Mexiko erlebt einen kulturellen Auftrieb
IN DEN vergangenen 30 Jahren haben durch die Bemühungen einer einzigartigen Gruppe von Freiwilligen über 54 000 Mexikaner lesen und schreiben gelernt. Mit Hilfe der besten verfügbaren Veröffentlichungen haben diese uneigennützigen Menschen auch vielen Tausenden geholfen, erhabene Grundsätze kennenzulernen, durch die ihre Lebensqualität wirklich verbessert und ihr kulturelles Niveau gehoben worden ist.
Das humanitäre Werk der Zeugen Jehovas hat sich über ganz Mexiko in einer gewaltigen Kettenreaktion ausgebreitet. Von 7 000 im Jahre 1950 ist die Zahl der Mitarbeiter bis zum Jahre 1977 um das Zwölffache, auf mehr als 90 000, angestiegen. Über 223 000 Personen besuchten die großen Kongresse, die im Jahre 1976 im ganzen Land stattfanden, und am 27. März 1975 waren bei der jährlichen Feier zur Erinnerung an den Tod Jesu 344 415 Personen anwesend.
Bei den fünf wöchentlichen Schulungszusammenkünften sind die örtlichen Studiensäle überall voll besetzt. In einigen Gegenden beträgt die Anwesendenzahl das Vierfache der einheimischen Zeugen. Die 25 Zeugen Jehovas in Vizcaino (Durango) freuten sich, zu einem besonderen Lichtbildervortrag, der von einem reisenden Aufseher gehalten wurde, 485 Personen willkommen zu heißen. Und von den 480 Personen, die diesem Programm in Las Huertas (Durango) beiwohnten, waren nur 11 Zeugen Jehovas.
Diese Gruppen wachsen schnell an und werden oft so groß, daß sie geteilt werden müssen. Im vergangenen Jahr wurden über 300 neue Gruppen, sogenannte compañías, gegründet. In Mexiko gibt es nun über 3 400 compañías, die der Bevölkerung dienen, über 460 davon im Gebiet von Mexico City.
KULTURELLER NUTZEN
Allein im vergangenen Jahr haben diese Gruppen über 3 000 Personen im Lesen und Schreiben so weit unterrichtet, daß sie jetzt lehrreiche Veröffentlichungen selbst studieren können. Eine Frau, die mit ihren Mitmenschen eifrig über das, was sie lernte, sprach, konnte selbst noch nicht richtig lesen und schreiben. Dennoch traf sie mit einer Hausfrau, die ebenfalls nicht lesen konnte, sofort Vereinbarungen, sie wieder zu besuchen, um sie zu belehren. „Aber wie willst du sie belehren, wenn du doch selbst noch nicht lesen kannst?“ fragte ihre Begleiterin sie. Diese entschlossene Mitarbeiterin gab einfach das, was sie selbst im Lese- und Schreibunterricht lernte, an ihre eigene Schülerin weiter.
Die Behörden sind von einem weiteren Nutzen dieses uneigennützigen Werkes beeindruckt. Viele Personen, die früher zusammen gelebt hatten, ohne gesetzlich getraut worden zu sein, änderten ihre Lebensweise, nachdem sie die hohen sittlichen Maßstäbe des Schöpfers kennengelernt hatten. In dem Gebirgsdorf Yahuio (Oaxaca) beispielsweise haben seit dem Jahr 1969 33 Paare ihre Ehe legalisieren lassen. Man kann sich vorstellen, wie erstaunt die Behörden sind, wenn selbst ältere Paare, die schon viele Jahre zusammen gelebt haben, kommen, um dies zu tun.
Der kulturelle Nutzen machte sich auch in Mexikos Gefängnissen bemerkbar. Mehreren Gefangenen, die ihre Strafen auf einer Strafinsel an der Pazifikküste verbüßen, ist geholfen worden, ihr Leben mit gerechten Grundsätzen in Einklang zu bringen. Eine Gruppe von ihnen hält nun auf der Insel regelmäßig Zusammenkünfte ab und hilft anderen Gefangenen, ihr Leben wieder in Ordnung zu bringen. Einigen Gefängnisinsassen in der Grenzstadt Tijuana wird gestattet, einen Gefängnissaal für ihre Zusammenkünfte zu benutzen. Sie haben das ganze Gefängnis in Zonen eingeteilt, so daß anderen Insassen systematisch Hilfe geboten werden kann. Sie nennen ihre Gruppe Compañía Libertad (Freiheitsgesellschaft).
Selbst Kriminellen, die sich noch auf freiem Fuß befanden, konnte geholfen werden. So war beispielsweise eine Gruppe von Zeugen auf der Heimreise von einem Kongreß von Banditen angehalten worden, die sie ausrauben wollten. Einer der Zeugen bat darum, den Anführer der Banditen unter vier Augen sprechen zu dürfen. Er fragte dann den Anführer, ob er ihn — einen ehemaligen Verbrecherkumpan — wiedererkenne. Dieser frühere Straftäter überreichte dem Anführer der Banditen einige lehrreiche Schriften, die ihm selbst geholfen hatten, sein Leben zu ändern. Der Bandit war daraufhin so erstaunt, daß er die Reisenden unversehrt ihres Weges ziehen ließ. Nun hat dieser Banditenführer sein Leben ebenfalls in Ordnung gebracht und leistet anderen eifrig Hilfe — statt ihnen Schaden zuzufügen.
Die Macht der Wahrheit und das Befolgen guter Grundsätze hat auch in anderer Hinsicht zu vorteilhaften Änderungen geführt. Ein Ehepaar, mit dem erst zwei Monate studiert worden war, drückte den Wunsch aus, mit anderen über das Gelernte zu sprechen. Man erklärte den beiden taktvoll, daß sie zunächst einige Änderungen in ihrer äußeren Erscheinung vornehmen müßten, um die Bescheidenheit widerzuspiegeln, die sich für diejenigen gezieme, die an diesem kulturellen Werk teilnähmen. Schon am nächsten Vormittag waren beide, sehr zur Überraschung all derer, die sie kannten, bescheiden und nett gekleidet anwesend, um sich an diesem Werk zu beteiligen. Noch in derselben Nacht hatte der Mann den Frisör aus dem Bett geholt und sich das Haar schneiden lassen, und seine Frau hatte ihre Kleider länger gemacht.
DEN WERT ERKANNT
Oft sind Personen, die den Wert dieses humanitären Werkes erkennen, überrascht, daß es kostenlos durchgeführt wird. Nachdem ein Mann eine Hochzeitsansprache gehört hatte, in der den Neuvermählten guter praktischer Rat erteilt worden war, fragte er, wieviel eine solche Ansprache koste. Als er erfuhr, daß dafür nichts verlangt werde und daß der Redner seine Fahrtauslagen selbst bestreite, rief er aus: „Als mein Sohn neulich heiratete, berechnete der Priester 1 500 Pesos (120 Dollar), und er sagte sonst überhaupt nichts!“ Man traf mit diesem Mann sofort Vereinbarungen, ihm beim Studium der gerechten Grundsätze, die zu einem solch uneigennützigen Dienst anregen, behilflich zu sein.
Ein katholischer Priester, der die lehrreichen Ansprachen eines reisenden Aufsehers in Colima (Colima) schätzte, lud den Redner zu sich nach Hause ein. Er sagte: „Ich möchte, daß Sie mir etwas über den Zustand der Toten erzählen, weil ich gerade meinen geliebten Neffen durch den Tod verloren habe.“ Wieso möchte ein Priester darüber etwas erfahren? Er machte folgendes Eingeständnis: „Um ehrlich zu sein — das, was ich anderen in einem solchen Fall erzähle, befriedigt mich im Augenblick nicht.“ Der Zeuge Jehovas berichtet: „Wir begannen sofort, gemeinsam die trostreichen Gedanken über den Zustand der Toten im Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt zu studieren.“
Auch die Mitglieder des „Circo Alegria“ (Zirkus der Freude), eines Wanderzirkus, der fast nur aus Zeugen Jehovas besteht, sind sich des Wertes regelmäßiger Zusammenkünfte, die dem Studium und der Pflege der Gemeinschaft dienen, bewußt. Wenn sie in Gegenden auftreten, wo Studiensäle in der Nähe sind, besuchen sie die Zusammenkünfte der betreffenden Gruppe und beteiligen sich mit ihr an dem kulturellen Werk, das sie unter der Bevölkerung durchführt. Aber wenn die Truppe ein abgelegenes Gebiet besucht, hält sie in einem der Zirkuswagen ihre eigenen Zusammenkünfte ab. Ja, obwohl Vorstellungen in kleineren Städten nicht soviel einbringen, entschließt sich die Truppe oft, solche Städte zu besuchen, um selbst in diesen abgelegenen Gebieten ihr uneigennütziges kulturelles Werk durchzuführen.
Auf diese Weise leisten Zehntausende von gewissenhaften Mitarbeitern den Bewohnern Mexikos einen ausgezeichneten Dienst, indem sie ihnen helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern und ihr kulturelles Niveau zu heben. Wahrlich, Mexiko erlebt einen kulturellen Auftrieb!