Eine eindeutige Kenntlichmachung des Messias
SCHON ganz am Anfang, sogleich nach dem Fall des Menschen in Eden, äußerte Gott eine Prophezeiung der Hoffnung. Er verhieß das Kommen eines Samens, der den Kopf des Feindes Gottes zermalmen würde. (1. Mose 3:15) Er erweiterte diese Verheißung und stärkte den Glauben der in alter Zeit lebenden Menschen, indem er sie weiteres über diesen Samen wissen ließ und bei einer Gelegenheit zeigte, daß dieser Same der eine wäre, den man auf hebräisch Messias nennen würde. Auf diesen Messias würden die Völker hoffen. Auf den richtigen, den echten Messias zu hoffen und zu vertrauen, sollte über Leben oder Tod entscheiden. Daraus ist zu folgern, daß es eine unfehlbare Kenntlichmachung des Messias für uns geben muß, damit wir unsere Hoffnung nicht auf den verkehrten Messias setzen, enttäuscht werden und unsere Rettung verwirken, denn es sollte falsche Messiasse geben.
Gott sorgte durch sein Wort, die Bibel, für diese unfehlbare Kenntlichmachung. In den aus vorchristlicher Zeit stammenden Hebräischen Schriften hatte Gott Hunderte von Einzelheiten festgelegt, Merkmale, die der Messias aufzuweisen hätte, und Dinge, die er erfüllen müßte. All das würde so fest ineinandergreifen und miteinander verquickt sein, daß für einen Betrüger, der alles erfüllen wollte, die Möglichkeit eins zu Milliarden stände, was im Grunde genommen eine Unmöglichkeit wäre, ja es wäre in der Tat eine Unmöglichkeit, denn Jehova Gott würde die Dinge so lenken, daß sein verheißener Messias eindeutig kenntlich gemacht würde. Er sollte durch vielerlei Umstände kenntlich gemacht werden, was Abstammung, Ort, Ereignisse, den Ablauf der Ereignisse und die Zeit an sich einschließen würde. Auf einen dieser Umstände, die Zeit nämlich, wollen wir durch diesen Artikel deine Aufmerksamkeit lenken.
Wenn jemand, der nicht an die Inspiration der Bibel glaubt, diesen Stoff aufrichtig betrachtet, wird er schließlich zwangsläufig dazu kommen, daß er mit größerem Respekt in Gottes Wort hineinsieht. Personen, die jüdischen Glaubens sind und der Überzeugung sind, daß die Propheten Gottes nicht lügen konnten und auch nicht logen, sind genötigt, die Einstellung ihrer Religion zum Kommen des Messias einer Prüfung zu unterziehen.
Die Prophezeiung, um die es hier geht, wurde durch den Propheten Daniel übermittelt, der bei Gott in hoher Gunst stand und von dem die Bibel als von einem Mann von höchster Integrität spricht. Im neunten Kapitel, in den Versen 24 bis 27, äußert Daniel unter Inspiration folgendes:
„Siebenzig Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt, um die Übertretung zum Abschluß zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen, und die Ungerechtigkeit zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen, und Gesicht und Propheten zu versiegeln, und ein Allerheiligstes zu salben. So wisse denn und verstehe: Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Wochen und zweiundsechzig Wochen. Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut werden, und zwar in Drangsal der Zeiten. Und nach den zweiundsechzig Wochen wird der Messias weggetan werden und nichts haben. Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören, und das Ende davon wird durch die überströmende Flut sein; und bis ans Ende: Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstungen. Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen für eine Woche; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Beschirmung der Greuel wird ein Verwüster kommen, und zwar bis Vernichtung und Festbeschlossenes über das Verwüstete ausgegossen werden.“
Wenn wir diese Prophezeiung lesen, wird uns klar, daß uns hier für die Kenntlichmachung des Messias eine echte Kostbarkeit vorliegt und daß es von größter Bedeutung ist, festzustellen, wann diese siebzig Wochen beginnen und wie lange diese prophetischen Wochen dauern. Hätte es sich dabei um buchstäbliche Wochen mit je sieben Tagen gehandelt — wenn wir einmal damit beginnen möchten —, dann wäre der Messias vor mehr als zweitausendvierhundert Jahren, in den Tagen des Persischen Reiches, gekommen, und man hätte ihn nicht erkannt. Damit wären außerdem Hunderte in der Bibel niedergelegte Bedingungen unerfüllt geblieben. Daraus ist zu folgern, daß es sich hier um symbolische siebzig Wochen von einer viel längeren Dauer handelt. Wann begann diese Zeit, und wann endete sie?
Der fünfundzwanzigste Vers der soeben zitierten Prophezeiung Daniels läßt uns erkennen, daß von der Zeit an, da der Befehl in Kraft treten würde, eine bestimmte Zeitperiode ablaufen sollte, die genau anzeigen würde, in welchem Jahr der verheißene Same des Weibes Gottes oder der Messias auf der Erde in Erscheinung treten würde. Um zu ermitteln, wann dieser Befehl erging und wann er in Kraft trat, muß man den König, der den Befehl gab, und das Jahr seiner Thronbesteigung kennen, denn der Befehl erging im zwanzigsten Jahr seiner Herrschaft. Nehemia berichtet uns: „Es war im Monat Nisan im zwanzigsten Jahre des Königs Artaxerxes. Vor dem König stand Wein. Ich nahm den Wein und reichte ihn dem König.“ (Neh. 2:1, He) Damals brachte Nehemia dem König die traurige Lage Jerusalems zur Kenntnis und erbat von ihm den Auftrag, zurückzukehren und die Stadt wieder aufzubauen. Diese Unterhaltung fand im Jahre 455 v. u. Z. statt, und bei dem König handelte es sich um Artaxerxes von Persien, wie das aus folgenden historischen Tatsachen hervorgeht.
VIER KÖNIGE, DIE ARTAXERXES VORAUSGINGEN
In Kapitel 11, Vers 1, erwähnt Daniel Darius, den Meder, und in Vers 2 prophezeit er, daß noch drei Könige in Persien aufstehen würden und daß ein vierter größere Reichtümer aufhäufen würde als alle anderen und „alles gegen das Königreich Griechenland aufregen“ würde. Der dritte König war Darius I., der im Jahre 522 v. u. Z. seine Herrschaft über das Persische Reich antrat. Seine Vorgänger, die Darius, dem Meder, folgten, waren die beiden Könige Kores (der Perser) und Kambyses (der Sohn des Kores). Im Jahre 490 v. u. Z. befahl König Darius eine zweite persische Invasion in Griechenland. Die persischen Streitkräfte waren den Athenern zahlenmäßig weit überlegen. Bei Marathon, in Griechenland, aber wurden die Perser geschlagen. König Darius plante eine dritte Invasion in Griechenland, starb aber im Jahre 486 v. u. Z., noch bevor er seine Vorbereitungen zum Abschluß bringen konnte.
Nun erhob sich der vierte von Daniel erwähnte König, der weitere Versuche unternahm, Griechenland zu erobern. In einigen modernen Bibelübersetzungen erscheint sein Name Xerxes. (Esth. 1:1-3, An American Translation, auch Moffatt) In anderen Bibelübersetzungen heißt er allgemein nach dem Hebräischen „Ahasveros“. Wenn es sich bei diesem Ahasveros um Xerxes handelt, dann trat dieser im Dezember 486 v. u. Z. seine Herrschaft an. König Xerxes I. spielt in einer Betrachtung der siebzig Wochen der Prophezeiung Daniels insofern eine Rolle, als er der Vater des Königs Artaxerxes war, des Königs, der den Erlaß zum Wiederaufbau Jerusalems herausgab. (Neh. 1:1; 2:1, 7, 8) König Xerxes I. war der Herrscher, der den Juden die gesetzliche Berechtigung gab, sich gegen ihre Feinde, die sie hinzumorden drohten, zu verteidigen. Mordokai, der Vetter Esthers, der jüdischen Frau des Xerxes, war damals Erstminister des Xerxes, und er führte für den vierzehnten und fünfzehnten Tag des Adar, des zwölften Mondmonats (Februar/März), eine Gedächtnisfeier, das Purim- oder Losfest, ein. (Esth. 9:20, 21) Xerxes befand sich damals in seinem zwölften Regierungsjahr (Esth. 3:7), und seine Herrschaft muß sich auch in ein dreizehntes Jahr, in das Jahr 474 v. u. Z., erstreckt haben, denn nach dem Erlaß des Xerxes fanden noch andere Dinge statt, wie das aus Esther 9:32 bis 10:3 hervorgeht:
„Und der Befehl Esthers setzte diese Purim-Angelegenheit fest, und er wurde in ein Buch geschrieben. Und der König Ahasveros [Xerxes, Fußnote zu Esther 1:1] legte dem Lande und den Inseln des Meeres eine Abgabe auf. Und alle Taten seiner Gewalt und seiner Macht und die Beschreibung der Größe Mordokais, zu welcher der König ihn erhob, sind sie nicht geschrieben in dem Buche der Chroniken der Könige der Meder und Perser? Denn Mordokai, der Jude, war der Zweite nach dem König Ahasveros, und groß bei den Juden, und wohlgefällig der Menge seiner Brüder; er suchte das Wohl seines Volkes und redete zur Wohlfahrt seines ganzen Geschlechts.“
Die dritte Invasion in Griechenland hatte vor dem zwölften Regierungsjahr des Xerxes stattgefunden. Als die an Zahl den Griechen überlegenen Invasionsstreitkräfte des Xerxes im Jahre 480 v. u. Z. den Hellespont überquerten, wurden sie aufgrund der Taktik des athenischen Generals Themistokles geschlagen. Durch eine Rückzugsaktion der Griechen bei den Thermopylen erlitten die Perser schwere Verluste; anschließend verlor Xerxes mehr als die Hälfte seiner Flotte. Im darauffolgenden Jahr schlugen die Griechen die persische Armee, die unter einem ihrer fähigsten Generale zurückgelassen worden war. Am gleichen Tag wurde der übriggebliebene Teil der persischen Flotte in der Nähe des Mykale-Vorgebirges, in Kleinasien, vernichtet. Die Perser fielen nie mehr in Griechenland ein. Die Bestrebungen der vierten Weltmacht, tief in Europa einzudringen, wurde somit im Jahre 479 v. u. Z., im achten Regierungsjahr des Xerxes, aufgehalten. Trotzdem blieb Persien für weitere eineinhalb Jahrhunderte im Besitz der Weltherrschaft.
BEGINN DER HERRSCHAFT DES ARTAXERXES
Nachstehend erbringen wir den geschichtlichen Nachweis dafür, daß Artaxerxes im Jahre 474 v. u. Z. seine Herrschaft antrat: Obwohl Themistokles diese Siege errungen und die Verteidigungskraft der Griechen gestärkt hatte, begann er später das Vertrauen des Volkes zu verlieren. Er wurde schließlich der verräterischen Beziehungen zu den Persern angeklagt. Er floh nach Kleinasien, wurde zum Verräter gestempelt, und sein Vermögen wurde konfisziert. Wir lesen jedoch, daß er von den Persern gerne aufgenommen wurde:
Er suchte schließlich Schutz am persischen Hof, wo er bei dem herrschenden Monarchen Artaxerxes Longimanus hohe Gunst erlangte. Er beschäftigte sich sehr mit dem Plan, Griechenland mit der Hilfe der Perser zu unterjochen, was durchzusetzen er Artaxerxes auch versprach ... Nach verschiedenen Berichten nahm er Gift ... — The Encyclopedia Americana, Ausgabe 1929, Band 26, Seite 507.
Der im Exil lebende Themistokles starb in Kleinasien zur Zeit der Herrschaft des Artaxerxes. Nach den Annalen oder der Chronologie Diodors von Sizilien, eines griechischen Historikers aus dem ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, starb Themistokles im Jahre 471 v. u. Z. Gemäß dem nachstehend angeführten Aufschluß muß er im Jahre 474 v. u. Z. in Kleinasien angekommen sein: Als er in Kleinasien angekommen war, sandte er einen Brief an König Artaxerxes und bat ihn um eine Audienz, erbat sich jedoch zuerst eine Frist von einem Jahr, um die persische Sprache zu erlernen. Danach wollte er vor Artaxerxes treten und ihm einige Pläne zur Unterwerfung Griechenlands vorlegen. Artaxerxes gewährte ihm seine Bitte, und Themistokles erschien nach Ablauf des Jahres an seinem Hof.
Der griechische Historiker Thukydides von Athen lebte zur Zeit der Herrschaft des Persers Artaxerxes, und er berichtet Themistokles sei aus seiner Heimat nach Asien (Persien) geflohen, als Artaxerxes „kurz zuvor auf den Thron gekommen“ war. — Siehe Thukydides, Buch 1, Kapitel 137.
Nepos, ein römischer Historiker des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, stützt Thukydides mit den Worten: „Ich weiß allerdings, daß die meisten Geschichtsschreiber behaupten, Themistocles sei unter der Regierung des Xerxes nach Asien gekommen. Aber ich halte mich lieber an Thucydides. Er ist unter allen Geschichtsschreibern jener Zeit dem Zeitalter des Themistocles am nächsten und war noch überdies sein Landsmann. Dieser sagt nun, Artaxerxes habe damals schon regiert, und Themistocles habe ihm folgenden Brief geschrieben: ...“ — Nepos, Themistocles, Kapitel 9.a
In seiner Abhandlung über Eusebius nennt Hieronymus das vierte Jahr der 76. Olympiade (der Vierjahreszyklus beginnt 776 v. u. Z.), das heißt das Jahr 473 v. u. Z., als Zeitpunkt für die Ankunft des Themistokles in Asien. Der deutsche Gelehrte Ernst Wilhelm Hengstenberg gibt für den Herrschaftsantritt des Artaxerxes das Jahr 474 v. u. Z. an.
Auf der Grundlage dieser historischen Berichte können wir das sehr bedeutsame Datum, das erste Jahr der Herrschaft des Artaxerxes, festlegen. Denn da er „kurz zuvor auf den Thron gekommen“ war, als Themistokles im Jahre 473 v. u. Z. in Asien ankam, würde das andere Quellen stützen, die auf das Jahr 474 v. u. Z. als den Beginn der Herrschaft des Artaxerxes hinweisen.
WANN DIE SIEBZIG WOCHEN BEGANNEN
Nehemia läßt über den Beginn der von Daniel (9:24-27) vorausgesagten Zeit keine Zweifel. Sein Kalenderjahr begann mit dem Monat Tischri (September/Oktober, wie bei dem bürgerlichen Kalender der heutigen Juden) und endete mit dem Monat Elul (August/September), dem zwölften Monat. Der Monat Kislew, in dem Nehemia von der mißlichen Lage der Juden und dem schlechten Zustand, in dem sich Jerusalem befand, hörte, war der dritte Monat, vom Monat Tischri an gerechnet, und erstreckte sich teils in den Monat November und teils in den Monat Dezember. Nehemia berichtet uns (Neh. 1:1, 2):
„Und es geschah im Monat Kislew des zwanzigsten Jahres, als ich in der Burg Susan war, da kam Hanani, einer von meinen Brüdern, er und einige Männer aus Juda. Und ich fragte sie nach den Juden, den Entronnenen, die von der Gefangenschaft übriggeblieben waren, und nach Jerusalem.“
Welches Jahr entspräche denn gemäß dem allgemein gebräuchlichen Gregorianischen Kalender dem zwanzigsten Jahr des Artaxerxes? Hier folgt die chronologische Beweisführung: Xerxes trat seine Herrschaft im Dezember 486 v. u. Z. an. Da gemäß dem Bericht des Buches Esther der Jahresbeginn in das Frühjahr (Nisan oder März/April) fällt, würde nach diesem Kalender das erste Regierungsjahr des Xerxes Februar/März 485 v. u. Z. enden. (Esth. 9:1) Das zwölfte Jahr des Xerxes lief von März/April 475 bis Februar/März 474. Möglicherweise reichte die Herrschaft des Xerxes über sein zwölftes Jahr hinaus (das heißt über den Adar [Februar/März] hinaus, in ein dreizehntes Jahr hinein, wie oben erwähnt). Artaxerxes folgte ihm im selben Jahr (474) auf den Thron. Nach Nehemias Kalender aber fiel der betreffende Jahresanfang in den Herbst (Tischri oder September/Oktober). Demnach wäre das vom Monat Tischri 475 bis zum Monat Tischri 474 laufende Jahr das Jahr, in dem Artaxerxes seine Herrschaft antrat.b (Neh. 1:1; 2:1) Das zwanzigste Jahr des Artaxerxes lief demnach von September/Oktober 456 v. u. Z. bis August/September 455 v. u. Z.
Nehemia, ein eifriger Diener Gottes, interessierte sich ganzherzig für die wahre Anbetung in der Stadt Jerusalem, dem Ort, auf den Jehova seinen Namen gelegt hatte. Als er die schlechten Nachrichten über Jerusalem vernahm, betete er zu Jehova und äußerte den Wunsch, als Werkzeug gebraucht zu werden, um Jerusalem Erleichterung zu bringen. Im siebten Monat des Mondjahres, in jenem zwanzigsten Jahr des Artaxerxes — nach der Rechnung Nehemias im Nisan (März/April) des Jahres 455 v. u. Z. —, bot sich für den Mundschenken Nehemia die Gelegenheit, die Sache darzulegen, um damit die Erlaubnis von seiten des Königs zu erwirken. Er berichtet: „Und es geschah im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahre des Königs Artasasta [Artaxerxes, He], als Wein vor ihm war, da nahm ich den Wein und gab ihn dem König.“ „Und es gefiel dem König, mich zu senden; und ich bestimmte ihm eine Zeit.“ (Neh. 2:1, 6) Nehemia handelte prompt.
Genauso, wie die siebzigjährige Verödung Jerusalems erst aufhörte, als der Erlaß des Kores mit der Ankunft der Juden in Jerusalem, um den Grund zum Tempel zu legen, in Kraft trat, so sollten die siebzig Jahrwochen von dem Zeitpunkt an zählen, da der Befehl des Artaxerxes in Kraft trat, das heißt, nachdem die Juden mit Nehemia Jerusalem erreicht hatten und Nehemia den Auftrag gegeben hatte, die Stadtmauern wieder aufzubauen. Wir wollen nun sehen, wann der Befehl, die Stadt zu bauen, tatsächlich erging.
Die Reise von Susan, der Winterhauptstadt des Königs, nach Jerusalem würde etwa vier Monate dauern. Demnach fiele die Ankunft Nehemias etwa auf den Beginn des Monats Ab, des elften Monats. Nehemia ruhte sich aus und hielt drei Tage lang Besprechungen ab, er inspizierte die Stadtmauern bei Nacht und gab dann Befehle für den Beginn der Wiederaufbauarbeiten. Das fiele auf den dritten oder vierten Tag des Monats Ab des Jahres 455 v. u. Z. oder auf den 26./27. Juli 455 v. u. Z. und somit noch in das zwanzigste Jahr des Artaxerxes.c (Neh. 2:11-18) Das kennzeichnet den Ausgangspunkt für die Zeitrechnung, die in dieser wichtigen Prophezeiung Daniels enthalten ist. Es ist der Zeitpunkt, da der Befehl, Jerusalem wiederherzustellen und wieder aufzubauen, in Kraft trat.d
DAUER UND ENDE DER „SIEBZIG WOCHEN“
Was nun die Länge der prophetischen Wochen betrifft, so geben die Übersetzung von Henne und die Zürcher Bibel den in Daniel 9:24-27 enthaltenen Ausdruck mit „siebzig Jahr-Wochen“ bzw. „siebzig Jahrwochen“ wieder. Es handelt sich daher um siebzig „Wochen“ von je sieben Jahren oder um 490 (70×7) Jahre. Nach 69 (7+62) Jahrwochen sollte der Messias in Erscheinung treten. In welches Jahr, in welchem der Messias, der Fürst, kommen sollte, führt uns demnach die Prophezeiung?
[Übersicht]
455 v. u. Z. bis 1 v. u. Z. = 454 Jahre
1 v. u. Z. bis 1 u. Z. = 1 Jahr
1 u. Z. bis 29 u. Z. = 28 Jahre
69 Jahrwochen = 483 Jahre
Somit konnte im Jahre 29 u. Z. mit dem Kommen des Messias gerechnet werden. Die Geschichte beweist, daß in jenem Jahr Jesus auftrat, um von Johannes im Jordan getauft zu werden, worauf der heilige Geist vom Himmel herabkam, um ihn zu salben und zum Messias oder Christus, was „gesalbt“ oder „der Gesalbte“ bedeutet, zu machen. Vor dieser Zeit war er der Mensch Jesus. Er konnte erst dann als „der Gesalbte“ bezeichnet werden, als er mit heiligem Geist gesalbt worden war. Johannes legte von seiner Salbung Zeugnis ab, und Jehova bezeugte sie durch das Symbol einer Taube und mit seiner eigenen Stimme vom Himmel her. (Luk. 3:1, 2, 21-23) Ein interessanter Punkt hinsichtlich der Genauigkeit dieser Zeitrechnung ist die Tatsache, daß das Jahr, in dem die 69 Wochen ihren Anfang nahmen, nicht mit dem Monat Nisan, sondern mit dem Monat Tischri begann, dem Monat, in dem Jesus getauft und gesalbt wurde. An welchem Datum die Bauarbeiten an der Mauer begannen, kann aus der in Nehemia 6:15 enthaltenen Feststellung abgeleitet werden, wo es heißt: „Und die Mauer wurde vollendet am Fünfundzwanzigsten des Elul [im zwölften Monat], in zweiundfünfzig Tagen.“ Da der Monat Ab, der dem Monat Elul vorausging, dreißig Tage hat, mußten die Bauarbeiten am 4. Ab oder am 27./28. Juli 455 v. u. Z. begonnen und am 16./17. September 455 v. u. Z. geendet haben, also immer noch im zwanzigsten Jahr des Artaxerxes.
Bestimmt hat sich die Prophezeiung Daniels als wahr erwiesen, denn das Jahr 455 v. u. Z., das zwanzigste Jahr der Herrschaft des Artaxerxes Longimanus, war ein gekennzeichnetes Jahr, weil mit ihm eine Zeit der Gunst Gottes gegenüber Zion begann. Es gehört zu den hervorragendsten Daten der Geschichte, denn es stellt den Beginn der neunundsechzig Wochen dar, die auf das Kommen des lange Zeit zuvor verheißenen Samens des Weibes Gottes, des Messias, hinausliefen. — Dan. 9:25.
Diese bemerkenswerte Prophezeiung Daniels diente mehr als 400 Jahre lang als Licht. Noch mehr: Sie war einer der kraftvollsten Hinweise zur Kenntlichmachung des Messias für die jüdische Nation und für uns heute. Bevor die 483 Jahre abgelaufen waren, erfüllte sich die Prophezeiung über den Vorläufer des Messias, und die Juden hörten Johannes den Täufer, wie er das Auftreten des Messias ankündigte. In der Tat hielten die Juden Ausschau auf den Messias, den Fürsten, da sie auf die Prophezeiungen — die zeitliche Vorhersage Daniels eingeschlossen — und auf das Werk des Johannes des Täufers achteten. In Lukas 3:15 heißt es: „Als nun das Volk in Erwartung war und alle wegen Johannes’ in ihrem Herzen überlegten: ‚Ist er vielleicht der Christus?‘ ...“ Wie Daniel es vorausgesagt hatte, wurde Jesus in der Mitte der letzten dieser Jahrwochen oder nach dreieinhalb Jahren seines Predigtdienstes getötet. Er starb den Tod am Marterpfahl am 14. Nisan, in der Mitte des Mondjahres, das im Herbst, im Monat Tischri begonnen hatte. Weitere dreieinhalb Jahre später endete die siebzigste Jahrwoche mit der Salbung des Kornelius, des ersten Nichtjuden, der dem Leib Christi hinzugefügt werden sollte, um zu der Gesamtheit der Gesalbten zu gehören. — Jes. 40:3; Matth. 3:3; Dan. 9:24.
Wenn ein vernünftiger Mensch an dieses Vorauswissen und die gewaltige Macht denkt, die notwendig sind, um die Erfüllung einer solchen Prophezeiung, die nicht nur mit Einzelpersonen, sondern mit ganzen Nationen zu tun hat, herbeizuführen, muß er zwangsläufig erkennen oder mindestens mit größter Ernsthaftigkeit in Betracht ziehen, daß Jesus Christus der Messias ist. Wer wirklich Leben wünscht, wird das tun, denn der Messias ist der Same des Weibes Gottes und der Same Abrahams, durch den Gottes Feinde vernichtet werden. Ferner werden sich durch ihn alle Familien der Erde segnen, indem sie an diesen gesalbten König und „Fürsten“, den Sohn des allmächtigen Gottes, Jehovas, glauben und seinen Geboten folgen. — 1. Mose 22:17, 18.
[Fußnoten]
a Unter „Themistokles“ schreibt Plutarch, der griechische Biograph aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung: „Nach der Darstellung des Thukydides und des Charon von Lampsakos war Xerxes damals schon tot, und Themistokles wurde von seinem Sohn zu einer Audienz empfangen. Ephoros, Deinon, Kleitarchos, Herakleides und andere behaupten dagegen, er sei mit Xerxes selber zusammengetroffen. Die Annahme des Thukydides scheint sich mit der Chronologie besser zu decken.“ — Abschnitt 27.
b Zur Veranschaulichung diene folgendes: Wäre — ausgehend von unserem gegenwärtigen Kalender (dem Gregorianischen — Januar bis Dezember) — ein Herrscher im Dezember 1964 gestorben und hätte sein Nachfolger im selben Monat die Herrschaft angetreten, dann würden wir das Jahr 1964 als das erste des Nachfolgers und das letzte des Vorgängers betrachten, jenes Jahr, das elf Monate zuvor im Monat Januar, begann, und das, obwohl sich beide Vorgänge gegen Ende des Kalenderjahres abspielten.
c Gestützt auf geschichtliche Tatsachen, beweist der deutsche Gelehrte Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802—1869), daß das Jahr 445 v. u. Z., das Dr. Henry Dodwell angibt, nicht stimmen kann. In seinem Werk Christologie des Alten Testaments (Band 2, Seite 541, Abschnitt 3) schreibt er: „Die Abweichung betrifft allein das Jahr von Artaxerxes’ Regierungsantritt. Unsere Aufgabe ist vollkommen gelöst, wenn es uns gelingt nachzuweisen, dass dieser in das Jahr 474 v. Chr. fällt. Denn alsdann ist das zwanzigste Jahr des Artaxerxes das Jahr 455 v. Chr. nach der gew. Zeitrechnung ...“
Hengstenberg beweist, daß Artaxerxes seine Herrschaft im Jahre 474 v. u. Z. antrat. Auf Seite 543 seines Werkes sagt er: „[Krüger] setzt ... den Tod des Xerxes in das Jahr 474 oder 473, und die Flucht des Themistocles ein Jahr später.“ Auf Seite 544 spricht Hengstenberg von einem einundfünfzigsten Jahr des Artaxerxes, während nach der Rechnung des griechischen Historikers Ktesias aus dem fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung Artaxerxes nur 42 Jahre regierte.
Hengstenberg nennt als möglichen Grund für den offensichtlichen Fehler im Kanon des Ptolemäus, der Xerxes eine Regierungszeit von 21 Jahren einräumt, daß Ptolemäus bei der Aufzählung der Könige, die sich auf die Berichte alter Chronologen stützte, im Griechischen fälschlicherweise ia anstelle von ka gelesen habe — diese Wörter stehen im Griechischen für die Ziffern 11 und 21.
Erzbischof James Ussher von Irland (1581—1656) vertritt in seinem Werk Annales Veteris et Novi Testamentorum (Seite 131, unter der Überschrift „Das Persische Reich“), das er 1650 herausgab, die Ansicht, daß Artaxerxes Longimanus 474 v. u. Z. auf den Thron kam. Sein Datum wurde jedoch nicht in die Bibelanhänge aufgenommen. Die bekannten Schriftsteller Vitringa (1659—1722) und Krüger (1838) stimmen mit Ussher überein, indem sie als Zeitpunkt für die Thronbesteigung des Artaxerxes auf den persischen Thron das Jahr 474 v. u. Z. nennen.
d Band 9 des Werkes Cyclopædia of Biblical, Theological and Ecclesiastical Literature von M’Clintock und Strong behandelt „Die siebzig Wochen der Prophezeiung Daniels“ und schreibt auf Seite 602 unter der Überschrift „1. Zeitpunkt des Erlasses“ folgendes: „Wir haben angenommen, daß diese [Periode] eher von dem Zeitpunkt an zählt, da er [der Erlaß] in Jerusalem in Kraft trat, und nicht, als er in Babylon schriftlich herausgegeben wurde. Der Unterschied jedoch — es handelt sich lediglich um vier Monate — wird die Beweisführung nicht ernsthaft beeinflussen.“