. nicht stattfand (Mat 24:29, 30; Luk 21:25-32). Das weist auf eine zweifache Erfüllung hin. In einer Abhandlung über die zweifache Erfüllung von Prophezeiungen heißt es daher in der Cyclopædia von M’Clintock und Strong (1894, Bd. VIII, S. 635): „Diese Ansicht über die Erfüllung von Prophezeiungen scheint für die Erklärung der Voraussage unseres Herrn auf dem Berge, die sich zum einen auf den Sturz Jerusalems und zum anderen auf das Ende des christlichen Systems bezieht, erforderlich zu sein.“
Arten der Prophezeiung. Außer direkten Mitteilungen (die vielleicht von symbolischen Handlungen begleitet [1Kö 11:29-31] oder bildlich dargestellt wurden), die Jehova durch seine Propheten bekannt machte, bediente er sich auch anderer Arten der Prophezeiung. Prophetische Persönlichkeiten schatteten den Messias, Christus Jesus, vor. Neben David, der bereits erwähnt wurde, gehörten der Priesterkönig Melchisedek (Heb 7:15-17), der Prophet Moses (Apg 3:20-22) und andere dazu. Dabei ist zu beachten, dass nicht alles, was die Person betrifft, als sinnbildlich oder prophetisch betrachtet werden sollte. So versinnbildlichten die drei Tage, die Jona im Bauch des großen Fisches war, Jesu Zeit im Scheol; doch Jonas Widerwillen, seinen Auftrag anzunehmen, und andere Umstände schatteten nicht die Handlungsweise des Sohnes Gottes vor. Jesus sagte von sich selbst, er sei „mehr als Salomo“, denn Jesu Weisheit und der Frieden seiner Königreichsherrschaft übertreffen bei Weitem die Weisheit und den Frieden Salomos. Jesus wird jedoch kein Übertreter der göttlichen Gesetze werden, wie Salomo es wurde (Mat 12:39-42).
Gott benutzte auch prophetische Dramen – Einzelheiten aus dem Leben von Personen und Nationen, die als Muster künftiger Ereignisse in Verbindung mit der Verwirklichung des Vorsatzes Jehovas aufgezeichnet wurden. Paulus spricht über solch ein „symbolisches Drama“, das von Abrahams zwei Söhnen handelt, die er mit Sara und der Magd Hagar hatte. Er erklärt, dass die zwei Frauen zwei Bündnisse „bedeuten“. Die Frauen veranschaulichten oder versinnbildlichten diese Bündnisse nicht persönlich. Aber in dem prophetischen Drama entsprachen diese Frauen symbolischen Frauen, die unter diesen Bündnissen Kinder hervorbrachten. Folglich entsprach Hagar dem irdischen Jerusalem, das den Befreier, auf den der Gesetzesbund hinwies, nicht anerkannte und am Gesetz festhielt, selbst nachdem Gott es beendet hatte; das irdische Jerusalem und seine Kinder befanden sich somit in der Sklaverei des Gesetzes. Demgegenüber entsprach Sara, die Freie, dem „Jerusalem droben“, dem himmlischen Teil der Organisation Gottes, der mit einer Ehefrau vergleichbar ist. Sie bringt in Übereinstimmung mit dem, was im abrahamischen Bund verheißen worden war, Söhne hervor (Gal 4:21-31; vgl. Joh 8:31-36). Die Sintflut in den Tagen Noahs und die Zustände davor schatten die Verhältnisse zur Zeit der Gegenwart Christi vor und die Folgen für die, die Gottes Weg verwerfen (Mat 24:36-39; vgl. 1Ko 10:1-11).
Manche Orte hatten prophetische Bedeutung, wie zum Beispiel die Stadt Jerusalem auf dem Berg Zion, die zuweilen gebraucht wurde, um eine himmlische Organisation zu versinnbildlichen, die die „Mutter“ geistgesalbter Christen ist (Gal 4:26). Das „Neue Jerusalem“ symbolisiert Christi himmlische „Braut“, die aus Personen der verherrlichten Christenversammlung besteht (Off 21:2, 9-14; vgl. Eph 5:23-27, 32, 33; Off 14:1-4). Doch Jerusalem wurde wegen der Untreue seiner Einwohner mitunter auch als negatives Beispiel angeführt (Gal 4:25; vgl. Hes 16:1-3, 8-15; siehe JERUSALEM [Die Bedeutung der Stadt]). Andere Orte, denen prophetische Bedeutung beigemessen wurde, sind Sodom, Ägypten, Megiddo, Babylon und das Tal Hinnom oder die Gehenna (Off 11:8; 16:16; 18:2; Mat 23:33).
Ein prophetisches Muster, das Gegenstände und Vorgänge einschließt, ist zum Beispiel die Stiftshütte. Der Apostel Paulus zeigt, dass ihre Ausrüstung, ihre Funktionen und Opfer ein Muster himmlischer Wirklichkeiten waren, ‘eine sinnbildliche Darstellung und ein Schatten der himmlischen Dinge’ (Heb 8:5; 9:23, 24).
Prophezeiungen und ihre Deutung prüfen. Angesichts der Tätigkeit falscher Propheten warnte Johannes davor, jeder „inspirierten Äußerung“ (was eine Prophezeiung eigentlich ist) zu glauben. Er riet Christen stattdessen, „die inspirierten Äußerungen [zu prüfen], um zu sehen, ob sie von Gott stammen“ (1Jo 4:1). Johannes führt ein Kriterium an, woran man erkennen kann, ob eine inspirierte Äußerung göttlichen Ursprungs ist: Sie muss anerkennen, dass Jesus Christus als Mensch gekommen ist. Offensichtlich meinte er damit jedoch nicht, dass dies das einzige Kriterium ist, sondern führte wohl ein bekanntes Beispiel an, das vielleicht damals hauptsächlich im Gespräch war (1Jo 4:2, 3). Ein entscheidender Faktor ist, dass die Prophezeiung oder die Deutung einer Prophezeiung, um der Wahrheit zu entsprechen, mit Gottes geoffenbartem Wort und seinem Willen in Einklang stehen muss (5Mo 13:1-5; 18:20-22), und zwar nicht nur teilweise, sondern vollständig. (Siehe PROPHET [Wahre Propheten von falschen unterscheiden].) In der Christenversammlung des ersten Jahrhunderts wurde einigen die Gabe der „Unterscheidung inspirierter Äußerungen“ verliehen (1Ko 12:10), wodurch es möglich war, die Echtheit von Prophezeiungen zu bezeugen. Obwohl diese übernatürliche Fähigkeit ebenfalls weggetan wurde, ist es vernünftig, anzunehmen, dass Gott durch die Versammlung, besonders in der vorhergesagten „Zeit des Endes“, immer noch für ein genaues Verständnis der Prophezeiungen sorgen würde, und zwar nicht durch Wunder, sondern durch das fleißige Nachforschen, Studieren und Vergleichen der Prophezeiungen mit den zu beobachtenden Verhältnissen und Ereignissen. (Vgl. Da 12:4, 9, 10; Mat 24:15, 16; 1Ko 2:12-14; 1Jo 4:6; siehe AUSLEGUNG, DEUTUNG.)